Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung - BEHINDERUNG UND MEDIEN - Nomos eLibrary

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BEHINDERUNG UND MEDIEN

Ethische Aspekte
inklusiver Medienbildung
Gleichberechtigter Zugang zu Information und Kommunikation
als Voraussetzung. Von Ingo Bosse

                              Abstract Der durch die UN-Behindertenrechtskonvention
                              beschleunigte Prozess der Umgestaltung traditioneller „Behinderten-
                              politik“ zu einer rechtebasierten Politik der Inklusion ist mit zahlrei-
                              chen ethischen Fragen verbunden. Medien werden dabei Aufgaben in
                              zahlreichen Gesellschaftsbereichen zugewiesen. Dazu gehören Diffe-
                              renzsetzungen, die durch mediale Präsentationen erzeugt werden, die
                              Zugänglichkeit zu Medien und als berufsethische Herausforderung die
                              inklusive Medienbildung. Der Artikel zeichnet aktuelle Entwicklungen,
                              die sich unter anderem aus dem Einbezug von Menschen mit Behinde-
                              rung in die Rundfunkbeitragspflicht ergeben haben, nach, um die Frage
                              zu beantworten, wie Menschen in einer immer stärker von Medien
                              geprägten Welt handlungsfähig und -mächtig werden bzw. bleiben.

                              Menschen mit Behinderung gehören wie auch ethnische und
                              religiöse Minderheiten, Frauen, ältere oder homosexuelle Bür-
                              gerinnen und Bürger zu den Personen, die besonders häufig
                              Erfahrungen von Marginalisierung, Entrechtung, Benachtei-
                              ligung und Ausschluss machen müssen. „Es sind vor allem sol-
                              che Erfahrungen, die zu der Forderung nach uneingeschränkter
                              Inklusion geführt haben“ (Dederich 2013, S. 1). Auf rechtlicher
     Jun.-Prof. Dr. Ingo      Ebene wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche gesetzliche
        Bosse leitet das      Regelungen getroffen, um die Situation gesellschaftlich margina-
   Lehrgebiet Körperli-       lisierter Gruppen zu verbessern. Meilensteine für Menschen mit
    che und Motorische        Behinderung waren dabei 1994 die Erweiterung von Artikel  3
    Entwicklung an der        des Grundgesetzes um das Merkmal Behinderung, das Gesetz
  TU Dortmund und ist         zur Gleichstellung behinderter Menschen 2002 und die Ratifi-
Sprecher der Fachgrup-        zierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die
pe inklusive Medienbil-       Rechte von Menschen mit Behinderungen 2008.
  dung der Gesellschaft             Vor allem durch den auch häufig als Behindertenrechtskon-
  für Medienpädagogik         vention (UN-BRK) bezeichneten Vertrag hat das Thema Inklusi-
 und Kommunikations-          on eine erhöhte Aufmerksamkeit erhalten. Die UN-BRK macht
         kultur (GMK).        deutlich, dass es sich bei der Auseinandersetzung mit Behinde-

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Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung

rung um ein Menschenrechtsthema handelt. Allen Menschen
wird das volle Recht auf individuelle Entwicklung und Partizipa-
tion zugesichert. Dieser Prozess der Umgestaltung traditioneller
„Behindertenpolitik“ zu einer rechtebasierten Politik der Inklusi-
on ist mit zahlreichen ethischen Fragen verbunden.
     Medien wird in diesem Prozess eine mehrperspektivische
Schlüsselrolle zugewiesen. An dieser Stelle werden drei zentrale
Ebenen näher betrachtet.

 Erstens – mediale Darstellungsweisen: Medien haben einen
   erheblichen Einfluss auf die soziale Inszenierung von Behin-
   derung und damit verbundene Exklusions- oder Inklusions-
   tendenzen.

 Zweitens – inklusive Medienbildung: Neben barrierefreien
   Zugängen ist eine entsprechende Medienkompetenz eine
   wichtige Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben
   teilnehmen zu können. Dazu bedarf es einer Medienbildung,
   welche Differenzen in den Zugängen und Nutzungsweisen
   berücksichtigt.

