EUROPÄISCHES ZIVILPROZESS- UND KOLLISIONSRECHT EUZPR / EUIPR

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Europäisches Zivilprozess-
und Kollisionsrecht
EuZPR / EuIPR
Kommentar
Bearbeitung 2011
Rom I-VO • Rom II-VO

Herausgegeben von
Thomas Rauscher
Kommentiert von
Johannes Cziupka • Robert Freitag • Martin Fricke
Bettina Heiderhoff • Jan von Hein • Dominique Jakob
Peter Picht • Karsten Thorn • Hannes Unberath

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Kommentatoren/in                                   Zitierweise

Bearbeitung 2011                                   Rauscher / von Hein, EuZPR/EuIPR (2011)
Rom I-VO                   Robert Freitag          Einl Rom I-VO Rn 1
                           Martin Fricke           Rauscher / Heiderhoff, EuZPR/EuIPR (2011)
                           Bettina Heiderhoff      Art 6 Rom I-VO Rn 1
                           Jan von Hein            Rauscher / Unberath/Cziupka, EuZPR/EuIPR
                           Karsten Thorn           (2011) Art 1 Rom II-VO Rn 1
Rom II-VO                  Johannes Cziupka
                           Dominique Jakob
                           Peter Picht
                           Hannes Unberath         Abkürzungsempfehlungen

                                                   Brüssel I-VO               EG-InsVO
                                                   LugÜbk 2007                Rom I-VO
                                                   EG-VollstrTitelVO          Rom II-VO
                                                   EG-MahnVO                  Brüssel IIa-VO
                                                   EG-BagatellVO              EG-UntVO
                                                   EG-ZustVO 2007             EG-ErbVO-E
                                                   EG-BewVO                   HUntStProt 2007

ISSN 2191-7949
ISBN (print) 978-3-86653-091-1
ISBN (eBook) 978-3-86653-885-6

 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­
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Kapitel II                                                                Art 6 Rom I-VO, 52, 53
Einheitliche Kollisionsnormen                                                    Art 7 Rom I-VO

Deutschland durch Konstruktionen wie den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte oder
durch § 1357 BGB Personen mit in die Informations- und Widerrufstatbestände ein-
bezogen werden? Hier muss für eine großzügige Handhabe plädiert und die sich aus
dem Aufenthaltsstaat ergebende Reichweite der Verbraucherschutzrechte umfassend
beachtet werden.

Die Handhabung des Günstigkeitsprinzips stellt sich in der Entscheidungspraxis meist 52
als einfacher dar, als es in der Theorie erscheint. Denn wenn sich das Begehren des
Verbrauchers aus seinem Aufenthaltsstaatsrecht bereits ergibt, braucht nicht erst über-
legt zu werden, ob es sich ebenso aus dem gewählten Recht ergeben hätte und ob
deshalb das Urteil – in theoretisch korrekter Weise – auf dieses fremde, gewählte
Recht gestützt werden müsste.97 Ein „Rosinenpicken“ wie es teilweise diskutiert wird,
kommt ebenfalls von vornherein gar nicht in Frage: Nur wenn der Verbraucher das
Recht, welches er begehrt, aus einer der in Betracht kommenden Rechtsordnungen
(vollständig) ableiten kann, hilft ihm der Günstigkeitsvergleich.98

V.     Verfahren

Innerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel I-VO besteht nunmehr für Verbrau- 53
cherverträge, bei denen keine Rechtswahl erfolgt ist, ein grundsätzlicher Gleichlauf
zwischen der Zuständigkeit und dem anwendbaren Recht. Denn Art 6 wurde ganz
weitgehend an Art 15 Brüssel I-VO angepasst. Das war, wie oben gezeigt, eines der
Ziele der Verordnung. Der Gleichlauf ist sehr zu begrüßen, da die Gerichte sich mit
der Anwendung ausländischen Rechts allgemein eher schwer tun. Wie vom Verord-
nungsgeber angestrebt, werden auch Kosten eingespart, weil kein besonderer Aufwand
zur Ermittlung ausländischen Rechts betrieben werden muss.

Der Gleichlauf ist aber bei weitem nicht für jeden Fall erreicht worden. Denn Art 15
Brüssel I-VO sieht nicht die in Art 6 Abs 4 enthaltenen Ausnahmen vor. Kein Gleich-
lauf kann schließlich erreicht werden, soweit Verbraucherverbände nach dem UKlG
gegen bestimmte Klauseln vorgehen wollen. Dann greift nämlich Art 6 ein, während
Art 15 Brüssel I-VO seinem klaren Wortlaut nach nicht passt.99

Artikel 7
Versicherungsverträge

(1) Dieser Artikel gilt für Verträge nach Absatz 2, unabhängig davon, ob das gedeckte Risiko
    in einem Mitgliedstaat belegen ist, und für alle anderen Versicherungsverträge, durch die
    Risiken gedeckt werden, die im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen sind. Er gilt nicht für
    Rückversicherungsverträge.

96   Zur Frage, inwiefern Richterrecht dazu gehört BGH WM 2005, 423; Mörsdorf-Schulte JR 2006, 309.
97   Mankowski EuZ 2009, 2, 6.
98   Auch AnwKommBGB /Leible Art 29 EGBGB Rn 68.
99   Zu Letzterem Rauscher/Staudinger Art 15 Brüssel I-VO Rn 2.

Martin Fricke                                                                                  333
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Art 7 Rom I-VO                                                                    A.IV.1 Rom I-Verordnung
                                                                        IPR vertragliche Schuldverhältnisse

(2) Versicherungsverträge, die Großrisiken im Sinne von Artikel 5 Buchstabe d der Ersten
    Richtlinie 73/239/ EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und
    Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direkt-
    versicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)1 decken, unterliegen dem von den
    Parteien nach Artikel 3 der vorliegenden Verordnung gewählten Recht.
    Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Versicherungsvertrag
    dem Recht des Staats, in dem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt
    sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbin-
    dung zu einem anderen Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
(3) Für Versicherungsverträge, die nicht unter Absatz 2 fallen, dürfen die Parteien nur die fol-
    genden Rechte im Einklang mit Artikel 3 wählen:
    a) das Recht eines jeden Mitgliedstaates, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
       das Risiko belegen ist;
    b) das Recht des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufent-
       halt hat;
    c) bei Lebensversicherungen das Recht des Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit
       der Versicherungsnehmer besitzt;
    d) für Versicherungsverträge, bei denen sich die gedeckten Risiken auf Schadensfälle be-
       schränken, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko
       belegen ist, eintreten können, das Recht jenes Mitgliedstaats;
    e) wenn der Versicherungsnehmer eines Vertrags im Sinne dieses Absatzes eine gewerb-
       liche oder industrielle Tätigkeit ausübt oder freiberuflich tätig ist und der Versiche-
       rungsvertrag zwei oder mehr Risiken abdeckt, die mit dieser Tätigkeit in Zusammen-
       hang stehen und in unterschiedlichen Mitgliedstaaten belegen sind, das Recht eines
       betroffenen Mitgliedstaats oder das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts
       des Versicherungsnehmers.
    Räumen in den Fällen nach den Buchstaben a, b oder e die betreffenden Mitgliedstaaten
    eine größere Wahlfreiheit bezüglich des auf den Versicherungsvertrag anwendbaren
    Rechts ein, so können die Parteien hiervon Gebrauch machen.
    Soweit die Parteien keine Rechtswahl gemäß diesem Absatz getroffen haben, unterliegt
    der Vertrag dem Recht des Mitgliedstaats, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
    das Risiko belegen ist.
(4) Die folgenden zusätzlichen Regelungen gelten für Versicherungsverträge über Risiken, für
    die ein Mitgliedstaat eine Versicherungspflicht vorschreibt:
    a) Der Versicherungsvertrag genügt der Versicherungspflicht nur, wenn er den von dem
       die Versicherungspflicht auferlegenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen besonderen Be-
       stimmungen für diese Versicherung entspricht. Widerspricht sich das Recht des Mit-
       gliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, und dasjenige des Mitgliedstaates, der die
       Versicherungspflicht vorschreibt, so hat das letztere Vorrang.
    b) Ein Mitgliedstaat kann abweichend von den Absätzen 2 und 3 vorschreiben, dass auf
       den Versicherungsvertrag das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden ist, der die Ver-
       sicherungspflicht vorschreibt.

