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Jessica Röhner und Astrid Schütz (Hrsg.)

Essenzen - Im Gespräch
mit Paul Watzlawick
                                           til hogrefe
Essenzen – Im Gespräch mit Paul Watzlawick

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      Aus: Röhner/Schütz, Essenzen – Im Gespräch mit Paul Watzlawick, 1. Auflage, 9783456961187 © 2021 by Hogrefe Verlag, Bern
Essenzen – Im Gespräch mit Paul Watzlawick
             Jessica Röhner, Astrid Schütz (Hrsg.)

             Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Psychologie
             Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich; Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich;
             Prof. Dr. Astrid Schütz, Bamberg; Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.;
             Prof. Dr. Martina Zemp, Wien

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Jessica Röhner
                Astrid Schütz
                (Hrsg.)

                Essenzen –
                Im Gespräch mit
                Paul Watzlawick
                Mit einem Beitrag von Andrea Köhler-Ludescher

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      Aus: Röhner/Schütz, Essenzen – Im Gespräch mit Paul Watzlawick, 1. Auflage, 9783456961187 © 2021 by Hogrefe Verlag, Bern
Dr. Jessica Röhner
             Otto-Friedrich-Universität
             Markusplatz 3
             96045 Bamberg
             Deutschland
             jessica.roehner@uni-bamberg.de

             Prof. Dr. Astrid Schütz
             Otto-Friedrich-Universität
             Markusplatz 3
             96045 Bamberg
             Deutschland
             astrid.schuetz@uni-bamberg.de

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             Lektorat Psychologie
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             Schweiz
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             info@hogrefe.ch
             www.hogrefe.ch

             Lektorat: Dr. Susanne Lauri, Lisa Pilhofer
             Herstellung: René Tschirren
             Umschlagabbildung: Teutopress/Süddeutsche Zeitung Photo
             Umschlaggestaltung: Hogrefe AG, Bern
             Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen
             Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s.r.o., Český Těšín
             Printed in Czech Republic

             1. Auflage 2021
             © 2021 Hogrefe Verlag, Bern
             (E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96118-7)
             (E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76118-3)
             ISBN 978-3-456-86118-0
             https://doi.org/10.1024/86118-000

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                Vorwort

                Wenn Sie sich mit Kommunikation, Philosophie, Psychologie, Psychothe-
                rapie oder angrenzenden Disziplinen beschäftigen, werden Sie früher
                oder später wohl auf einen Namen gestoßen sein: Prof. Dr. Paul Watzla-
                wick. Wir selbst hatten im Rahmen unserer Arbeit immer wieder mit den
                Werken von Paul Watzlawick zu tun. Unter anderem durch unsere eige-
                nen Publikationen zum Thema Kommunikation, durch unsere Coaching-
                Ausbildungen und natürlich auch bei der Arbeit in Forschung und Lehre
                an der Universität.
                   Bekannt ist Paul Watzlawick unter anderem für seine Arbeiten zu den
                fünf Axiomen der Kommunikation, zur Lösung von Problemen und zur
                Konstruktion von Wirklichkeit. Ihm verdanken wir Erkenntnisse wie etwa
                die, dass wir nicht nicht kommunizieren können (z. B. „sagen“ wir sehr
                viel, wenn wir schweigen). Paul Watzlawick ging den Fragen nach, wie
                Probleme entstehen und wie sie gelöst werden können. Er zeigte auf, dass
                nicht selten das Problem letztlich in dessen versuchter Lösung liegt (zum
                Beispiel, wenn „des Guten zu viel getan wird“). Er vermittelte uns Wissen
                und Gedanken zum Konstruktivismus und hinterfragte, wie wirklich die
                Wirklichkeit sei. Eine Frage, die in Zeiten von Fake-News, Informations-
                blasen und dem Zeitalter des Postfaktischen relevanter ist als je zuvor.
                Dies sind nur wenige Ausschnitte und beispielhafte Anwendungsberei-
                che seiner umfangreichen Arbeiten.
                   Der „Nachteil“, wenn man dies so nennen möchte, den ein großer
                Geist, wie der von Paul Watzlawick uns als Erbe hinterlässt, ist die Fülle
                von Manuskripten. Sie sind allesamt lesenswert, aber in einer Zeit, in der
                Soundbites und knappe Textbotschaften zunehmen und Muße zur Rari-
                tät wird, kann es schwierig sein, sich einen Überblick über die Kernaussa-
                gen zu verschaffen. Das vorliegende Buch wurde mit der Intention er-

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6        Vorwort

             stellt, Paul Watzlawick und seine wesentlichen Arbeiten komprimiert
             vorzustellen.
                Paul Watzlawick wäre am 25.07.2021 hundert Jahre geworden. Anläss-
             lich dieses Jubiläums wurde das vorliegende Lesebuch erstellt, in wel-
             chem wir Sie zu einem imaginären Geburtstagsdinner mit Paul Watzla-
             wick und uns einladen. Es wird ein fiktives Tischgespräch geben. Wir
             werden Fragen stellen und diese mithilfe der Texte Watzlawicks für Sie
             beantworten. Dabei leiten wir Sie mittels dieser fiktiven Fragen an Paul
             Watzlawick durch seine Schriften und fassen für Sie wesentliche Punkte
             in unseren eigenen Worten zusammen. Ziel ist es, dass Sie innerhalb kur-
             zer Zeit auf unterhaltsame Weise einen Überblick über die wichtigen Ar-
             beiten und Thesen von Paul Watzlawick erhalten. Das damals übliche ge-
             nerische Maskulinum wurde dabei beibehalten, um dem historischen
             Original gerecht zu werden. Zur Erhöhung der Übersichtlichkeit haben
             wir bei wichtigen Aspekten Fettdruck genutzt. Also, stellen Sie sich etwas
             zu trinken bereit und machen Sie es sich bequem!
                                                          Bamberg, im Frühjahr 2021
                                        Dr. Jessica Röhner und Prof. Dr. Astrid Schütz

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                Inhaltsverzeichnis

                Vorwort 	 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    5

                1 Die Tischgäste – Ein Aperitif  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                       9

                2 Kommunikation à la Watzlawick Teil 1 –
                    Ein Fünf-Axiome-Menü  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25

                3 Kommunikation à la Watzlawick Teil 2 – Tranchierte
                    Kommunikations­störungen als Menübeilagen  . . . . . . . . . . . . . . . . .  43

                4 Problemlösung à la Watzlawick Teil 1 – Problemkategorien
                    in gut verdaulichen Häppchen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  61

                5 Problemlösung à la Watzlawick Teil 2 – Lösungsansätze als
                    Sahnehäubchen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  83

                6 Wirklichkeit beziehungsweise ihre Konstruktion à la Watzlawick:
                    ­Wirklichkeiten à la carte?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  101

                7 Was noch zu sagen wäre – ein Digestif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

                Schlusswort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  139

                Überblick der Fragen an Paul Watzlawick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  141

                Anmerkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  149

                Literatur 	 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  163

                Sachwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  165

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                Kapitel 1
                Die Tischgäste – Ein Aperitif

                Zunächst möchten wir alle am Tisch herzlich begrüßen. Wir freuen uns,
                dass Sie sich die Zeit gegönnt haben und mit uns das 100-jährige Jubilä-
                um von Prof. Dr. Paul Watzlawick feiern.

