Bildung im Alter - für alle ermöglichen - Positionspapier

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Positionspapier

Bildung im Alter –
für alle ermöglichen

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BAGSO-Positionspapier

    Inhalt

    Einleitung                                                      3

    1.   Bildung im Alter als politische Aufgabe verankern          4

    2.   Eine Nationale Bildungsstrategie entwickeln und umsetzen   5

    3.   Bildungsgelegenheiten überall und für alle schaffen        5

    4.   Thematische Vielfalt fördern                                7

    5.   Daten zum Bildungsverhalten Älterer erheben                8

    6.   Transfer guter Praxis fördern                              9

    7.   Geragogik stärken und Lehrende qualifizieren               10

    8.   Information über Bildungsangebote verbessern               10

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Bildung im Alter – für alle ermöglichen

Einleitung                                                Gesellschaft und die Welt zu verstehen und
                                                          diesem Verständnis gemäß zu handeln.2 Bil-
Der Wunsch, Neues zu erfahren, dazuzuler-                 dungsaktivitäten älterer Menschen umfassen
nen und sich weiterzubilden, ist unabhän-                 dementsprechend nicht nur formales Lernen
gig vom Lebensalter. Denn Bildung ist ein                 in ausgewiesenen Bildungseinrichtungen,
Schlüssel zu gleichberechtigter Teilhabe und              sondern auch das Lernen im Alltag, z. B. in
ermöglicht es, gesellschaftliche und indivi-              der Familie, im Freundeskreis, im Kontext
duelle Herausforderungen zu meistern. Auch                von freiwilligem Engagement, bei kulturel-
im Alter ist sie ein Gewinn für den Einzelnen             len Aktivitäten und auch mit und von ande-
und für die Gesellschaft. Bildung im Alter                ren Generationen.
umfasst nicht nur den Erhalt und Ausbau
von Wissen und Kompetenzen, sie leistet                   Der Bedarf ist größer denn je, blickt man
einen wichtigen Beitrag zu Persönlichkeits-               auf die wachsende Zahl älterer Menschen
entwicklung, Wohlbefinden und Gesund-                     und auf die tiefgreifenden Veränderungen
heit. Sie befähigt zur Mitgestaltung von                  wie Digitalisierung, Klimawandel und wach-
Verhältnissen und kann Einsamkeit min-                    sende soziale Ungleichheit, denen wir als
dern: Wer gemeinsam mit anderen lernt,                    Gesellschaft gegenüberstehen.
erlebt Zugehörigkeit und Eingebundensein.
In einer sich schnell verändernden Welt ist               Es gilt deshalb, Rahmenbedingungen zu
Bildung zugleich Voraussetzung dafür, mit-                schaffen, die Bildung für alle Älteren und
reden und mitgestalten zu können. Wer sich                bis ins hohe Alter ermöglicht. Notwendig
bildet, engagiert sich häufig auch – und wer              ist eine umfassende Strategie zum Auf-
sich engagiert, lernt stetig dazu.                        und Ausbau von Bildungsstrukturen für die
                                                          nachberufliche Lebensphase, die auf ver-
Von der Politik wird zunehmend die Rele-                  schiedenen Ebenen gleichzeitig ansetzt.
vanz und Notwendigkeit lebenslangen Ler-
nens betont. Bislang wird darunter jedoch                 Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der
überwiegend das Lernen von der Kindheit                   Seniorenorganisationen richtet sich mit die-
an bis zum Ende des Berufslebens gefasst.1                sem Positionspapier vor allem an politisch
Hinzutreten muss das Lernen, das auch die                 Verantwortliche auf Bundes-, Länder- und
weiteren Jahrzehnte begleitet, die Men-                   kommunaler Ebene, um sie für das Anliegen
schen im Alter meist noch vor sich haben.                 von Bildung im Alter als gesellschaftlich be-
Bildung ist dabei in einem weiten Sinne                   deutsame Aufgabe zu gewinnen. Sie appel-
gemeint, als das Bestreben, sich selbst, die              liert an die Verantwortlichen, dem Recht auf

1 Beispiele sind die „Nationale Weiterbildungsstrategie“, das „Nationale Bildungspanel“, der „Nationale
  Bildungsbericht“ und die Zielgruppen, denen sich das Referat „Lebensbegleitendes Lernen“ beim Bundes-
  ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) widmet.
2 Vgl. Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen (Hrsg.) (1960): Gutachten zur Situation
  und Aufgabe der Deutschen Erwachsenenbildung. Stuttgart, Klett, S. 404

