Entscheid vom 16. September 2021 - Entscheidsuche

Die Seite wird erstellt Viona Moritz
 
WEITER LESEN
Kantonsgericht von Graubünden
             Dretgira chantunala dal Grischun
             Tribunale cantonale dei Grigioni

Entscheid vom 16. September 2021

Referenz          ZK1 21 131

Instanz           I. Zivilkammer

Besetzung         Cavegn, Vorsitzender
                  Nydegger und Bergamin
                  Brunner, Aktuar ad hoc

Parteien          A._____
                  Beschwerdeführer
                  vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Gian Reto Bühler, Fryberg
                  Augustin Schmid, Quaderstrasse 8, 7000 Chur

Gegenstand        fürsorgerische Unterbringung

Anfechtungsobj.   ärztliche Einweisung (FU) vom 6. September 2021

Mitteilung        22. September 2021
Sachverhalt

A.    A._____, geboren am A._____ 1947, wurde mit Verfügung vom
6. September 2021 von Dr. med. B._____ gestützt auf Art. 426 und Art. 429 f.
ZGB für maximal sechs Wochen in der C._____ fürsorgerisch untergebracht. Als
Grund für die Einweisung wurde eine Agitation und Fremdgefährdung bei
bekannter bipolarer Störung und Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung
sowie Verweigerung der Medikation angeführt.

B.    Gleichentags erhob A._____ (nachfolgend Beschwerdeführer) frist- und
formgerecht Beschwerde beim Kantonsgericht von Graubünden (fortan
Kantonsgericht) und beantragte die sofortige Aufhebung der fürsorgerischen
Unterbringung.

C.     Mit Schreiben vom 7. September 2021 ersuchte der Vorsitzende der I.
Zivilkammer die Klinik C._____ unter Fristansetzung bis zum 8. September 2021
um einen kurzen Bericht zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, zur
Art der Behandlung und insbesondere darüber, inwiefern die Voraussetzungen für
eine weitere fürsorgerische Unterbringung aus ärztlicher Sicht gegeben seien.
Weiter forderte er die wesentlichen Klinikakten über den Beschwerdeführer an.

D.     Am 8. September 2021 reichte die Klinik C._____ den angeforderten
Bericht ein, worauf mit prozessleitender Verfügung des Vorsitzenden der I.
Zivilkammer gleichentags D._____, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
gestützt auf Art. 439 Abs. 3 ZGB in Verbindung mit Art. 450e Abs. 3 ZGB mit der
Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragt wurde.

E.     Nach Eingang des Gutachtens von D._____ vom 11. September 2021 fand
am 14. Septemeber 2021 die mündliche Hauptverhandlung vor der I. Zivilkammer
statt. Diese wurde aber abgebrochen, da der Beschwerdeführer offensichtlich
nicht in der Lage war, seine Rechte zu wahren. Daraufhin wurde
Rechtsanwalt lic. iur. Gian Reto Bühler als Rechtsvertreter eingesetzt und die
Hauptverhandlung am 16. September 2021 fortgesetzt.

Auf die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der richterlichen Befragung
sowie auf die Ausführungen im Gutachten und in den beigezogenen Akten wird,
soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

                                                                           2 / 11
Erwägungen

1.     Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine fürsorgerische
Unterbringung gemäss Art. 426 ff. ZGB. Das Kantonsgericht von Graubünden ist
hierfür einzige kantonale Beschwerdeinstanz (Art. 439 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB i.V.m.
Art. 60 Abs. 1 EGzZGB [BR 210.100]).