 Drittens – mediale Zugänglichkeit: Der gleichberechtigte Zu-
   gang zu Information und Kommunikation ist eine Frage der
   demokratischen Meinungsbildung. Dafür ist Kommunika­
   tion mittels Medien grundlegend. Von dieser sollte niemand
   ausgeschlossen sein (vgl. Fuchs 2013, S. 18).

Inklusive Medienbildung als ethisches Thema
In der UN-BRK wird deutlich, dass es sich bei der Inklusion um
ein normatives Grundprinzip handelt. Dieses findet sich in der
Sozial- und Gesellschaftspolitik wie auch in der Bildungspoli-
tik wieder. Dabei spielen auf der Legitimationsebene ethische
Aspekte eine wichtige Rolle (Dederich 2013, S. 1f.). Dem Prin-
zip der Inklusion liegt der Gedanke zu Grunde, dass in freiheit­
lichen und demokratischen Gesellschaften Differenz uneinge-
schränkt wertgeschätzt und akzeptiert wird. Grundsätzlich soll
allen Bürgern der Zugang zu allen Funktionssystemen voraus-
setzungslos gewährt werden. In einem demokratischen System
wie dem in Deutschland heißt medienethisches Handeln, die
kommunikative Teilhabe aller sozialen Gruppen am Selbstver-
ständigungsprozess der Gesellschaft zu ermöglichen (Röben
2013, S. 10). Auf normativer Ebene ist diese Auffassung in den
Rundfunkstaatsvertrag eingeflossen: „[…] Die bedeutsamen po-

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Ingo Bosse

                    litischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und
                    Gruppen müssen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort
                    kommen; Auffassungen von Minderheiten sind zu berücksichti-
                    gen“ (Rundfunkstaatsvertrag 2013 § 25, Abs. 1). Zur ethischen
                    Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört es
                    auch, dass ARD und ZDF mit dem fünfzehnten Rundfunkände-
                    rungsstaatsvertrag dazu verpflichtet wurden „über ihr bereits
                    bestehendes Engagement hinaus im Rahmen ihrer technischen
                    und finanziellen Möglichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt
                    aufnehmen“ (Rundfunkstaatsvertrag 2013 § 3 Abs. 2).
                          Neben dem Diskurs von Ungleichheiten in der medialen
                    Repräsentation sind ungleiche Chancen in der Nutzung von Me-
                    dien ein dauerhaft aktuelles Thema von Bildungswissenschaf-
                    ten und -politik. Im aktuellen Medienkompetenzbericht der
                    Bundesregierung wird darauf hingewiesen, dass „besonders bil-
                    dungsbenachteiligte Familien, Migrantenmilieus, Seniorinnen
                    und Senioren ebenso wie Menschen mit Behinderung […] einer
                    zielgruppenspezifischen Ansprache und alltagsnahen Unterstüt-
                    zung [bedürfen]“ (Pöttinger 2013, S. 102).
                          Unter Medienkompetenz versteht der Autor eine allgemei-
                    ne Fähigkeit, die sich umfassend auf alle Medien bezieht, um
                    sich in einer von Medien bestimmten Umwelt zurechtzufinden
                    und in ihr agieren zu können. Baake folgend wird Medienkom-
                    petenz unter die allgemeine kommunikative Kompetenz eines
                    Menschen subsummiert. Damit wird der Tradition der Theorie
                    kommunikativen Handelns nach Habermas gefolgt. Demnach
                    ist allen Menschen von Geburt an kommunikative Kompetenz
                    gegeben. Sie muss aber geübt und weiterentwickelt werden.
                    Hier wird ein Menschenbild eines Individuums deutlich, wel-
                    ches durch Lernprozesse kompetent handeln kann. Baake glie-
                    dert Medienkompetenz in die vier Hauptdimensionen Medien-
                    kritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung
                    (Baake 2007). „Medienkritik und Medienethik stehen dabei in
                    einem geschwisterlichen Verhältnis“ (Altmeppen / Büsch / Filipo-
                    vic´ 2013, S. 281).
                          Auch in aktuellen Auseinandersetzungen wird Medienkom-
                    petenz keineswegs auf technisch-manuelle Fertigkeiten redu-
                    ziert, sondern als eine Spannbreite von kognitiven, affektiven
                    und konativen Fähigkeiten verstanden (vgl. Deutscher Bundes-
                    tag 2011, S. 5). Der Begriff Medienbildung bezeichnet den Pro-
                    zess der Vermittlung von Medienkompetenz. Dazu gehört ganz
                    zentral auch die Beschäftigung mit der Konstruktion von Diffe-
                    renz über deren Darstellung in den Medien.