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BAGSO-Positionspapier

    Bildung, wie es in der Allgemeinen Erklä-                 Fast alle Bundesländer haben mittlerweile
    rung der Menschenrechte von den Vereinten                 Erwachsenenbildungsgesetze erlassen. Sie
    Nationen festgeschrieben wurde, auch für                  sind nun dringend gefordert, Erwachsenen-
    ältere Menschen zur Geltung zu verhelfen.                 bildung und dabei auch Bildungsangebote
    Die BAGSO begrüßt die Ankündigung im 2021                 für Ältere finanziell angemessen zu fördern.
    zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und                   Der Anteil der gesamten Erwachsenenbil-
    FDP geschlossenen Koalitionsvertrag, senio-               dung am Bildungsbudget der Länder liegt
    rengerechte Ansätze auf allen Ebenen und                  derzeit durchschnittlich bei unter einem
    dabei insbesondere auch Bildungs- und                     Prozent.3 Das Thema Bildung im Alter sollte
    Begegnungsangebote für ältere Menschen                    auch in den für Bildungsfragen zuständigen
    fördern zu wollen. Als Partner stehen Se-                 Landesministerien sowie in der Kultusminis-
    niorenorganisationen, Bildungs- und Kul-                  terkonferenz verankert werden.
    tureinrichtungen, Vereine und Verbände,
    Kirchen sowie Wissenschaft und Forschung                  Den Kommunen kommt im Rahmen der
    bereit – vor allem aber die vielen älteren                Altenhilfe eine wichtige Rolle bei der Förde-
    Menschen selbst, die mit ihren erworbenen                 rung von Engagement, Bildung und Teil-
    Kenntnissen, Haltungen und Fertigkeiten die               habe zu (vgl. § 71 Abs. 2 SGB XII). Sie müssen
    Zukunft mitgestalten und ihrerseits Wissen                verlässlich mit den notwendigen finanziel-
    weitergeben wollen.                                       len Mitteln ausgestattet werden, um diesen
                                                              Aufgaben gerecht werden zu können. Bereits
    1. Bildung im Alter als politische Aufgabe                der Siebte Altenbericht der Bundesregierung
       verankern                                              hat gefordert, dass die kommunale Senio-
                                                              renarbeit rechtlich und finanziell abgesi-
    In einer Gesellschaft des langen Lebens                   chert wird. Dies umfasst auch Aufgaben im
    kommt Bildung im Alter eine besondere Be-                 Bereich der Bildung im Alter.
    deutung zu. Sie muss als politische Aufgabe
    erkannt und auf allen staatlichen Ebenen                  Der Bund hat sich bereits mit erheblichen
    vorangetrieben werden. Gefordert sind die                 finanziellen Mitteln und als Impulsgeber für
    Bundesländer, die für Bildung und Kultur                  Bildungsaufgaben im Bereich der schuli-
    zuständig sind, ebenso wie der Bund als                   schen und beruflichen Bildung eingebracht.
    Garant gleichwertiger Lebensverhältnisse                  So engagiert sich der Bund zum Beispiel im
    und die Kommunen im Rahmen der Da-                        Rahmen der Nationalen Weiterbildungs-
    seinsvorsorge.                                            strategie, dem Digitalpakt Schule und der
                                                              Nationalen Bildungsplattform. Der Bund ist
    Die Verantwortung für die Bildungspolitik                 aufgerufen, in ähnlicher Weise Verantwor-
    liegt in der Zuständigkeit der Bundesländer,              tung für die allgemeine Erwachsenenbildung
    das gilt auch für die Erwachsenenbildung.                 und für Bildung im Alter zu übernehmen. Ein

    3 Jaich, R. (2015): Finanzierung der gesetzlich geregelten Erwachsenenbildung durch die Bundesländer.
      DIE aktuell. Online unter: www.die-bonn.de/doks/2015-finanzierung-01.pdf