1     ABl L 228 vom 16.8.1973, S. 3. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2005/68 / EG des Europäischen
      Parlaments und des Rates (ABl L 323 vom 9.12.2006, S. 1).

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Kapitel II                                                                          Art 7 Rom I-VO
Einheitliche Kollisionsnormen

(5) Deckt der Vertrag in mehr als einem Mitgliedstaat belegene Risiken, so ist für die Zwecke
    von Absatz 3 Unterabsatz 3 und Absatz 4 der Vertrag als aus mehreren Verträgen beste-
    hend anzusehen, von denen sich jeder auf jeweils nur einen Mitgliedstaat bezieht.
(6) Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich der Staat, in dem das Risiko belegen ist, nach
    Artikel 2 Buchstabe d der Zweiten Richtlinie 88/357/ EWG des Rates vom 22. Juni 1988
    zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung
    (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Aus-
    übung des freien Dienstleistungsverkehrs2, und bei Lebensversicherungen ist der Staat, in
    dem das Risiko belegen ist, der Staat der Verpflichtung im Sinne von Artikel 1 Absatz 1
    Buchstabe g der Richtlinie 2002/83/ EG.

Schrifttum

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Martin Fricke                                                                                     335
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                                           www.sellier.de
Art 7 Rom I-VO                                                                                                      A.IV.1 Rom I-Verordnung
                                                                                                       IPR vertragliche Schuldverhältnisse

ders, Das Versicherungs-IPR im Entwurf der Rom-                                Ehling, in: Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg),
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Clausnitzer/Woopen, Internationale Vertrags-                                   Thorn, in: Palandt69 (2010) Art 7 Rom I-VO
gestaltung – Die neue EG-Verordnung für grenz-                                 Thume, Fehler im Anpassungsgesetz zur
überschreitende Verträge (Rom I-VO) (Abschnitt                                 Rom-I-Verordnung, VersR 2009, 1342.
III. 7. Versicherungsverträge), BB 2008, 1798

I.    Normgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1       2. Versicherungsverträge über ein
                                                                                      Großrisiko (Art 7 Abs 2) . . . . . . . . . . . . .           8
II. Struktur der Norm – Gang der                                                   a) Subjektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . .           11
      Kommentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    2       b) objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . .          12
                                                                                   3. Versicherungsverträge über
III. Das Versicherungs-IPR der                                                        Massenrisiken (Art 7 Abs 3) . . . . . . . . .               14
      Rom I-VO (Art 7)                                                             a) Anwendungsbereich von Art 7 Abs 3
      1. Rückversicherungsverträge                                                    (Regelungslücke?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   15
         (Art 7 Abs 1 S 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       5       b) Subjektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . .           17
      a) Subjektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . .                 6       c) Objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . .          23
      b) objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . .                7

336                                                                                                                                Oktober 2010
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                                                       www.sellier.de
Kapitel II                                                                                                                              Art 7 Rom I-VO
Einheitliche Kollisionsnormen                                                                                                                        1

     4. Pflichtversicherungsverträge                                                       c) Gemischte Verbraucher-/Nicht-
         (Art 7 Abs 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         24            Verbraucherversicherungsverträge
     5. Exkurs: Versicherungsverträge über                                                     mit Risikobelegenheit außerhalb
         Massenrisiken mit Risikobelegenheit                                                   der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . .                   42
         außerhalb der Europäischen Union . .                                    27        6. Mehrfachbelegenheit von Risiken
     a) Verbraucherversicherungsverträge                                                       (Art 7 Abs 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    44
         mit Risikobelegenheit außerhalb                                                   7. Definition der Risikobelegenheit
         der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . .                        30            (Art 7 Abs 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    50
     aa) Verträge nach Art 6 Abs 1 lit a                                                   a) Schadenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .               51
         und lit b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   31        aa) Immobiliarversicherung . . . . . . . . . . . . . .                 52
         aaa) Objektive Anknüpfung . . . . . . . . .                             31        bb) Fahrzeugversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .             53
         bbb) subjektive Anknüpfung . . . . . . . . .                            32        cc) Ferien- und Reiseversicherungen . . . .                            54
     bb) Verträge nach Art 6 Abs 3 . . . . . . . . . . .                         35        dd) Auffangregel: gewöhnlicher
         aaa) subjektive Anknüpfung . . . . . . . . .                            36            Aufenthalt/Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      55
         bbb) objektive Anknüpfung . . . . . . . . .                             37        b) Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . .              56
     b) Nicht-Verbraucherversicherungs-
         verträge mit Risikobelegenheit                                               IV. Rechtspolitik/Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . 57
         außerhalb der Europäischen Union . .                                    41

I.      Normgeschichte

Das IPR der Versicherungsverträge fand sich vor seiner Neuregelung in der Rom I-VO 1
auf mehrere Rechtsquellen verteilt,3 die vergleichbare Sachverhalte ohne sachliche
Notwendigkeit unterschiedlich behandelten. Aus diesem Grund musste bei der Fall-
bearbeitung an Hand ungeschriebener Regeln zunächst stets ermittelt werden, welches
Normenregime überhaupt anwendbar war (Meta-Kollisionsrecht4). Dieser Zustand war
dogmatisch unbefriedigend und für den nicht-spezialisierten Rechtsanwender verwir-

3    In den Grundzügen galt Folgendes: Schaden-Versicherungsverträge mit Risikobelegenheit innerhalb
     der EU wurden von den Artt 7 f der 2. Schadenversicherungsrichtlinie, Lebensversicherungsverträge
     von Art 32 der Lebensversicherungsrichtlinie bzw deren jeweiliger nationaler Umsetzung erfasst (in
     Deutschland Artt 7 ff EGVVG), während Rückversicherungsverträge sowie Versicherungsverträge mit
     Risikobelegenheit außerhalb der EU vom Europäischen Schuldvertragsrechtsübereinkommen (EVÜ)
     bzw dessen nationaler Umsetzung (in Deutschland Artt 27 ff EGBGB) erfasst wurden. Zur bisherigen
     Rechtslage ausführlich beispielsweise: Roth in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungs-
     rechts-Handbuch2 (2009) § 4; Stehl, Die Überwindung der Inkohärenz des Internationalen Privat-
     rechts der Bank- und Versicherungsverträge (2008) 31 ff; Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG27
     (2004) 1035 ff; MünchKommBGB4 /Martiny (2006) Band 10 S 2286 ff; Mankowski VersR 2002, 1177;
     Wandt in: Reichert-Facilides/Schnyder (Hrsg), Versicherungsrecht in Europa – Kernperspektiven am
     Ende des 20. Jahrhunderts (2000), 85; Gruber, Internationales Versicherungsvertragsrecht (1999);
     Dörner in: Honsell, Berliner Kommentar zum VVG (1999) 2255 ff; Fricke VersR 1994, 773; ders IPRax
     1990, 361; Basedow/Drasch NJW 1991, 785.
4    Der Begriff geht zurück auf Basedow/Drasch NJW 1991, 785 (787) und bezeichnet (idR ungeschriebe-
     ne) Regelungen, die festlegen, welches von mehreren potentiell in Betracht kommenden Kollisions-
     normensystemen Anwendung findet (Kollisionsnormen-Kollisionsregeln).

