Kurzstudie Fluthilfe Herausforderungen und Chancen sozialer Medien für die professionelle Katastrophenhilfe - ikosom
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Patrick Widera, Jörg Eisfeld-Reschke, Hannah Kerber Kurzstudie Fluthilfe Herausforderungen und Chancen sozialer Medien für die professionelle Katastrophenhilfe
Kurzstudie Fluthilfe 2 Einleitung Mit dem Hochwasser 2013 in Sachsen, sich während der Flut in den sozialen Sachsen-Anhalt und Bayern sind die so- Medien gebildet haben, gibt. Wir möch- zialen Medien in Deutschland erstmals ten in der vorliegenden Studie der Frage intensiv als Anlaufstellen für Betroffene nachgehen, ob die von uns ausgewähl- und Helfer in einer Katastrophensituation ten Organisationen mit ihrer Kommunika- genutzt worden. Facebook, Twitter und tion in sozialen Medien in der Lage wa- Co. haben der Flutkatastrophe einen Ort ren, den aktivistischen Schwung der vie- gegeben, an dem spontan und in einem len tausend Menschen in ganz Deutsch- überwältigenden Ausmaß die Koordinati- land zu nutzen. Konnten sie die Interak- on von Hilfeleistungen und Helfern be- tion auf ihren Facebook-Seiten steigern werkstelligt werden konnte. Sachsens sowie neue Fans gewinnen? Haben die Innenminister Markus Ulbig beschrieb veröffentlichten Inhalte über die Flutka- die Veränderung der Katastrophenhilfe tastrophe und die konkreten Hilfsleistun- durch die vielschichtige Interaktion und gen der Organisationen die Menschen Koordination der Netzgemeinde zu zur Interaktion ermutigt? Wenn ja, in Recht als “Anpacken 2.0”. In vielen Arti- welchem Umfang? Gab es eine Koope- keln, Blogbeiträgen und Kommentaren ration zwischen etablierten Akteuren und hat man sich seither diesem Thema ge- der lokalen Fluthilfe? Und waren die ein- nähert. Mal euphorisch, ob der Möglich- zelnen Online-Redaktionen auf die dro- keiten und der real geleisteten Hilfe. Mal hende Flut mit einer konsistenten Stra- aber auch zurückhaltender, weil die über tegie eingestellt? soziale Medien koordinierte Hilfe nicht in jedem Fall dort ankam, wo sie auch wirk- lich gebraucht wurde. Um als Organisation in die Kurzstudie aufgenommen zu werden, mussten fol- In den Print- und Onlinemedien wurde gende Kriterien erfüllt sein: vielfach darüber diskutiert, welche Mög- lichkeiten und Grenzen es in der Ver- ● Die Satzung der Organisation netzung von Organisationen der profes- schreibt als Zweck die Nothilfe sionellen Katastrophenhilfe und den und/oder den Katastrophenschutz spontanen Nothilfevereinigungen, die vor. sich während der Flut Abb. Abb. 1: 1: Übersicht Übersicht über über die die in in der der Kurzstudie Kurzstudie untersuchten untersuchten Organisationen Organisationen
Kurzstudie Fluthilfe 3 ● Der Sitz der Organisation liegt in Bei den Daten, die dieser Studie als Deutschland Grundlage dienen, handelt es sich um öffentlich zugängliche Werte der ● Die Organisation war mit einer Facebook-Seiten der untersuchten eigenen Seite auf Facebook Organisationen. Wichtige Werte konnten schon vor dem 01.06.2013 aktiv. mittels der Monitoring-Instrumente von Fanpagekarma.com erhoben und ● Die Organisation hat aktiv über dargestellt werden, was weitere Anhalts- das Hochwasser und seine punkte für die Visualisierung lieferte. Hilfsleistungen via Facebook im Eine Verzerrung der Dateninterpretation Erhebungszeitraum vom 01.06. ist insofern möglich, als dass natürlich bis 30.06.2013 berichtet. auch weitere Themen in der Online- Kommunikation stattfanden, und zudem Des weiteren sind in diese Vergleichs- gekaufte Werbemaßnahmen im gruppe sowohl kleinere, nur lokal Erhebungszeitraum nicht ausgeschloss- agierende, als auch große, bundesweit en sind. tätige Organisationen einbezogen worden. Damit möchten wir einen möglichst breiten Einblick in die Handlungsbedingungen von Organi- sationen der professionellen Not- und Katastrophenhilfe gewährleisten. Um den oben formulierten Fragestellungen nachzugehen, haben wir die auf die Fluthilfe 2013 bezogene Kommunikation von zwölf ausgewählten Organisationen der Not- und Katastrophenhilfe auf Facebook näher betrachtet. Weitere Kanäle sozialer Medien konnten wir aufgrund der uns unzugänglichen Datenbasis im Erhebungszeitraum nicht auswerten. Im Folgenden möchten wir Ihnen einige zusammenfassende und besonders interessante Ergebnisse darstellen.
