EU-KOMPASS Der Europabrief der 365 Sherpas zur österreichischen Ratspräsidentschaft. Ausgabe 4 | Digitales 12. Oktober 2018
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EU-KOMPASS Der Europabrief der 365 Sherpas zur österreichischen Ratspräsidentschaft. Ausgabe 4 | Digitales 12. Oktober 2018 Vollendung des digitalen Binnenmarkts
EU-KOMPASS SEITE 2 VOLLENDUNG DES DIGITALEN BINNENMARKTS DER EU VOR WELCHEN AUFGABEN STEHT DIE ÖSTERREICHISCHE RATSPRÄSIDENTSCHAFT? 2014 wurde der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei Jean-Claude Juncker neuer Präsident der Europäischen Kommission. Für die folgenden fünf Jahre definierte er zehn prioritäre Handlungsfelder – weit oben rangierte dabei der digitale Binnen- markt. Doch was ist seitdem aus dem Projekt, den digitalen Binnenmarkt zu vollenden, geworden? Eines der Ziele war, den grenzüberschreitenden Online-Handel zu fördern und be- stehende Hindernisse zu beseitigen. Hier wurde unter anderem die Verordnung über grenzüberschreitende Paketzustelldienste durchgesetzt. Auch konnten Hindernisse beim Zugang zu audiovisuellen Diensten beseitigt werden: das Geoblocking wurde abgeschafft, sodass dem Streaming von kostenpflichtigen Diensten bei Grenzüber- schreitungen innerhalb der EU kein Hindernis mehr gesetzt ist. Mit „WiFi4EU“ wird die EU frei zugängliche WiFi-Hotspots an öffentliche Orte bringen. Für die Verbraucher besonders erfreulich: die Europäische Kommission unter der Ägide Jean-Claude Junckers hat den Roaming-Gebühren ein Ende gesetzt. Böse Überraschungen in der Handy- Abrechnung nach dem Urlaub gehören damit nun der Vergangenheit an. Doch in einigen zentralen Vorhaben stocken die Verhandlungen. Sollte hier keine Einigung gefunden werden, könnten diese Vorhaben scheitern. Zwar gibt es in der EU, anders als in vielen nationalen Parlamenten, formal kein Diskontinuitätsprinzip – de facto ist eine neue Europäische Kommission aber nicht gezwungen, „legislative Altlasten“ mit sich herumzuschleppen. Ob nicht vollendete Legislativprojekte nach erfolgter Wahl fortgeführt werden, ist ungewiss. Die Europäische Kommission kann jegliche Initiativen jederzeit zurückziehen. Derzeit befinden sich noch zentrale Vorhaben im Gesetzgebungsprozess, die für eine Vollendung des digitalen Binnenmarkts von großer Bedeutung sind. Wir stellen die vier wichtigsten vor: die E-Privacy-Verordnung, die Urheberrechtsrichtlinie, die Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online- Vermittlungsdiensten sowie das Cybersecurity-Paket.
EU-KOMPASS SEITE 3 ARRIVALS Personenbezogene Daten schützen oder digitale Geschäftsmodelle stärken? DIE E-PRIVACY-VERORDNUNG Ein zentrales Anliegen der Europäischen der EU gefährdet. Vor allem die Online- Kommission, welches in der laufenden Werbewirtschaft befürchtet massive Um- Legislaturperiode noch nicht abgeschlos- satzverluste, aber auch andere Branchen sen werden konnte, ist die E-Privacy- werden von der E-Privacy-Verordnung Verordnung. Sie soll die bisher bestehen- betroffen sein. de E-Privacy-Richtlinie ersetzen und als eine EU-Verordnung dann unmittelbar Das Europaparlament hat bereits Stellung geltendes Recht sein. Das ursprüngliche bezogen – es möchte ein hohes und um- Ziel, die E-Privacy-Verordnung und die fassendes Datenschutzniveau garantieren. Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Im Rat konnten sich die Mitgliedstaaten zeitgleich in Kraft treten zu lassen, konnte noch nicht einigen, kritische Punkte sind nicht erreicht werden. u. a. noch die Berechtigungsgründe für den Einsatz von Cookies sowie die Frage, Die E-Privacy-Verordnung hat zum Ziel, die ob Internetbrowser so voreingestellt europäische Rechtsetzung beim Schutz sein sollen, dass Cookies nur bei explizit personenbezogener Daten in der elektro- erteilter Zustimmung Anwendung finden nischen Kommunikation zu vereinheitli- können (Privacy by Default). Solange chen und die DSGVO in dieser Hinsicht zu der Rat nicht zu einer Einigung kommt, ergänzen und zu spezifizieren. Sie bezieht kann er nicht in Verhandlungen mit dem auch sogenannte Over-the-Top Commu- Europaparlament treten. Hier liegt es nun nication Services, die über das Internet am Verhandlungsgeschick der österreichi- arbeiten, mit ein: dies sind alltäglich ge- schen Ratspräsidentschaft, die divergie- nutzte Dienste wie WhatsApp und Skype. renden Positionen der Mitgliedstaaten unter einen Hut zu bringen. Mit jeder Über die Ausgestaltung der E-Privacy- Woche, die verstreicht, wird ein erfolgrei- Verordnung tobt eine öffentliche Lobby- cher Abschluss der E-Privacy-Verordnung schlacht – auf der einen Seite pochen die vor den Europawahlen nächstes Jahr im Befürworter einer starken Verordnung Mai unwahrscheinlicher. Für diejenigen auf das hohe Datenschutzniveau und den Mitgliedstaaten, denen die E-Privacy-Ver- Schutz der Privatsphäre, auf der anderen ordnung zu streng gefasst ist, mag eine Seite sehen Vertreter der Internetwirt- solche Verzögerungstaktik gar gelegen schaft die digitale Wettbewerbsfähigkeit sein.
