Teilnehmerbericht - Leonardo da Vinci Praktikum in St. Andrews - Von Robert Bittner Lette Verein, Technische Berufsfachschule (Chemie-Biologie) ...
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Teilnehmerbericht – Leonardo da Vinci Praktikum in St. Andrews Gatty Marine Laboratory, St. Andrews (Schottland) Von Robert Bittner Lette Verein, Technische Berufsfachschule (Chemie-Biologie) robert.bittner@yahoo.de
Vorwort Durch das große Engagement meiner Lehrerin Frau Ebeling, ergab sich für mich die Möglichkeit als Technischer Assistent für Biologie und Chemie am Lette Verein im Juni 2007, ein im Rahmen der EU gefördertes Auslandspraktikum durchzuführen. Dieses Angebot nahm ich gerne an und erhielt nach einigen erfolglosen Bewerbungen eine Zusage von Frau Dr. Sabine Gerbersdorf, die als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Meeresbiologischen Institut von St. Andrews in Schottland tätig war. Hier verbrachte ich sechs Sommmerwochen im August und September 2007. Mit dem folgenden Bericht möchte ich nun einen Eindruck über meine persönlichen und beruflichen Erfahrungen vermitteln. Der Praktikumsort St. Andrews ist eine kleine Stadt an der Ostküste Schottlands, circa 100 Kilometer nördlich von Edinburgh. Berühmtheit hat sie vor allem durch ihre Universität, welche die älteste Schottlands und drittälteste des Vereinigten Königreichs darstellt, sowie die wohl älteste Golfanlage der Welt (The Old Course) erlangt. Das Stadtleben spielt sich vor allem auf den drei Hauptstraßen North-, Market-, und Southstreet ab. Hier befinden sich diverse Restaurants, Kneipen, ein Kino, sowie ein fast durchgängig geöffneter Tesco-Supermarkt. Zwei wunderschöne, lang gezogene Sandstrände, sowie eine alte Burg- und Kathedralenruine runden das Stadtbild ab, welches vor allem durch die alten, aber sehr gut gepflegten Stadthäuser geprägt ist. Die Stadt entspricht, wie ich aus einigen Gesprächen und durch eigene Erfahrungen erfuhr, nicht der typischen schottischen Kleinstadt. Sie ist vor allen Dingen durch den Golftourismus und den guten Ruf der Universität bedingt, deutlich reicher, was sich auch in den etwas höheren Preisen wiederspiegelt. Während meines Aufenthalts war die Stadt sehr ruhig. Das studentische Leben fand auf Grund der Semesterferien leider Blick auf den Sandstrand am Institut (Southbeach) fast nicht statt und Touristen, sowie Golfer prägten das Stadtbild. Das Meeresbiologische Institut, dass Gatty Marine Laboratory – kurz Gatty - liegt direkt am südlicheren der beiden Sandstrände und umfasst ein modernes, dreistöckiges Hauptgebäude, sowie einen etwas älteren Bau, der während meines Aufenthalts renoviert wurde. Meine Unterkunft befand sich in der Studentenwohnheimanlage Albany Park in direkter Nähe zum Institut. Diese setzt sich aus zahlreichen einfachen, zweistöckigen Häusern zusammen, in denen sich jeweils etwa vier Studentenwohnungen befinden, die Platz für vier bis sechs Personen bieten. Meine Wohnung teilte ich mir zu Beginn mit drei anderen postgradute students. Mein Zimmer war einfach, aber mit Bett, Schrank und Tisch zweckmäßig eingerichtet. Es gab ein Gemeinschaftsbad und ein Wohnzimmer mit Küche. Meine Unterkunft in St. Andrews, Albany Park