2.1. Das Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz richtet sich nach
Art. 450a ff. ZGB. Zu beachten sind sodann die allgemeinen
Verfahrensgrundsätze des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 443 ff. ZGB), die
auch im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anwendbar sind,
soweit das Gesetz in den Art. 450 ff. ZGB keine abweichenden Vorschriften
enthält (vgl. Lorenz Droese/Daniel Steck, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, N 13 zu Art. 450 ZGB). Dies
gilt namentlich für die in Art. 446 ZGB verankerte uneingeschränkte
Untersuchungs- und Offizialmaxime und das an gleicher Stelle festgeschriebene
Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Der Anwendungsbereich dieser
zentralen Verfahrensgrundsätze bezieht sich auf sämtliche Verfahren vor der
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und erstreckt sich – wenn auch teilweise
in abgeschwächter Form – nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses auch
auf die Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (vgl. Luca
Maranta/Christoph Auer/Michèle Marti, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler
Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, N 1 f. zu Art. 446 ZGB
m.w.H.). Aus Art. 450a ZGB wie auch aus Art. 5 Ziff. 4 EMRK ergibt sich
schliesslich, dass das Gericht Tat- und Rechtsfragen wie auch die
Angemessenheit frei überprüft und ihm von Bundesrechts wegen volle Kognition
zukommt.

2.2. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass das Gericht aufgrund eines
Gutachtens entscheiden muss, wenn die betroffene Person an einer psychischen
Störung leidet (Art. 439 Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 450e Abs. 3 ZGB). Das Gutachten
muss von einer unabhängigen, im laufenden Verfahren noch nicht involvierten
sachverständigen Person erstellt werden und in dem Sinne aktuell sein, dass es
sich zu den sich im gerichtlichen Verfahren stellenden Fragen äussern muss
(BGE 143 III 189 E. 3.2 f.; Thomas Geiser/Mario Etzensberger, in:
Geiser/Fountoulakis [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel
2018, N 48 ff. zu Art. 439 ZGB; Thomas Geiser, in: Geiser/Fountoulakis [Hrsg.],
Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 6. Aufl., Basel 2018, N 19 zu Art. 450e
ZGB). Mit dem Kurzgutachten vom 11. September 2021 von D._____, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, welcher den Beschwerdeführer am 9. September

                                                                             3 / 11
2021 persönlich in der Klinik C._____ untersucht hat, wurde dieser Vorschrift
Genüge getan (vgl. act. 06).

2.3. Gemäss Art. 450e Abs. 4 Satz 1 ZGB muss die gerichtliche
Beschwerdeinstanz die betroffene Person in der Regel als Kollegium anhören,
was faktisch zwingend zur Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung führt
(vgl. Christof Bernhart, Handbuch der fürsorgerischen Unterbringung, Basel 2011,
N 848 f.). Die Beschwerdeinstanz ordnet wenn nötig eine Vertretung der
betroffenen Person an und bezeichnet als Beistand oder Beiständin eine in
fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person (Art. 450e Abs. 4 Satz 2
ZGB).

Nachdem der Beschwerdeführer an der mündlichen Hauptverhandlung vom
14. September 2021 nicht in der Lage war, seine Rechte adäquat wahrzunehmen,
setzte der Vorsitzende Rechtsanwalt lic. iur. Gian Reto Bühler als Rechtsvertreter
des Beschwerdeführers ein und wiederholte die mündliche Hauptverhandlung am
16. September 2021 (vgl. act. 06, 08 und 09). Damit wurden die oben genannten
Vorgaben umgesetzt.

3.1. Neben der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde können gemäss
Art. 429 Abs. 1 ZGB auch die von den Kantonen bezeichneten Ärztinnen und
Ärzte eine fürsorgerische Unterbringung, welche die Höchstdauer von sechs
Wochen nicht überschreiten darf, anordnen. Dabei hat der einweisende Arzt die
betroffene Person persönlich zu untersuchen, anzuhören (vgl. Art. 430 Abs. 1
ZGB) und ihr anschliessend den Unterbringungsentscheid mit den gesetzlich
vorgeschriebenen Angaben auszuhändigen (vgl. Art. 430 Abs. 2 und 4 ZGB). Dies
bedeutet, dass die Untersuchung dem Einweisungsentscheid unmittelbar
vorauszugehen hat (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 20 ff. zu Art. 429/430
ZGB). Der einweisende Arzt muss sich gestützt auf eine klinische Untersuchung
und soweit möglich nach einem Gespräch mit der betroffenen Person eine
Meinung bilden (vgl. Olivier Guillod, in: Büchler et al. [Hrsg.], Erwachsenenschutz,
FamKommentar, Bern 2013, N 4 zu Art. 430 ZGB).