EU-KOMPASS SEITE 4 ARRIVALS Zugang zu digitalen Inhalten DIE EU-URHEBERRECHTSRICHTLINIE Am 12. September 2018 hat das Europäi- nichts anderes als das Filtern aller Inhalte, sche Parlament über seine Positionierung die von Usern hochgeladen werden. zur Urheberrechtsreform abgestimmt. Kritiker befürchten, dies könne zu einer Damit ist der Weg frei für Verhandlungen automatisierten Zensur mit niedriger zwischen Rat, Parlament und Kommission Treffsicherheit führen und damit letztlich im Rahmen der informellen Trilog- auch die Meinungsfreiheit einschränken. Gespräche. Auch entstünde damit ein weiteres Instru- ment der Überwachung von Internetnut- Konkret soll die Richtlinie die Rahmenbe- zern. Die Urheberrechtsreform sieht auch dingungen für den Umgang mit Urhe- ein Leistungsschutzrecht für Verleger vor. berrechten im Internet festlegen und den Die Verlage erhoffen sich davon, dass die Schutz von Urheberrechten in den einzel- unentgeltliche Nutzung ihrer Angebote nen Mitgliedstaaten im digitalen Binnen- im Internet eingegrenzt wird. Von Seiten markt weiter harmonisieren. Im Kern zielt der Digitalwirtschaft wird ein mögliches die Richtlinie darauf ab, Internetkonzerne Leistungsschutzrecht auf europäischer wie Google und Facebook zu verpflichten, Ebene jedoch stark kritisiert. für das Teilen von fremden Inhalten zu zahlen. Was als Schritt gegen die großen Über die Ausgestaltung der Richtlinie Digitalunternehmen und für eine Ermäch- kann nun, nach dem Votum des Europa- tigung von Inhabern von Urheberrechten parlaments, im informellen Trilog verhan- und Künstlern gedacht ist, mündet jedoch delt werden. Es herrscht Einigkeit darüber, in sogenannten „Upload-Filtern“ – ein dass eine baldige Verabschiedung oberste Aspekt, der von Kritikern als bedenklich Priorität habe. Eine Einigung vor Ablauf und wenig förderlich eingestuft wird. Die der jetzigen Legislaturperiode ist wahr- Richtlinie verlangt von Internetanbietern scheinlich.
EU-KOMPASS SEITE 5 ARRIVALS Plattformökonomie stärker regulieren? DIE VERORDNUNG ZUR FÖRDERUNG VON FAIRNESS UND TRANSPARENZ FÜR GEWERB- LICHE NUTZER VON ONLINE-VERMITTLUNGS- DIENSTEN Mit einem weiteren gesetzlichen Vorstoß würde europäische Bemühungen vom April 2018 reagiert die EU-Kommis- torpedieren, zu US-amerikanischen sion darauf, dass in der Digitalwirtschaft Digital Champions aufzuschließen. den Online-Plattformen eine immer größere Marktmacht zukommt. Mit Die Kommission möchte mit diesem dem Verordnungsvorschlag sollen der Vorhaben die Unternehmen vis-á-vis Verbraucherschutz, aber auch Unterneh- den Plattformen besserstellen, um faire men mit Präsenz auf Online-Plattfor- Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. men gestärkt und die Marktmacht von So sollen Anbieter in Zukunft erklären Plattformen eingeschränkt werden. Ob müssen, warum sie einem Unternehmen Amazon-Marketplace, Facebook, AirBnB vertraglich den Handel auf Konkurrenz- oder Uber – Vermittlungsdienste und plattformen untersagen. Außerdem sieht Online-Verkaufsplattformen sind für viele man Regelungsbedarf bei der Transpa- Verbraucher und Unternehmen unver- renz und Fairness von Suchmaschinen zichtbar geworden. Inzwischen bieten in und -rankings. Hier sollen Google & Co der EU mehr als eine Million Unterneh- mehr in die Verantwortung genommen men ihre Waren und Dienstleistungen werden und transparent machen, wie auf Online-Plattformen an. Dazu zählen sie die Entscheidung über Ranking und aber nicht nur US-Plattformen, sondern Positionierung treffen. Derzeit befinden auch europäische Anbieter wie Zalando, sich noch sowohl das Europaparlament Check24 oder HRS. Daher regt sich auch als auch der Rat in der internen Positions- Kritik am Vorschlag der Kommission, sie findung.
