Erfahrungsbericht Zwei Semester an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne

 
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Erfahrungsbericht
              Zwei Semester an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne
                                      2018/2019

Ich habe ein unvergessliches Studienjahr 2018/2019 in Paris an der Université Panthéon-Sorbonne
verbracht und hoffe, dass ich mit diesem Erfahrungsbericht zum einen Fragen von bereits
angenommenen Studierenden beantworten kann und zum anderen die Unentschlossenen unter euch
für ein Auslands-Jahr begeistern kann.
Zunächst ein kleiner Aufruf: traut euch und bewerbt euch auch, wenn ihr keinen 13-Punkte-Schnitt
habt! Das ganze Spekulieren, welcher Super-Student sich für London, Paris oder Lausanne bewirbt, hat
mit Sicherheit schon dem einen oder anderen guten Studenten den Erasmus-Platz gekostet, obwohl
er ihn womöglich bekommen hätte, hätte er sich beworben.

Die Universität

Lästiges vorab: Die Verwaltung
inscription administrative
Das ist die allgemeine Anmeldung als Student an der Sorbonne, welche im Centre Pierre-Mendès-
France (Centre PMF) und nicht im Fakultätsgebäude beim Panthéon (wo auch das Erasmus-Büro in
Raum 311A ist) zu erledigen ist. Für die Anmeldung gibt es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die einem
zugeschickt wird. Hilfe findet man auch auf der Internetseite der Sorbonne unter
International/etudiants-etrangers/inscription-administrative.
Wichtig ist, dass man sich möglichst bald um den Studentenausweis kümmert, weil man sonst
Schwierigkeiten hat, in das Hauptgebäude der Sorbonne zu kommen.

Inscription pédagogique
Hier handelt es sich um alles, was mit der EDS, also der Jura-Fakultät zu tun hat.
Man sollte sich so früh wie möglich darum kümmern, die Ankunftsbestätigung für das Erasmus-
Stipendium unterschreiben zu lassen. Insbesondere dann, wenn man für zwei Semester bleibt, denn
dann muss man auf mindestens 240 Tage Aufenthalt kommen, um das Stipendium für 8 Monate zu
kriegen.
Beim learning agreement gibt es keinen Grund, sich zu beeilen. Man kann den Vertrag die ersten drei
Vorlesungswochen modifizieren und sollte sich auch diese Zeit nehmen, um alle Kurse zu besuchen,
die einen interessieren. Der Vorlesungsstil des Professors, die Größe des Kurses, die Uhrzeit, die Art
der Abschlussklausur usw. sind alles Faktoren, die bei der Kurswahl berücksichtigt werden sollten. Im
Zweifel ist es aber immer besser, zu viele Kurse zu belegen, als zu wenig. Nach den drei Wochen kann
man sich nämlich nur noch von Kursen abmelden und sich nicht mehr für welche anmelden. Im
schlimmsten Fall kann man die Klausur auch einfach nicht mitschreiben und die nicht bestandenen
Kurse nach Notenvergabe aus dem Zeugnis streichen lassen. Man verliert demnach nichts, wenn man
sich für ein paar Kurse mehr als notwendig anmeldet.

Die Vorlesungen
Es ist zwar allgemein bekannt, ich möchte es aber noch einmal betonen: die Vorlesungen in Frankreich
unterscheiden sich sehr von denen in Deutschland, besonders in Jura. In einem Raum zu sitzen, in dem
ein Professor sein Skript vorliest und alle 200 Studierenden das Gesagte Wort für Wort in ihren Laptop
tippen war für mich erstmal sehr gewöhnungsbedürftig. Man sollte sich deshalb schon gut überlegen,
ob man mit diesem Vorlesungsstil ein oder zwei Semester lang gut lernen kann.
Nach einer gewissen Zeit merkt man aber, dass erstens die französischen Studenten sehr hilfsbereit
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sind und einem auf Nachfrage ihre Mitschriften schicken. Zweitens halten manche Professoren die
Vorlesung nicht zum ersten Mal, weshalb sich oft in einer der vielen facebook-Gruppen bereits ein
fertiges Skript finden lässt. Drittens versteht man auch selbst nach einer gewissen Zeit immer mehr
und ist weniger auf die Hilfe der Franzosen oder die Solidarität der anderen Erasmus-Studenten
angewiesen.