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Bildung im Alter – für alle ermöglichen

erster notwendiger Schritt ist die klare Veror-    Bildung im Alter braucht lernförderliche
tung des Themas entweder beim Bundesmi-             Bedingungen, die ältere und sehr alte
nisterium für Bildung und Forschung (BMBF)          Menschen anregen, die eigenen Lebens-
oder dem Bundesministerium für Familie,             und Lernpotenziale zu entdecken und
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).               ihre Teilhabe und Selbstorganisation be-
                                                    fördern.
2. Eine Nationale Bildungsstrategie                Bildung im Alter muss ethische und
   entwickeln und umsetzen                          soziale Fragen sowie gesellschaftliche
                                                    Wandlungsprozesse und ihre Folgen be-
Um Bildungsgerechtigkeit und gleiche Teil-          rücksichtigen.
habechancen im Alter zu ermöglichen, ist
eine nationale Strategie für Bildung im Alter     Nach diesen Leitideen werden im Folgenden
notwendig. Bei der Erarbeitung sind die           die inhaltlichen Aufgaben einer Strategie für
Älteren selbst einzubeziehen, zum Beispiel        Bildung im Alter näher ausgeführt.
über die Beteiligung von Seniorenorganisa-
tionen und Seniorenvertretungen. Grundla-         3. Bildungsgelegenheiten überall
ge sollten die Erkenntnisse der Erziehungs-          und für alle schaffen
wissenschaften sowie der Geragogik sein,
die Bildungsprozesse in der zweiten Lebens-       Die aktuelle Bildungslandschaft für Ältere
hälfte erforschen. Ebenso ist die praktische      ist nicht flächendeckend und ungleich im
Erfahrung von Menschen einzubeziehen, die         Land verteilt. Die größten Lücken gibt es im
in der Erwachsenenbildung, der Sozialen           Norden und im Osten Deutschlands, zu-
Altenarbeit und den Gesundheits- und Pfle-        dem existiert ein Stadt-Land-Gefälle. Auch
geberufen arbeiten. Die Strategie für Bildung     gibt es Ältere, die von den bestehenden
im Alter sollte regelmäßig aktualisiert und       Bildungsangeboten nicht erreicht werden.
fortgeschrieben werden.                           Um die Ungleichheit der Bildungschancen
                                                  im Alter abzubauen, müssen Bildungsange-
Leitideen einer solchen Nationalen                bote und -gelegenheiten für Ältere in ganz
Bildungsstrategie sollten sein:                   Deutschland geschaffen werden, die der
                                                  Vielfalt älterer Menschen gerecht werden.
 Bildung im Alter zielt auf die Entwicklung
  der Persönlichkeit und gesellschaftliche        In kontinuierlicher Abstimmung und Ko-
  Teilhabe und nicht auf ökonomisch ver-          operation mit den Bundesländern sind
  wertbare Fähigkeiten und Fertigkeiten           Bildungsgelegenheiten für ältere Menschen
  der Älteren.                                    in jeder Kommune zu schaffen. Gebraucht
 Bildung im Alter ist grundsätzlich freiwil-     werden leicht zugängliche, quartiersbezo-
  lig und dient der persönlichen Lebensbe-        gene Lernorte und Angebote im direkten
  reicherung, Zufriedenheit und Freude.           Wohnumfeld älterer Menschen, die finan-
 Bildung im Alter muss alle älteren Men-         ziell, räumlich und technisch angemessen
  schen in ihrer Vielfalt berücksichtigen         ausgestattet sein müssen. Die Angebote
  und ihnen einen Zugang ermöglichen.             müssen kostenfrei oder kostengünstig sein,