EU-KOMPASS SEITE 6 ARRIVALS Keine erfolgreiche Digitalisierung ohne Cybersicherheit DAS CYBERSECURITY-PAKET Das im September 2017 von der EU-Kom- ordinierende Funktion zugedacht. Zudem mission vorgelegte Cybersecurity-Paket soll sie bei der Umsetzung der Vorgaben beinhaltet den Vorschlag für eine Verord- zur Cybersicherheits-Zertifizierung, dem nung über die EU-Cybersicherheitsagen- zweiten Teil des Pakets, unterstützen und tur (ENISA) sowie über die Zertifizierung letztlich die digitale Produktsicherheit der Cybersicherheit von Informations- und sicherstellen. Kommunikationstechnik. Die Kernpunkte des Pakets lassen sich also bereits leicht Hier existieren derzeit eine Reihe verschie- aus den Titeln der legislativen Entwürfe dener Zertifizierungsmodelle, die durch ableiten. den Vorschlag der EU-Kommission zwar vereinheitlicht, aber nach wie vor nicht Das Mandat der Europäischen Agentur für verpflichtend werden sollen. Netz- und Informationssicherheit ENISA soll durch das Paket gestärkt werden. Das Paket befindet sich derzeit im infor- Ausgebaut zu einer „EU Cybersecurity mellen Trilog. Eine Verabschiedung noch Agency“ wird die ENISA ein permanentes während der österreichischen Ratspräsi- Mandat erhalten, den Mitgliedsstaaten dentschaft wäre ein großer Erfolg, wird bei der Abwehr von Cyberangriffen unter aber angesichts der wenig verbliebenen die Arme zu greifen. Beim europäischen Zeit kein Selbstläufer. Wissensaustausch ist der ENISA eine ko-
EU-KOMPASS SEITE 7 ALLE VORHABEN ZUM DIGITALEN BINNENMARKT Die folgende Übersicht zeigt alle noch laufenden Vorhaben zur Vollendung des digitalen Binnenmarktes der EU. Klicken Sie auf einzel- ne Punkte, um zur offiziellen Website des Europäischen Parlaments zu gelangen und Details zum Vorhaben zu erfahren (Englisch). DEPARTURES Verordnungsvorschlag über bestimmte vertragsrechtliche Überprüfung der Richtlinie über Informationen des Aspekte des Online-Warenhandels und anderer Formen des Öffentlichen Sektors (PSI) Fernabsatzes von Waren Mitteilung der Kommission: Künstliche Intelligenz für Europa Verordnungsvorschlag über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte Verordnungsvorschlag zur Einrichtung des Gremiums europä- ischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation 5G Aktionsplan (GEREK) Vorschlag für eine Verordnung zu Datenschutz und Verordnungsvorschlag über den europäischen Kodex für die elektronischer Kommunikation elektronische Kommunikation (Neufassung) Mitteilung der Kommission: Bewertung von Plattformen und Verordnungsvorschlag zur Koordinierung bestimmter Rechts- Bekämpfung illegaler Inhalte und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf Verordnungsvorschlag zur Förderung von Fairness und sich verändernde Marktgegebenheiten Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungs- diensten Verordnungsvorschlag über einen Rahmen für den freien Ver- kehr nicht personenbezogener Daten in der Europäischen Union Mitteilung der Kommission: Online-Plattformen, der digitale Binnenmarkt und Fake News Europäische Cloud Initiative Mitteilung der Kommission: Digitalisierung der europäischen Industrie KONTAKT Neuer E-Government-Aktionsplan 2016 – 2020 365 Sherpas Consulting GmbH Siebensterngasse 1 / 4-5 Modernisierung der europäischen Urheberrechtsvorschriften: 1070 Wien Richtlinie zum Urheberrecht Im digitalen Binnenmarkt Tel: +43 1 8777492-0 wien@365sherpas.com Modernisierung der europäischen Urheberrechtsvorschriften: 365 Sherpas GmbH Verordnung über die Online-Übertragung von Rundfunk Schlesische Straße 26 anstalten und die Weiterverbreitung von Fernseh- und 10997 Berlin Radioprogrammen Tel: +49 30 5770209-10 berlin@365sherpas.com Cybersecurity-Paket www.365sherpas.com twitter.com/365Sherpas
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