                Mein Name ist Susanne Lauri. Ich bin Programmleiterin für den Buchbe-
                reich Psychologie des Hogrefe Verlags und habe zu diesem Geburtstags-
                dinner geladen. Bevor ich Ihnen unseren Ehrengast vorstelle, möchte ich
                Ihnen zunächst zwei weitere Tischgäste vorstellen, welche ich aufgrund
                ihrer Expertise in den Bereichen Kommunikation und Psychologie zu die-
                sem Dinner eingeladen habe. Auf diese Weise lernen Sie Ihre Gastgebe-
                rinnen und deren wissenschaftlichen Hintergrund kennen.

                Dr. Jessica Röhner ist Stipendiatin und Habilitandin an der Otto-­Friedrich-
                Universität Bamberg. Sie kam erstmals während ihres Studiums der Psy-
                chologie mit dem Nebenwahlpflichtfach Philosophie, an der Technischen
                Universität Chemnitz, mit Arbeiten von Paul Watzlawick in Berührung.
                Besonders geprägt haben sie Paul Watzlawicks Arbeiten zum Konstrukti-
                vismus. Ist eine Person mit diagnostizierter Schizophrenie als geistes-
                krank einzustufen, weil sie die Welt anders wahrnimmt als andere Men-
                schen – obwohl wir doch alle die Welt sehr individuell konstruieren? Die
                Idee, dass Wirklichkeit subjektiv konstruiert wird, beeinflusst auch ihre
                Forschung. Sie untersucht unter anderem, inwiefern es Personen gelingt
                in bestimmten Kontexten gezielt den Eindruck der Wirklichkeit zu ihren
                Gunsten zu verzerren (z. B. sich im Rahmen von Personalauswahl als be-
                sonders geeignet zu präsentieren).1 Das kritische Denken Watzlawicks,
                seine Kreativität und sein enormes Œuvre haben Jessica Röhner nachhal-
                tig beeindruckt. Später wurde sie gemeinsam mit Astrid Schütz durch die

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10       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

             Arbeit an einem Lehrbuch zur menschlichen Kommunikation erneut auf
             die Arbeiten Paul Watzlawicks aufmerksam.2 Erst kürzlich stieß sie wieder
             auf Paul Watzlawick. Dieses Mal während einer Weiterbildung zur syste-
             mischen Coachin. Man könnte sagen, die Arbeiten von Paul Watzlawick
             begleiten Jessica Röhner schon seit geraumer Zeit. Dennoch entdeckt sie
             immer wieder neue, interessante Aspekte seiner Arbeiten.

             Prof. Dr. Astrid Schütz ist Inhaberin des Lehrstuhls für Persönlichkeitspsy-
             chologie und Psychologische Diagnostik an der Otto-Friedrich-­Universität
             Bamberg. Nach ihrem Studium der Psychologie, Pädagogik und Soziologie
             promovierte sie mit einer Arbeit zur Selbstdarstellung von Politikern im
             Wahlkampf und bei Skandalen – Kommunikation als Mittel der Überzeu-
             gung und Propaganda.3 Im Rahmen von längeren Forschungsaufenthalten
             in den USA, Großbritannien und Spanien hat sie interkulturelle Differen-
             zen und die damit verbundenen Fallstricke der Kommunikation kennen-
             gelernt – und mit viel Vergnügen Watzlawicks Gebrauchsanweisung für
             Amerika sowie die Anleitung zum Unglücklichsein gelesen. Bisweilen
             kam dabei ihr Mann ins Zimmer, um nachzusehen, warum sie lauthals la-
             che. Im Rahmen interdisziplinärer Forschungsprojekte wurde Astrid
             Schütz immer deutlicher, wie wichtig klare und präzise Kommunikation
             ist. Die nonverbalen Aspekte der Kommunikation haben sie unter ande-
             rem im Rahmen von Coaching und in der Durchführung von Praxisprojek-
             ten zur Personalauswahl und -entwicklung fasziniert.
                 Nun soll es jedoch um unseren fiktiven Ehrengast, Prof. Dr. Paul Watz-
             lawick, gehen.

             Wer war Paul Watzlawick?
             Von Andrea Köhler-Ludescher4

             Paul junior, genannt Pauli, wird am 25. Juli 1921 in Villach in Kärnten in
             Österreich geboren. Das gibt einen Aufschrei! Seine Mutter Emy Watzla-
             wick stillt den kleinen Familienspross, bis er reden kann; sie hat italieni-
             sche Wurzeln und blaue Augen, ihr dunkelblondes Haar ist gewellt, als
             Knoten im Nacken oder in Pagenkopflänge getragen. Vater Paul, dessen
             Familie aus Bergreichenstein/Kašpersé Hory, einer deutschen Sprachinsel
             im Böhmerwald, stammt, ist hingegen ein ernster Mensch, eher ruhig und
             in sich gekehrt. Er trägt Dreiteileranzüge mit Taschenuhr, einen Schnauz-