3.2. Dr. med. B._____ ist Facharzt für Allgemeine und Innere Medizin FMH in
G._____. Damit war er gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a EGzZGB in Verbindung mit
Art. 22 KESV (BR 215.010) als im Kanton zur selbstständigen Berufsausübung
zugelassener Arzt der Grundversorgung zur Anordnung einer fürsorgerischen
Unterbringung legitimiert. Die ärztliche Untersuchung fand am 6. September 2021
statt. Zudem enthält die Verfügung vom 6. September 2021 die gemäss Art. 430
Abs. 2 ZGB vorgeschriebenen Minimalangaben (vgl. act. 03.1).

                                                                                4 / 11
4.1. Gemäss Art. 426 Abs. 1 ZGB darf eine Person, welche an einer
psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder verwahrlost ist, in
einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung
oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Belastung und der Schutz von
Angehörigen und Dritten sind zu berücksichtigen (Abs. 2). Die betroffene Person
wird entlassen, sobald die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr erfüllt
sind (Abs. 3). Die Massnahme gelangt zur Anwendung, wenn eine Person der
persönlichen Fürsorge oder Pflege bedarf (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 6
zu Art. 426-439 ZGB). Die fürsorgerische Unterbringung dient dem Schutz der
betroffenen Person und nicht der Umgebung (vgl. dazu Botschaft zur Änderung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001, S. 7062 [zit.: Botschaft]). Eine
Fremdgefährdung darf für sich alleine daher nie ausschlaggebend für eine
fürsorgerische Unterbringung sein (BGE 145 III 441 E. 8.3 f.). Erste gesetzliche
Voraussetzung für eine Anordnung der Massnahme ist einer der drei
abschliessend genannten Schwächezustände: psychische Störung, geistige
Behinderung oder schwere Verwahrlosung. Erforderlich ist sodann eine sich aus
dem       Schwächezustand        ergebende      Notwendigkeit      der   Behandlung
beziehungsweise Betreuung. Weitere Voraussetzung ist, dass der Person die nötige
Behandlung oder Betreuung nicht auf andere Weise als durch eine Einweisung
beziehungsweise Zurückbehaltung in einer Einrichtung gewährt werden kann.
Gesetzlich verlangt ist schliesslich eine geeignete Einrichtung (vgl. BGer
5A_228/2016 v. 11.7.2016 E. 3.1). Die genannten Voraussetzungen bedingen sich
gegenseitig und sind nur in ihrem Zusammenhang verständlich. Der
Schwächezustand allein vermag eine fürsorgerische Unterbringung nie zu
rechtfertigen, sondern immer nur zusammen mit der Notwendigkeit einer
Behandlung oder Betreuung. Selbst bei Vorliegen einer solchen ist die
freiheitsbeschränkende Unterbringung aber nur gesetzeskonform, wenn der Zweck
der Unterbringung nicht mit einer milderen Massnahme erreicht werden kann
(Verhältnismässigkeitsprinzip) und die Unterbringung für den angestrebten Zweck
auch tauglich ist (vgl. Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 7 zu Art. 426 ZGB).

4.2.1. Zunächst ist zu prüfen, ob beim Beschwerdeführer einer der im Gesetz
genannten Schwächezustände vorliegt, welcher die persönliche Fürsorge
notwendig macht. Die psychische Störung umfasst die anerkannten
Krankheitsbilder der Psychiatrie, d.h. Psychosen und Psychopathien, seien sie
körperlich begründbar oder nicht (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7062). Psychische
Störung ist ein Begriff des Rechts, der sich aber auf die medizinische Terminologie
abstützt. Der Begriff ist aus der modernen Medizin entnommen und entspricht der

                                                                               5 / 11
Klassifikation der WHO (ICD; International Classification of Disturbances [vgl.
Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 15 f. zu Art. 426 ZGB]).