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Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung

Ungleichheiten in den Darstellungsweisen
Bewusstseinsbildung (vgl. Bundesgesetzblatt 2008, S. 1427) wird
in der Behindertenrechtskonvention als unabdingbar genannt,
um „full and effective participation and inclusion in society“
(Bundesgesetzblatt 2008, S. 1423), wie in Artikel 1 der Konven-
tion beschrieben, zu erreichen. Der Artikel 8 zur Bewusstseins-
bildung enthält dabei auch „die Aufforderung an alle Medienor-
gane, Menschen mit Behinderungen in einer dem Zweck dieses
Übereinkommens entsprechenden Weise darzustellen“ (Bundes-
gesetzblatt 2008, S. 1428).
     Damit wird deutlich, dass Artikel 8 zur Bewusstseinsbil-
dung „auf grundlegende Faktoren, die ursächlich für Entste-
hung, Aufrechterhaltung und Ausmaß behinderungsbasierter
Diskriminierung sind“ (Palleit 2012, S. 119), abzielt. Der Zweck
dieses Artikels wird darin gesehen, das Be-
wusstsein für die Fähigkeiten von Menschen               Eine positive Entwicklung über die
mit Behinderung, ihren gesellschaftlichen                   letzten zwei Jahrzehnte hinweg:
Beitrag und ihre Würde zu stärken, aber vor              Das Thema Behinderung ist in den
allem Unkenntnisse, Fehlvorstellungen, Vor-            Medien deutlich präsenter geworden.
urteile und Klischees abzubauen. Diese wer-
den als einstellungsbezogene Barrieren betrachtet, die Behinde-
rung überhaupt erst entstehen lassen (vgl. Palleit 2012, S. 120).
Alle staatlichen Organe sind damit aufgefordert, dem Zweck des
Übereinkommens entsprechende bewusstseinsbildende Maß-
nahmen einzuleiten.
     In der momentanen Situation, die sich trotz aller Ansprü-
che an eine inklusive Gesellschaft nur langsam ändert, wird ein
Großteil gesellschaftlichen Deutungswissens zum Thema Behin-
derung weiterhin vor allem über die Massenmedien vermittelt.
Über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg lässt sich aber durchaus
eine positive Entwicklung ablesen: Das Thema Behinderung ist
rein quantitativ deutlich präsenter geworden und spiegelt damit
die erhöhte Aufmerksamkeit wieder, welche die Auseinanderset-
zung mit Behinderung in der Gesellschaft erfährt. In Fernsehse-
rien wie der Lindenstraße oder dem Marienhof sind Menschen
mit Behinderung für deutsche Fernsehzuschauer seit Jahren
präsent.
     Auch in internationalen Kinofilmen spielt das Thema Be-
hinderung seit Ende der 1980er Jahre eine prominente Rolle.
Wie umfangreiche Studien (vgl. z. B. Bartmann 2002, Bosse
2006, 2011) belegen, sind Menschen mit Behinderung aber nie
zufällig zu sehen, sie sind nur selten auf selbstverständliche oder
alltägliche Weise eingebunden. Häufig folgt die Darstellung ste-