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               11

                bart, die Haare im Scheitel glatt nach hinten gekämmt. Auch seine Augen
                sind blau, ein dunkleres Blau. Wenige Jahre nach der Heirat und der Ge-
                burt der Kinder – Paul und seiner älteren Schwester Maria – wird er von der
                Filiale in Villach als Direktor an die Zentrale der Bank nach Wien berufen.
                „Wer billig kauft, kauft teuer!“ ist ein Motto des Fabrikantensohns, der
                sich in schwierigen Zeiten – der Erste Weltkrieg hallt in Österreich mit Re-
                parationszahlungen noch nach – in Hietzing ein Haus des Architekten
                Schönthal bauen lässt und im Garten selbst die Marillenbäume pflanzt.
                   Der Vater ist fleißig und diszipliniert, die Mutter sprachbegabt, sehr
                kreativ und ein positives Naturell. Es sind zwei Seelen, ach, die da woh-
                nen in Pauls Brust und ihn sein Leben lang spannungsreich prägen wer-
                den. Die unterschiedlichen Herkunftskulturen der weitreichenden k.u.k.-
                Großfamilie, die zwischen Venedig und dem Böhmerwald wohnt, bringen
                Paul früh auf Reisen in die Fremde und gewöhnen sein Ohr an neue Spra-
                chen. Es wird dies ein Grundstock seiner internationalen Karriere werden
                – viele Bücher wird er später selbst übersetzen und im Rahmen unzähli-
                ger Vortragsreisen sein Werk humorvoll und sprachgewandt in die weite
                Welt tragen.
                   Schon früh findet Paul (s)eine große Liebe – als er das Realgymnasium
                in der Villacher Peraustraße besucht und Professor Tänzer den Kindern
                „das Interesse an der Schönheit der Sprache und ihres Potenzials entwi-
                ckelte“. Der Deutschprofessor hatte entscheidenden Einfluss auf Paul, der
                ihn später in einer Rede als eine „wichtige Ausnahme am unklaren Weg zu
                meinen Büchern“ nennt – eine Ausnahme zur Unklarheit, da für ihn immer
                unklar blieb, wie er dazu kam, seine Bücher zu schreiben, „sie ergaben sich
                eben“ und gehörten ein Leben lang zum Liebsten in seinem Leben.
                   Pauls Interesse an der Schönheit der Sprache und ihres Potenzials soll-
                te dann durch das langsame Erfassen der subtilen Macht der Sprache im
                Dienste der Beeinflussung menschlichen Verhaltens wachsen. Die Schule
                hat ihm trotzdem wenig Spaß gemacht, wie er später beschreibt: „Meine
                Eltern waren Gott sei Dank sehr traditionelle Menschen. Sie hörten sich
                meine Kritik und Klagen sehr liebevoll an, sie stimmten mit mir überein:
                Zur Schule gehen und Prüfungen sind schrecklich, du hast ganz recht,
                aber du gehst! Damit war die Sache erledigt.“ Paul sollte die kommenden
                Jahre jedoch seinen klugen Kopf nicht in Bücher stecken können – es galt
                vielmehr, in Deckung zu gehen. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.
                Und Paul ist mittendrin.

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      Aus: Röhner/Schütz, Essenzen – Im Gespräch mit Paul Watzlawick, 1. Auflage, 9783456961187 © 2021 by Hogrefe Verlag, Bern
12       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

                Der Gerade-noch- bzw. Gerade-erst-Maturant wird zum Kriegsdienst
             der Flak (Flugabwehrkanonen-Kompanie) zugeteilt. In Frankreich errei-
             chen ihn tragische Nachrichten aus der Heimat – der Vater war im Januar
             1940 an galoppierender Lungentuberkulose gestorben. Mutter Emy
             schickt Paul die letzte Aufnahme von seinem Vater, zu Pfingsten 1939 ge-
             macht. Binnen eines Jahres hatte die Krankheit den Familienerhalter, erst
             56 Jahre alt, hinweggerafft. Durch die beruflichen Misserfolge war dem
             Vater wohl sein Lebenswille geschwunden und die Körperkräfte erschüt-
             tert worden. Sohn Paul reagiert auf den Verlust mit Haarausfall. Seine
             Mutter schreibt ihm dazu: „Liebster Pauli, Haarausfall regelt sich schon
             wieder, wenn Du uns nur gesund bleibst. Das Packerl mit Seife, Hose und
             Fußlappen schon lange unterwegs.“
                Noch ist 1943, und Obergefreiter Paul Watzlawick erhält vom Reichs-
             minister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe seinen Luft-
             waffenausweis für Sprachkundige, wenige Monate später jenen für den
             Wehrmachtsdolmetsch für die englische Sprache. Das ist seine erste offi-
             zielle Qualifikation nach Abschluss der Reifeprüfung vor vier Jahren. Zur
             selben Zeit schafft Paul noch einen weiteren Schritt im Hinblick auf seine
             beabsichtigte Qualifikation für die Zukunft – eine hoffentlich bald kriegs-
             freie Zukunft: Seine Fernimmatrikulation für das Medizinstudium an der
             Universität Wien wird bewilligt. Bis zu seiner Rückkehr aus dem Wehr-
             dienst gilt der stud. med. Paul Watzlawick an der Universität als beur-
             laubt. Paul wird von den Deutschen nun als Dolmetsch für Kriegsgefan-
             gene eingesetzt.
                Daheim ist Vater Paul als absoluter Nazi-Gegner bekannt und Mutter
             Emy wird ob ihrer regimekritischen Äußerungen denunziert. Die Gesta-
             po zensuriert daraufhin mehrere Monate lang Pauls Feldpost und lädt
             Emy im Dezember 1944 zum Verhör. Paul wird schließlich bei seiner Ein-
             heit nahe Stuttgart – wo er sich zu dieser Zeit aufhält – verhaftet. Der Zeit-
             punkt, zu dem die Anklageschrift erhoben wird, ist ungünstig, da – so
             Zeitzeugen – zu dieser Zeit des Kriegsendes besonders scharf zugegriffen
             wird. Die Aussichten bleiben für ihn denkbar schlecht, obwohl sein Vor-
             gesetzter den Brief, der sich in ätzendem Hohn mit der Person des Füh-
             rers befasst, aus dem nicht nummerierten Aktenmaterial entfernen kann.
             Wochenlang bangt Paul im Untersuchungsgefängnis um sein Leben.
                Schließlich kann er in den letzten Kriegstagen mithilfe von Vorgesetz-
             ten und Kollegen fliehen und kommt zurück nach Villach. Die alliierten