4.2.2. D._____ kam in seinem Kurzgutachten vom 11. September 2021 aufgrund
der Akten der Klinik C._____, Gesprächen mit der Bezugspflegeperson E._____
und der Stationsärztin Dr. med. F._____ sowie seiner eigenen Beobachtungen
anlässlich der psychiatrischen Untersuchung zum Schluss, dass beim
Beschwerdeführer eine bipolare affektive Störung mit gegenwärtiger gemischter
Episode (ICD-10 F31.6) sowie eine Intelligenzminderung vorliege (act. 07, Ziff. 6).
Bei der vorliegenden Diagnose handelt es sich um eine psychische Störung im
juristischen Sinne. Damit ist beim Beschwerdeführer der gemäss Art. 426 Abs. 1
ZGB für die fürsorgerische Unterbringung erforderliche Schwächezustand
grundsätzlich gegeben.

4.3.1. Eine weitere kumulative Voraussetzung für eine fürsorgerische
Unterbringung ist die sich aus diesem Schwächezustand ergebende
Notwendigkeit einer Behandlung bzw. Betreuung.

4.3.2. Die Klinik C._____ führt in ihrer Stellungnahme vom 8. September 2021 und
in den beiliegenden Unterlagen aus, der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner
Agitation bei bekannter bipolarer Störung und Intelligenzminderung mit
Verhaltensstörung sowie Verweigerung der Medikation eingewiesen worden. Er
habe zudem ein fremdgefährdendes Verhalten gezeigt, als er eine Pflegeperson mit
einem Messer bedroht habe. Der Beschwerdeführer weise eine gereizte
Grundstimmungslage bei verringerter Schwingungsfähigkeit und psychosomatischer
Anspannung auf. Auffällig seien teils schnelle, heftige Bewegungen (plötzliches
Aufstehen, Umhergehen, dem Personal sehr nahe kommen/Distanzminderung) und
verbale Aggression (Beschimpfungen, Androhung der Verweigerung der Einnahme
von Nahrung, Flüssigkeit und Medikamenten). Weiter sei eine Diskrepanz zwischen
fremdanamnestischen Angaben sowie den Aussagen des Beschwerdeführers
aufgefallen.     Eine    Einsichtsfähigkeit      hinsichtlich der   vorgefallenen
Fremdaggressionen sei nicht vorhanden gewesen, was auf die Akuität der
psychiatrischen Verdachtsdiagnose bipolare affektive Störung, gegenwärtige
hypomanische Phase (ICD-10 F31.0) zurückzuführen sei. Ebenso bestehe kein
Krankheitsgefühl und keine Krankheitseinsicht bezüglich der psychischen
Erkrankung (act. 04, S. 1).

4.3.3. D._____ hält in seinem Kurzgutachten fest, dass beim Beschwerdeführer
drei Aspekte vordergründig seien: die deutlich wechselnde Stimmungslage
innerhalb der Untersuchungszeit; die aller Wahrscheinlichkeit nach der

                                                                               6 / 11
Intelligenzminderung geschuldete Auffassungsstörung sowie die sehr einfache
Ausdrucksweise des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer sei hin- und
hergerissen zwischen Widerstand und sich der Situation ergebend, wobei diese
unterschiedlichen Haltungen durch die rasch wechselnden Stimmungslagen
moduliert seien. Die aufgrund der Aktenlage gesicherte Diagnose einer bipolar
affektiven Störung in Kombination mit einer Intelligenzminderung könne im Falle
einer Dekompensation einen derartigen Zustand bewirken. Unklar bleibe zwar der
auslösende Faktor der Dekompensation, klar sei jedoch, dass es zur
Stabilisierung des Beschwerdeführers noch Zeit brauche. Aufgrund seiner
verminderten Intelligenz und der dekompensierten Erkrankung habe der
Beschwerdeführer keine Krankheits- und Behandlungseinsicht (act. 0.7, Ziff. 5).

