BURNOUT UND PRAVENTION IN HELFENDEN BERUFEN

 
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aus: L.I.E.S. (Lebenshilfe in eigener Sache), 3-2OL3, München, 2AL3 (S. 10                           -     14)

#wffiffiw   MTTARBEITER

                Helga Reihl, Diplomsozialpädagogin und Coach aus Lübeck, befasst sich
                   speziell mit dem Thema ,,Burnout". Sie bietet, unter anderem im
                Fortbi ldu n gsinstitut der Bundesverei nigung Lebenshi lfe, Workshops f ü r
                                     Mitarbeiter in helfenden Berufen an.

                       BURNOUT UND PRAVENTION
                             IN HELFENDEN BERUFEN
                 "... den Mut, Dinge zu ändern,              noch Zeit zum Durchatmen bleibt. Wenn
                      die ich ändern kann,                   die Personaldecke sowieso schon dünn ist
             die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,            und dann aufgrund von Urlaub, Krankheit
                   die ich nicht ändern kann,                oder Fortbildung jemand ausfüllt, ist dies
                 und die Weisheit, das eine vom              noch eine zusätzliche Belastung für die
                  anderen zu unterscheiden."                 Kolleg/innen. Besonders in der Behinder-
                                                             tenarbeit brauchen Klientiinnen und lJnter-
                                                             stützer/innen einen langen Atem, da Verän-
                  ngestellte in helfenden Berufen            derungen Zeit brauchen und sich vielleicht
                  suchen sich diesen Bereich häufig          auch über lange Zeit nichts verändert. Und
                  aus, weil sie mit Menschen arbeiten        auch die Entlohnung oder das Ansehen des
            möchten. Vielleicht auch, weil sie gerne         Berufes bildet keinen Ausgleich  flir die
            anderen helfen oder die Welt ein kleines         Schwere der Arbeit.
            bisschen besser machen möchten. Viele
            steigen mit Idealismus und dem Wunsch                Auf dem Hintergrund klammer öffent-
            etwas zu bewegen in den Beruf ein.               licher Kassen steigt der Druck auf die Trä-
                                                             ger, zu einem möglichst niedrigen Preis -
               Nach einigen Jahren im Beruf geht        es   also mit möglichst wenig und gering
            aber vielen so, dass diese Gründe immer          bezahltem Personal - möglichst hohe Fall-
            mehr in den Hintergrund treten. ImArbeits-       oder Belegungszahlen und eine hohe Qua-
            alltag geht es zum Beispiel darum, dass die      lität vorzuweisen. Soziale Einrichtungen
            Belegungsquote stimmt oder Bewohner/-            sind auch wirtschaftlich geführte Unterneh-
            innen rechtzeitig gewickelt werden. Die          men, die sich auf dem Markt behaupten
            Werkstätten müssen Aufträge füstgerecht          müssen. Der Druck, unter dem die öffentli-
            fertig stellen und natürlich muss die Qua-       che Hand steht, wird also meist einfach
            lität stimmen, sonst gibt es keine Aufträge      weitergegeben: über die Träger an die Mit-
            mehr. Verwaltungsarbeiten fressen oft einen      arbeiter/innen bis hin zv den Nutzer/innen
            großen Teil der Zeit auf, die eigentlich dafür   der Einrichtungen. Kein Wunder, dass die-
            gedacht war, mit den Bewohner/imen oder          ser Cocktail zu einem Gefühl der Überfor-
            Werkstattbeschäftigten im Kontakt zu sein.       derung führen und wenn es längcr anhält
            Vieles soll schnell gehen und oft kommen         auch krank machen kann.
            mehrere Sachen gleichzeitig, so dass kaum

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        o
        o                                                                   ,,lch fühle einen starken
       o                                                                  arbeitsbedingten Stress! "