Martin Fricke                                                                                                                                                    337
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Art 7 Rom I-VO                                                                       A.IV.1 Rom I-Verordnung
1                                                                          IPR vertragliche Schuldverhältnisse

rend, weil kaum durchschaubar,5 die resultierende unterschiedliche Behandlung im
Wesentlichen gleicher Sachverhalte auch nicht zu rechtfertigen. Mit der Schaffung der
Rom I-VO hätte das IPR der Versicherungsverträge in einer einzigen Rechtsquelle
zusammengefasst, inhaltlich vereinfacht sowie alle im Wesentlichen gleichen Sach-
verhalte den gleichen Anknüpfungsregeln unterworfen werden sollen.6 Dies ist indes
nur teilweise gelungen,7 stellt aber insofern schon einen großen Fortschritt dar, als zu
Beginn des Gesetzgebungsverfahrens Versicherungsverträge, soweit sie dem EU-Richt-
linienrecht unterfallen, überhaupt ganz von der Anwendung der Rom I-VO ausge-
nommen werden sollten,8 womit der unbefriedigende alte Zustand im Wesentlichen
perpetuiert worden wäre. Der EU-Gesetzgeber sieht offenbar die neuen Regeln des
Versicherungskollisionsrechts selbst als noch nicht hinreichend ausgereift an, da er sie
einem expliziten Revisionsvorbehalt unterstellt hat (Art 27 Abs 1 lit a), was er
ansonsten lediglich noch bei den im Gesetzgebungsverfahren besonders umstrittenen
Regeln zu den Verbraucherverträgen getan hat (Art 27 Abs 1 lit b). Es bleibt darüber
hinaus dabei, dass auf Altverträge auch künftig das bisherige IPR Anwendung findet
(Art 28), so dass sich der Rechtsanwender bei der Langfristigkeit von Versicherungs-
verträgen noch für geraume Zeit vor die Notwendigkeit gestellt sehen wird, auch die
unbefriedigenden bisherigen Regeln zu beherrschen.9 In gewisser Weise verschlimmert

5     Vgl zur Kritik des bisher geltenden Rechts beispielsweise: Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 538 („Hölle
      des Kollisionsrechts“); Mankowski IHR 2008, 133, 144; Staudinger in: Ferrari/Leible (Hrsg), Ein neues
      Internationales Vertragsrecht für Europa (2007) 227 ff; Heiss JBl 2006, 750, 756; ders ZVersWiss 2007,
      503, 526 ff; Hübner EuZW 2006, 449; Fricke VersR 2005, 726, 730 ff; ders VersR 2006, 745 ff; Basedow/
      Scherpe FS Heldrich (2005) 513 ff; Roth FS Lorenz (2004) 631 ff; ders in: Beckmann/Matusche-Beck-
      mann, Versicherungsrechts-Handbuch2 (2009) § 4 Rn 21 ff; Wandt, Versicherungsrecht4 (2009)
      Rn 161; Martiny GPR 2008, 48, 49.
6     Vgl die allgemeine Aussage in ErwGr 40: „Die Aufteilung der Kollisionsnormen auf zahlreiche
      Rechtsakte sowie Unterschiede zwischen diesen Normen sollten vermieden werden“, die jedoch so-
      gleich wieder relativiert wird.
7     Im Einzelnen Fricke VersR 2008, 443, 445 ff; Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 539; Heiss FS Kropholler
      (2008) 459, 462; Perner IPRax 2009, 218, 218 ff, II. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann/Roth, Versi-
      cherungsrechts-Handbuch2 (2009) § 4 Rn 25; Looschelders/Smarowos VersR 2010, 1, 2. Kritisch auch
      Magnus IPRax 2010, 27, 39.
8     Art 22 (a) iVm Anhang I Str 3 und 4 Rom I-VO-E (Europäische Kommission, 15.12.2005, KOM (2005)
      650. Kritik dazu von Fricke VersR 2006, 745, 746. Vgl auch die vom Autor als nationalem Experten
      des Berichterstatters entworfene Stellungnahme der Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Ver-
      brauch des EWSA zum Entwurf der Rom I-VO (Dokument INT /307 CESE 709/2006 fin – 2005/0261
      (COD)(DE) bb vom 10.8.2006), S 11 (unter 3.5.1).
9     Vgl Thorn/Wagner IPRax 2009, 1, 21; Mankowski NJW 2009, Heft 51 XIV, XV. Dazu ist auf die oben
      angegebene Literatur zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Rom I-VO zurückzugreifen. Die Situation
      wird dadurch verkompliziert, dass der deutsche Gesetzgeber die alte Regelung in den Art 7 ff EGVVG
      pauschal aufgehoben hat (Art 2 Abs 4 Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen
      Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008, BGBl 2009 I 1574), obwohl anzunehmen ist, dass
      er sie eigentlich für Verträge, die vor In-Kraft-Treten der Rom I-VO geschlossen wurden, hätte erhal-
      ten wollen (Einzelheiten mit Auswertung der Entstehungsgeschichte siehe Thume VersR 2009, 1343).
      Auch wenn man sich unter Verweis auf den klaren Wortlaut der Norm nicht entschließt, den gesetz-

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Kapitel II                                                                                Art 7 Rom I-VO
Einheitliche Kollisionsnormen                                                                         2, 3

dieser Umstand die Lage noch: es ist eine weitere metakollisionsrechtliche Weichen-
stellung vorzunehmen (diesmal in zeitlicher Hinsicht) und ein weiteres Normregime zu
beherrschen.

Eine Vereinfachung wird hingegen künftig auf Grund von Art 178 der sog Solvency II-
Richtlinie10 eintreten, da dort bestimmt ist, dass auch diejenigen Mitgliedstaaten der
EU, für die die Rom I-VO nicht gilt (weil sie an den Maßnahmen nach Artt 61 lit c
EGV iVm Art 65 lit b EGV auf Grund eines nach Art 69 EGV eingelegten Vorbehalts
nicht teilnehmen), das Kollisionsrecht der Versicherungsverträge dennoch in Anwen-
dung der VO zu regeln haben. Diese Verpflichtung gilt indes nur soweit, wie diese
Verträge Art 7 der VO unterfallen. Dies sind nicht alle Versicherungsverträge (s u
Rn 5 und 15). Im Hinblick auf Rückversicherungsverträge und bestimmte Massenrisi-
ken bleibt diesen Staaten daher theoretisch immer noch die Möglichkeit einer abwei-
chenden nationalen Regelung, auch wenn die Ausschöpfung dieser Möglichkeit kei-
nen Sinn macht.