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Ingo Bosse

                         reotypen Mustern. Beispiele wie die Krimiserien „Tatort“ und
                         „Polizeiruf 110“ machen aber deutlich, dass auch in populären
                         Unterhaltungsformaten eine differenzierte Auseinandersetzung
                         möglich ist. Stereotype werden dort zwar gezeigt, aber gleichzei-
                         tig entlarvt. Die Polizeiruf-Folge „Rosis Baby“ mit der Schauspie-
                         lerin mit Down Syndrom Juliana Götze, erhielt dafür 2009 den
                         Medienpreis „Bobby“ der Bundesvereinigung Lebenshilfe. 2013
                         wurde das Tatort Team aus Münster mit diesem Preis ausge-
                         zeichnet (vgl. Lebenshilfe 2013).
                              Trotz dieser positiven Beispiele dient in vielen Folgen der
                         Unterschied weiterhin vor allem als Aufmerksamkeitsgarant.
                         Menschen mit Behinderung nehmen in Spielfilmen und vor al-
                                              lem in den Boulevardmagazinen, in denen sie
Menschen mit Behinderung nehmen in            häufig zum Thema gemacht werden, weiter-
Spielfilmen und Boulevardmagazinen            hin eine Sonderstellung ein – sie sind „das
weiterhin eine Sonderstellung ein – sie       Exotische, das Ungewöhnliche“, das die Zu-
sind das Exotische, das Ungewöhnliche.        schauer anziehen soll (Bosse 2011). Dass das
                                              Thema Behinderung zu Erfolg führen kann,
                         wurde deutlich, als 1990 das Drama „Mein linker Fuß“ mit zwei
                         Oscars ausgezeichnet wurde. Ob allerdings die aktuell hohe An-
                         zahl von Spielfilmen mit behinderten Protagonistinnen und Pro-
                         tagonisten ein Zeichen dafür ist, dass das Thema Behinderung zu
                         einem selbstverständlichen Bestandteil der Medienwelt werden
                         kann, bleibt abzuwarten. Massenmedien haben die Möglichkeit,
                         Behinderung als gesellschaftliche Normalität zu präsentieren.
                         Dennoch sollte man, sobald jemand mit Behinderung im Fern-
                         sehen auftritt, sehr genau darauf achten, welche Funktion dieser
                         in der Geschichte hat.

                       Differenzierungen in der Medienbildung
                       Durch die Stärkung der Medienbildung in allen Bereichen, in de-
                       nen „das informelle und wechselseitige Lernen behinderter und
                       nicht behinderter Menschen voneinander stattfindet“ (Körner
                       2006, S. 11), kann Inklusion ermöglicht bzw. erleichtert werden.
                       Es geht darum, die Medienkompetenz aller Heranwachsenden
                       zu stärken und dabei wechselseitige Lernprozesse zu befördern.
                       Die grundlegende Prämisse einer Medienbildung, die auch die
                       besonderen Bedürfnisse behinderter Personen berücksichtigt,
                       lautet „Technologien aus der alleinigen, funktionalen Verknüp-
                       fung mit Hilfsmitteln zu lösen und für sinnvolle pädagogische
                       Anwendungskontexte zu öffnen“ (Schnaak/Böhmig 2012, S. 21).
                       Sie eröffnet allen ein möglichst großes Maß an Selbstständigkeit.
                       Angebote sollen so gestaltet werden, dass Medienbildung für alle

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Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung

eine Bereicherung darstellt. Bei Menschen mit Behinderung geht
es dabei um Personen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzun-
gen und Bedürfnissen. Dementsprechend vielfältig sind auch die
Konzepte inklusiver Medienbildung. Grundsätzlich ist inklusive
Medienbildung nutzerfreundlich. Das bedeutet, es müssen Me-
thoden und Erklärungsweisen gefunden werden, die allgemein
verständlich sind. Der jeweilige Kompetenzrahmen muss dann
individuell adaptiert werden.
     Grundsätzlich werden eine leicht verständliche Sprache,
allgemeingültige Pictogramme und eindeutiges Bildmaterial
verwendet. Inklusive Medienbildung liefert Erklärungen und
eindeutige Handlungsanweisungen und berücksichtigt neben
der Sprachebene auch das Lernen auf auditiver, haptischer und
visueller Ebene. Formen aktiver Medienarbeit, die handlungs-
und produktionsorientiert vorgehen, sind zu bevorzugen. Vor-
aussetzung für die inklusive Medienbildung ist zunächst der Zu-
gang zu Medien ohne Hindernisse – ergo Barrierefreiheit.