Kurzstudie Fluthilfe 4 Analyse Zeitraum Tagen wieder thematisch von der Fluthil- Mit dem Erreichen der Flutwelle in den fe verabschiedete. Andere Organisatio- vom Hochwasser betroffenen Gebieten nen, wie etwa ADRA Deutschland oder in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern Aktion Deutschland Hilft, gingen hinge- zwischen dem 02. und 04. Juni 2013 gen auch im Juli, also noch Wochen beginnt auch bei den von uns nach dem der Höhepunkt der Flut über- untersuchten zwölf Hilfsorganisationen schritten war, auf die Folgen der Flutka- die Berichterstattung in den sozialen tastrophe ein. Spätestens ab dem 24. Medien. Als erste Hilfsorganisation Juni verschob sich dann der Fokus der veröffentlichten die Malteser schon am Meldungen bei allen Organisationen weg Sonntagabend einen ersten Post über von der eigentlichen Katastrophe hin zu die anlaufenden Einsätze ihrer Ein- den Folgen der Flut und dem einsetzen- satzkräfte in den vom Hochwasser den Wiederaufbau. bedrohten Gebieten in Bayern. Am 03. Juni wenden sich weitere sieben Wachstum Organisationen in ihrer aktuellen Das große Fanwachstum von mehreren Berichterstattung dem Thema zu. zehntausend Fans innerhalb weniger Zwischen dem 04. und 06. Juni richten Wochen konnten die von uns dann auch die übrigen vier untersuchten untersuchten Organisationen nicht für Organisationen (DRK, ADRA, CARE und sich verzeichnen. Im Erhebungszeitraum Caritas International) ihren Fokus ganz (01. - 30.06.2013) konnten alle auf die Flutkatastrophe. untersuchten Organisationen zusammen 7906 neue Fans gewinnen. Fast drei Im Schnitt dauerte die Berichterstattung viertel davon entfielen auf die Facebook- auf Facebook 22 Tage. Am eiligsten Seite von Aktion Deutschland Hilft hatte es die Social Media Redaktion der (5778). Mit weitem Abstand folgen das Deutschen Lebens Rettungs Gesell- Deutsche Rote Kreuz (623), die Malteser schaft (DLRG), die sich nach nur zwölf (502) und die Deutsche Leben- Tagen Abb. Abb. 2: 1: Absolutes Übersicht Wachstum über die inder derFanzahlen Kurzstudieimuntersuchten Untersuchungszeitraum Organisationen
Kurzstudie Fluthilfe 5 Rettungs-Gesellschaft (441) auf den wei- tum sich im Vergleich zu den ersten fünf teren Plätzen. Am geringsten profitierten Monaten des Jahres nahezu halbierte. CARE Deutschland-Luxemburg mit ge- Oder das Deutsche Rote Kreuz, deren rade einmal 24 und HELP Hilfe zur wöchentliches Wachstum im Erhebungs- Selbsthilfe mit 29 neuen Fans von ihrem zeitraum nur 91 % des Vorniveaus be- Engagement während des Hochwassers. trug. Diese auf den ersten Blick recht ernüch- Wie lassen sich die recht deutlichen Un- ternden Zahlen hat für die meisten Or- terschiede im Wachstum zwischen den ganisationen dennoch einen ansehnli- untersuchten Facebook-Seiten erklären? chen Zuwachs bedeutet. Die untersuch- Wir werden dafür zwei Auswertungsebe- ten Facebook-Seiten sind nämlich wäh- nen näher betrachten: eine quantitative rend des Erhebungszeitraums durch- und eine qualitative. Auf der Ebene der schnittlich um 1,5 Prozent pro Woche quantitativen Auswertung vergleichen wir gewachsen. Zum Vergleich: die wöchent- den Umfang der Posts, der Anteil der liche Wachstumsrate für die Monate Ja- Posts zum Thema „Fluthilfe“, das Enga- nuar bis Mai 2013 lag im Schnitt bei 0,5 gement der Fans und wie viele Men- Prozent. Die Flutkatastrophe hat also schen über die Berichterstattung der Or- fast zu einer Verdreifachung der durch- ganisationen gesprochen haben. Auf der schnittlichen Wachstumsrate geführt. qualitativen Ebene betrachten wir die Struktur der erfolgreichsten Posts an- Besonders profitieren konnte die Face- hand der Art des Beitrags, dem Zeitpunkt book-Seite