                                                                                                  5
BAGSO-Positionspapier

    damit auch ältere Menschen mit geringem                    mit prekärer Alterssicherung, im hohen
    Einkommen an Bildungsaktivitäten teilha-                   und höchsten Alter und für Ältere mit Zu-
    ben können. Bei Bedarf sollten Lernangebo-                 wanderungsgeschichte. Auch für Menschen
    te zudem in der eigenen Häuslichkeit und in                mit gesundheitlichen Einschränkungen, mit
    Pflegeeinrichtungen durchgeführt werden.                   Behinderungen und Pflegebedarf müssen
    Ein Beispiel für zugehende Bildungsarbeit                  leicht zugängliche Bildungsangebote entwi-
    sind die Senioren-Internethelferinnen und                  ckelt werden. Dabei sollen ihre Ressourcen
    -helfer4, die den PC oder das Tablet auch zu               und Fähigkeiten in den Mittelpunkt gestellt
    Hause oder in der stationären Einrichtung                  und Rahmenbedingungen geschaffen wer-
    erklären. Bereits tätige Bildungsinstitutio-               den, die ihnen den Zugang erleichtern.
    nen sollten angehalten und befähigt wer-
    den, ihre Aktivitäten auch auf Bildung für                 Lerngelegenheiten für Ältere sollten an den
    die Lebensphase Alter auszuweiten und sich                 Lebens- und Alltagswelten der heterogenen
    konzeptionell an alle Gruppen zu richten.                  Gruppen anknüpfen, sowohl hinsichtlich
                                                               der Lernorte, wie auch der Inhalte und der
    Im ländlichen Raum kommt es verstärkt                      Lernformate. Bei der Planung und Gestal-
    darauf an, dass Bildungsakteure gemeinde-                  tung von Bildungs-, Engagement- und Frei-
    übergreifend kooperieren, dass Bildung und                 zeitangeboten sollten Ältere direkt beteiligt
    Teilhabe auch an dafür ungewohnten Orten                   und Selbstorganisation gestärkt werden.
    stattfindet („Dorfkrug“ statt Volkshochschu-
    le) und dass es für mobilitätseingeschränkte               Kommunen sollten in die Lage versetzt
    Personen Fahrdienste und zugehende Ange-                   werden, vor Ort oder regional Bildungsnetz-
    bote gibt. Soziale Netzwerke und Selbstor-                 werke zu schaffen, die das Thema Bildung
    ganisation sollten gefördert werden. Digitale              im Alter umfassen. Bestehende Bildungs-
    Bildungsangebote bieten auch Älteren die                   netzwerke oder Bildungsbüros sollten,
    Chance, ortsunabhängig zu lernen. Dies                     soweit noch nicht geschehen, die Zielgruppe
    setzt jedoch mehr Angebote zur Förderung                   der Älteren in ihre Arbeit aufnehmen und
    digitaler Kompetenzen und den Ausbau di-                   die lokalen Akteure der Bildung im Alter
    gitaler Infrastruktur voraus.                              vernetzen. Dazu zählen neben den Volks-
                                                               hochschulen, den konfessionellen Bildungs-
    Zentrales Ziel muss es auch sein, Angebo-                  einrichtungen, Universitäten des dritten Le-
    te für ältere Menschen in ihrer Vielfalt zu                bensalters auch selbstorganisierte Initiativen
    schaffen. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit                  Älterer, Mehrgenerationenhäuser, Senioren-
    sollte den Personengruppen zuteilwerden,                   büros, Kirchengemeinden, Sport- und Be-
    die von bisherigen Angeboten häufig nicht                  gegnungsstätten, Migrantenselbstorganisa-
    erreicht werden. Dies gilt insbesondere für                tionen, Bibliotheken, Museen, Theater und
    Menschen mit geringer formaler Bildung,                    Opernhäuser. Regionale Bildungsnetzwerke

    4 Gemeint sind ehrenamtlich engagierte Personen, die interessierte ältere Menschen beim Umgang mit
      technischen Geräten und digitalen Medien unterstützen.

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Bildung im Alter – für alle ermöglichen