Die drei Mitbewohner hätten unterschiedlicher nicht sein können. Jason, Engländer und PhD für Physik, war sehr zurückgezogen und redete nur, wenn ich ihn direkt etwas fragte. Eine Konversation kam so leider nicht zu Stande. Das höchste der Gefühle war ein schweigsames gemeinsames vor dem Fernseher sitzen mit Tiefkühlpizza in der Hand. Mit Frederico, einem lebhaften Sardinier und Pharmazie Studenten, hingegen kam ich sehr gut zurecht. Die Hälfte der Zeit war er jedoch leider im Urlaub in Italien. Auch James lebte nur die ersten zwei Wochen meines Aufenthalts in der Wohnung, schrieb eigentlich durchgängig an seiner Master Arbeit und flog nachdem er diese beendet hatte zurück in die USA. Mein Praktikumsbetrieb und Arbeitsaufgaben Im Gatty war ich tätig für die Arbeitsgruppe Sediment Ecology Research Group (SERG). Deren ursprüngliche Labore im Altbau wurden während meines Aufenthalts gerade komplett renoviert, so dass sich meine Arbeit hauptsächlich im so genannten Teaching Lab im Neubau abspielte. In diesem wurden während der Studienzeit die Studenten für Meeresbiologie unterrichtet. Das Labor war ausgestattet mit zahlreichen länglichen Arbeitstischen, auf denen sich die Arbeitsgeräte befanden. Zu diesen gehörten u.a. Zentrifugen, ein Fotometer, ein Gefrierschnittmikrotom, ein PC, mehrere Trockenschränke, in denen die Glasgeräte aufbewahrt wurden, sowie zur Reinigung der Gebrauchsgegenstände eine Wanne mit Reinigungslösung und eine mit destilliertem Wasser. Zudem gab es mehrere Kühlschränke und Eisfächer zur Aufbewahrung von Lösungen und Proben, zwei Chemikalienschränke, ein Mikroskop und mehrere Fässer mit flüssigem Stickstoff. Dem Labor merkte man den Übergangszustand an, da alles immer ein wenig durcheinander und Arbeitsgeräte manchmal nur schwer zu finden waren. So musste ich mir vor den Versuchen so manches mal zunächst die Gegenstände zusammensuchen oder auch – da manches nicht da war - improvisieren. Zu der Arbeitsgruppe gehörte meine Bezugsperson Sabine, die PhD Studenten Nathalie und Kathy, der Techniker Irvine und die Doktoranten Emma, Brian und James. Professor Peterson war der Chef der Gruppe, hielt sich aber bis auf die wöchentlichen Besprechungen im Hintergrund. Meine Arbeitszeit war relativ flexibel und dauerte ungefähr von 9 Uhr bis 17 Uhr, wobei es auch mal früher oder später werden konnte. Man traf sich um 11 und 16 Uhr zur teatime, wobei ich bei Letzterer aus Zeitmangel fast nie war. Meine Mittagspause konnte ich mir je nach Arbeitslage frei einteilen und dauerte in der Regel eine Stunde. Hier hatte ich auf Grund der Nähe meiner Unterkunft zum Institut den Vorteil, dass ich mir in meiner Wohnung etwas kochen konnte. Im Institut arbeitete ich hauptsächlich für Sabine. Sie forschte an dem Einfluss den Bakterien mit der Ausscheidung von Extrapolymeren Substanzen (EPS), das sind hauptsächlich Kohlenhydrate und Protein, auf die Stabilität von ufernahen Meeresbodensediment ausüben. Zunächst lernte ich an Hand von eingefrorenen Proben eines schon abgeschlossenen Experimentes zu dem Thema, wie man eine fotometrische Kohlenhydrat- und Proteinbestimmung durchführt. Dabei zeigte mir eine Studentin, die dort ebenfalls ein Praktikum machte, das Verfahren. Sehr bald führte ich dieses dann schon selbständig mit größeren Probenmengen aus. Hierzu musste ich leider die meiste Zeit allein in einem vom Hauptgebäude separaten Gebäude arbeiten, da die benötigten Chemikalien (Schwefelsäure, Phenol, Folin-Reagenz) nur unter dem dort vorhandenen Abzug gehandhabt werden durften. Weiterhin erlernte ich, wie man mit flüssigem Stickstoff gefrorene Probenkerne an einer rotierenden Schleifmaschine präpariert und anschließend mit einem Gefriermikrotom in die unterschiedlichen Tiefen zerschneidet.