von Aktion Deutschland Hilft, der Veröffentlichung, der Zeichenlänge deren Wachstum sich um das 24-fache sowie die erreichten Interaktionsrate. gesteigert hat. Aber auch die Diakonie Katastrophenhilfe und die Deutsche Le- bens-Rettungs-Gesellschaft haben Posts überproportional profitiert: ihr wöchentli- Die Gesamtzahl der Posts im jeweiligen ches Wachstum ist um das Fünffache Erhebungszeitraum liegt bei der Mehr- angestiegen. Es gab aber auch Organi- zahl der Organisationen zwischen 20 sationen, die während ihrer Berichterstat- und 50. Hierbei stechen die Malteser tung über das Hochwasser sogar einen und die DLRG jedoch deutlich hervor. Einbruch der Wachstumsraten hinneh- Erstere veröffentlichten in 19 Tagen 154 men mussten. So etwa CARE Deutsch- Beiträge, letztere in 12 Tagen allein 122. land-Luxemburg, deren Wachs- Das macht im Schnitt 8,1 bis 10,2 Bei- Abb. 3: Vergleich des durchschnittlichen Wachstums von Januar bis Mai im Verhältnis zum Juni
Kurzstudie Fluthilfe 6 träge pro Tag! Auffallend wenige Beiträ- Dass es aber auch nicht schädlich ist, ge hingegen veröffentlichten die Caritas seine Kommunikation fast monothema- (10) und das Deutsche Rote Kreuz (9). tisch auf die Flutkatastrophe auszurich- Eine vergleichsweise geringe Frequenz ten, lässt sich wiederum gut am Beispiel von einem Post alle zwei Tage. Nicht je- der Aktion Deutschland Hilft und die der Post, der von den untersuchten Or- DLRG verdeutlichen. An ihnen wird aber ganisationen im Erhebungszeitraum ver- ersichtlich, dass weitere Faktoren, wie öffentlicht wurde, ist aber auch dem Häufigkeit des Postings, Aktualität der Thema Fluthilfe gewidmet worden. In un- Inhalte und zielgruppenspezifische Auf- terschiedlich großem Umfang wurden bereitung von entscheidender Bedeu- andere Themen, wie etwa Veranstaltun- tung für eine erfolgreiche Kommunikati- gen, Feierlichkeiten oder verbandsinter- on in sozialen Medien sind. ne Informationen, via Facebook verbrei- tet. Engagement Bei näherer Betrachtung ergeben sich Die Interaktion der Fans mit den auf der drei Gruppen, die ihre Kommunikation in jeweiligen Facebook-Seite veröffentlich- sozialen Medien fast ausschließlich (95- ten Inhalten, gilt als wichtiger Bewer- 99,9 Prozent), hauptsächlich (80-94,9 tungsmaßstab. Anhand des Engage- Prozent) oder mehrheitlich (50-79,9 Pro- ments kann man ablesen, inwiefern die zent) auf die Fluthilfe ausgerichtet ha- Inhalte in Art und Umfang den Nut- ben. zungsgewohnheiten der Fans entspre- chen. Eine hohe Interaktion ist die Vor- Zur ersten Gruppe gehören Aktion aussetzung dafür, dass die verbreiteten Deutschland Hilft (97,8 Prozent), der Ar- Informationen sowohl möglichst viele ei- beiter-Samariter-Bund (96,9 Prozent), gene Fans erreicht, als auch Freunde ADRA Deutschland (96 Prozent) und die von Fans, die diese ebenfalls angezeigt DLRG (95,9 Prozent). bekommen und damit ggf. interagieren In der zweiten Gruppe befinden sich die werden. Johanniter-Unfall-Hilfe (92,9 Pro- zent),das Deutsche Rote Kreuz (88,9 Die Malteser und die DLRG haben es Prozent), die Malteser (86,4 Prozent), verstanden, ihre Fans mit den Arche Nova (84,4 Prozent) und die Dia- veröffentlichten Inhalten am stärksten konie Katastrophenhilfe (82,8 Prozent). interagieren zu lassen. Ihre Engage- Die dritte Gruppe bilden Caritas Interna- ment-Rate liegt bei 3,6 bzw. 6,2 Prozent tional (70 Prozent), HELP Hilfe zur - und war damit dreieinhalb bis sechs Selbsthilfe (62,5 Prozent) und CARE Mal so hoch, wie das durchschnittliche Deutschland-Luxemburg (56 Prozent). Engagement aller anderen untersuchten Organisationen. Ein niedriger Engage- Es zeigt sich, dass ein starker Fokus auf ment-Wert hingegen bedeutet