könnten mit ihrem Wissen über Bildungs-,                  Jahren5 und Millionen weiteren älteren An-
Engagement- und damit Teilhabegelegen-                    fängerinnen und Anfängern das Erlernen
heiten vor Ort Lücken identifizieren und                  digitaler Kompetenzen zu ermöglichen. Dazu
Doppelstrukturen vermeiden.                               bedarf es lokaler Interneterfahrungsorte mit
                                                          qualifizierter Lernbegleitung in allen Kom-
4. Thematische Vielfalt fördern                           munen, der Förderung von Internetzugän-
                                                          gen in allen Wohnformen Älterer und digita-
Bildungsinteressen und -bedürfnisse sind so               ler Kompetenzen der Fachkräfte in allen für
vielfältig wie das Alter und sollten sich ent-            ältere Menschen relevanten Berufsgruppen.6
sprechend auch in der Bildungs- und För-                  Das BMFSFJ hat deshalb gemeinsam mit der
derlandschaft wiederfinden. Dazu gehören                  BAGSO den DigitalPakt Alter ins Leben geru-
kulturelle Bildung, Fremdsprachen, Recht                  fen.7 Die Initiative muss wesentlicher Be-
und Verbraucherschutz, Sinnorientierung                   standteil einer Digitalisierungsoffensive der
und Spiritualität, Bildung im und für das                 neuen Bundesregierung werden.
Engagement, Bildung für berufliche Akti-
vitäten, Pflegeaufgaben und vieles mehr.                  Gesundheitskompetenz (health literacy) ist
Einige Themen erscheinen gesellschaftspoli-               auch im Alter eine wesentliche Vorausset-
tisch besonders relevant:                                 zung für Prävention. Menschen mit ho-
                                                          her Gesundheitskompetenz verhalten sich
Technik- und Medienkompetenz ist auch                     gesundheitsförderlicher und bewegen sich
für ältere Menschen ein wichtiger Schlüs-                 kompetenter durch das Gesundheitssystem.
sel zu sozialer Teilhabe. Dies hat der Achte              Doch gerade unter älteren Menschen ist
Altersbericht der Bundesregierung ebenso                  die Gesundheitskompetenz niedrig.8 Des-
deutlich gemacht wie der Digitalisierungs-                halb muss es gemeinsames bildungs- und
schub in vielen Lebensbereichen durch die                 gesundheitspolitisches Streben sein, ge-
Corona-Pandemie. Digitale Kompetenzen                     sundheitsbezogene Informationen leicht
sind zudem eine Voraussetzung, um die                     verständlich und zielgruppenspezifisch
wachsende Zahl digitaler Bildungsangebo-                  anzubieten und sie in Bildungs- und Teil-
te wahrzunehmen. Deshalb muss es eine                     habeangebote für ältere Menschen einzu-
zentrale bildungspolitische Aufgabe sein,                 beziehen.
den aktuell acht Millionen Offlinern ab 60

5 Eigene Berechnung aus Daten des D21 Digital-Index (2020/21), S.12, und dem Statistischen Bundesamt (2021):
  14. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung
6 Vgl. BAGSO-Stellungnahme zum Achten Altersbericht der Bundesregierung „Ältere Menschen und Digitalisie-
  rung“, 2020: https://www.bagso.de/publikationen/stellungnahme/aeltere-menschen-und-digitalisierung/
7 Mehr Informationen unter: www.digitalpakt-alter.de
8 Schaeffer, D. et al. (2021): Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der
  Corona-Pandemie. Bielefeld, Universität Bielefeld. Online unter: https://pub.uni-bielefeld.de/down-
  load/2950305/2950403/HLS-GER%202_Ergebnisbericht.pdf

                                                                                                               7
BAGSO-Positionspapier

    Der Bereich der Grundbildung sollte sich                    Um dieser Vielfalt an Interessenslagen zu
    ebenfalls auf ältere Lernende ausrichten.                   begegnen, sind Ältere an der Entwick-
    Geschätzt 20 Prozent der Menschen ab 65                     lung von Bildungsangeboten zu beteiligen.
    Jahren in Deutschland sind funktionale                      Bildungsträger sollten Beiräte mit Vertrete-
    Analphabeten.9 Schriftsprachliche Kompe-                    rinnen und Vertretern diverser gesellschaft-
    tenzen sind eine Grundvoraussetzung für                     licher Gruppen, inklusive älterer Menschen,
    gesellschaftliche Teilhabe und können auch                  in ihre Programmgestaltung einbeziehen.
    im Alter noch erworben werden. Ähnliches                    Bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln
    gilt für das Rechnen. Migrantinnen und                      sollte dies Voraussetzung sein.
    Migranten, die aus verschiedenen Gründen
    erst im Alter Deutsch lernen wollen, sollten                5. Daten zum Bildungsverhalten Älterer
    Sprachkurse finden, die ihre Lernbedürfnisse                   erheben
    in den Mittelpunkt stellen.
                                                                Über die Bildungsbeteiligung, die Bildungs-
    Für gesellschaftlichen Zusammenhalt und                     bedarfe und Bildungswünsche älterer Men-
    Demokratieförderung ist auch die politische                 schen in Deutschland ist wenig bekannt. Sie
    Bildung älterer Menschen von großer Be-                     werden weder durch die Bildungsstudien10
    deutung. Ältere Menschen stellen schon                      noch durch die Altersstudien11 angemessen
    jetzt die größte Gruppe von Wählerinnen                     erfasst. Bekannt ist, dass die Beteiligung an
    und Wählern. Politische Bildung vermittelt                  formalen Bildungsangeboten mit dem Aus-
    Informationskompetenz und schützt vor                       tritt aus dem Erwerbsleben abnimmt. Auch
    Falschinformationen, stärkt die Mitgestal-                  im Alter hängt Bildungsbeteiligung zudem in
    tung und Übernahme von Verantwortung in                     hohem Maße mit dem Bildungsstand zu-
    Quartier und Kommune.                                       sammen.12 So erreichen traditionelle An-
                                                                gebote organisierter Bildung eher höher
    Angesichts der großen gesellschaftlichen                    gebildete, gesunde, jüngere Alte, aber nicht
    Transformationsprozesse wie Globalisie-                     die Mehrheit der Älteren. Bildungsungleich-
    rung, Klimawandel und Pandemien, die alle                   heiten verstärken sich so im Alter weiter.
    Generationen betreffen, sollte ein weiterer
    Fokus auf die Förderung intergenerationeller                Im Rahmen einer Nationalen Bildungs-
    Bildungsformate gelegt werden.                              strategie sollte das Bildungsverhalten der