Das Material wurde jeweils in Eppendorfgefäßen aufgefangen, daraus mit Wasser Kohlenhydrate und Proteine extrahiert und der Überstand nach Abzentrifugieren auf zahlreiche Unterproben für die anschließende Kohlenhydrat- und Proteinbestimmung verteilt. Die ersten Wochen vergingen so sehr kurzweilig, da ich sehr viel Neues erlernte. In der zweiten Wochen war ich zudem drei Tage mit Emma, Irvine und Nathalie draußen im Watt um Proben zu sammeln. Wie man links auf dem Foto sieht, musste man lustige Kunststoffanzüge tragen, die aber im Matsch auch absolut benötigt wurden. Die Exkursionen waren sehr schön, da es sonnig war und eine interessante Erfahrung. Froh es geschafft zu haben, war ich nach den drei Tagen jedoch schon. Denn erstens musste man sich nach dem Gezeitenkalender richten, um die Ebbe abzupassen, d.h. in unserem Fall circa sieben Uhr morgens losfahren und zweitens war es auch einfach verdammt anstrengend den Boller- Nathalie, Emma und ich beim Probensammeln im Watt wagen stundenlang durch den Matsch zu ziehen. In den letzten beiden Wochen startete Sabine ein neues Bakterienexperiment zur Sediment- stabilität. Es sollte herausgefunden werden, wie viel und in welchem zeitlichen Verlauf die Bakterien EPS produzieren und wie sich dieses auf die Sedimentstabilität auswirkt. Hierzu befüllte ich zunächst Plastikboxen mit zahlreichen sehr kleinen Glasbällen (glasbeats), die ein idealisiertes, da ungeladenes Sediment darstellen sollten. Die Boxen wurden mit Seewasser aufgefüllt und mit Bakterien ohne Nutrients und mit Nutrients, sowie zum Vergleich ganz ohne Bakterien beimpft. Alle paar Tage musste ich die Sedimentstabilität mit dem so genannten Cohesive Strength Meter (CSM) bestimmen. Dieses feuert einen dünnen Wasserstrahl mit steigendem Druck automatisch auf die Sedimentoberfläche und registriert mit einem Lichtsensor aufgewirbeltes Sediment. Hierbei ist der zum Aufwirbeln benötigte Wasserstrahldurck proportional zur Sedimentstabilität. Um die Daten zu verifizieren, wurde zudem das so genannte Magnetic Device, Marke Eigenbau vom Institut, eingesetzt. Mit diesem konnte man die Stromstärke bestimmen, die benötigt wurde um Eisenpartikel vom Sediment anzuheben. Zudem wurden regelmäßig mit flüssigem Stickstoff Bohrkerne aus den Boxen entnommen und deren EPS- Gehalt in den einzelnen Schichttiefen, auf die schon beschriebene Art und Weise analysiert. Das Experiment war für mich mit sehr großem Arbeitsaufwand verbunden, da ich alle Arbeitsschritte bis auf die Das Magnetic Device wird für den Versuch justiert Magnetic Device Bestimmungen, welche von Sabine durchgeführt wurden, alleine durchführt.
Dies hat mir sicherlich viel Erfahrung gebracht. Neben der Vertiefung der einzelnen Techniken, besonders im Bereich einer guten Versuchsplanung und im selbstständigen Lösen von Problemen Allerdings habe ich gerade in den letzten Wochen etwas die Arbeit im Team und die gemeinsamen Pausen vermisst. Zur Freizeitgestaltung: Schon am ersten Wochenende konnte ich mir einen guten Überblick über St. Andrews verschaffen. Die Innenstadt lag zu Fuß etwa zwanzig Minuten von meinem Wohnheim entfernt und man konnte sie über einen sehr schönen Weg am Strand entlang erreichen. Unter der Woche war ich oft nach der Arbeit zu erschöpft für größere Aktivitäten und ging meistens spazieren oder war auf einem kleinen Küstenpfad, der einen herrlichen Blick auf die Stadt bot, joggen. Ab und zu ging ich auch in das kleine Stadtkino oder gönnte mir einen Besuch in den in Schottland sehr beliebten Fast Food Restaurants. Die Wohnung empfand ich auch als relativ komfortabel, da es einen Internetanschluss gab und im Wohnraum einen Fernseher. Mit meinen Mitbewohnern, besonders Frederico, kam ich dort oft ins Gespräch oder man sah zusammen fern. Zum Englischlernen war dies sehr günstig, da ohne den schottischen Akzent gesprochen wurde, der im Labor teilweise Verständigungsprobleme schuf. Am Wochenende bin ich viel herumgefahren. So war ich zweimal in Edinburgh und einmal in Dundee. Edinburgh hat mir sehr gut gefallen. Die Stadt besitzt auf der einen Seite durch die vielen alten Gebäude und das imposante Schloss, welches auf einem Hügel über allem thront, ein mittelalterliches