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               13

                Engländer, die sowohl die Villa Scotti als auch das Haus der Familie
                Watzlawick in der 10.-Oktober-Straße – wie es der Zufall will, agiert hier
                die Field Security Section (Intelligence Corps), quasi die englische Mili-
                tärpolizei – besetzt halten, kommen in Kontakt mit Paul und heuern den
                sprachversierten und intelligenten jungen Mann – er ist orientierungslos
                „comme un chien perdu“ – als Deutsch- und Englisch-­Dolmetsch an. Mit
                den Engländern erlebt der Neo-Uniformierte „Zwischenfälle, die sehr
                leicht zu meinem Tode hätten führen können“, so Paul in einem späteren
                Interview. Wieder einmal kommt er dem irdischen Ende sehr nahe. Zu
                diesen Ausnahmemomenten seines Lebens erzählt er einmal: „Der Tod
                hätte früher kommen können, das hab ich auch erlebt, das Erlebnis der
                Todesnähe. Soll ich mich jetzt umbringen? Es ist ein überaus beeindru-
                ckendes Erlebnis, es ist ein Durchbruch in eine völlig andere Wirklich-
                keit, in der nun die Tatsache, dass ich in ein paar Sekunden tot sein wer-
                de, gar keine Bedeutung hat.“ Seine Grenzerfahrungen wird Paul oft in
                seinen Büchern oder Vorträgen wiedergeben: „Mystische Durchbruchs­
                erlebnisse sind Augenblicke, in denen wir aus der Selbstrückbezüglich-
                keit unseres Weltbildes heraustreten und es ,blitzartig‘ von außen und da-
                mit in seiner Relativität und seiner Möglichkeit des Andersseins sehen.
                Nur wer dies erlebt hat, weiß, dass das Ergebnis nicht eine Zersetzung
                und Auflösung der Wirklichkeit ist, sondern ein Gefühl der Befreiung und
                existenziellen Sicherheit vermittelt, das zum Beispiel Graf Dürckheim als
                die Große Erfahrung beschreibt. Die sogenannte mystische Erfahrung ist
                etwas gänzlich Unbeschreibliches. Schon das Etikett Mystik wird dieser
                Dimension von Erfahrung nicht gerecht. In dem Augenblick, in dem
                man beginnt, diese Erfahrung zu beschreiben, zu klassifizieren und zu
                begründen, hat man sie zerstört.“
                   So beeindruckt ist Paul davon, dass es – wie er später beschließen wird
                – das Thema seines letzten Buches werden soll. Jahrzehntelang wird er
                von diesem geplanten Buch sprechen: ein Roman mit dem Titel „Die
                Entdeckung des gegenwärtigen Augenblicks“. Und viele Jahre lang ver-
                sucht er, sich dem Thema weiter zu nähern – wird seine Abschlussarbei-
                ten über Kenner der Seele und der Mystik schreiben, sich in den Zen-
                Buddhismus vertiefen, in Bombay das Yoga lernen und die spirituellen
                Lehren von Jiddu Krishnamurti hören. Die beeindruckende Erfahrung
                des raum- und zeitlosen „So-Seins“ wird zum Leitmotiv seines Lebens
                werden.

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14       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

                Auf die Idee, an der Ca’ Foscari zu studieren, bringt ihn eine Frau, mit
             der er sich in Padua unterhält, als er als Dolmetsch bei den britischen
             Truppen in Italien beschäftigt war. Es ergibt sich zufällig. „Sie können ja
             ruhig studieren“, meint die Dame. Allein die Tatsache, dass sie ihm das
             sagt, bringt Paul an das renommierte Istituto Universitario di Economia e
             Commercio di Venezia, das als Diplomatenschmiede Italiens gilt. Im Ja-
             nuar 1946 immatrikuliert er in schülerhafter Schrift die „sehr interessan-
             ten Fächer“ Philosophie und moderne Sprachen in der Facoltà di Lingue e
             Letterature Straniere mit Schwerpunkt auf „Lingua e Letteratura Russa“,
             um sich das Doktorat zu verschaffen, das „für einen Österreicher meines
             Jahrgangs noch selbstverständlich ist“. Inzwischen hat der Student in der
             Royal Army seine Funktion gewechselt und wird als persönlicher Sekre-
             tär dem Briten Lieutenant Colonel Hare, vormals Chief Detective Inspec-
             tor des New Scotland Yard, zugeteilt.
                Seine Arbeit gefällt Paul, und er macht dabei eine für ihn interessante
             Entdeckung: „Die Menschen sagten mir Dinge, machten zum Beispiel Ge-
             ständnisse, und ich wusste nicht einmal, warum, denn das lag ja gar nicht
             im Interesse des Betreffenden. Es passierte irgendwie, durch die Weise,
             wie ich mit ihnen sprach, ganz ohne Drohungen. Einfach weil ich ganz gut
             kommunizieren kann.“ Er hält die Kriminalistik für ein „überaus interes-
             santes Fach“ und denkt, „das ist meine zukünftige Laufbahn, selbstver-
             ständlich“. In den Trümmern der Nachkriegszeit erlebt er in unmittelbarer
             Umgebung früh, was es zum Glück des Lebens braucht – und sowohl als
             Philosophiestudent als auch Polizeisoldat be- und verarbeitet er die theo-
             retischen, großen wie auch praktischen, kleinen Fragen und Seiten eines
             Themas, zu dem er später bekannt werden sollte. Es ist Feldforschungsbo-
             den für die „Anleitung zum Unglücklichsein“ und „Vom Sinn des Unsinns“.
                Eines Tages besucht Paul, mittlerweile Dr. phil., Zürich und kommt
             dort in einen Regenguss: „Ich war zum ersten Mal in der Schweiz, in Zü-
             rich, und ging spazieren. Da kam ein Gewitter, worauf ich in ein Kaffee-
             haus gegangen bin, einen Kaffee getrunken und in der dort liegenden
             Wochenzeitung geblättert habe. In dieser Nummer war zufällig ein Be-
             richt über das Jung-Institut in Zürich. Auf diese Weise habe ich erfahren,
             dass es so etwas gibt.“ Von komplexer Psychologie schreibt der Zeitungs-
             artikel, von einer Hörerschaft aus in Mokassins schlendernden Amerika-
             nern (viele mit GI-Stipendium), die mit ihrem „Yankee-Jargon und Keck-
             heit einen frischen Wind in die Lavendel-Atmosphäre des Klubs bringen“.