Ungleichheiten in der Zugänglichkeit
Im nationalen Aktionsplan des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales (BMAS) zur Umsetzung der UN-BRK wird deutlich,
dass eine Voraussetzung für die Wahrnehmung des Rechts der
freien Meinungsäußerung für behinderte Menschen im barriere-
freien Zugang zu Informationen gesehen wird (vgl. BMAS 2011,
S.  86f.) Bei der Zugänglichkeit geht es darum, alle Bürgerinnen
und Bürger in die Lage zu versetzen, sich Informationen selbst-
ständig zu beschaffen. Dabei steht der Anspruch eines „universel-
len Designs“ im Fokus. Dies wird in der UN-BRK von „Produkten,
Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen“ (Bundesgesetz-
blatt 2008, S. 1424) gefordert. Das heißt, diese sollen von allen
Menschen möglichst weitgehend ohne eine spezielle Anpassung
nutzbar sein. Wesentliche Fortschritte konnten in den letzten
Jahren durch die Weiterentwicklung unterstützender Technolo-
gien erzielt werden. Doch diese individuellen Hilfsmittel können
nur in ihren vollen Möglichkeiten genutzt werden, wenn Barri-
erefreiheit bereits in der Gestaltung von Medien berücksichtigt
wurde. Aktuelle Entwicklungen hinsichtlich des barrierefreien
Zugangs werden im Folgenden beispielhaft an den Leitmedien
Fernsehen und Internet verdeutlicht.

Fernsehen
Die Bereitstellung barrierefreier Angebote leitet sich aus dem
beschriebenen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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Ingo Bosse

                        ab und erfährt in jüngster Zeit erhöhte Aufmerksamkeit. Mit
                        dem seit 2013 geltenden neuen Rundfunkbeitragsrecht werden
                        Menschen mit Behinderung nun grundsätzlich an der Rund-
                        funkfinanzierung beteiligt, eine Befreiung erfolgt in der Regel
                        nur noch für einkommensschwache Personen (vgl. Rundfunk-
                        beitragsstaatsvertrag, § 4 Befreiungen von der Beitragspflicht,
                        Ermäßigung).
                              Damit wurde eine Forderung des Bundessozialgerichts um-
                        gesetzt. Es hatte entschieden, dass die bisherige Komplettbefrei-
                        ung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung
                        darstellte. Sehbehinderte und hörgeschädigte Menschen sind
                        nun in die Rundfunkbeitragspflicht eingebunden. Im Gegenzug
                        soll das barrierefreie Angebot verbessert werden, da Barrierefrei-
                        heit für Menschen mit Behinderung überhaupt erst die vollstän-
                        dige Nutzung von Medien ermöglicht.
                              Die ARD baut ihr Angebot für gehörlose und schwerhö-
                        rige Menschen kontinuierlich aus. In der ARD stieg der Anteil
                                             der Untertitelung von 42,5 Prozent im Jahr
Das Angebot von ARD und ZDF für              2011 auf über 90 Prozent des Programm-
gehörlose und sehbehinderte Menschen         volumens zum Ende des Jahres 2013. Auch
ist in den vergangenen Jahren konti-         für blinde und sehbehinderte Fernsehnut-
nuierlich erweitert worden.                  zende wird das Angebot kontinuierlich er-
                                             weitert. Hat die ARD nach eigenen Angaben
                        bisher nur einige Sendungen mit Audiodeskription angeboten,
                        konnte dieses Angebot bis Ende 2013 deutlich erweitert werden
                        (vgl. ARD 2013).
                              Auch das ZDF sieht das Fernsehen als Medium für alle und
                        hat sein barrierefreies Programmangebot deutlich ausgebaut
                        (vgl. ZDF 2012). Untertitel sind auch beim ZDF das zentrale
                        Mittel, um Inhalte für schwerhörige und gehörlose Fernsehnut-
                        zende umfassend zu erschließen. Die Sendeanstalt konstatier-
                        te im Jahr 2011 einen Anteil von 37 Prozent von Sendungen
                        mit Untertiteln. Die Hauptsendungen von ZDF-„heute“ und
                        das „heute-journal“ wie auch Wahlsendungen und zahlreiche
                        Sportübertragungen werden live mit Untertiteln versehen.
                        Gebärdendolmetscher-Einblendungen stehen seit 2012 für
                        das „heute-journal“ in der ZDF-Mediathek zur Verfügung. Für
                        blinde und sehbehinderte Fernsehnutzende nimmt das ZDF
                        als Partner der Deutschen Hörfilm gGmbH eine besondere Stel-
                        lung ein. 2013 hat der Sender erstmals im deutschen Fernsehen
                        „Wetten, dass…?“ mit Live-Audiodeskription ausgestrahlt. Die
                        Live-Audiodeskription soll im ZDF weiter ausgebaut werden
                        (vgl. ZDF 2012).