    9 Laut LEO-Studie (2018) liegt die Quote bei 18- bis 64-Jährigen bei 12,1 %. Sie wird bei Älteren höher geschätzt
      aufgrund der Schulzeit im/nach dem Zweiten Weltkrieg.
    10 Bildungsstudien zu Erwachsenen in Deutschland mit Altersgrenze im 6. Lebensjahrzehnt: Nationaler Bildungs-
      bericht, Adult Education Survey (AES), Programme for the International Assessment of Adult Competencies
      (PIAAC); Bildungsstudien, die berufliche Weiterbildung fokussieren: Nationales Bildungspanel (NEPS), Nationale
      Weiterbildungsstrategie
    11 Altersstudien mit wenigen Fragen zu Bildung: Deutscher Alterssurvey (DEAS), Survey of Health, Ageing and
      Retirement in Europe (SHARE)
    12 Nachgewiesen u.a. in den Studien SHARE, AES, Weiterbildungsverhalten und -interessen Älterer“ (EdAge)
      und Competencies in Later Life (CiLL)
8
Bildung im Alter – für alle ermöglichen

älteren Menschen in Deutschland differen-                  Älteren erarbeiteten Qualitätskriterien ge-
ziert und regelmäßig in einer eigenen Studie               lingender Bildung im Alter13 und den Prinzi-
erfasst werden. Auf dieser Grundlage kann                  pien der Geragogik ausgerichtet sein. Diese
der Nationale Bildungsbericht auf die Be-                  Evaluation sollte Teil einer detaillierten
trachtung von Menschen über 65 Jahren                      Bildungsstudie sein. Ziel ist dabei nicht, Bil-
ausgeweitet werden.                                        dungsangebote zu standardisieren, sondern
                                                           ihre Qualität zu verbessern.
In einer Studie zu Bildung im Alter sollten
nicht nur formale Bildungssettings, sondern                Ist gute Praxis identifiziert, geht es darum,
auch non-formale und informelle Bildungs-                  diese in die Fläche zu tragen. Dazu ist es
aktivitäten, die Themenvielfalt und die                    notwendig, die institutionenübergreifende
vielfältigen Lernkontexte erfasst werden.                  Vernetzung und den Austausch der Akteure
Zu betrachten sind beispielsweise auch die                 in der Bildungsarbeit mit Älteren zu entwi-
Rolle von stationären Einrichtungen sowie                  ckeln. Für diese Aufgabe wird ein nationa-
die Bereiche E-Learning, Lernen im familia-                les Kompetenzzentrum für Bildung im Alter
len und intergenerationellen Kontext. Auch                 vorgeschlagen. Es könnte das Wissen um die
soziostrukturelle Daten sind wichtig, weil sie             bestmögliche Gestaltung lernförderlicher
Auskunft zu sozialer Ungleichheit und Bil-                 Bedingungen im und für das Alter teilen,
dungsungleichheiten geben. Zu berücksich-                  Netzwerke etablieren und für den Austausch
tigen sind auch die Bildungsinteressen und                 zwischen Wissenschaft und Praxis sorgen. Es
-bedarfe von Menschen, die bislang eher                    wäre zentrale Anlaufstelle für Akteure in den
weniger von Angeboten erreicht werden.                     Kommunen und für Bildungsanbieter, die
                                                           Angebote für Ältere aufbauen oder weiter-
Regelmäßige Erhebungen zur Bildungsbe-                     entwickeln möchten.
teiligung ermöglichen die kontinuierliche
Evaluation der Wirksamkeit einer nationalen                Der Transfer guter Praxis in die Fläche sollte
Strategie für Bildung im Alter.                            zudem das Ziel von umfangreichen Förder-
                                                           richtlinien sein. Diese müssen auf den Auf-
6. Transfer guter Praxis fördern                           bau nachhaltiger Strukturen für Bildung im
                                                           Alter gerichtet sein. Nachweislich erfolg-
Das Feld der organisierten Bildung im und                  reiche Projekte sollten verstetigt und ausge-
für das Alter ist dabei deutlich weniger pro-              baut werden.
fessionalisiert als andere Bildungsbereiche.
Um die Verbreitung guter Praxis zu fördern,
bedarf es daher einer wissenschaftlichen
Erhebung und Evaluation bestehender
Lernformate. Sie sollte an partizipativ mit