Die TDs
Travaux dirigés (TD) sind Seminare, die parallel zu den Vorlesungen laufen. Man kann sie in etwa mit
unseren AGs vergleichen, nur dass sie anspruchsvoller und deutlich Zeit intensiver sind und vor allem
streng benotet werden. Es gibt einen sogenannten contrôle continu, was bedeutet, dass man über das
Semester verteilt umfangreiche Aufgaben bearbeiten muss, die benotet werden. Diese Aufgaben sind
in der Regel Fall-Bearbeitungen (cas pratique), Urteils-Kommentare (commentaire d’arrêt) oder
Aufsätze (dissertation). Am Ende des Semesters steht zusätzlich zu der Vorlesungs-Klausur noch eine
drei-stündige Klausur im TD an. Da ich keinen TD besucht habe, kann ich nicht wirklich beurteilen,
inwiefern es sich lohnt, einen zu belegen.

Die Klausuren und Anrechnung in Heidelberg
In Frankreich kann man insgesamt 20 Punkte erreichen, mit 10 hat man bestanden. Besonders
schwierig sind die Klausuren ohne TD nicht, da es sich meistens nur um auswendig lernen handelt. Zeit
sollte man trotzdem ausreichend einplanen, weil die Skripte teilweise über 100 Seiten lang sind und
jedes Detail abgefragt werden kann.

Um sich die große Übung Öffentlichen Recht anrechnen zu können, muss man zwei schriftliche
Klausuren im öffentlichen Recht, davon mindestens eine im nationalen Recht bestehen. Viele
Professoren bieten eine mündliche Prüfung für Erasmus-Studierende an, weshalb man ein bisschen
nach passenden Vorlesungen gucken muss. Ich bin vor allem bei den Kursen für die licence
internationale (z.B. für den Köln-Paris-Studiengang) fündig geworden, da dort oft Klausuren
geschrieben werden, auch wenn man kein TD belegt hat.

Das Angebot der Universität
Fragt man sich manchmal in der Vorlesung, woher die Sorbonne ihren ausgezeichneten Ruf hat,
bekommt man schnell die Antwort in den Vorträgen, Kolloquien, Workshops, usw., die en masse an
der Universität von hochkarätigen Wissenschaftlern und Politikern angeboten werden. Die Sorbonne
hat mehrmals in der Woche bedeutende Personen aus den Bereichen Rechtswissenschaft, Wirtschaft
und Philosophie zu Gast. Ein einzigartiges Angebot, das man unbedingt nutzen sollte!

Good to know
   - Für die Bibliotheken der Sorbonne (Cujas, Sainte-Geneviève) braucht man jeweils einen Bib-
       Ausweis, den man vor Ort erstellen lassen kann.
   - Die Uni liegt mitten im historischen und gleichzeitig lebendigen und studentischen Quartier
       Latin, wo man eine beeindruckende Auswahl an Möglichkeiten für die Mittagspause findet.
   - Wenn man L1 oder L2 Vorlesungen hat, sind die nicht im Hauptgebäude der Fakultät oder in
       der Sorbonne, sondern im Centre René Cassin. Die Sprachkurse, für die man sich am Anfang
       des Semesters anmelden kann, finden i.d.R. im Centre PMF statt.
   - Die Uni hat ein riesiges Sportangebot, das man kostenlos nutzen kann. Man muss sich nur
       rechtzeitig anmelden.
   - auf den Studentenausweis kann man, wie in Heidelberg, Geld laden, um damit in den CROUS-
       Mensen essen zu gehen (carte Izly).

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-   falls ihr ein Praktikum an die Vorlesungszeit anschließen möchtet, müsst ihr euch rechtzeitig
        (mind. drei Wochen vor Praktikumsbeginn!) um eine convention de stage kümmern. Das ist
        ein Praktikumsvertrag zwischen der Sorbonne, der Praktikumsstelle und euch. Ohne diesen
        Vertrag geht in Frankreich praktikumstechnisch nichts.