nicht das Thema Katastrophenhilfe keine hin- zwangsläufig, dass auch real sehr reichende Bedingung für eine erfolgrei- wenige Menschen mit den Inhalten che Kommunikation in sozialen Medien interagiert haben. während der Flut gewesen sein kann, wie die Beispiele von ADRA Deutschland Facebook-Seiten mit mehr als 10.000 oder dem Arbeiter-Samariter-Bund deut- Fans, wie sie etwa das Deutsche Rote lich machen. Beide Organisationen be- Kreuz oder Aktion Deutschland Hilft auf- finden sich in der ersten Gruppe, konn- gebaut haben, besaßen im Untersu- ten aber bei allen weiteren Kriterien kei- chungszeitraum nur ein Engagement von ne vorderen Positionen erreichen. 0,4 bzw. 0,5 Prozent. Im Durchschnitt waren dies aber 199 bzw. 189 Men- schen, die täglich ihre Inhalte geliked, kommentiert oder geteilt haben.
Kurzstudie Fluthilfe 7 waren dies aber 199 bzw. 189 Men- höchsten Interaktionsraten bei den Fans schen, die täglich ihre Inhalte geliked, führten. Außerdem gehen wir der Frage kommentiert oder geteilt haben. Das nach, ob es einen Zusammenhang zwi- selbe lässt sich auch mit umgekehrten schen einer hohen Interaktionsrate und Vorzeichen betrachten. Arche Nova weist dem Zeitpunkt sowie der Länge eines mit 1,9 Prozent das dritthöchste Enga- Posts gab. Zu diesem Zweck wurden die gement auf, real haben aber pro Tag jeweils drei besten Posts je Organisation durchschnittlich nur 15 Menschen mit ih- zusammengetragen und verglichen. Ins- nen interagiert. gesamt konnten somit 36 Posts für die Untersuchung der Inhalte ermittelt wer- den. Inhalte Um nähere Aussagen über das Interakti- Unter den 36 erfolgreichsten Posts bil- onsverhalten machen zu können, lohnt den mit 64 Prozent Bilderposts die es sich, einen Blick auf die Inhalte zu stärkste Gruppe. Die Bilder kommen bei werfen. Um herauszufinden welche Flut- Nutzern gut an und werden von Face- hilfe-Posts besonders gut ankamen, book offensichtlich auch bevorzugt im wurde untersucht, ob Bilder, Videos oder Newsfeed dargestellt. Viele Bilder oder Links erfolgreicher waren. Erfolgreich Bilderalben wurden mit einem kurzen In- bedeutet dabei, welche Posts zu den formationstext untermalt und haben da- höchsten Interaktionsraten bei den Fans durch die höchsten Interaktionsraten führten. Außerdem gehen wir der Frage hervorgerufen. Bei den erfolgreichsten Engagement in Posts Posts Durschnittlich Prozent Gesamt Fluthilfe interagierende Fans pro Tag Deutsche Lebens- 6,2 122 117 780 Rettungs-Gesellschaft Malteser 3,6 154 133 304 Arche Nova e.V. 1,9 32 27 15 Diakonie 1,1 58 48 7 Katastrophenhilfe Arbeiter-Samariter- 1,1 32 31 49 Bund Johanniter-Unfall-Hilfe 0,9 24 13 123 e.V. ADRA Deutschland 0,7 25 24 13 Aktion Deutschland 0,5 45 44 189 Hilft HELP Hilfe zur 0,5 24 15 9 Selbsthilfe Deutsches Rotes Kreuz 0,4 9 8 199 CARE Deutschland- 0,1 25 14 10 Luxemburg Caritas international 0,1 10 7 3
Kurzstudie Fluthilfe 8 durch die höchsten Interaktionsraten Beiträge, die gegen Abend gepostet hervorgerufen. Bei den erfolgreichsten wurden, demnach am höchsten ist, Posts machen Links (19 Prozent) und konnte in dieser Studie nicht bestätigt Status (14 Prozent) einen deutlich klei- werden. Es empfiehlt sich, dass jeweilige neren Anteil aus. Publikum einer Fan-Seite mit Hilfe von Facebook Analytics besser einschätzen, Bei der Auswertung konnte ein Zusam- um das Posting anpassen zu können. menhang zwischen Tages- und Uhrzeit und hohen Interaktionsraten festgestellt Die Zeichenanzahl von 42 Prozent der werden. Der richtige Zeitpunkt des Pos- Top Posts beträgt zwischen 0 und 200. tings ist wichtig. Dazu wird zwischen drei Zwischen 201 und 400 sind es 36 Pro- Tageszeiten unterschieden: morgens von zent und ab 401 Zeichen nur 22 Prozent. 