13 Köster, D.; Schramek, R. & Dorn, S. (2008): Qualitätsziele moderner SeniorInnenarbeit und Altersbildung.
  Das Handbuch. Oberhausen, Athena-Verlag

                                                                                                              9
BAGSO-Positionspapier

     7. Geragogik stärken und Lehrende                       Das Thema Bildung im Alter muss zudem
        qualifizieren                                        auch in alle für die Arbeit mit älteren Men-
                                                             schen relevanten Ausbildungs- und Stu-
     Die Lehrenden – oder besser: Lernbegleite-              diengänge integriert werden, zum Beispiel
     rinnen und Lernbegleiter – der Bildung im               auch in den Bereichen Gesundheit und
     Alter sind in der Mehrheit ältere freiwillig            Pflege. Bereits tätige Fachkräfte sollten sich
     Engagierte, Honorarkräfte und deutlich sel-             berufsbegleitend fortbilden können.
     tener Hauptamtliche. Sie bereichern das Bil-
     dungsangebot mit ihren vielfältigen beruf-              Freiwillig engagierte Lernbegleiterinnen und
     lichen Hintergründen. Bislang gibt es jedoch            Lernbegleiter sollten die Möglichkeit haben,
     nur vereinzelte Weiterbildungsangebote, um              die notwendigen didaktischen Fähigkeiten
     sie für ihre Aufgabe in der Bildungsarbeit              zu erwerben. Darüber hinaus sind die Be-
     mit älteren Menschen zu schulen. Um die                 dingungen für ihr Engagement in der Bil-
     Qualität von Angeboten der Altersbildung zu             dung zu verbessern: durch die Einbindung
     verbessern, ist es deshalb dringend erfor-              in verlässliche Strukturen und eine Koope-
     derlich, das Berufsfeld Geragogik zu stärken            ration mit Hauptamtlichen auf Augenhöhe,
     und Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter                durch Vorbereitungskurse und Aufwands-
     zu qualifizieren, zu beraten und zu unter-              entschädigungen.14
     stützen.
                                                             8. Information über Bildungsangebote
     Als wesentliche Voraussetzung dafür muss                   verbessern
     die Geragogik als wissenschaftliche Disziplin
     an Universitäten und Hochschulen verankert              Der Zugang Älterer zu Bildung und Teilhabe
     werden. Geragogische Lehrinhalte sind im                kann auch dadurch verbessert werden, dass
     Studium der Gerontologie, Sozialen Arbeit               Angebote niedrigschwellig bekannt ge-
     oder Erziehungswissenschaften bisweilen                 macht werden und leichter auffindbar sind.
     enthalten. Seit 2018 wird an der Pädago-                Bei der Vielfalt von potenziellen Veranstal-
     gischen Hochschule Karlsruhe ein berufs-                tern braucht es Übersichtsmöglichkeiten, in
     begleitendes Masterstudium Geragogik                    denen Angebote zusammenführt sind.
     angeboten. Es besteht jedoch ein Entwick-
     lungsbedarf hinsichtlich eigener Lehrstühle             Vor Ort kommt den zu schaffenden Bil-
     und Studiengänge. Neben der notwendigen                 dungsnetzwerken die Aufgabe zu, vorhan-
     Forschung am Thema würden durch die                     dene Bildungsangebote öffentlichkeitswirk-
     Lehre auch mehr qualifizierte Fachkräfte zur            sam bekannt zu machen, sie zum Beispiel
     Verfügung stehen, die qualitätsorientierte              in die kommunalen Wegweiser für Ältere
     Angebote entwickeln und umsetzen können.                aufzunehmen.