II.     Struktur der Norm – Gang der Kommentierung

Der Aufbau des Art 7 folgt, cum grano salis, einem Schema sich vom Beginn zum Ende 2
hin verengender Möglichkeiten einer Rechtswahl der Vertragsparteien und platziert
einzelne Unterfälle des Versicherungsvertrages dementsprechend in der Reihenfolge
eines Ausschlussschemas, beginnend mit Rückversicherungsverträgen (größte Wahl-
freiheit Art 7 Abs 1) über Großrisikoverträge (Art 7 Abs 2), Massenrisiken (Art 7
Abs 3), hin zu den Pflichtversicherungsverträgen, bei denen tendenziell die geringste
Wahlfreiheit besteht (bzw bestehen kann – Art 7 Abs 4). Abs 5 behandelt den Spezi-
alfall von Mehrfachrisikobelegenheit, und Abs 6 dient der Definition des zentralen
Anknüpfungselements der Risikobelegenheit.

Art 7 behandelt das IPR der Versicherungsverträge zwar umfassender als seine Vorgän- 3
gerregelungen in den Versicherungsrichtlinien und im EVÜ,11 allerdings keineswegs
abschließend. Es bestehen folgende Ausnahmen:
 – Verträge aus dem Bereich der Sozialversicherung sowie sonstige überwiegend öffent-
   lich-rechtlich geprägte Versicherungsverhältnisse fallen von vornherein nicht unter
   die Rom I-VO (Art 1 Abs 1 S 2). Auf sie findet Art 7 deshalb keine Anwendung.
 – Von der Geltung der Verordnung hat der Europäische Gesetzgeber darüber hinaus
   ausdrücklich das Kollisionsrecht im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge aus-

      geberischen Willen insoweit einfach durch Auslegung zu korrigieren, was der Verfasser anraten würde
      (ebenso Rauscher/Pabst NJW 2009, 3614, 3619), dürfte man dennoch zur Anwendung der alten Re-
      geln kommen. Sie lassen sich dann im Rahmen der nicht aufgehobenen Vorschriften des EGBGB (sie
      gelten für Altfälle fort) als Auslegung (engster Bezug) heranziehen. Abzuwarten bleibt, ob der Gesetz-
      geber noch eine Korrektur vornimmt.
10    Richtlinie2009/138 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betref-
      fend die Aufnahmen und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität
      II), ABl EU 2009 L 335/1. Die Umsetzung muss bis zum 31.10.2012 stattfinden (Art 309 Abs 1).
11    Dazu siehe Fn 3.

Martin Fricke                                                                                           339
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Art 7 Rom I-VO                                                                     A.IV.1 Rom I-Verordnung
3                                                                        IPR vertragliche Schuldverhältnisse

  genommen, soweit die Verträge mit einem Versicherer abgeschlossen wurden, der
  nicht in der EU niedergelassen ist (Art 1 Abs 2 lit j) iVm Art 2 Lebensversiche-
  rungsrichtlinie12). Diese erst gegen Ende des Gesetzgebungsverfahrens auf Wunsch
  Schwedens eingefügte Ausnahme perpetuiert teilweise13 den kollisionsrechtlichen
  Gehalt des Art 3 Abs 3 der Lebensversicherungsrichtlinie. Die Ausnahme gilt auch
  dann, wenn Altersvorsorgeverträge auf rein privatrechtlich einzuordnenden Versi-
  cherungsverträgen beruhen. Auf sie findet die Verordnung und damit auch Art 7
  von vornherein keine Anwendung. Insoweit besteht eine Regelungskompetenz des
  nationalen Gesetzgebers.14 Offenbar wollte man diese Verträge wegen der Nähe
  zum jeweils anwendbaren Sozialversicherungsrecht von den Regelungen der Ver-
  ordnung ausnehmen.15 Da Nicht-EU-Versicherer innerhalb der Gemeinschaft al-
  lerdings regelmäßig nur über eine dort zugelassene Niederlassung Geschäft betrei-
  ben dürfen (Art 51 ff Lebensversicherungsrichtlinie), bleibt diese Ausnahme prak-
  tisch wenig relevant. Sie betrifft vor allem die Versicherung von Risiken außerhalb
  der EU durch Nicht-EU-Versicherer. Findet sich im Einzelfall für Streitigkeiten aus
  solchen Verträgen ein Gerichtsstand innerhalb der Gemeinschaft, kann die Frage
  relevant werden.16 Der deutsche Gesetzgeber wird die Entwicklung von Kollisions-
  regeln in diesem Bereich wohl der Rechtsprechung überlassen.
– Für Rückversicherungsverträge verweist Art 7 Abs 1 S 2 auf die allgemeinen An-
  knüpfungsregeln (Art 3 lit f), regelt die Anknüpfung dieser Verträge also inhaltlich
  nicht selbst. Immerhin unterliegen Rückversicherungsverträge aber überhaupt der
  Rom I-VO. Des Sachzusammenhangs wegen wird das Kollisionsrecht der Rückver-
  sicherungsverträge an dieser Stelle der Kommentierung (und nicht bei den allge-
  meinen Regeln) behandelt.
– Für Verbraucherversicherungsverträge über ein außerhalb der EU belegenes Risi-
  ko ist (falls man keine entsprechende Anwendung von Art 7 Abs 3 erwägt) Art 6
  als Kollisionsnorm heranzuziehen. Des Sachzusammenhangs wegen werden diese
  Verträge hier (in einem Exkurs) behandelt. Andererseits können, soweit der An-
  wendungsbereich des Art. 7 reicht, auch bei Verbraucherversicherungsverträgen

12    Ab 1.11.2012 ist der Verweis zu lesen als auf Art 2 Abs 3 Solvabilität II-Richtlinie bezogen (dort
      Art 310).
13    Bisher waren Altersvorsorgeverträge auf Grund Art 3 Abs 3 Lebensversicherungsrichtlinie völlig aus
      dem Regime des Richtlinienkollisionsrechts ausgeschlossen. Nunmehr muss man bei wörtlicher An-
      wendung annehmen, dass sie der Nachfolgeregelung (Rom-I) unterfallen, sofern sie mit EU-Versiche-
      rern abgeschlossen wurden.
14    Dieser hatte jedoch in Deutschland bei Abschluß des Manuskripts noch nicht davon Gebrauch ge-
      macht. Das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verord-
      nung (EG) Nr 593/2008, BGBl 2009 I 1574 berührt das Thema nicht. Insoweit ist zunächst richterli-
      che Rechtsfortbildung gefragt. Siehe auch Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach
      Art 15 EGVVG Rn 4.
15    Konkret ist man dabei einem schwedischen Wunsch gefolgt, der darauf basiert, dass man die dortige
      Rechtslage (Geltung nationaler Tarifverträge für entsprechende Versicherungsverträge) nicht in Fra-
      ge stellen wollte. Näher BT-Drs 16/12104, 10 und Martiny RIW 2009, 737, 749.
16    Vgl Perner IPRax 2009, 218, 219; Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach Art 15
      EGVVG Rn 4.