Die Unterkunft

Da Paris sehr teuer ist und man in den ersten Wochen genug mit der Uni zu tun hat, sollte man sich
möglichst früh Gedanken darum machen, wie und wo man unterkommen möchte.
Die Cité Universitaire (CIUP), die Studentenwohnheime vom CROUS, „chez l’habitant“ oder ähnliche
Konzepte, bei denen man mit Parisern zusammen wohnt (i.d.R. ältere Paare, welche die alten
Kinderzimmer vermieten), WGs (eher außerhalb von Paris) und chambres de bonne sind die mir
bekannten günstigsten Alternativen. Ansonsten kann man sich alleine (z.B. über leboncoin.fr,
facebook-Gruppen) oder über eine Agentur ein studio (1-Zimmer-Wohnung) suchen.
Ich habe in der Cité Universitaire im Marokko-Haus gewohnt. Dafür musste ich mich bis Ende Juni beim
deutschen Haus, dem Maison Heinrich Heine (MHH), bewerben (wichtig: man braucht ein Gutachten,
um das man sich rechtzeitig kümmern sollte und auch sonst ist die Bewerbung sehr umfangreich!).
Ich lege jedem wärmstens an Herz, sich dort zu bewerben. Die Cité beherbergt in 40 Häusern
Studierende aus aller Welt und war mein Ruhepol in der hektischen Großstadt. Man lernt dort tolle
Leute kennen und hat so gut wie alles, was man zum Leben braucht: eine BNP-Paribas-Filiale (Bank),
eine Post-Filiale, eine wunderschöne Bibliothek, eine Mensa, Sport-Anlagen und große Grünflächen.
Außerdem ist man innerhalb von 15 min an der Uni und das MHH hat ein beeindruckendes
Kulturprogramm (an dem man auch als Externer teilnehmen kann).

To-Do-Liste am Anfang des Aufenthalts

Sobald man seine Wohnung gefunden hat, kann man sich freuen, seine Wohnsitzbescheinigung
mehrfach ausdrucken, ein paar Passbilder machen und sich um die nächsten Schritte kümmern:

1. Bank-Konto eröffnen (z.B. bei der BNP oder der Société Générale).

2. Carte Imagine-R (350€ für ein ganzes Jahr, lohnt sich vor allem für zwei Semester) oder Pass Navigo
(70€/Monat) bei der RATP beantragen (métro-Nutzung). Es dauert mindestens drei Wochen, bis die
Karte im Briefkasten liegt, insofern sollte man sich so früh wie möglich darum kümmern.
Übrigens: an das métro-Abo lässt sich ganz leicht ein Vélib‘-Abonnement (Stadt-Fahrräder) für 2,30 €
im Monat koppeln.

3. Wohngeld (aide au logement) bei der CAF beantragen (dafür braucht man eine internationale
Geburtsurkunde).

4. Handy-Vertrag abschließen. Lohnt sich am ehesten, wenn man für ein Jahr bleibt. Ich habe wegen
der abgeschafften Roaming-Gebühren darauf verzichtet, hätte eine französische Nummer aber in
manchen Situationen gut gebrauchen können.

Das Geld

Dass Paris teuer ist, ist keine Neuigkeit. Die Mieten liegen nur sehr selten unter 500€ und auch sonst
sind die Lebenshaltungskosten höher als in Heidelberg. Vielleicht helfen die folgenden Tipps, um die
Ausgaben etwas in Grenzen zu halten:
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-   sich früh um eine günstige Unterkunft kümmern (Fristen bei CROUS und CIUP beachten)
    -   Großeinkäufe am besten bei Lidl oder bei den großen Filialen von Carrefour, Auchan usw.
        erledigen und die kleinen City-Supermärkte meiden
    -   das CROUS-Angebot nutzen! CROUS hat in der ganzen Stadt verteilt Mensen, von denen die
        meisten wirklich gut sind. Dort kriegt man für 3,25€ ein halbwegs ausgewogenes Menü. Meine
        Favoriten sind Rue Mazet und Cité U.
    -   aide au logement bei der CAF beantragen (ca. 1/5 der Miete wird vom Staat übernommen)
    -   mit Freunden kochen (dann lernt man auch neue Küchen kennen, wie ich z.B. die
        marokkanische)
    -   die Bars und Cafés raussuchen, in denen ein Bier nicht 8€ kostet. Eine bekannte Adresse ist
        z.B. das Nouvel Institut im 5ème gegenüber vom Institut du Monde Arabe.

Von A nach B in Paris

Um sich in Paris fortzubewegen, kommen in erster Linie die métro und die schnelleren RER in Frage.
Busse gibt es auch, allerdings kommen die nicht besonders schnell voran, da die Pariser nicht viel von
geordnetem Autofahren und Ampeln respektieren halten.
Mit dem oben erwähnten Vélib‘-Abonnement kann man mit seiner Navigo-Karte eins der grünen
Stadträder, die an jeder Straßenecke stehen, freischalten. Spätestens, wenn man nachts um vier
kilometerweit von zuhause entfernt ist und keine métros mehr fahren, schätzt man diese Möglichkeit
sehr! Ansonsten muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er sich das Rad fahren tagsüber im Pariser
Stadtverkehr zutraut oder nicht.
Im letzten Jahr haben sich außerdem die Limes, Birds usw. (E-Roller) in Paris etabliert. Diese zu
benutzen kostet allerdings viel Geld.
Ich war auch sehr viel zu Fuß unterwegs, weil Paris letztendlich doch nicht so groß ist und ich deutlich
mehr Freizeit als in Heidelberg hatte.
Allgemein hat die Erfahrung gezeigt, dass man immer mindestens eine halbe bis ¾ Stunde Weg
einplanen sollte.