            Außere Umstände oder                           Wann spricht man von einem Burnout?
            Persönlichkeit?
                                                          Auch wenn es Burnout als medizinische
            Aber sind es die beschriebenen Arbeits-    Diagnose gar nicht gibt und viel darüber
       bedingungen und andere äußere Umslände,         diskutiert wird, ob es sich bei dem Begriff
       die Menschen krank machen oder liegt es an      nur um eine Modediagnose handelt, spricht
       der Persönlichkeit der Betroffenen? Darüber     man i.d.R. von einem Burnout, wenn fol-
       gehen die Meinungen auseinander. Vermut-        gende Merkmale zusammcnkommen:
       lich gibt es keine alleinige Ursache flir die
       Entwicklung eines Burnouts: Jeder und jede      *   Erschöpfung, Überforderung,
       Einzelne ist Teil seiner/ihrer Arbeitsstelle,       Frustration, Angespanntheit,
       Familie und der Gesellschaft. Und      diese        Antriebsschwäche
       Ebenen beeinflussen sich alle gegenseitig -
       im Positiven wie im Negativen. Bedeutsam        &   zynische, gleichgültige oder
       scheint es v.a. zu sein, wie gut meine Arbeit       sarkastische Haltung gegenüber
       und die Bedingungen zu mir passen und               KlienVinnen und anderen Menschen
       umgekehrt. Stehen die Anforderungen in
       einem passenden Verhältnis zu meinen            ü   Verringerung der Leistungsfähigkeit
       Fähigkeiten, diese zu bewältigen? Entspre-
       chen die Möglichkeiten Einfluss zu nehmen           Wie entwickelt sich ein Burnout?
       und mitzugestalten meinen Vorstellungen?
       Wie wird miteinander umgegangen? Und:              Ein Burnout kommt nicht von heute auf
       Glaube ich an das, was ich tue? Was moti-       morgen. Oft erkennt man aber erst im Nach-
       viert mich, am Ball zu bleiben?                 hinein, dass eine Zeit des überengage-

                                                                                                        11
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WW            MITARBEITER

              ments, mit dem Willen es besonders gut zu      sten, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit u.a.
              machen und sich und anderen etwas zu           ankündigen. Beim Denken sind dies Kon-
              beweisen, schon den Boden dafür bereitete      zentrationsstörungen, eine negative Einstel-
              sich damit langfristig zu überfordern. Denn    lung zurArbeit, Pessimismus und ein einge-
              nach der anf?inglich hohen Leistungsfühig-     engtes Denken. Es kann auch auffallen,
              keit wird der Arbeit dann ein immer größe-     dass Menschen sich immer mehr zurückzie-
              rer Platz eingeräumt. Nach und nach treten     hen oder ihre Hobbys vernachlässigen.
              persönliche Bedürfnisse und soziale Kon-
              takte immer mehr in den Hintergrund. Im           Gesund bleiben trotz Belastungen?
              weiteren Verlauf ist diese Entwicklung oft
              begleitet von dem Gefühl, nicht,,bei sich zu      Doch wie gelingt es Menschen dennoch,
              sein" oder einem Gefühl innerer Leere, das     über lange Jahre im sozialen Bereich zu
              dann möglicherweise auch durch Alkohol         arbeiten und dabei gesund zu bleiben? So
              oder Drogen versucht wird zu überspielen.      verschieden die Meinungen über die Ursa-
              Das Ende eines Burnout-Prozesses ent-          chen sind, so verschieden sind die Ansätze
              spricht den Symptomen einer Depression,        zur Vorbeugung.
              zu denen Gleichgültigkeit, Hoffnungslosig-
              keit, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit         Nimmt man die Arbeitsbedingungen in
              gehören.                                       den Blick, sind v.a. die Führungskräfte
                                                             gefragt. Unter dem Stichwort ,,Betriebli-
                 Welche Warnzeichen gibt es?                 ches Gesundheitsmanagement" gibt es mitt-
                                                             lerweile zahlreiche Konzepte, die das Ziel
                  Warnzeichen tauchen schon fr[iher auf      haben, die Gesundheit von Mitar-
              und werden oft eher von Angehörigen als        beiter/innen langfristig zu erhalten. Dazu
              von Betroffenen selbst wahrgenommen.           gehören Fragen der Arbeitsgestaltung, Füh-
              Dazu gehören z.B. auf körperlicher Ebene       rungsinstrumente, Kommunikation, Perso-
              eine erhöhte Anfülligkeit für Infekte, Rück-   naleinsatz, präventive Angebote und die
              en- und Magenschmerzen ua. Auf emotio-         fortwährende Qualifi zierung des Personals.
              naler Ebene kann sich ein Burnout mit dau-
              erhafter Unzufriedenheit, Versagensäng-           Wer auf die gesellschaftlichen Hinter-
                                                             gründe sieht, kommt u.a. auch zu der Frage,
                                                                was uns soziale Arbeit wert ist und was
                                                                dafür getan werdsn kann, dass      diese
                Vom 27 . bis 28. März 2014 bietet               Arbeit ein höheres Ansehen bekommt
             Helga Riehl einen Workshop zum Thema               und besser entlohnt wird.