4.3.4. Sowohl im Bericht der Psychiatrischen Klinik C._____ als auch im
Kurzgutachten wird eine Notwendigkeit der Behandlung bejaht. Angesichts des
Gutachtens, der Stellungnahme der Klinik C._____ und der Akten scheint der
Beschwerdeführer auf die Einnahme der Medikamente zur Behandlung seiner
Erkrankung angewiesen zu sein. Es stellt sich aber die Frage, ob die
fürsorgerische Unterbringung in der Klinik C._____ angesichts des schweren
Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen im konkreten Fall und aktuell
noch als verhältnismässig erscheint.

4.4.1. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, dass eine fürsorgerische
Unterbringung nur verfügt bzw. nur solange aufrechterhalten werden darf, als mit
einer konkreten Selbst- oder Fremdgefährdung von einem gewissen Ausmass zu
rechnen ist. So hat das Bundesgericht festgehalten, dass es für die Beurteilung
des Behandlungs- bzw. Betreuungsbedarfs wesentlich sei, mit welcher konkreten
Gefahr für die Gesundheit oder das Leben der betroffenen Person bzw. von
Dritten zu rechnen sei, wenn die Behandlung der gutachterlich festgestellten
Krankheit bzw. die Betreuung unterbleibe (vgl. BGE 140 III 101 E. 6.2.2; 140 III
105 E. 2.4 m.H.). Gemäss Art. 426 Abs. 3 ZGB wird eine Person entlassen, sobald
die Voraussetzungen für eine Unterbringung nicht mehr erfüllt sind. Mit dieser
Umschreibung beabsichtigte der Gesetzgeber eine im Vergleich zum alten Recht
restriktivere Regelung der Entlassungsvoraussetzungen (vgl. Botschaft, a.a.O.,
S. 7063). Der Entscheid über die Entlassung ist stets anhand des Zustandes der
betroffenen    Person    im    aktuellen   Zeitpunkt    zu   bestimmen      (vgl.
Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 44 zu Art. 426 ZGB). Dabei ist eine
Interessenabwägung im Hinblick auf den Zweck der fürsorgerischen
Unterbringung, nämlich die Wiedererlangung der Selbständigkeit und der
Eigenverantwortung im Entlassungszeitpunkt, vorzunehmen. Aus dem Grundsatz

                                                                               7 / 11
der Verhältnismässigkeit ergibt sich des Weiteren, dass die nötige Behandlung
oder Betreuung nicht anders erfolgen kann als mit der Einweisung in eine
Einrichtung. Mit anderen Worten muss die Unterbringung in einer Einrichtung
geeignet sein, den Zweck der beabsichtigten Behandlung zu erfüllen, ohne dass
eine weniger einschneidende Massnahme genügen würde (vgl. dazu
Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 22 ff. zu Art. 426 ZGB; Olivier Guillod, in: Büchler et
al. [Hrsg.], Erwachsenenschutz, FamKommentar, Bern 2013, N 64 f. zu Art. 426
ZGB). Eine Unterbringung fällt gemäss der Botschaft zum neuen
Erwachsenenschutzrecht deshalb nur als ultima ratio in Betracht (Botschaft, a.a.O.,
S. 7062). Als leichtere Massnahme kommt den ambulanten Massnahmen und der
Nachbetreuung sowie der freiwilligen Sozialhilfe entscheidende Bedeutung zu
(Geiser/Etzensberger, a.a.O., N 24 zu Art. 426 ZGB).

4.4.2. Die Klinik C._____ empfiehlt in ihrem Bericht einen weiterführenden
stationären Aufenthalt zur medikamentösen Optimierung bis zur Stabilisierung des
psychischen Zustands. Bei medikamentöser Einstellung im ambulanten Bereich
bestehe aufgrund der Verweigerungstendenz ein erhöhtes Risiko für das
Wiederauftreten relevanter fremdaggressiver Verhaltensweisen. Sie erachtet
daher die Voraussetzungen der Aufrechterhaltung der fürsorgerischen
Unterbringung weiterhin als gegeben (act. 04, S. 2).