Leute kennenlernen in Paris

Erasmus-Studierende kennenzulernen ist sehr leicht, denn alle sind neu und alleine in der Stadt. Die
Universität bietet eine Einführungswoche an, die einen Sprachkurs und eine Einführung in das
französische Recht beinhaltet. Neben dem universitären Angebot gibt es zahlreiche Organisationen,
die über das ganze Jahr viele Veranstaltungen für internationale Studenten anbieten. Die bekannteste
ist wohl ESN, die ihre eigene Einführungswoche mit Stadtvierteltouren organisiert (am Anfang am
besten die facebook-Seite abonnieren, dann verpasst man keine Veranstaltungen). Ansonsten findet
man auch durch die Sprachkurse oder das Sport-Angebot der Universität gut Anschluss.

Franzosen kennenzulernen ist deutlich schwieriger, weil die schon ihre festen Freundesgruppen an der
Uni haben. Eine Möglichkeit, um doch noch echte französische Freunde zu finden sind die zahlreichen
Hochschulgruppen (les associations) der Sorbonne: von der Segel-Gruppe über das Uni-Orchester bis
hin zum Debattierclub ist eigentlich alles dabei. Auch über die TDs oder den Hochschulsport kann man
Kontakte mit Franzosen knüpfen.

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Paris entdecken

Das Kulturangebot in Paris ist schier unendlich und an jeder Ecke gibt es Cafés und Bars. Man kann sich
also gut ein Jahr damit beschäftigen, die Stadt zu erkunden.
Paris hat zwei ganz große Vorteile: erstens kann man in Frankreich als Europäer unter 26 Jahren fast
alle Museen und Nationalgebäude kostenlos besichtigen, oft reicht der Personalausweis als
Eintrittskarte. Zweitens könnte Frankreich kaum zentralistischer sein. Das bedeutet, dass alles, was
wichtig ist (also die höchsten Gerichte, das Parlament, der Präsident, alle renommierten Universitäten
und Grandes Ecoles, alle tollen Museen, alle berühmten Ballett-Compagnien und Sinfonie-Orchester
usw.) exklusiv in Paris zu finden ist.
Regelmäßig sind an Wochenenden auch Groß-Veranstaltungen in der Stadt wie z.B. die lange Nacht
der Museen und man kommt mit der Navigo oder Imagine R in die Umgebung von Paris und kann so
z.B. Versailles oder Fontainebleau entdecken. Langweilig wird es also definitiv nicht in der Hauptstadt.

Persönliches Fazit

Der Aufenthalt in Paris war eine wunderbare Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte. Ich bin
froh, für zwei Semester gegangen zu sein, weil ich das Studium in der zweiten Hälfte deutlich
entspannter angehen konnte. Ich bin froh, nach Paris gegangen zu sein, weil kein einziges Mal
Langeweile aufkam und die Stadt (von Tauben und dreckiger U-Bahn mal abgesehen) wunderschön ist.
Und ich bin froh, nach dem vierten Semester von Heidelberg weg gegangen zu sein, weil ich so die
Kleinstadt noch einmal mehr schätzen gelernt habe und mit neuem Elan in die zweite Hälfte des
Studiums starten kann (und keine Verwaltungsrechts-Hausarbeit schreiben muss…).

Egal ob Paris, Bergen oder Bologna, kann ich jedem nur wärmstens empfehlen, mindestens ein
Semester ins Ausland zu gehen. Das Freiheitsgefühl, das man dort hat, ist unbeschreiblich und die
Begegnungen mit Menschen aus aller Welt sind unglaublich bereichernd.
Man kommt als offenerer und selbstbewussterer Mensch zurück und profitiert mit Sicherheit noch
lange von den universitären und persönlichen Erfahrungen, die man fernab von zuhause gemacht hat.

Falls ihr noch Fragen habt, Tipps oder Infos braucht, könnt ihr euch gerne per Mail an mich wenden:
janina.klasen@stud.uni-heidelberg.de

Janina Klasen

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