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Kapitel II                                                                                Art 7 Rom I-VO
Einheitliche Kollisionsnormen                                                                          3

  nicht ergänzend die Regelungen des Art. 6 herangezogen werden. Art 7 ist insoweit
  lex specialis.17
– Für Nichtverbraucherversicherungsverträge über ein außerhalb der EU belegenes
  Risiko, die keine Rückversicherungs- und keine Großrisikoverträge sind, sind die
  Artt 3 ff als Kollisionsnormen heranzuziehen. Des Sachzusammenhangs wegen wer-
  den auch diese Verträge hier (und nicht bei den allgemeinen Regeln) in einem
  Exkurs behandelt.
– Soweit ein Versicherungsvertrag mit einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
  (VVaG) besteht, ist es nicht möglich, alle Sachverhalte, die mit dem Versicherungs-
  vertrag im Zusammenhang stehen, nach der Rom I-VO anzuknüpfen. Auch wenn in
  Deutschland jedenfalls Versicherungsvertrag und Mitgliedschaft im Verein meist als
  untrennbare Einheit angesehen werden,18 ist dem Umstand Rechnung zu tragen,
  dass Art 1 Abs 2 lit f Fragen des Gesellschafts- und Vereinsrechts ausdrücklich aus
  dem Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt. In den Anwendungsbereich
  des Art 7 können daher nur solche Fragen fallen, die bei einem Versicherungsvertrag
  im Nichtmitgliedergeschäft des VVaG bzw. mit einem Versicherer in der Rechtsform
  der Aktiengesellschaft in vergleichbarer Form auftreten würden, weil sie das vertrag-
  liche Austauschverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer betref-
  fen,19 also keine vereinsmitgliedschaftsspezifische Komponente aufweisen. Fragen
  hingegen, die in dem Bereich der Mitgliedschaftsrechte der Versicherten im Versi-
  cherungsverein oder dessen Struktur angesiedelt sind, können nicht nach den Re-
  geln der Rom I-VO angeknüpft werden,19a selbst wenn sie ihre Rechtsgrundlage
  letztlich in dem Versicherungsvertrag des Mitgliedes haben, der jedenfalls nach tra-
  dierter deutscher Auffassung20 gerade auch die Mitgliedschaft vermittelt. Unmaß-
  geblich für die Beurteilung dieser Frage ist es allerdings, ob sich eine Regelung in der
  Satzung des Vereins befindet oder nicht. Nach deutschem Recht können sich be-
  stimmte Regelungen versicherungsvertragsrechtlichen Charakters in der Satzung des
  VVaG befinden (§ 10 Abs 2 VAG), wenn dies auch zumindest bei größeren VVaG
  zunehmend unüblich ist.21 Entscheidend für die Qualifikation ist der Inhalt.22

17    Vgl den allerdings nicht konsequent durchgehaltenen ErwGr 32: „… sollte Artikel 6 nicht im Zusam-
      menhang mit diesen besonderen Verträgen gelten.“ Ferner: Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd 1
      (2010) IntVersR Rn 98.
18    Vgl. etwa Petersen, Versicherungsunternehmensrecht (2003) Rn 47; Benkel, Der Versicherungsverein
      auf Gegenseitigkeit (2002) 116 ff; Hoppmann, Vorstandskontrolle im Versicherungsverein auf Gegen-
      seitigkeit (2000) 106 f. Differenzierend: Weigel in: Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz12 (2005) § 15
      VAG Rn 7 aE; Kaulbach in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG4 (2007) § 15 VAG Rn 5.
19    Vgl zur Abgrenzung von mitgliedschaftlicher und nichtmitgliedschaftlicher Sphäre (in anderem Zu-
      sammenhang) BGH VersR 2008, 337, 338 (unter [12]); BGHZ 136, 394 ff (zitiert nach Juris, dort
      Rn 26), jeweils mwN.
19a   Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach Art 15 EGVVG Rn 6.
20    Petersen, Versicherungsunternehmensrecht (2003) Rn 47; Benkel, Der Versicherungsverein auf Ge-
      genseitigkeit (2002) 116 ff; Hoppmann, Vorstandskontrolle im Versicherungsverein auf Gegenseitig-
      keit (2000) 103 f, 106 f.
21    Vgl Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (2002) 277.
22    Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Reiff, AGB-Recht5 (2009) § 310 Klauseln Rn V 81.

Martin Fricke                                                                                            341
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Art 7 Rom I-VO                                                                       A.IV.1 Rom I-Verordnung
   4                                                                          IPR vertragliche Schuldverhältnisse

   – Keine Anwendung findet das nach Art 7 bestimmte anwendbare Recht (bzw. Ver-
     sicherungsvertragsstatut) auf das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer,
     von diesem verschiedenen Versichertem und/oder Begünstigtem. Dafür ist allein
     das Statut maßgeblich, dem die zwischen diesen Personen bestehenden Schuldver-
     hältnisse unterliegen.23 Das Verhältnis zwischen Versichertem/Begünstigten und
     Versicherer hingegen unterliegt sehr wohl dem Versicherungsvertragsstatut, soweit
     es (wenn auch möglicherweise über gesetzliche Regeln vermittelt) auf dem Versi-
     cherungsvertrag beruht.

4 Das Versicherungs-IPR der Verordnung ist, von den aufgeführten Ausnahmen abge-
  sehen, in Art 7 zusammengefasst, der die Thematik im Übrigen umfassend und ab-
  schließend regelt (Art 7 Abs 1 S 1, Abs 3 iVm Art 23, Art 6 Abs 1). Dh, die generel-
  len und anderen speziellen Anknüpfungsregeln der Verordnung kommen bei Versiche-
  rungsverträgen regelmäßig nicht zur Anwendung, es sei denn, Art 7 lässt das ausdrück-
  lich oder inzident zu.24 Das spezielle Kollisionsrecht der alten EU-Versicherungsricht-
  linien25 findet (auf Versicherungsverträge, die ab dem 17.12.200926 abgeschlossen wur-
  den) keine Anwendung mehr (Art 23).27 Die darauf beruhenden (vormaligen)
  Artt 7 ff EGVVG können auch nicht hilfsweise herangezogen werden. 28 Zu beachten
  ist allerdings, dass einige Rechtsfragen im typischen Umfeld des Versicherungsvertra-
  ges nicht der Anknüpfung nach der Rom I-VO unterliegen: Ansprüche aus Verschul-
  den bei Vertragsschluss (cic),29 etwa wegen falscher oder ungenügender Beratung, wer-
  den vom Brüsseler Gesetzgeber deliktisch behandelt und unterliegen nicht der An-
  knüpfung nach der Rom I-VO (Art 1 Abs 2 lit i), sondern nach Art 12 der Rom II-
  VO.29a Der im Verhältnis Schädiger – Versicherer oft vorkommende gesetzliche For-

   23    Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd 1 (2010) IntVersR Rn 57.
   24    Ob dies weise ist, denn Versicherungsverträge sind Schuldverträge wie andere auch und könnten, von
         geringen Besonderheiten abgesehen, demselben allgemeinen Anknüpfungssystem unterworfen wer-
         den wie diese, soll an dieser Stelle nicht problematisiert werden. Dazu ausführlich Fricke VersR 2005,
         726, 730 ff; ders VersR 2006, 745, 747 ff.
   25    Art 7 ff Zweite Schadenversicherungsrichtlinie, Art 32 Lebensversicherungsrichtlinie. Schon vor der
         Aufhebung beider Richtlinien durch die Solvabilität II-Richtlinie (siehe dort Art 310) wird dies auch
         durch einen entsprechenden Verweis im Versicherungsrichtlinienrecht klar (Art 178 Richtlinie2009/
         138 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnah-
         men und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl EU
         2009 L 335/1. Diese Vorschrift gilt bereits jetzt: Art. 311).
   26    Berichtigung des Art 28 Rom I-VO, ABl EU 2009 L 309/87.
   27    Vgl Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 531; Pfeiffer EuZW 2008, 622, 627; Heiss FS Kropholler (2008)
         459, 460; Martiny RIW 737, 749.
   28    Sie werden aufgehoben (Art 2 Abs 4 Nr 2 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des Interna-
         tionalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr 593/2008, BGBl. 2009 I 1574). Eine Klarstellung
         enthält zudem künftig Art 3 Nr 1 EGBGB (ebendort).
   29    In Deutschland ist diese Rechtsfigur bei der Schuldrechtsreform in § 311 Abs 2 Nr 1 iVm § 280 BGB
         (für den Versicherungsvertrieb iVm § 60 bzw 61 VVG) aufgegangen. Der Begriff darf aber auf keinen
         Fall mit demjenigen des deutschen Rechts gleichgesetzt werden, sondern ist vielmehr im Sinne des
         europäischen Rechts autonom auszulegen.