4.4.3. Auch der Gutachter erachtet die Unterbringung in einer psychiatrischen
Klinik aufgrund der wechselnden Stimmungszustände mit gegebenem
Aggressionspotential bis zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes
gegenwärtig als gerechtfertigt. Der stationäre Aufenthalt umfasse neben der
medikamentösen und pflegerischen Behandlung auch die Möglichkeit einer
effektiven Reizabschirmung. Diese notwendige Behandlung könne im ambulanten
Rahmen derzeit nicht angeboten werden. Bei fehlender Behandlung könne eine
erneute fremdaggressive Eskalation nicht ausgeschlossen werden. Eine
Notwendigkeit der Behandlung ohne Zustimmung bestehe nicht, da der
Beschwerdeführer bereit sei, die Medikamente in flüssiger Form einzunehmen
(act. 07, S. 3 f.).

4.4.4. Die Beschwerdeinstanz hat bei der Entscheidfindung auf den Zustand des
Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung abzustellen. Anlässlich
der Verhandlung vom 16. September 2021 konnte sich die Beschwerdeinstanz ein
Bild des Beschwerdeführers machen. Dieser war im Rahmen der
Gerichtsverhandlung zwar nicht in der Lage, die Fragen des Gerichts adäquat zu
beantworten, machte aber keinen aggressiven Eindruck. Aus seinen Aussagen
wurde klar, dass er einen weiteren Aufenthalt in der Klinik ablehnt und wieder in

                                                                                  8 / 11
seine gewohnte Umgebung im Alters- und Pflegeheim G._____ zurückkehren
möchte. Zur Klärung von offenen Fragen trugen die Ergänzungen der an der
Hauptverhandlung vom 16. September 2021 ebenfalls anwesenden Schwester
des Beschwerdeführers bei. Aus diesen ging hervor, dass der Beschwerdeführer
Mühe hat, die Medikamente in Tablettenform einzunehmen. Werde er dann
bedrängt, könne es kurzzeitig zu einer aggressiven Reaktion kommen. Der
Beschwerdeführer könne aber in der Regel leicht wieder beruhigt werden. Die
Einnahme der Medikamente sei zur Behandlung der Krankheit des
Beschwerdeführers wichtig, die Verweigerung beziehe sich aber nur auf die
Einnahme in Tablettenform. Die Medikation in Form von Tröpfchen, so wie sie in
der Klinik C._____ erfolge, gehe laut Aussagen des Klinikpersonals ohne
Probleme vonstatten. Diese Art der Medikamentenapplikation sei sicher auch im
Alters- und Pflegeheim möglich, sodass es nicht mehr zu einer aggressiven
Reaktion des Beschwerdeführers kommen sollte. Die Schwester führte weiter aus,
dass sie regelmässig mit dem Beschwerdeführer in Kontakt stehe. Sie habe dabei
festgestellt, dass sich der Zustand des Beschwerdeführers in der Klinik
verschlechtert habe. Im Alters- und Pflegeheim sei der Alltag des
Beschwerdeführers strukturiert und er könne regelmässig Spaziergänge
unternehmen, was für ihn äusserst wichtig sei. Die vom Gutachter erwähnte
Reizabschirmung könne sicherlich auch im Alters- und Pflegeheim erfolgen. So
könne er sich in seinem Zimmer aufhalten, wenn ihn die Situation in den
Gemeinschaftsräumen überfordere.

4.4.5. Bei dieser Ausgangslage kann die geforderte konkrete, unmittelbare und
erhebliche Fremd- bzw. Selbstgefährdung nicht erkannt werden, zumal eine
Selbstgefährdung nicht konkret genannt wird und eine Fremdgefährdung alleine
nicht ausreicht. Das einmalige aggressive Verhalten des Beschwerdeführers ist in
erster Linie auf die Verweigerung der Medikamenteneinnahme in Form von
Tabletten zurückzuführen. Wie die Klinik C._____ und der Gutachter bestätigen,
besteht aber keine grundsätzliche Verweigerung des Beschwerdeführers, die
Medikamente einzunehmen. Vielmehr nimmt der Beschwerdeführer seine
Medikamente in Tropfenform ohne Weiteres ein. Es ist nicht ersichtlich, wieso eine
solche Form der Medikation nicht auch im Alters- und Pflegeheim G._____
möglich sein sollte. Im Gegenteil, dieser Wechsel der Medikationsform erscheint
eine geeignete Lösung zu sein, um zukünftig aggressive Reaktionen des
Beschwerdeführers zu vermeiden. Weiter ist nicht ersichtlich, wieso eine laut
Gutachten notwendige Reizabschirmung nicht auch im Alters- und Pflegeheim
möglich sein sollte. Der Beschwerdeführer hat auch dort die Möglichkeit, sich falls
nötig auf sein Zimmer zurückzuziehen.