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               15

                    Da er nicht die Möglichkeit hat, noch einen Tag länger in Zürich zu
                bleiben, um sich einzuschreiben, kontaktiert er nach seiner Rückkehr in
                Triest das Institut, lässt sich einen Ausbildungsplan schicken und fragt
                um Aufnahme an. Man teilt ihm mit, dass er am Institut studieren könne.
                „Und von einem Moment auf den anderen war mir klar: Ich gehe jetzt
                nach Zürich studieren. Auf diese Weise wurde ich Psychotherapeut. Es
                war im Grunde das Resultat eines Platzregens. Sehr oft in meinem Leben
                ist das so gegangen.“
                    Paul widmet sich dem Studium und den erforderlichen Praktika. Im-
                mer noch waren zu seiner Zeit die Methoden rau: Im Jahr 1953 führt man
                im Zürcher Burghölzli 145 Schlafkuren, 251 Elektrokrampfkuren – das
                sind im Volksmund die „Elekroschocks“ – und 114 Insulinkuren durch.
                Der angehende Psychoanalytiker befasst sich auch mit der Durchführung
                und Ausarbeitung von psychologischen Tests, darunter psychiatrische In-
                telligenz- und Kenntnisprüfungen wie der Rorschach-Test, der kraepelin-
                sche Additionsversuch und der „Maquarrie Test für mechanische Bega-
                bung“. Assoziiert der Patient die bunten Zufallsbilder mit einem „zottigen
                Hund, der vor schlechtem Gewissen den Kopf senkt“, so Pauls Mitschrif-
                ten, werden Schulgefühle hinterfragt. Wird ein „Büstenhalter“ erkannt,
                mag das Liebesleben ein Thema sein. Bei „zwei Kellnern, die einen Korb
                aufheben“ ist die Deutung schon schwieriger. Auch Freund Robert Pil-
                chowski entgeht der rorschachschen „Flecken-Inquisition“ nicht und as-
                soziiert zu Bildtafel 1122 wie folgt: „(Pfiff) O je, etwas Grausiges, das liegt
                an der roten Farbe. Zwei tanzende Bären mit zerschmetterten Köpfen
                und Hinterfüßen. Es können aber auch zwei vermummte Clowns sein …“
                Frühzeitig kommt Paul mit diversen Formen seines späteren Konstrukti-
                vismus in Kontakt.
                    „Den praktischen Teil der Kontrollanalyse und die eigene Analyse
                habe ich in Rom absolviert, bei einem vom Institut anerkannten Analyti-
                ker“, erzählt Paul später in einem Interview. „Nur in Rom gab es einen
                Lehranalytiker, nur dort konnte ich weiterarbeiten, (...) die Lehranalyse
                fortsetzen und die Kontrollfälle, den rein theoretischen Teil, hatte ich be-
                reits in Zürich abgelegt.“ So geht der Halbitaliener, wie er sich einmal be-
                zeichnete, zu Ernst Bernhard, dem „Bären“, nach Rom und öffnet ihm
                sein Innenleben.
                    Nicht ganz so glatt wie mit Ernst Bernhard ergeht es Paul mit dem
                Mann, der ihm in Rom seinen Lebensunterhalt ermöglichen sollte: Pro-

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16       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

             fessor Banisone, ein Mann, der mit Sigmund Freud gearbeitet hatte, bot
             ihm Arbeit an. Er braucht das Geld, um damit die Analyse zu bezahlen.
             Die Bezahlung soll zwar minimal sein, würde für seine Ausbildung aber
             reichen. Watzlawick erzählt: „Banisone sagte zu mir: Kommen Sie am
             Montag um elf ins Institut, dort werden wir unser Einstandsgespräch füh-
             ren! Als ich also am Montag zur vereinbarten Uhrzeit ankomme, frage ich
             nach ihm und man sagt mir: Ah! – Sie wissen es noch nicht! Er ist am
             Samstag an einem Herzinfarkt gestorben. – Immer in meinem Leben
             scheint der erste Moment eine Katastrophe, aber dann erweist sich diese
             als eine Voraussetzung für eine mögliche Veränderung.“ Paul beginnt
             eine intensive Suche nach einer anderen Verdienstmöglichkeit. „Ich klap-
             perte die Botschaften ab, und schließlich rief mich tatsächlich jemand
             von den Vereinten Nationen an und fragte mich, ob ich als Dolmetsch ar-
             beiten wolle, wobei ich ein exzellentes Gehalt verdienen würde. Folglich –
             von einem Moment auf den anderen, hatte sich meine finanzielle Si­
             tuation völlig geregelt und erlaubte mir, in Rom zu bleiben und eine
             Lehranalyse zu absolvieren.“ So beginnt Paul Watzlawick am 1. Januar
             1953 als Conference Officer in der Forestry Division bei der Food and Ag-
             riculture Organisation of the United Nations für gutes Geld zu arbeiten;
             und Mutter Emy erzählt der Familie: „Paul zählt Bäume in Afrika.“
                Auf den Schultern von Giganten stehe er: jenen des Anthropologen
             Gregory Bateson, seines Mentors in theoretischer Hinsicht, und jenen des
             Psychotherapeuten Don D. Jackson sowie des Hypnosespezialisten Mil-
             ton Erickson; geniale Praktiker, wie der Austro-Amerikaner mit bewusst
             österreichischem Akzent sie beschreibt. Auch der Wiener Biophysiker
             Heinz von Förster hat mit der Entwicklung der Kybernetik zweiter Ord-
             nung seinen wichtigen Beitrag geleistet.
                Im Oktober 1954 erhält der Jungianer in Zürich sein Analytikerdiplom
             als Psychotherapeut überreicht. Es wird aber nicht Jung sein, von dem er
             die für ihn maßgeblichen Erkenntnisse u. a. zur Schizophrenie mitnimmt.
             Seine wichtigsten Giganten, auf deren Schultern er stehen wird, wird er
             später in Kalifornien treffen – den Anthropologen Gregory Bateson, sein
             künftiger Mentor in theoretischer Hinsicht, den Psychotherapeuten Don
             D. Jackson und den Hypnosespezialisten Milton Erickson – „geniale Prak-
             tiker“ – sowie den Wiener Biophysiker Heinz von Förster, der mit der Ent-
             wicklung der Kybernetik zweiter Ordnung einen entscheidenden Beitrag
             leisten wird. Als er nun den Zeremonienraum verlässt, hat Paul bereits