   342                                                                                             Oktober 2010
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Einheitliche Kollisionsnormen                                                                        5

derungsübergang30 ist ebenfalls in der Rom II-VO geregelt (Art 19). Diese bestimmt
allerdings, dass die Frage, ob und in welchem Umfang die Legalzession stattfindet, dem
Recht unterworfen ist, das das Verhältnis Versicherer – Versicherungsnehmer regelt,
also dem Statut des Versicherungsvertrages. 31 Schließlich stellt Art 18 Rom II-VO für
die Voraussetzungen, unter denen ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den
Versicherer geltend gemacht werden kann, alternativ auf das Statut ab, dem der Ver-
sicherungsvertrag unterliegt, das also nach der Rom I-VO zu bestimmen ist, oder aber
auf das Deliktsstatut, das sich nach der Rom II-VO bestimmt.32 Von besonderer prak-
tischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das (Haager) Übereinkommen
über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4. Mai 1971 (HStVÜbk
1971) eine eigenständige Regelung zur Direktklage des Geschädigten enthält (Art 9
HStVÜbk 1971). Diese geht, soweit das Abkommen anwendbar ist, den Regelungen
der Rom II-VO vor, und zwar auch in rein innergemeinschaftlichen Fällen (Art 28
Abs 1 Rom II-VO).33

III. Das Versicherungs-IPR der Rom I-VO

1.      Rückversicherungsverträge (Art 7 Abs 1 S 2)

Kraft ausdrücklicher Normierung gilt Art 7 nicht für Rückversicherungsverträge 5
(Art 7 Abs 1 S 2). Eine spezielle Kollisionsnorm für Rückversicherungsverträge ist in
der Verordnung allerdings nicht vorhanden. Da Rückversicherungsverträge aber ande-

29a   Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das
      auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom-II“), ABl EU 2007 L 199/40.
30    Im deutschen Recht § 86 VVG. Der Begriff darf aber auf keinen Fall mit demjenigen des deutschen
      Rechts gleichgesetzt werden, sondern ist vielmehr im Sinne des europäischen Rechts autonom aus-
      zulegen. Siehe auch Art 10:101 der Principles of European Insurance Contract Law (PEICL).
31    Vgl Heiss FS Kropholler (2008) 459, 460.
32    Vgl Heiss FS Kropholler (2008) 459, 461; von Hein ZEuP 2009, 6, 31.
33    Vgl Siehr FS Kropholler (2008) 211, 225; Staudinger FS Kropholler (2008) 691, 698; von Hein ZEuP
      2009, 6, 32. Soweit Nichtmitgliedstaaten mit Mitgliedstaaten bi- oder multilaterale Abkommen, wie
      das HStVÜbk 1971, geschlossen haben, fehlt es der Union an der notwendigen Regelungskompetenz,
      mit der sie die völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Außenstehenden außer Kraft setzen und
      durch andere Regelungsinhalte ersetzen könnte (vgl von Hein ZEuP 2009, 6, 32). Das dürfte selbst für
      die Fälle gelten, wo der Sachverhalt zwar vollständig innerhalb der Union spielt, aber in den Anwen-
      dungsbereich des Abkommens fällt, da die Vertragsstaaten untereinander die Verpflichtung einge-
      gangen sind, bestimmte Sachverhalte nach den Abkommensregeln zu behandeln. Art 28 Abs 1
      Rom II-VO ist Ausdruck dieses Umstandes (vgl auch ErwGr 36) und erklärt sich gerade daraus, dass
      die Union hierauf Rücksicht nimmt. Aus diesem Grunde findet sich ein entsprechender Passus auch
      in anderen kollisionsrechtlichen Rechtsakten der Union (zB Art 25 Abs 1 Rom I-VO – dort sehr
      prägnant erläutert in ErwGr 41: „Um die internationalen Verpflichtungen zu wahren, die die Mit-
      gliedstaaten eingegangen sind, darf [Hervorhebung durch den Verfasser] sich die Verordnung nicht auf
      internationale Übereinkommen auswirken, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt
      der Annahme dieser Verordnung angehören.“)

Martin Fricke                                                                                         343
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Art 7 Rom I-VO                                                                      A.IV.1 Rom I-Verordnung
  6                                                                         IPR vertragliche Schuldverhältnisse

  rerseits auch nicht aus dem Anwendungsbereich der Verordnung herausfallen,34 müs-
  sen zur Anknüpfung von Rückversicherungsverträgen die allgemeinen Regeln der
  Artt 3 und 4 der Verordnung herangezogen werden.35

  a) Subjektive Anknüpfung
6 Für Rückversicherungsverträge gilt die Grundregel der Verordnung zur Bestimmung
  des anwendbaren Rechts, nämlich die der Geltung des von den Vertragsparteien durch
  Rechtswahlvereinbarung frei gewählten Rechts (Art 3 Abs 1). Die Rechtswahlverein-
  barung kann sowohl ausdrücklich erfolgen als sich auch konkludent aus dem Vertrag
  oder den Umständen des Falles ergeben, sofern das nur eindeutig der Fall ist (Art 3
  Abs 1). Im Hinblick auf Indizien für eine konkludente Rechtswahl können eine ganze
  Reihe von Umständen in Betracht gezogen werden: Bezugnahmen auf die rückgedeck-
  ten Erstversicherungsverträge werden in der Regel lediglich der Risikobeschreibung
  dienen, nicht aber eine inzidente Rechtswahl für den Rückversicherungsvertrag ent-
  halten,36 doch ist dies letztlich Auslegungsfrage im Einzelfall. Ausschließliche Ge-
  richtsstandsvereinbarungen können in Ermangelung einer ausdrücklichen Vereinba-
  rung Indizwirkung für einen Parteiwillen zur Vereinbarung des Rechts am Gerichtsort
  haben, insbesondere, wenn weitere Indizien hinzukommen wie die Übereinstimmung
  von Forum und Platzierungsort der Rückversicherung oder die Verwendung von Stan-
  dardformularen eines bestimmten Marktes.37 Die Wahl eines bestimmten Schiedsge-
  richts besitzt allerdings Indizwirkung wohl nur, wenn kraft Satzung, Verfahrensord-
  nung oder bekannter tatsächlicher Übung des Schiedsgerichts absehbar ist, dass es
  üblicherweise das Recht an seinem Sitz anwendet. 38 Die Zeichnung des Rückversiche-
  rungsvertrages an einem bestimmten internationalen Marktort (beispielsweise Lon-
  don) dürfte idR eine entsprechende Indizwirkung nicht entfalten, denn das Entschei-
  dende für die Wahl solcher Orte dürften regelmäßig die dort gegebenen Kontaktmög-
  lichkeiten, nicht der Umstand, dass alle Marktteilnehmer sich nach den materiellen
  Rechtsregeln des Ortes richten wollen, sein.39 Der verwendeten Sprache des Vertrags-
  werks dürfte gerade bei Rückversicherungsverträgen auf Grund der Internationalität
  des Geschäfts kaum eine Indizwirkung zukommen, speziell, wenn es sich um eine
  Weltsprache wie Englisch handelt, der sich zahlreiche Sprecher allein zur Überwin-
  dung der Sprachbarriere bedienen. Bei Verwendung von Lokalsprachen mag die Wer-
  tung anders ausfallen. Im Einzelfall kann eine Auslegung des Vertragswortlautes oder
  die Gesamtschau der Umstände aber auch anderes ergeben. Einvernehmlich kann die