Flair. Die Moderne ist aber sehr gut integriert und man hat das Gefühl, dass alles voller Leben steckt. Ich hatte das Glück, das ich zur Zeit des Edinburgh Festivals da war. In der Innenstadt waren zahlreiche Artisten und Akrobaten, die ohne Gage auf der Straße performten. Dabei wirkte alles jedoch nicht aufgesetzt touristisch, sondern sehr authentisch. Auf dem Edinburgh Castle selbst war ich auch, wobei jeder für sich Streetperforming wissen muss, ob er zwölf Pfund Eintritt bezahlen will. Oben jedoch hatte man einen sehr guten Ausblick über die Stadt und konnte gleich vier verschiedene Ausstellungen besuchen, wobei ich die schottischen Kronjuwelen und die Memorial Church für die Kriegsgefallenen sehr beeindruckend fand. Umsonst hingegen, aber nicht weniger schön, war das National Museum of Scotland, in dem ich viel über die schottische Geschichte erfuhr und an das zudem auch noch ein Naturkundemuseum angeschlossen war. Der Höhepunkt meines Schottlandaufenthalts war für mich jedoch eine Highlandtour, auf die ich mich zusammen mit einem guten Freund aus Berlin begab. Sabine hatte mir einen Arbeitstag frei gegeben, so dass Blick hinunter vom Edinburgh Castle ich eine dreitägige Bustour durch die schönsten Regionen Schottlands buchen konnte. In einer Reisegruppe von etwa 30 Leuten, die meisten Studenten oder Rucksacktouristen, fuhren wir von Edinburgh in einer großen Schleife bis zur Isle of Skye im Nordosten, wobei wir jeweils an den größten Attraktionen Halt machten.
So besuchten wir unter anderem eine Whiskey Destillerie, einen steinzeitalterlichen Kultort, machten Halt am Edradour Castle aus dem Higlander Film und Loch Ness, sowie den bedeutendsten Schlachtfeldern zwischen den Schotten und den Engländern. Wir erfuhren eine ganze Menge über die schottische Geschichte und konnten die herrliche Landschaft genießen. So eine Rundreise hat den großen Vorteil, dass man sehr viel in kurzer Zeit sieht und Ideen für zukünftigere Reisen bekommt. Sehr schön war auch ein Ausflug auf den mich Sabine an meinem letzten Wochenende einlud. Zusammen mit ihrem kleinen Sohn fuhren wir mit einer Fähre auf die naturgeschützte Isle of May. Dort hatten wir zwei Stunden Aufenthalt und konnten bedrohte Vogelarten und Pflanzen beobachten. Einige Impressionen aus Schottland: Highland Panorama Unser Reiseführer zur Kunst des Kilt Tragens Am Loch Ness kanns ganz schön kalt sein William Wallace Monument, Sterling
Fazit – Gewonnene Erfahrungen beim Auslandspraktikum Das Praktikum war für mich, sowohl beruflich, als auch privat gesehen, eine sehr wertvolle Erfahrung. Ich habe gemerkt, dass ich mit dem in der Ausbildung Gelernten im Forschungsalltag etwas anfangen kann und mich im Labor gut zurechtfinde. Dabei ist der entscheidende Punkt nicht, dass ich die Methoden schon alle kenne, sondern dass ich in der Lage bin, mich in alles einzuarbeiten. Allgemein habe ich gelernt, dass Forschung in keinem Fall so gradlinig ist, wie in den Schulexperimente, sondern dass immer wieder Probleme auftreten, aus denen man, wenn überhaupt, nur durch viel Herumexperimentieren und Literaturrecherche herausfinden kann. Mir hat dieses Improvisieren Spaß gemacht, allerdings hat mir beim Praktikum etwas die Arbeit im Team gefehlt. Ganz wichtig war es für mich auch zu merken, dass ich mich sprachlich im Privaten und Beruflichen mit einigen ersten Anlaufschwierigkeiten gut verständigen kann und mir somit die Berührungsängste genommen wurden. Ich kann mir jetzt gut vorstellen später noch einmal für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Auch weil es einfach Spaß macht eine neue Kultur und Menschen, die anders ticken, kennen zu lernen. So hat mir die schottische Lebensart gut gefallen. Ich habe die Schotten als sehr neugierig und offen für Neues kennen gelernt. Es fiel meistens nicht schwer ins Gespräch zu kommen. Die Menschen sind sehr höflich, was allerdings glaube ich ins Negative umschlagen kann, wenn Probleme nicht angesprochen werden. So gab es einige Spannungen innerhalb der Arbeitsgruppe. Unbedingt zurück nach Schottland will ich in jedem Fall. Alleine schon um mal durch die Highlands zu wandern...
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