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               12
Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung

     Für den privaten Rundfunk beschäftigen sich die Lan-
desmedienanstalten in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörden
derzeit intensiv mit der Zugänglichkeit des Angebots. Gemäß
ihrer gesetzlichen Aufträge zur Infrastruktursicherung und
-förderung sind sie auch für die Sicherung einer kommuni-
kativen Grund- und Daseinsversorgung zuständig, die Zu-
gang und Partizipationschancen an Medieninhalten für alle
schafft. Im Rundfunkstaatsvertrag findet sich die Formulie-
rung, dass die privaten Rundfunkveranstalter aufgefordert
werden, „im Rahmen ihrer finanziellen und technischen Mög-
lichkeiten barrierefreie Angebote vermehrt“ (§ 3 Abs. 2 RStV)
aufzunehmen.
     „Im November 2011 hat die Gesamtkonferenz der Medien-
anstalten (GK)1 die Barrierefreiheit als gesamtgesellschaftlich re-
levante Aufgabe des Rundfunks eingeordnet
und die Veranstaltenden von privatem Rund-                  Private Fernsehanbieter sollen
funk dazu aufgefordert, ihre Maßnahmen für            pro Abend im Schnitt eine untertitelte
ein barrierefreies Programm auszuweiten“              Sendung im Programm haben – dieses
(Fuchs 2013, S. 18). Dem Gesetzgeber wurde                   Ziel wird bisher nicht erreicht.
vorgeschlagen, dafür ein Anreizsystem einzu-
richten. Das Ziel liegt zunächst bei einer untertitelten Sendung
pro Abend. Der tatsächliche Anteil im Programm bleibt auch ein
Jahr nach dem Beschluss der Gesamtkonferenz der Medienan-
stalten noch darunter (vgl. Fuchs 2013, S. 20).

Internet
Auf politischer Ebene wird der Barrierefreiheit des Internets ein
besonders hoher Stellenwert beigemessen. Bereits 2002 wur-
de mit der Verordnung für barrierefreie Informationstechnik
(BITV) eine Grundlage für die barrierefreie Gestaltung von Web-
sites geschaffen. Hier wurde unter anderem das Ziel formuliert,
alle öffentlich zugänglichen Informations- und Kommunika­
tionssysteme barrierefrei zu gestalten und insbesondere auch
den Anforderungen an leichte Sprache gerecht zu werden.
     Um seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden, wird zur-
zeit der Prozess verfolgt, die BITV an die neuesten technischen

1 Die Gesamtkonferenz (GK) ist der Zusammenschluss von Direktorenkon-
  ferenz und Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten. In
  der Gesamtkonferenz werden Fragen der Programmentwicklung des priva-
  ten Hörfunks und Fernsehens beraten und Angelegenheiten beschlossen,
  die für das duale Rundfunksystem von grundsätzlicher medienpolitischer
  Bedeutung sind.