                    ,,Balance   statt Burnout"                     Mit Blick auf die einzelne Person
                                                                kann die Frage leitend sein, wie es Men-
             im lnstitut inForm der Bundesvereinigung           schen - auch oder gerade unter ungtin-
                     Lebenshilfe in Marburg an.                 stigen Bedingungen gelingt, über
                      Anmeldungen unter:                        lange Jahre in diesem Beruf gesund und
         Tel.; (0 64 21) 49 1A, Fax: (0 64 21) 49 11 67         zufrieden zu bleiben. Dieser Frage sind
                       www.lebenshilfe.de                       Forscherinnen und Forscher (unter den
                                                                Stichworten,,Resilienz" und,,Salutoge-

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        nese") nachgegangen, indem sie Menschen          I    Gelassenheit und Optimismus
        befragt haben, denen dies gelungen ist.          I    Hobbys, Ausgleich, Sport, Bewegung
       Viele dieser,,gesundgebliebenen.. Men-            a    Gute Kollegen, ein gutes Team
       schen berichteten von einem Gefühl von            o    Um Hilfestellung bitten können
       Verbundenheit und Vertrauen, das ihnen            a    Soziale Netzwerke - Familie, Freunde
       hilft, auch aus schwierigen Situationen heil      a    Humor, Spaß und Freude
       hervorzugehen. Dazu gehört zum einen,
       eine Situation oder eine Herausforderung              Ebenso grundlegend ist aber die Frage,
       verstehen und durchschauen oder sogar vor-       wie ich verschiedene Aspekte in meinem
       hersehen zu können, aber auch die Mög-           Leben zusammenspielen lasse. Denn
       lichkeit, die Herausforderung zu bewältigen      schnell gerät die als Stressbewältigung
       und das Gefühl, dass es auch Sinn macht,         gedachte Ausdauerbewegung zum Leis-
       diese Herausforderung anzunehmen.                tungssport und die Entspannung wird zum
                                                        Abschlaffen. Die große Kunst ist es, eine
           Es geht also um Grundhaltungen: eine         fiir mich passende Balance z.B. zwischen
       optimistische Einstellung, sich mit anderen      Spannung und Entspannung zu finden oder
       vemelzer, sich - auch mit Schwächen -            zwischen einem ängstlichen pessimismus
       akzeptieren, die Opfenolle verlassen, selbst     und bloßem,,positiv denken", bei dem viel-
       Verantwortung übernehmen und in die              leicht vorhandene Schwierigkeiten nicht
       Zukunft blicken gehören nt den Haltungen,        mehr wahrgenommen werden.
       die uns gesund erhalten.
                                                            Auf dem Weg zu einer eigenen Balance
           Dabei geht es nicht darum, ohne Blessu-      zwischen diesen Polen kann eine achtsame
       ren durchs Leben zu gehen, sondem darum,         Grundhaltung - wie sie auch in fernöst-
       Schwierigkeiten und Probleme anzunehmen          lichen Weisheiten beschrieben und u.a. im
       und zu akzeptieren, dass auch Krisen ein         Yoga gelehrt wird - hilfreich sein. Dazu
       Teil des Lebens sind. Dass es eine Stärke ist,   gehören Aspekte wie Geduld mit sich
       sich Überforderung einzugestehen          und    selbst, nicht beurteilen, den Anfängcrgeist
       andere um Hilfe zu bitten. So im Kontakt         bewahren, verhauen, nicht nach etwas stre-
       mit sich selbst und den eigenen Bedürfnis-       ben, annehmen und loslassen.
       sen, in Verbundenheit mit anderen, kann es
       gelingen aus Krisen geslärkt hervorzugehen.           Fazit