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               17

                sein Ticket zu einer völlig neuen Lebensstation in der Tasche. Und keine
                Ahnung, wie diese aussehen wird. „Geh nach Bombay“, hat ihm vor ei-
                nem halben Jahr ein jüdischer Arzt geraten, den er am Institut getroffen
                hatte. Er hat im Sinne des chinesischen I Ging-Orakels die Münzen ge-
                worfen und beschlossen, ins fast 9 000 Kilometer entfernte Indien zu ge-
                hen. Nach Bombay.
                   Paul ist 33 Jahre alt, als er im Oktober 1954 Europa verlässt, um ost-
                wärts zu gehen, und nach einer längeren Schiffsreise in Bombay an-
                kommt. „Um einige der sagenhaften Weisheiten des mystischen Ostens
                aufzunehmen“, sei er gekommen, erzählt er dem Reporter des Bom­
                bayman’s Diary, der ihn bald nach seiner Ankunft interviewt. Anders als
                die meisten, die zu einer ähnlichen Mission nach Indien kommen, nimmt
                er weder das Leben eines Asketen auf, noch tauscht der „Psychologe der
                Schule der Existenzialisten“ seinen Anzug gegen das safranfarbene Ge-
                wand eines ashramite, stellt der Schreiber fest. Es sind die frühen 1950er-
                Jahre. Der Konflikt zwischen Kommunismus und Kapitalismus dominiert
                die Weltpolitik vor allem der nördlichen Hemisphäre. Dazu gehören der
                Koreakrieg und – mit dem Launch des Sputnik I. – der beginnende „Wett-
                lauf ins All“. China beginnt mit der Besetzung Tibets, der Terror, Zerstö-
                rung und Völkermord folgen. Außenseiter Deutschland gewinnt in Bern
                die Fußballweltmeisterschaft, Elvis Presley beginnt gerade seine Karrie-
                re, der Toast Hawaii ist der typische Partysnack, Nierentische zieren die
                europäischen Wohnzimmer, James Dean ist auf dem Weg zum Ruhm,
                „Star of India“ gerade ins Kino gekommen.
                   „Im Westen konzentrierten wir uns auf die materiellen Aspekte des
                Lebens. Wir haben auf diese Weise einen hohen Grad von Technisierung
                und Mechanisierung und scheinbarer Herrschaft über die Natur er-
                reicht“, erläutert der Europäer dem Journalisten seine Sichtweise. „Aber
                das hat zu einer sehr einseitigen Entwicklung geführt.“ Wörtlich sagt er:
                „Europe is very much like a freak with a large head fixed on a thin body.“
                Im Osten dagegen fühlt er, dass der Schwerpunkt beim Innenleben, beim
                Seelenleben verblieben ist, bei der Funktion des Geistes und der Auswir-
                kung des Geistes auf das Leben.
                   Bombay wird zum Start eines Richtungswechsels für den existenzialis-
                tischen Jungianer. Als er 1955 aus Indien wieder abreisen wird, wird sich
                sehr viel verändert haben. Er wird eine lebenslange Yogapraxis mit sich
                nehmen und die Ereignisse werden ihn zwingen, gelernte Sichtweisen

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18       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

             aufzugeben. Eines dieser Vorkommnisse betrifft Swamis, jene weisen
             heiligen Männer, die ihm vorgestellt werden, denen aber nach westlicher
             Anschauung im völligen Bedeutungsgegensatz die Diagnose der katato-
             nen Schizophrenie gestellt werden müsste. Und zwischen weise und wirr
             ist wohl ein gewaltiger Unterschied. Was ist hier also wahr?
                 Sein eben erst erlerntes Analysefundament bekommt Sprünge, der Sa-
             men des Konstruktivismus ist gesät. Er trifft auf Jiddhu Krishnamurti, von
             dem Paul später sagen wird, dass dieser einer seiner zwei wichtigsten (spi-
             rituellen) Lehrer und sehr weit auf dem Weg der Entdeckung eines „end-
             gültigen Wahrheitskonstruktes“ gekommen war – er hatte „in unabhängi-
             ger Weise diese Sicht der Welt ausgearbeitet und war an einem höchst
             interessanten Punkt dieser Vorstellung der Realität angekommen“.
                 Nach Krishnamurti kann niemand für einen anderen die Wahrheit
             postulieren. Das Einzige, was zählt, ist die unmittelbare Erfahrung dazu,
             und Erfahrung steht nur für sich. „Never second hand“ – niemals kann sie
             aus zweiter Hand kommen. Der Mensch kann in Isolation nicht existie-
             ren. Das Dasein erfolgt in Beziehungen. Aber die Beziehung mit anderen
             kann nicht harmonisch und kreativ sein, solange der Einzelne nicht wahr-
             haftig mit sich selbst in Einklang steht. Mit sich selbst in Einklang zu ste-
             hen, bedeutet, sich seines Selbst jeden Moment bewusst zu sein, sich
             selbst zu verstehen, die eigenen Probleme zu lösen und sich laufend neu
             zu erschaffen.
                 Im Oktober 1960 reist Paul Watzlawick nach Zwischenstationen in
             München, El Salvador und Philadelphia mit einem Koffer, der fast all sein
             materielles Hab und Gut umfasst, ins sonnige Kalifornien. Für ein halbes
             Jahr, vielleicht ein Jahr, bleibe ich in Palo Alto und sehe mir das an, denkt
             er sich. Er beginnt seine Tätigkeit als Research Fellow – wissenschaftli-
             cher Mitarbeiter – am 1958 gegründeten MRI, einer unabhängigen, fach-
             übergreifenden Non-Profit-Organisation, die sich der Forschung, Ausbil-
             dung und dem Dienst am Menschen verschrieben hat. Es ist das weltweit
             erste Institut, das sich mit Familientherapie befasst. Was er hier in Palo
             Alto theoretisch von Bateson und praktisch bei Jackson zu sehen und hö-
             ren bekommt, re-orientiert ihn völlig. Um 180 Grad weg von der jung­
             schen Psychologie. Weg von der intrapersonalen (vergangenheitsorien-
             tierten) Analyse-Einsicht mit Begriffen wie Verdrängung, Projektion,
             Rationalisierung, Verschiebung und Introjektion hin zum interpersona-
             len (gegenwartsorientierten) systemischen Ansatz mit paradoxen Inter-