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Ingo Bosse

                      Entwicklungen anzupassen und dabei die besonderen Belange
                      hör- und lernbehinderter Menschen zu berücksichtigen (BMAS
                      2011, S. 87). Die Neufassung der inzwischen veralteten BITV
                      befindet sich derzeit im EU-Notifizierungsverfahren. „Im Rah-
                      men der E-Government-Strategie ‚Teilhabe‘ des BMAS werden
                      weitere Projekte initiiert, um die Teilhabechancen behinderter
                      Menschen durch die Nutzung moderner Informations- und
                      Kommunikationsmöglichkeiten weiter zu verbessern und
                      Angebote anwenderfreundlicher zu gestalten“ (BMAS 2011,
                      S.  88). Je nach Beeinträchtigung sind ganz unterschiedliche
                      Aspekte für die Nutzung des Internets ohne fremde Hilfe von
                      Bedeutung.

                      Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung –
                      Fazit und Ausblick
                       Medienkompetenz wird heute als zentrale Voraussetzung zur
                       Verwirklichung von Teilhabechancen gesehen, da Information,
                       Kommunikation und gesellschaftliche Teilhabe heute überwie-
                       gend medienvermittelt stattfinden.
                            „Weil digitale Medien unaufhaltsam in alle Bereiche un-
                       serer Lebenswelt vordringen, wird Medienkompetenz zu einer
                       wesentlichen Voraussetzung für die Verwirklichung von Bil-
                                          dungs- und Teilhabechancen, für die eigene
Medienkompetenz ist Voraussetzung zur     Persönlichkeitsentwicklung und im umfas-
Verwirklichung von Teilhabechancen:       senden Sinne für eine souveräne Lebensfüh-
Information und Kommunikation findet      rung“ (BMFSFJ 2013, S. 10). In der UN-
überwiegend medienvermittelt statt.       Behindertenrechtskonvention wird Medien
                                          eine Querschnittsfunktion zugewiesen. Me-
                       dienethische Anforderungen ergeben sich erstens beim Umgang
                       mit Differenzsetzungen in den Medien als berufsethische Her-
                       ausforderung für den Journalismus (vgl. Röben 2013, S. 177),
                       zweitens bei der verbindlichen Umsetzung der Zugänglichkeit zu
                       Medien als institutionenethische Herausforderung zum Beispiel
                       für Rundfunk­anbieter und drittens wiederum als berufsethische
                       Herausforderung für in der Medienbildung Tätige.
                            Medienbildung ist im Kontext der Diskussion um die Par-
                       tizipation und Inklusion von Menschen mit Behinderung ein
                       äußerst relevantes gesellschaftliches und politisches, wie auch
                       ethisches Thema. Es geht um die Frage, „wie Menschen in einer
                       immer stärker von (digitalen) Medien geprägten Welt hand-
                       lungsfähig und -mächtig werden bzw. bleiben“ (Altmeppen/
                       Büsch/Filipovic´ 2013, S. 285).

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Ethische Aspekte inklusiver Medienbildung

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Ingo Bosse

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                        vom 31. August 1991, in der Fassung des Fünfzehnten Staatsvertrages zur
                        Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkände-
                        rungsstaatsvertrag) vom 15. bis 21. Dezember 2010 in Kraft seit 1. Januar
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                     Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. Dezember 2010, in der Fas-
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                        Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Kraft
                        seit 1. Januar 2013.
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                        Materialien für eine inklusive Medienpädagogik. Duisburg, S. 17-21.
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                        zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/26292176/1/data.pdf. (zuletzt aufgerufen am
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                  https://doi.org/10.5771/0010-3497-2014-1-6, am 03.11.2023, 12:50:07
                     Open Access –              - http://www.nomos-elibrary.de/agb
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