          Eine Studie mit gesund gebliebenen               Bumout ist sowohl ein Modcthema als
      Fachkräften speziell aus dem Bereich sozi-        auch eine ernstzunehmende Gefahr, der
      aler Arbeit kommt zv ganz ähnlichen               Mitarbeiter/innen in sozialen Berufen in
      Ergebnissen: ,,Als tragende Elemente für          besonderem Maße ausgesetzt sind. Effekti-
      Stabilität und innere Stärke.. wurden fol-        ve Möglichkeiten zur Vorbeugung gibt cs
      gende Faktoren benannt:                           auf der Ebene der Gesellschaft, innerhalb
                                                        der Organisation und für jeden Einzelnen
      ü   Selbsterkenntnis - Bewusstheit     /          von uns. Auf all diesen Ebenen können wir
          Bewusstsein - innere Klarheit                 Verantworlung übernehmen und unsere
      S   Grenzen erkennen und setzen                   Einflussmöglichkeiten ausschöpfen.
          können. ,,nein" sagen

                                                                                                      13
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#wwffi       MTTARBETTER

                                                                Dies ist ein Balanceakt zwischen der
                                                            unablässigen Anstrengung, Unlösbares
                                                            lösen zu wollen einerseits und einer früh-
                                                            zeitigen Resignation andererseits. Die
                                                            Kunst besteht oft darin, sich sowohl Ideale
                                                            zu bewahren, als auch nicht-perfekte
                                                            Lösungsversuche zuzulassen oder mit z:ur
                                                            Zeitnicht Lösbarem umgehen zu lernen.

                                                               Weitere Informationen:

                                                               Beratung Coaching Drum Circle
                                                               Helga Reihl
                                                               Mengstr. 40 B, 23552 Lübeck
                                                               Tel.: 0176 - 49 41 27 44
                                                       =ö
                                                               www.helgareihl.de
                                                       -o      konta kt@helqa rei h l. de

               Literatur zum Weiterlesen:
                                                            Berger, Thomas M.H. (2012):
               Maslach, Christina                           Burnout-Prävention.
               Leiter; Michael P. (2007):                   Verlag Schattauer Stuttgart
               Burnout erfolgreich vermeiden. Sprin-        tsBN 978-3-794-527 B8-5, 29,9s €
               ger Verlag Wien / New York
               lsBN 978-3-211-48635-1 , 34,90 €             Freudenberger, Herbert
                                                            North, Gail (1992):
               Poulsen, lrmhild (2009):                     Burnout bei Frauen.
               Burnoutprävention im Berufsfeld              Fischer Taschenbuch Verlag Freiburg
               Soziale Arbeit.                              rsBN 978-3-596-1 227 2-1, 9.99€
               Verlag für Sozialwissenschaften
               Wiesbaden                                    Wellensiek, Silvia K6r6 (2011):
               rsBN 978-3-s31-16327-7, 22,90 €              Handbuch Resilienz-Training.
                                                            Beltz Verlag Weinheim/Basel
               Antonovsy, Aaron                             lsBN 978-3-407-36s04-0, 49,95 €
               Franke, Alexa (1997):
               Salutogenese:                                Kabat-Zinn, Jon   (1   991 ):
               Zur Entmystifizierung der Gesundheit.        Gesund durch Meditation.
               Dgvt-Verlag Tübingen                         Verlag Knaur Frankfurt
               rsBN 978-3-871-59136-5, 19,80 €              tsBN 978-3-426-87 538-4, 9,99 €

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