  34    Siehe oben Rn 3. Ergibt sich letztlich auch schon aus dem Umstand, dass sie in Art 7 Abs 1 S 2 über-
        haupt erwähnt werden.
  35    Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 539; Mankowski IHR 2008, 133, 144; MünchKommBGB5 /Martiny
        (2010) Art 7 Rn 17; ders RIW 2009, 737, 749; Heiss FS Kropholler (2008) 459, 478; Looschelders/
        Pohlmann/Schäfer, VVG (2010) Anh II Art 7-15 EGVVG Rn 24; Palandt69 /Thorn (2010) Art 7 Rn 2;
        PWW /Ehling Art 7 Rn 18; Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd 1 (2010) IntVersR Rn 115 f;
        Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach Art 15 EGVVG Rn 32.
  36    Mankowski VersR 2002, 1177, 1179.
  37    Mankowski VersR 2002, 1177,1180.
  38    Mankowski VersR 2002, 1177, 1180.
  39    Mankowski VersR 2002, 1177, 1180.

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Einheitliche Kollisionsnormen                                                                   7

Rechtswahlvereinbarung jederzeit geändert werden (Art 3 Abs 2). Wichtig ist hier, im
Auge zu behalten, dass alle Verweisungen der Verordnung grundsätzlich Sachrechts-
verweisungen und keine Kollisionsrechtsverweisungen sind (Art 20). Auch ohne be-
sondere Festlegung im Verweisungsvertrag sind damit Rück- und Weiterverweisung
ausgeschlossen.

b) objektive Anknüpfung
In Anbetracht des Umstandes, dass es erfahrungsgemäß in internationalen Rückver- 7
sicherungsverträgen heute40 regelmäßig nicht an einer expliziten Rechtswahlverein-
barung fehlen dürfte, hat die Frage der objektiven Anknüpfung in diesem Bereich
möglicherweise keine größere praktische Relevanz. Immerhin mag die Frage, welches
Recht denn ohne Vereinbarung gilt, als Ausgangspunkt für Verhandlungen eine Rolle
spielen. Sollte sie sich stellen, ist Art 4 der Verordnung sedes materiae. Dessen
Anwendung führt indes nicht zu eindeutigen Ergebnissen:41 Qualifiziert man den
Rückversicherungsvertrag als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art 4 Abs 1 lit b,
wofür manches spricht,42 da Rückversicherungsverträge typischerweise eine (Fi-
nanz-)Dienstleistung zum Gegenstand haben, gelangt man zur Anwendung des Rechts,
das am Sitz der Hauptverwaltung43 des Rückversicherers gilt. 44 Das steht allerdings im
Gegensatz zu der bisher (jedenfalls im deutschen IPR) überwiegend angenommenen
Maßgeblichkeit des Statuts am Sitz des Erstversicherers.45 Für dessen Anwendung
spricht (zumindest in vielen Konstellationen) der Gesichtspunkt des kollisionsrecht-
lichen Schutzes der schwächeren Vertragspartei und, sollte der Versicherer die Bestände
bei mehreren Rückversicherern in verschiedenen Staaten abgedeckt haben, die Ver-
meidung einer Statutenspaltung.46 Qualifiziert man Rückversicherungsverträge nicht
als Dienstleistungsvertrag im Sinne des Art 4 Abs 1 lit b und weicht statt dessen auf
Art 4 Abs 2 aus, lässt sich das tradierte Ergebnis genauso wenig ohne weiteres
begründen: Da zumindest bisher beim Versicherungsvertrag oft angenommen wurde,
dass der Versicherer die vertragscharakteristische Leistung erbringe,47 müsste man

40   Das war früher anders. Nach Aussage von Praktikern besaß noch bis in die Neunziger Jahre hinein
     nahezu jeder zweite Rückversicherungsvertrag keine Rechtswahlklausel.
41   Heiss FS Kropholler (2008) 459, 479; Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach Art 15
     EGVVG Rn 32.
42   So Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 539; Looschelders/Pohlmann/Schäfer, VVG (2010) Anh II
     Art 7-15 EGVVG Rn 25; Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd 1 (2010) IntVersR Rn 143.
43   Art 19 Abs 1.
44   Magnus IPRax 2010, 27, 39; Langheid/Wandt /Looschelders, VVG Bd 1 (2010) IntVersR Rn 143.
45   Reichert-Facilides VersR 1993, 1177, 1181; MünchKommBGB4 /Martiny (2006) Art 37 EGBGB
     Rn 195; Beckmann/Matusche-Beckmann/Roth, Versicherungsrechts-Handbuch (2004) 113, 139
     (Rn 66); Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, Versicherungsvertragsgesetz27 (2004) vor Art 7 EGVVG
     Rn 15 jeweils mwN; aA (Betriebsstatut des Rückversicherers): Honsell/Dörner, Berliner Kommentar
     zum Versicherungsvertragsgesetz (1999) Anhang zu Art 7-15 EGVVG Rn 21; Gruber, Internationales
     Versicherungsvertragsrecht (1999) 263; Mankowski VersR 2002, 1177, 1187; Looschelders FS Lorenz
     (2004) 441, 458.
46   Looschelders/Smarowos VersR 2010, 1, 9.
47   Näher Fricke VersR 1994, 773, 777 mit Nachweisen zu dieser Meinung dort speziell in Fn 39.

Martin Fricke                                                                                   345
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Art 7 Rom I-VO                                                                   A.IV.1 Rom I-Verordnung
7                                                                      IPR vertragliche Schuldverhältnisse

konsequenterweise annehmen, dass im Verhältnis Erst- und Rückversicherer der
Rückversicherer die charakteristische Leistung erbringt.48 Man gelangt auch auf diesem
Wege wieder zur Maßgeblichkeit des Statuts am Sitz des Rückversicherers. Erst wenn
man unter Zugrundelegung der Geldleistungstheorie49 behauptet, beim Versicherungs-
vertrag lasse sich keine charakteristische Leistung bestimmen,50 macht Art 4 Abs 4 den
Weg frei zur Berufung eines anderen Statuts. Zu diesem Ergebnis könnte man auf
direkterem Wege auch über Art 4 Abs 3 gelangen. In beiden Fällen wäre festzustellen,
zu welchem Staat der Rückversicherungsvertrag die engere (Abs 3) bzw engste (Abs 4)
Verbindung aufweist.51 Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Risikobelegenheit als
verbindendem Element beim Versicherungsvertrag52 empfiehlt es sich im Sinne der
Systemkohärenz mit der Regelung der Erstversicherungsverträge (Art 7 Abs 3 S 3),
auch beim Rückversicherungsvertrag auf die Risikobelegenheit als Anknüpfungsele-
ment abzustellen. Zwar enthält die Verordnung für Rückversicherungsverträge keinen
Verweis auf Richtlinienrecht zur Bestimmung der Risikobelegenheit, und die alte
Rückversicherungsrichtlinie53 selbst enthielt keine Definition, doch kann man hier
den Gedanken des Art 13 Nr 13 lit d sublit ii) der Solvabilität II-Richtlinie54 fruchtbar
machen und die Risikobelegenheit an dem Ort als gegeben ansehen, an dem sich die
Niederlassung des Erstversicherers befindet, auf dessen Bestand sich der Rückver-
sicherungsvertrag bezieht. Damit wäre praktischerweise auch gewährleistet, dass der
Rückversicherungsvertrag dem Recht unterliegt, dem (wahrscheinlich) die in Rück-
deckung genommenen Verträge, zumindest in der großen Masse, bei der es sich auch
heute noch um reine Inlandsfälle handeln dürfte, unterliegen, so dass es insoweit bei der
praktischen Handhabung zu keinen Reibungen und Widersprüchen kommt und die
Sachverhalte einheitlich beurteilt werden können.55 Es sei daher vorgeschlagen,