6 bis 12 Uhr, mittags von 12-17 Uhr und Die Gruppierung der Zeichenanzahl be- abends ab 17 Uhr. Etwa 56 Prozent der gründet sich durch die Anzahl an Zei- erfolgreichsten Posts wurden im zweiten chen, die bei einem Post angezeigt wer- Zeitfenster zwischen 12 und 17 Uhr ver- den, bis er in der Facebook-Anzeige au- öffentlicht und nur 25 Prozent morgens tomatisch gekürzt wird, nämlich 400. Das und 19 Prozent abends. Ergebnis zeigt mit 79 Prozent, dass be- sonders kurze Posts bis 400 Zeichen bei Aus diesem Ergebnis lässt sich erschlie- den Fans Aufmerksamkeit erwecken. ßen, dass die potenziell besten Zeitpunk- Längere Texte ab 400 Zeichen sind für te zum Posten vor allem zur Mittagszeit, Nutzer weniger attraktiv und laden dem- nach Feierabend und Schulende sind. nach auch weniger zu einer Interaktion Studien besagen allerdings, dass deut- ein. Bei der Länge der Posts gilt also: je sche Facebook-Nutzer überwiegend kürzer, aber dennoch inhaltlich inter- abends aktiv sind. Dass die Aktivität auf essant, desto besser. Beiträge, die gegen Abend gepostet Abb. 4: Top 1 Post – arche noVa e.V. am 06. Juni 2013
Kurzstudie Fluthilfe 9 Welche Posts waren die Abräumer wäh- Auf Platz zwei befindet sich die DLRG rend der Flutkatastrophe? Die drei er- mit einem Bild in dem ein junges Mäd- folgreichsten Posts wurden zwischen chen vor den Fluten gerettet wird und 05.06 und 07.06 veröffentlicht, also in einen kurzen Text zur ehrenamtlichen den ersten Tagen der Katastrophe. Arbeit der DLRG in der Flutkatastrophe. Durch eine Auflistung des jeweiligen Die Rettung eines Kindes aus den Ge- stärksten, also dem Top 1 Post jeder Or- fahren der Fluten ist besonders drama- ganisation, wurden die Interaktionsraten, tisch und lädt die Nutzer eher zum Inter- also Reaktionen pro Fan, verglichen und agieren ein, als andere Bilder. eine Top 3 ermittelt. Die Top 3 Posts können arche noVa e.V., die DLRG und Platz 3 erreicht der Arbeiter-Samariter- der Arbeiter-Samariter-Bund vorweisen. Bund mit einem Bild vom Arbeitseinsatz der Organisation am 7 Juni. Außerdem Den erfolgreichsten Post mit der höchs- appeliert der ASB durch das Liken des ten Interaktionsrate kann arche noVa Bildes, den HelferInnen einen erfolgrei- e.V. mit einem Bilderalbum zur Fluthilfe chen Einsatz zu wünschen. Durch den am 6. Juni verzeichnen. Die Bilder zei- Aufruf lässt sich auch die hohe Interakti- gen die aktive Hilfe der ehrenamtlichen onsrate erklären. Mitarbeiter von arche noVa e.V. Abb. 5: Top 2 Post – DLRG am 05. Juni 2013
Kurzstudie Fluthilfe 10 Abb. 6: Top 3 Post – Arbeiter-Samariter-Bund am 07. Juni 2013 Taktiken Abschließend haben wir alle von uns er- man sehr zeitnah die Berichterstattung hobenen Kennzahlen miteinander vergli- aufnimmt und die Dramatik der Kata- chen und konnten interessante Rück- strophe mit professionellen Bildern und schlüsse auf die Vorgehensweise zie- eigenen Berichten intensiv aufbereitet. hen, die die untersuchten Organisatio- Nach dem Überschreiten des Höhe- nen im Rahmen ihrer Online-Kommuni- punkts der Katastrophe wird die mediale kation rund um die Flutkatastrophe an- Aufmerksamkeit wiederum relativ schnell gewendet haben. Dabei konnten vier auf andere Themen gelenkt, die im origi- Taktiken identifiziert werden: nären Fokus der Organisation liegen. 1. Taktik: hit and run Beispielhaft für die Umsetzung dieser Mit einem klassischen „hit-and-run“ Taktik ist die Deutsche Lebens-Rettungs- konnten während der Flutkatastrophe Gesellschaft, welche mit Abstand die insgesamt die besten Ergebnisse erzielt besten Ergebnisse in allen untersuchten werden. Wichtig für diese Taktik ist, dass Kategorien vorweisen kann. In nur zwölf Kategorien vorweisen kann. In nur zwölf