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               19

                ventionen oder zirkulären Fragen. Es gibt gestörte Beziehungen, aber
                nicht gestörte Individuen, lernt er.
                   Die Palo-Alto-Forscher fragen sich: Wie sieht wohl der Kontext aus, in
                dem das Verhalten des Patienten das bestmögliche, ja vielleicht das ein-
                zig mögliche ist? In anderen Worten: In welchem Kontext macht die ver-
                meintlich verrückte Verhaltensform eines schizophrenen Patienten Sinn?
                Die geniale Leistung lag in der Neudefinition der Sichtweise: Die Sympto-
                me der pathogenen, also krankhaften Verhaltensweise des schizophre-
                nen Patienten wurden nicht mehr als schlecht angepasstes, unangemes-
                senes, aus der Vergangenheit übernommenes Verhalten angesehen,
                sondern als angemessenes, anpassungsfähiges, der Situation entspre-
                chendes Verhalten gedeutet. Daraus resultiert die Schlussfolgerung der
                bunten Truppe: Die soziale Situation ist es, die geändert werden muss,
                damit sich das Verhalten, also die Symptome der Patienten ändern kön-
                nen. Später wird daraus der Name „systemischer Ansatz“.
                   Paul Watzlawick beginnt das zu tun, was die erste Phase seines höchst
                erfolgreichen Lebenswerks ausmachen wird: Theorien entwickeln, for-
                schen und darüber publizieren. 1967 erscheint das Buch „Menschliche
                Kommunikation“, das völlig unerwartet zu einem Klassiker der Kommuni-
                kationswissenschaften werden wird. In ihm definiert Paul Watzlawick die
                fünf Kommunikations-Axiome, dessen bekanntestes lautet: „Man kann
                nicht nicht kommunizieren“. 1974 erscheint das nächste bahnbrechende
                Buch – diesmal am Gebiet der systemischen Familientherapie – „Change“
                bzw. „Lösungen“. Die Sichtweise, wie er und Kollegen Probleme sehen, ist
                völlig neu. Im September erhält der Forscher und Psychotherapeut einen
                Lehrauftrag der Abteilung für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften
                des Department of Psychiatry and Behavioral Sciences des Stanford Uni-
                versity Medical Center. Einige Jahre später wird er Clinical Assistant Pro-
                fessor, ab Juli 1976 schließlich Clinical Associate Professor werden.
                   1976 erscheint sein drittes wegweisendes Buch – „Wie wirklich ist die
                Wirklichkeit?“, welches das dritte Forschungsgebiet behandelt – den „Kon-
                struktivismus“. Das Werk wird zu einem Standardwerk der neuen Denk-
                richtung werden, die besagt: Die Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kom-
                munikation, und nicht die Kommunikation das Ergebnis der Wirklichkeit.
                Paul Watzlawick unterscheidet die Wirklichkeit erster Ordnung von der
                Wirklichkeit zweiter Ordnung. Erstere bezeichnet weitgehend objektiv
                feststellbare Eigenschaften von Dingen, während die Wirklichkeit zweiter

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20       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

             Ordnung rein subjektive Zuschreibungen von Bedeutung, Wert und Sinn
             an die Dinge beschreibt und daher auf Kommunikation beruht. Als Bei-
             spiel nennt er das „Gold“: die physikalischen Eigenschaften des gelben
             Edelmetalles sind bekannt und jederzeit verifizierbar. Der Wert jedoch,
             der dem Gold zugeschrieben wird, kann sich je nach Goldkurs von Tag zu
             Tag ändern – und diese zweite immer subjektive Wirklichkeit des Goldes
             läßt einen Menschen zum Krösus oder Bankrotteur machen. Für wen ist
             dieser Unterschied nicht von maßgeblicher Relevanz?
                Das Buch wird ein großer Sachbucherfolg in Europa und Paul zum ge-
             fragten Experten für leidmindernde Wirklichkeitskonstruktionen. Auch
             in seinem eigenen Leben muss der Erfolgsautor in schmerzlicher Weise
             erfahren, dass ein Weltbild zusammenbrechen kann, was er auch – wohl
             autobiografisch anhand der Figur Janos – in seinem Buch „Vom Schlech-
             ten des Guten“ beschreibt.
                Nach Fertigstellung des Buches fällt Paul in ein Loch. János[-Paul]
             selbst sieht es allerdings nicht so. Er nimmt in sich selbst nur ein Gefühl der
             Leere wahr und eine wachsende Feindschaft gegen sich selbst, wie er sie in die-
             ser Stärke noch nie für einen anderen Menschen verspürt hat. Dass er sich in
             unmittelbarer Weise bedroht fühlt, abgemagert und an Schlaflosigkeit leidet,
             sind für ihn nur unerklärliche Nebenerscheinungen. Der Arzt jedenfalls hat
             keine körperlichen Ursachen dafür gefunden. Die Monate vergehen, nicht aber
             die Kälte und Leere der Welt. Dabei – und das hält er sich immer wieder vor –
             sind alle seine materiellen Bedürfnisse erfüllt, noch ist er gesund und mit sei-
             nen konkreten Lebensumständen einigermaßen zufrieden. Und trotzdem ist
             alles unerträglich. Wenn das Leben keinen Sinn hat, welchen Sinn hat es dann
             zu leben? Es hat wenig Zweck, den langen, kostspieligen Leidensweg zu be-
             schreiben, den er nun antrat und dessen Stationen ihn zu Philosophie, Logik,
             Soziologie, Theologie, einigen Kulten und anderen zweitrangigen Welt­
             erklärungen führten. Die Jahre vergingen, nicht aber sein Problem.
                Er hatte also den Punkt erreicht, dass er sich seines Suchens voll bewusst
             war, und damit auch seiner ewigen Fragen an alle Inhalte und Aspekte der
             Welt: Ist es das? Und nun ergab sich eines Tages ein ganz kleiner Wandel; eben
             einer von jenen, die so klein sind, dass sie Großes herbeiführen. So unwahr-
             scheinlich es klingen mag, es war die winzige Verschiebung der Betonung von
             das auf es, wodurch die Frage plötzlich „Ist es das“? lautete. Und sofort kam
             ihm die Antwort: „Kein Das, kein Ding da draußen in der Welt, kann je mehr
             als ein Name des Es sein – und Namen sind Schall und Rauch. Auf einmal war