     14 Vgl. BAGSO-Positionspapier „Engagement und Bildung im Alter“, 2017: https://www.bagso.de/publikationen/
       positionspapier/engagement-und-bildung-im-alter/

10
Bildung im Alter – für alle ermöglichen

Auf Bundesebene wird dieses Ziel mit dem         Das Konzept des „Lebenslangen Lernens“
vom BMFSFJ geförderten Portal wissens-           muss als Lernen über die gesamte Lebens-
durstig.de verfolgt. Hier sind die Angebote      spanne verstanden und verwirklicht wer-
etlicher Volkshochschulen, Mehrgenera-           den. Dazu braucht es das Zusammenwirken
tionenhäuser, kleinerer Bildungsanbieter         von Politik, Verwaltung, Wissenschaft und
und freiwillig Engagierter bereits integriert.   Zivilgesellschaft im Rahmen einer Natio-
Interessierte können sich örtliche Angebote      nalen Bildungsstrategie. Bildung ist ein
zu gewünschten Themen anzeigen lassen.           Menschenrecht und daher allen Menschen
Älteren, die das Internet nicht nutzen, gibt     unabhängig von ihrem Lebensalter zu er-
ein Servicetelefon Auskunft. Pflege und Aus-     möglichen.
bau des Portals bleiben auch künftig eine
wichtige Aufgabe. Die geplante Nationale
Bildungsplattform des BMBF sollte künftig        Dieses Positionspapier wurde mit Fachleuten
auch digitale Bildungsangebote für Ältere        aus Wissenschaft und Verbänden erarbeitet
integrieren.                                     und im Mai 2022 vom Vorstand der BAGSO
                                                 verabschiedet.

                                                                                  Herausgeber

                                                    BAGSO
                                                    Bundesarbeitsgemeinschaft
                                                    der Seniorenorganisationen e. V.

                                                    Noeggerathstr. 49
                                                    53111 Bonn
                                                    Telefon 0228 / 24 99 93-0
                                                    Fax 0228 / 24 99 93-20
                                                    kontakt@bagso.de

                                                    www.bagso.de
                                                    facebook.com/bagso.de
                                                    twitter.com/bagso_de

                                                                                                 11
Die BAGSO – Stimme der Älteren                  längeren Lebens ebenso einschließt wie
                                                Zeiten der Verletzlichkeit und Hilfe- bzw.
Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft           Pflegebedürftigkeit. Gegenüber Politik,
der Seniorenorganisationen vertritt die         Gesellschaft und Wirtschaft tritt sie für Rah-
Interessen der älteren Generationen in          menbedingungen ein, die ein gutes und
Deutschland. Sie setzt sich für ein aktives,    würdevolles Leben im Alter ermöglichen –
selbstbestimmtes und möglichst gesundes         in Deutschland, in Europa und weltweit.
Älterwerden in sozialer Sicherheit ein. In
der BAGSO sind mehr als 120 Vereine und         In Positionspapieren und Stellungnahmen
Verbände der Zivilgesellschaft zusammen-        gibt die BAGSO Anstöße und Empfehlungen
geschlossen, die von älteren Menschen ge-       für politisches Handeln in Bund, Ländern
tragen werden oder die sich für die Belange     und Kommunen. Die BAGSO veröffentlicht
Älterer engagieren.                             eine Vielzahl von Publikationen zu unter-
                                                schiedlichen Themen, die kostenfrei zu be-
Die BAGSO fördert ein differenziertes Bild      stellen sind oder auf der BAGSO-Internet-
vom Alter, das die vielfältigen Chancen eines   seite heruntergeladen werden können.
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