                                                                               9 / 11
Auch wenn der Beschwerdeführer sich als behandlungsbedürftig erweist und auf
Unterstützung zur Bewältigung seines Alltags angewiesen ist, rechtfertigt dies für
sich alleine noch keine fürsorgerische Unterbringung. Eine Unterbringung darf nur
gestützt auf ein hinreichend klares Gutachten und nur als ultima ratio in Betracht
fallen. Wenngleich dem Kurzgutachten von D._____ zu entnehmen ist, dass der
Verbleib des Beschwerdeführers in der Klinik C._____ für die Einstellung der
Medikation und der Reizabschirmung unerlässlich sei, ist die zwangsweise
stationäre Unterbringung in der Klinik C._____ aufgrund der Möglichkeit zur
Ergreifung milderer Massnahmen durch Wechsel der Medikamentenapplikation
von Tabletten- zu Tropfenform unverhältnismässig.

5.     Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der beim Beschwerdeführer
bestehende    Schwächezustand       zwar   behandelt    werden    muss,  die
Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung gemäss Art. 426 ZGB im
Zeitpunkt der Beurteilung jedoch nicht mehr gegeben sind. Daher ist die
vorliegende Beschwerde gutzuheissen und die fürsorgerische Unterbringung
aufzuheben.

6.1. Bezüglich die Kostenauflage verweist Art. 60 Abs. 2 EGzZGB subsidiär auf
die Bestimmungen der ZPO. Demnach sind die Prozesskosten gemäss Art. 106
Abs. 1 ZPO der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Vorliegend ist der
Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Entlassung aus der Klinik C._____
vollumfänglich durchgedrungen, womit die Kosten des Beschwerdeverfahrens von
insgesamt CHF 2'812.00 (CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr und CHF 1'312.00
Gutachterkosten) beim Kanton Graubünden verbleiben.

6.2. Die Kosten für die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers gehen
ebenfalls zu Lasten des Kantons Graubünden. Der Rechtsvertreter reichte
anlässlich der Hauptverhandlung vom 16. September 2021 eine Honorarnote ein.
Aus dieser ergibt sich ein Aufwand von 3.5 h zum Tarif der unentgeltlichen
Rechtsvertretung von CHF 200.00 zuzüglich 3 % Spesen und 7.7 % MwSt. (vgl.
Art. 5 Abs. 1 HV [BR 310.250]). Daraus resultiert ein Honoraranspruch von CHF
776.50. Dieser verrechnete Aufwand scheint für das vorliegende Verfahren
angemessen.

                                                                             10 / 11
Demnach wird erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gutgeheissen und die fürsorgerische Unterbringung
     wird aufgehoben. Die ärztliche Leitung der Klinik C._____ wird angewiesen,
     A._____ unverzüglich aus der fürsorgerischen Unterbringung zu entlassen.

2.   Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von insgesamt CHF 2'812.00
     (CHF 1'500.00 Gerichtsgebühr und CHF 1'312.00 Gutachterkosten) gehen
     zu Lasten des Kantons Graubünden.

3.   Die Kosten der Rechtsvertretung von A._____ von CHF 776.50 (inkl.
     Spesen und MwSt.) gehen zu Lasten des Kantons Graubünden und werden
     aus der Gerichtskasse bezahlt.

4.   Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 72 BGG Beschwerde in
     Zivilsachen an das Schweizerische Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,
     geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundesgericht schriftlich, innert 30
     Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in
     der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die
     Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen
     und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90
     ff. BGG.

5.   Mitteilung an:

                                                                           11 / 11
Sie können auch lesen