48    Magnus IPRax 2010, 27, 39.
49    Vor der Reform des VVG wurden zur Festlegung der Versichererpflichten vor allem die Gefahrtra-
      gungs- und die Geldleistungstheorie vertreten. Näher dazu etwa: Bruck/Möller/Baumann, VVG9
      (2008) § 1 VVG Rn 27 ff. Das neue VVG hat sich auf keine der überkommenen Theorien festgelegt:
      Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht (2008) Ein-
      führung Rn 22 ff; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, Versicherungsvertragsgesetz (2009)
      § 1 VVG Rn 1; ebenso wohl Bruck/Möller/Baumann, VVG9 (2008) § 1 VVG Rn 33, der beide Theo-
      rien kombinieren will.
50    So etwa Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster, VVG28 (2010) nach Art 15 EGVVG Rn 32; Armbrüster
      ZVersWiss 1995, 146; Fricke VersR 1994, 773,778.
51    Vgl auch die Erwägungen von Looschelders/Pohlmann/Schäfer, VVG (2010) Anh II Art 7-15
      EGVVG Rn 25, der jedoch eine generelle Korrektur über diese Lösung nicht mittragen will.
52    Vgl grundsätzlich Fricke VersR 2005, 726, 734 ff.
53    Richtlinie 2005/68 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die
      Rückversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/ EWG, 92/49 / EWG des Rates sowie der
      Richtlinie 98/78 / EG, ABl EU 2005 L 323/1.
54    Richtlinie2009/138 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betref-
      fend die Aufnahmen und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität
      II), ABl EU 2009 L 335/1.
55    Vgl Looschelders/Smarowos VersR 2010, 1, 9 f. Langheid/Wandt /Looschelders, VVG Bd 1 (2010) Int-
      VersR Rn 147 ist natürlich einzuräumen, dass der Gleichlauf von Rückversicherungsstatut und an-

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Kapitel II                                                                               Art 7 Rom I-VO
Einheitliche Kollisionsnormen                                                                         8

Rückversicherungsverträge an das Recht des Ortes anzuknüpfen, an dem der Erst-
versicherer seinen Sitz hat.56

2.     Versicherungsverträge über ein Großrisiko (Art 7 Abs 2)

Für die Definition des Großrisikos rekurriert Art 7 Abs 2 auf die Definition in Art 5 8
lit d der Ersten Schadenversicherungsrichtlinie.57 Nach deren Aufhebung zum
1.11.2012 gilt der Verweis als auf Art 13 Nr 27 Solvabilität II-Richtlinie58 zu lesen
(Art 310 S 2 iVm mit Anhang VII). Dh, es handelt sich um Verträge, die entweder
vom übernommenen Risiko her definiert sind, bei dem man davon ausgeht, dass die
Versicherungsnehmer bestimmter Sparten59 grundsätzlich auf Grund ihrer Erfahrung
und Geschäftsgewandtheit keines besonderen Schutzes bedürfen, da sie typischerweise
hinreichend in der Lage sind, ihre Interessen selbst wahrzunehmen und durchzuset-
zen,60 oder bei denen man dies auf Grund des Umfangs (Umsatz, Nettoerlöse, Mitar-
beiterzahl)61 der versicherten Risiken unterstellt. Da die größenbezogenen Kriterien,
im Gegensatz zu den spartenbezogenen, dynamische sind, es aber nicht wünschenswert
sein kann, für Zwecke des Kollisionsrechts die Beurteilung des Vertrages von zufälligen
Schwankungen (etwa der Umsätze oder der Mitarbeiterzahl) abhängig zu machen,
kann es bei der Einstufung als Großrisiko unter Verwendung der größenbezogenen

     wendbarem Recht der Erstversicherungsverträge nicht zwingend stattfindet. Er ist lediglich faktisch zu
     erwarten.
56   Wohl im Ergebnis auch: MünchKommBGB5 /Martiny (2010) Rn 18; Prölss/Martin/Prölss/Armbrüster,
     VVG28 (2010) nach Art 15 EGVVG Rn 32. Anders Leible/Lehmann RIW 2008, 528, 539; Perner IPRax
     2009, 218, 220; nachdenklich Looschelders/Smarowos VersR 2010 1, 9, die eine Überprüfung de lege
     ferenda anregen.
57   Art 5 lit d der Richtlinie des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungs-
     vorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Aus-
     nahme der Lebensversicherung) (73/239/ EWG), ABl EU 1973 L 228/3 in der Fassung von Art 5 der
     Zweiten Schadenversicherungsrichtlinie.
58   Richtlinie2009/138 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betref-
     fend die Aufnahmen und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität
     II), ABl EU 2009 L 335/1.
59   Es sind dies die Sparten: (1) Schienenfahrzeugkasko-, Luftfahrtkasko-, See-, Binnensee- und Fluß-
     schiffahrtkasko-, Transportgüter-, Luftfahrzeughaftpflicht-, See-, Binnensee- und Flußschiffahrthaft-
     pflichtversicherung (Art 5 lit d sublit i 1. Schadenversicherungsrichtlinie); (2) Kredit- und Kautions-
     versicherung, wenn der Versicherungsnehmer eine Tätigkeit im industriellen oder gewerblichen Sek-
     tor oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt und die Versicherung damit im Zusammenhang steht
     (Art 5 lit d sublit ii 1. Schadenversicherungsrichtlinie).
60   Vgl ErwGr 5 der Zweiten Schadenversicherungsrichtlinie sowie argumentum e contrario ErwGr 32
     der Rom I-VO, ferner PWW /Ehling Art 7 Rn 4; Looschelders/Smarowos VersR 2010, 1, 4.
61   Dies ist bei Versicherungen aus den Sparten Feuer- und Elementarschäden, sonstige Sachschäden,
     Allgemeine Haftpflicht und Verschiedene finanzielle Verluste der Fall, sobald der Versicherungsneh-
     mer kumulativ zwei von drei Kriterien erfüllt (Art 5 lit d 1. Schadenversicherungsrichtlinie in der
     Fassung von Art 5 2. Schadenversicherungsrichtlinie): Bilanzsumme 6,2 Mio. J, Nettoumsatz 12,8
     Mio. J, durchschnittlich 250 Beschäftigte im Wirtschaftsjahr.

Martin Fricke                                                                                           347
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