Kurzstudie Fluthilfe 11 Tagen haben sie 117 Posts zur Fluthilfe Engagement-Rate mit 3,6 Prozent, das veröffentlicht, welche zu 81 Prozent zweithöchste talking about mit ca. 1900 selbst verfasst wurden. Informationen Fans (15 Prozent der Gesamtfanzahl) aus anderen Quellen spielten mit 4 Pro- und das drittstärkste Wachstum mit 502 zent eine eher untergeordnete Rolle. Die neuen Fans. DLRG hat sich bei der Informationsbe- reitstellung aber durchaus auch als Ag- 3. Taktik: Langzeitakteur gregator verstanden, welcher relevante Sich als stabiler Langzeitakteur zu prä- Inhalte regionaler und lokaler Partner sentieren, war eine weitere, durchaus er- aufgreift und kuratiert. folgreiche Taktik während der Flutkata- strophe. Hierbei ist es nicht relevant, im Das Interaktionsverhalten der Fans mit gleichen Umfang Inhalte zu verbreiten, den geteilten Informationen war über- wie dies bei den ersten beiden Metho- durchschnittlich gut. Im Erhebungszeit- den der Fall war. Wichtiger ist dabei, raum haben täglich etwa 2900 Fans über über den gesamten Zeitraum der Kata- die Arbeit der DLRG gesprochen. Dies strophe, und darüber hinaus, täglich ein ist der höchste gemessene Wert in unse- bis zwei relevante Beiträge zu posten. rer Studie. Ein so starkes „talking about“ spiegelt sich zwangsläufig auch im En- Diese müssen nicht notwendigerweise gagement wieder: mit 6,2 Prozent ein selbst verfasst sein. Es bietet sich hier unerreichbarer Wert für alle anderen Or- geradezu an, als Kurator aufzutreten und ganisationen. Inhalte von anderen Organisationen auf- zubereiten und weiterzuleiten. Die Me- 2. Taktik: Liveticker thode des Langzeitakteurs bietet sich Der Liveticker ähnelt dem “hit-and-run” deshalb besonders für Organisationen bei der Intensität der Berichterstattung. an, die in der öffentlichen Wahrnehmung Auch richtet sich diese Methode vor- als zentrale Bündnisstrukturen wahrge- nehmlich an die eigenen Fans bzw. die nommen werden. eigene Mitgliedschaft, die über die Face- book-Seite informiert wird. Unterschiede Als bestes Beispiel kann hier die Aktion sind aber bei der Länge der Berichter- Deutschland Hilft (ADH) angeführt wer- stattung und bei der Gewichtung der In- den. Mit 45 Posts in 28 Tagen konnten halte zu erkennen. sie gute Akzente setzen. Zudem war der Fokus auf das Thema Fluthilfe mit 97,8 Ein gutes Beispiel für diese Taktik stellen Prozent am stärksten ausgebildet. Das die Malteser dar. Sie waren mit 19 Tagen stärkste Fanwachstum mit 5778 neuen eine der Organisationen, die relativ lange Fans, das sind 16,8 Prozent Steigerung über die Flut berichtet haben. Mit 133 zum Zeitraum vor der Flut, ist aber we- Fluthilfe-Posts konnten sie zudem eine sentlich durch die öffentliche Aufmerk- überdurchschnittlich gute Performance samkeit in den Medien und nicht durch beweisen. Dabei lag der Fokus mit 71 die konkrete Kommunikation in den so- Prozent deutlich auf Inhalten, die bereits zialen Medien entstanden. Denn bei von lokalen und regionalen Strukturen über 30.000 Fans hat es im Durchschnitt der Malteser auf deren Facebook-Seiten täglich nur ein Engagement von 0,5 Pro- veröffentlicht wurden. Die „Mutter-Seite“ zent gegeben. Das sind 189 Fans, die hat diese dann aufgegriffen und als zeit- mit ihren Inhalten interagiert haben. nahes Update der eigenen Community Auch das „talking about“ liegt mit 1,9 zur Verfügung gestellt. Im Ergebnis Prozent oder 700 Fans deutlich unter der konnten sie damit ebenfalls sehr gute hinzugewonnenen Zahl an neuen Fans.s Ergebnisse erzielen: Die zweithöchste Andere Organisationen, wie etwa ADRAdeutlich unter der hinzugewonne- nen Zahl an neuen Fans.