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               21

                es ihm klar, dass die Suche der einzige Grund des bisherigen Nichtfindens ge-
                wesen war; dass man das draußen in der Welt nicht finden und daher nie ha-
                ben kann, was man immer schon ist. Und damit erfüllt sich für ihn jenes Wort
                der Apokalypse, wonach die Zeit nicht mehr sein wird – und er stürzte in die
                zeitlose Fülle des gegenwärtigen Augenblicks. Aber nur für den Bruchteil einer
                Sekunde stand er in dieser Zeitlosigkeit, denn um sie zu bewahren, verfiel er so-
                fort auf die Patendlösung (sic), dem Erlebnis einen Namen zu geben und nach
                seiner Wiederholung zu suchen.“
                    Seine erste Auszeichnung hat Paul Watzlawick 1971 verliehen bekom-
                men: den Prix Psych in Paris. 1981 wird ihm der Outstanding Teacher
                Award der Psychiatric Residence Class der Stanford University of Medici-
                ne verliehen. Er erhält ihn in dem Jahr, in dem er seinen sechzigsten Ge-
                burtstag feiert. Wenn sich manch einer auf den Ruhestand vorbereitet,
                geht es bei ihm erst richtig los. Im selben Jahr wird er auch von der Ameri-
                can Family Therapy Association geehrt. Und in zwei Jahren wird er seinen
                Millionenbestseller publizieren. 1990 erhält er das Goldene Ehrenzeichen
                für Verdienste um das Land Wien, 1992 den Dr. honoris causa der Univer-
                sité de Liège sowie den Ehrendoktor der Université de Bordeaux. 1993
                folgt das Ehrenzeichen des Landes Kärnten, 1994 das Ehrendoktorat der
                Universidad de Buenos Aires. Eine der Auszeichnungen, die Paul eben-
                falls berührt, ist 1987 der Paracelsusring seiner Geburtsstadt Villach.
                    Zahlreiche Gastprofessuren werden dem Pendler zwischen der alten
                und der neuen Welt angeboten: 1987 unterrichtet er beispielsweise
                „Menschliche Kommunikation im Betrieb“ im Institut für Betriebswis-
                senschaft an der Hochschule in St. Gallen. 1991 bis 1993 hält er eine Gast-
                professur im Centro Ticinese in Lugano. 1992 erscheint sein Buch
                „Münchhausens Zopf oder Psychotherapie und ,Wirklichkeit‘“, eine Zu-
                sammenstellung seiner besten Aufsätze und Vorträge. 1995 wird er als
                Gastprofessor an die Universität Valparaíso in Chile gehen.
                    Das 21. Jahrtausend startet für den vielreisenden Weltkärntner auch
                persönlich mit dem Ende einer Ära. Keine Flüge mehr nach Europa, keine
                Besuche mehr in seiner alten Heimat. In wenigen Monaten wird er runde
                80 Jahre alt werden. In der neuen Heimat. Wo die Sonne ihm fast das
                ganze Jahr lang Wärme schenkt. „(...) ich fühle mich in Palo Alto klima-
                tisch sehr wohl, ich habe die Absicht, dort zu bleiben“, hatte er immer
                wieder in Interviews geantwortet, als man ihn fragte, ob er gedenke, sich
                in Österreich anzusiedeln.

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22       Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif

                 In seiner ersten Arbeit – der Dissertation in Venedig über den Religi-
             onsphilosophen Vladimir Solovev – hatte Paul Watzlawick dessen Leben
             in einer Dramaturgie beschrieben, die aus meiner Sicht auch für Paul
             Watzlawicks eigenen Lebensweg zutrifft: Als These die Mystik – Pauls
             Durchbruchserlebnis nach dem Krieg. Als Antithese der Rationalismus –
             Pauls wissenschaftliches Werk. Und als Synthese die Poesie – Pauls „letz-
             tes Buch“, der Roman „Die Entdeckung des gegenwärtigen Augenblicks“,
             den er nie geschrieben hat, und den, denke ich, er schließlich gelebt hat.
             Wenn zum Teil auch in völlig ungeplanter Art und Weise.
                 Paul fragt einmal seinen Interviewpartner „Können Sie sich vorstellen,
             dass jemand sich ganz bescheiden als Magnetnadel empfindet, die sich
             einfach einspielen will auf höhere Kräfte, die der Magnetnadel vollkom-
             men unverständlich sind? Die Magnetnadel spielt sich ein, steht dann –
             und es stimmt. Können Sie sich nicht vorstellen, dass man als Mensch un-
             ter Umständen so leben könnte? (...) Die Vibrationen der Nadel erfolgen
             durch die Veränderungen des Magnetfeldes. Das Vibrieren, das Einspie-
             len, das Gefühl des Stimmens und nicht das Erkennen des Sinns wäre
             meines Erachtens sehr ausreichend. (Vielleicht) versuche ich damit eine
             Beziehung zwischen mir und der Welt auszudrücken. Auf das Erlebnis
             dieses „Stimmens“ kommt es an. Wittgenstein drückt das sehr schön aus,
             wenn er schreibt: „Die Lösung des Problems merkt man am Verschwin-
             den dieses Problems.“ (Oder) mit Laotse: „Der Sinn, den man ersinnen
             kann, ist nicht der ewige Sinn; der Name, den man nennen kann, ist nicht
             der ewige Name.“ (...) „Es muss nicht gleich der liebe Gott unserer noch
             dazu trivialisierten Alltagsreligion sein. Eher jenes Mystische, wie es Bud-
             dha ursprünglich aufgezeigt hat, ohne von einem Gott oder einem Him-
             mel zu reden. Vor allem aber sind wir ja nicht allein. Gegenüber dem Ich
             gibt es das Du, um das Ich herum gibt es das Wir. Die Wirklichkeit wird ja
             nicht vom Einzelnen regellos und willkürlich konstruiert, sie ist eine
             Übereinkunft von Kommunikation.“ (...)
                 Pauls Körper wird schwächer, die Sinne schwinden. Das Tönen der
             Zeitlosigkeit wird deutlicher. Er spürt, wie sie ihn immer stärker ein-
             nimmt. ... „Seine Krankheit? Nein, er war nicht wütend. Er schlief sehr
             viel. Als ich kam, lag er meist in seinem Zimmer und schlief “, so Ferol
             Larsen, eine langjährige Kollegin und Freundin. Paul ist lebensmüde. Es
             ist der 31. März. Am 31. März 2007 stirbt Paul Watzlawick im Alter von 85
             Jahren beim Zähneputzen in seinem Badezimmer in Palo Alto.

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Kapitel 1: Die Tischgäste – Ein Aperitif               23

                                     Die Welt sehn in einem Körnchen Sand,
                                       den Himmel in einem Blütenrund,
                        die Unendlichkeit halten in der Hand, die Ewigkeit in einer Stund.
                                                                                 William Blake

                In Internetseile verbreitet sich die Todesnachricht in der Welt. Als „Die
                Zeit“ die Meldung von Pauls Tod bringt, konstruiert der Redakteur: „Die
                Nachricht vom Tode Paul Watzlawicks traf gleichzeitig mit der Meldung
                ein, dass in Indien eine Frau die Ehe mit einem Buch geschlossen hat.“ Die
                Zeremonie war nach dem traditionellen Ritus vollzogen worden. Mina
                meinte, so der Bericht, sie wollte durch die Ehe ihre Seele reinigen. Inzwi-
                schen werde – die mit einem Mann unverheiratete – Mina im Dorf akzep-
                tiert, so ihre Schwester Joyti. Ich denke, Paul Watzlawick hätte dieses Kons-
                trukt – in doppelter Hinsicht – mit einem vergnüglichen Lächeln bedacht.

                                       (Illustration: Angelika Kramer)

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