Kurzstudie Fluthilfe 12 ADRA Deutschland, haben ebenfalls Vernetzung mit der spontan versucht, sich als Langzeitakteur zu entstandenen lokalen und regionalen positionieren. Ihnen ist es hingegen nicht Fluthilfe auf Facebook im Mittelpunkt gelungen, im gleichen Maße zu ihrer Kommunikation in sozialen Medien. wachsen. Ihre durch-schnittlichen Interaktionszahlen liegen zwar leicht Beide Strategien haben sich als über denen von ADH, sie konnten aber erfolgreich erwiesen, denn sowohl die durch die begrenzte Breite an Werte für das “talking about” als auch Informationen über einen Zeitraum von die gewonnenen Fans fallen durchweg 27 Tagen nie die notwendige Reichweite gut aus. Über die Inhalte des DRK erzeugen. So konnte ADRA Deutschland haben durchschnittlich 899 Fans schließlich nur 36 neue Fans gewinnen. gesprochen und am Ende ihrer Kampagne konnten 623 neue Fans 4. Taktik: Abstauber gewonnen werden. Das ist zwar nur eine Die Abstauber in unserer Studie sind das Steigerung von 1,3 Prozent, dafür aber Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die der zweitstärkste absolute Fanwachstum Johanniter Unfallhilfe. An ihnen zeigt in unserer Studie. Die Johanniter sich, dass das Engagement in der konnten hingegen nur 157 neue Fans „realen Welt“ oftmals mehr Einfluss auf gewinnen, was aber der fünftbeste Wert das Fanwachstum besitzt, als die in der Untersuchung ist und eine eigentliche Arbeit in sozialen Medien Steigerung von 1,2 Prozent bedeutete. erwarten lässt. Beide Organisationen haben im gleichen Zeitraum über die Flut Obwohl also relativ wenig Aufwand für berichtet (das DRK sogar erst mit einem die eigene Kommunikation in sozialen Tag Verspätung), ihr Engagement ist mit Medien betrieben wurde, konnten beide 0,4 Prozent (DRK) bzw. 0,9 Prozent Organisationen eine respektable Viralität (Johanniter) nicht überragend und auch und ein gutes Fanwachstum erzielen. Es ihr Fokus auf die Flut lag mit 88,9 steht zu vermuten, dass die Arbeit der Prozent (DRK) bzw. 85,7 Prozent Einsatzkräfte beider Hilfsorganisationen (Johanniter) ihrer Inhalte nur im vor Ort einen nicht unerheblichen Anteil Durchschnitt. daran hatte. Am deutlichsten fällt aber die geringe Zahl an Posts auf: Auf gerade einmal acht Fluthilfe-Posts kommt das DRK im Erhebungszeitraum und die Johanniter zählen mit 13 Fluthilfe-Posts ebenfalls zu den Organisationen mit einer geringen Frequenz an Veröffentlichungen. Wurden die Social Media Redaktionen etwa direkt vom Schreibtisch weg zur Katastrophenhilfe abgezogen? Die Ziele des DRK und der Johanniter unterscheiden sich hingegen deutlich voneinander. Die Johanniter haben sich darauf beschränkt, möglichst viele Fans über Facebook auf ihre Website zu leiten. Beim DRK hingegen stand die Spendenakquise und, einmalig in der gesamten Erhebung, auch die Vernetzung mit der spontan entstandenen lokalen und regionalen Fluthilfe auf Facebook im Mittelpunkt ihrer Kommunikation in sozialen Medien
Kurzstudie Fluthilfe 13 Zusammenfassung Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, Eine wichtige Erkenntnis der Flut 2013 dass fast alle Facebook- Kanäle der un- ist, dass Menschen verstärkt lokal und tersuchten Organisationen von der projektbezogen spenden. Die pauschale wachsenden Bedeutung sozialer Medien Spende an eine große Hilfsorganisation im Zeichen der Fluthilfe profitieren konn- entspricht hingegen immer weniger den ten. Die gestiegenen Kennzahlen für das Bedürfnissen der Spender. Engagement und das Fanwachstum im Vergleich zum Zeitraum vor der Flut zei- Hier können soziale Medien eine wichti- gen dies deutlich. Gleichzeitig blieben ge Brücke bilden. Etwa indem projektbe- die Ergebnisse aber deutlich hinter der zogene Spendengelder über eine spezi- viralen Aufmerksamkeit und dem Wachs- fische Online-Plattform gesammelt wer- tum, wie sie etwa auf den spontan ent- den und die Online-Kommunikation mit standenen Facebook-Seiten „Fluthilfe Hintergrundinformationen, Vor-Ort-Be- Dresden“ oder „Infoseite - Fluthilfe Bay- richten und persönlichen Kommentaren ern 2013“ erzeugt wurden, zurück. die eigenen Unterstützer zur direkten In- teraktion ermutigt. Im Mittelpunkt der Berichterstattung in sozialen Medien steht für die von uns un- Wer sich auf dem Spendermarkt auch tersuchten Organisationen weiterhin das zukünftig erfolgreich positionieren will, klassische Sender-Empfänger-Modell der muss seine Unterstützer also Ziel- (one-to-many). Die eigenen Fans werden gruppengenau erreichen und sie in die als passive Konsumenten verstanden, eigene Arbeit bedarfsgerecht integrieren. die mit ausgewählten Inhalten über die professionelle Arbeit der etablierten Not- und Katastrophenhilfeorganisationen in- teragieren dürfen. Der Erfolg der spontanen Solidarisie- rungsaktionen über Facebook hat aber gezeigt, dass ein Perspektivenwechsel hin zu Integration und Kommunikation auf Augenhöhe ungeahnte Möglichkeiten birgt. Die damit verbundenen Chancen, sich neue Unterstützerschichten zu er- schließen und eine stärkere Verzahnung von spontaner und professioneller Hilfe zu ermöglichen, sollte als eine der zen- tralen Herausforderungen für die eta- blierten Not- und Katastrophenhilfeorga- nisationen nach der Bewältigung der Flut begriffen werden. Und wer es versteht, Menschen in einer Katastrophensituation über soziale Medien zu mobilisieren und den lokalen Bedürfnissen entsprechend zu koordinie- ren, der wird auch für konkrete Bedarfe neue Spender gewinnen können.
Kurzstudie Fluthilfe 14 Über ikosom Im Institut für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) arbeiten Experten aus unterschiedlichen Bereichen der digitalen Kommuni- kation. ikosom beschäftigt sich mit Themen wie Community Ma- nagement, Digitales Fundraising, Government 2.0, ePartizipation und Urheberrecht. Mit den Themen Crowdfunding und Social Payments beschäftigt sich ikosom seit 2009. Mit Vorträgen (u. a. beim Deutschen Jour- nalistenverband, der re:publica und dem Deutschen Fundraising Kongress) und Studien beleuchten wir diese Trends und Zukunfts- themen. Zu unseren Leistungen gehören: Analysen und Studien Wir analysieren neue Trends des Marketings in sozialen Medi- en, der Reichweitenmessung in sozialen Netzwerken und dem Online-Monitoring. Ikosom berichtet über aktuelle Studien und führt eigene Studien durch. Beratung und Begleitung ikosom berät und begleitet Unternehmen, Organisationen und Projekte bei der Analyse von Trends und Kommunikationsver- halten sowie der Entwicklung von Kommunikations- und Posi- tionierungsstrategien. Schulungen Mit einem Team aus fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit wissenschaftlichem Hintergrund bietet ikosom branchenüber- greifend Schulungen an. Vermittelt werden theoretisches Wis- sen und Handwerkszeug gleichermaßen.
Weitere Publikationen auf www.ikosom.de/publikationen Diese „Kurzstudie Fluthilfe“ von Patrick Widera, Jörg Eisfeld-Reschke und Hannah Kerber (Institut für Kommunikation in sozialen Medien) steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz. Das bedeutet, dass das Werk bzw. der Inhalt frei vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden darf. Ebenso dürfen Abwandlungen und Bearbeitungen des Werkes bzw. Inhaltes angefertigt und kommerziell genutzt werden. Hierfür gelten die Bedingungen der Namensnennung und die Pflicht zur Weitergabe unter gleichen Bedingungen. Bitte informieren Sie sich über die Lizenz unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/
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