Europas Lawinenwarnungen sammeln und veröffentlichen Unmengen an Daten - für jedermann. Doch noch immer sind die Hürden zu einem alpenweit ...
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Sicherheits- und LVS-Trainings helfen dabei Lawinenvorhersagen zu verstehen, Lawinenrisiken abschätzen zu können und sich mit Suchabläufen vertraut zu machen. Europas Lawinenwarnungen sammeln und veröffentlichen Unmengen an Daten – für jedermann. Doch noch immer sind die Hürden zu einem alpenweit einheitlichen Lawinen lagebericht groß – und bergen Gefahren. D Der Verein IFALP hält den Finger auf einen ziemlich wunden Punkt. Dass sich die Lawinengefahr nicht an eine exak- te Gradeinteilung der Skala eins bis fünf hält, ist bekannt. Dass sie von jedem, der im winterlichen Gebirge unterwegs sein will Verstand und Eigen- verantwortung, das Einholen, Studieren und Ver- stehen des aktuellen Lawinenlageberichts (LLB) erfordert, ebenfalls. Und noch etwas ist klar: Dass sich Lawinen so gar nicht an Länder- und Regionengrenzen halten. Denn auch wenn alle europäischen Lawinenwarndienste, die in der EAWS (European Avalanche Warning Services) organisiert sind und alle Mitglieder ihre Lawinen- lageberichte für die Öffentlichkeit inhaltlich ge- nau gleich über die Schnee- und Lawinensituati- on in ihren jeweiligen Beurteilungsgebieten re- gelmäßig und kostenfrei präsentieren, so erset- zen diese Informationen noch lange keine eigen- ständige, lokale Einschätzung vor Ort. Doch un- ter den derzeit etwa 30 verschiedenen Lawinen- warndiensten wird die Beurteilung der Lawinen- gefahr oft enorm unterschiedlich präsentiert: Veröffentlicht werden aktuelle aber auch pro- gnostizierte Lageberichte, manche erscheinen täglich, andere in größeren Zeitabständen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten, oft genug in nur einer Landessprache und zudem stets verschiedenartig aufgebaut und mit anderen Layouts. 28 SKI & BERGE
REPORTAGE & INTERVIEW Lawinen „Es besteht Verbesserungspotential. Darauf möchten wir aufmerksam machen.“ Lukas Ruetz, IFALP-Mitglied, Skitouren-Experte, Beobachter im Lawinenwarndienst Tirol und Mitglied der Lawinenkommission. Blog: lukasruetz.at/ Zudem sind in den Alpen immer wieder stitutionen fordert er eine homogene Pro- Tirol, „Unfällen vorzubeugen!“ über Landesgrenzen hinweg unterschied- gnose für den gesamten Alpenraum; eine Interessiert am Euregio-Lawinenreport liche Warnstufen zu finden – je nach La- einheitliche Darstellung, die vergleichbare zeigten sich auch weitere österreichische gebericht der beteiligten Länder. Belegt Verwendung der Gefahrenstufen und Kar- Bundesländer, Slowenien und Bayern. etwa eine Studie des Schweizer Instituts ten, die nicht an Landesgrenzen haltma- Doch die Verhandlungen, ebenfalls dabei für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) chen, mit flexibler Einteilung anhand tat- zu sein, scheiterten. Eine Folge davon ist mit internationalen Experten: Über vier sächlicher Schneesituationen. nun ein weiterer großer Zusammen- Winter hinweg verglich man die Einschät- schluss seit Dezember 2020. „Das neue zungen von 23 Warndiensten. Mit dem Er- Mit welch enormen finanziellen, politi- Ein- und Ausgabe-Tool schließt erstmals gebnis: Ein Drittel der erfassten Zeit wies schen Schwierigkeiten das verbunden ist, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Steier- verschiedene Gefahrenstufen auf. In einer ist dem IFALP-Team klar. Und doch „tref- mark und Niederösterreich ein und setzt Text: Beate Hitzler Fotos: Shutterstock, SAAC/Daniel Hug, IFALP, Gerhard Moessmer, privat weiteren Studie erfasste Frankreichs La- fen wir überall auf Verständnis und offene auf weiche statt harte Grenzen“, erklärt winenwarndienst von 2008 bis 2018, dass Türen“, so IFALP-Mitglied Reto Baur von Arno Studeregger, in der Steiermark Pro- die Stufe 3 in Frankreich in 47 % der War- der Plattform gipfelbuch.ch. „Bei der jektleiter dieses neuen deutsch- und eng- nungen galt, in der Schweiz nur in 36 Pro- EAWS wurden die Wünsche der IFALP gut lischsprachigen Systems und Lawinen- zent. Während die Franzosen mit 9,6 Pro- aufgenommen und die Vision als gerecht- warner der ZAMG (Zentralanstalt für Me- zent eine hohe Gefahr (Stufe 4) veröffent- fertigt gewürdigt“, so Baur. Dass Verein- teorologie und Geodynamik). „Dafür ha- lichten, machte diese in der Schweiz nur heitlichungen durchaus möglich sind, ben wir Riesenprozesse durchlaufen, 1,5 Prozent aus. zeigt der weltweit erstmals grenzüber- mussten etwa Gebirgsregionen neu fest- schreitende und mehrsprachige Euregio- legen, Grenzen über die Bundesländer hi- Homogene Prognose gefordert Lawinenreport Tirol, Südtirol und Trentino naus neu ausdiskutieren, neue Shapes „Widersprüchliche Informationen bei glei- (https://lawinen.report/bulletin/latest) anlegen, um alles so praktisch wie mög- chen Verhältnissen – wir halten den Fin- seit dem Winter 2018/19 mit Erfolg. Hier lich für die Endnutzer darzustellen. Doch ger auf einen ziemlich wunden Punkt“, treten drei ursprünglich sehr inhomogene jetzt können die LawinenwarnerInnen al- sagt Günter Schmudlach, Entwickler und Lageberichte gemeinsam mit einheitli- ler fünf Bundesländer beim Verfassen der Operator von skitourenguru.ch für eine chen Vorhersagen auf – gefördert mit EU- Lageberichte die Vorschläge ihrer Kolle- automatisierte Lawinenrisiko-Beurteilung Geldern, auch um Infrastruktur, veraltete gInnen sehen und darauf reagieren.“ Stu- bei Touren in der Schweiz. Als Grün- IT und gute Mitarbeiter auf die Beine zu deregger, der auch mit Bayern und Slowe- dungsmitglied der „Initiative für eine al- stellen. „Mit dem Hauptziel“, so Rudi Mair, nien Gespräche führte, ist sich sicher: penweit einheitliche Lawinenprognose“ Meteorologe, Glaziologe, Lawinenexperte „Wir werden in den kommenden Jahren IFALP aus Bloggern, Webportalen und In- und Leiter des Lawinenwarndienstes schnell weiterwachsen.“ 30 SKI & BERGE
München Kempten Zürich Bern Graz IFALP Vision einer Landesgrenzen überschreitenden, Ljubljana einheitlichen Darstellung des Lawinenlageberichts. Mailand Verona Turin Wissenswertes rund um Lawinenprognosen • IFALP, Initiative für eine alpenweite einheitliche Lawinenprognose, http://ifalp.org/ • Lawinenprognose & Planung, Unterwegs im Gelände, Filmbeiträge Alpinforum 2020, u. a. mit Rudi Mair, Patrick Nairz, Norbert Lanzanastro Die Informations- Gefahren- und Lukas Rastner vom Regio-Lawinenwarndienst, https://youtu.be/ pyramide der Stufe XGeCoBmmz24 EAWS – das Gefahrenstellen (Exposition, Höhe) Wichtigste kommt zuerst. • Standardempfehlungen bis hin zu Grenzen der Prognosen, Filmbeitrag Alpinforum 2020 mit Walter Würtl, https://youtu.be/ XGeCoBmmz24?t=5520 • EAWS, Lawinenproblem Vereinigung der europäischen Lawinenwarndienste, mit 29 Lawinenwarndiensten aus 16 Ländern. Bekanntestes Produkt: Gefahrenbeschreibung die 5-stufige Gefahrenstufenskala, www.avalanches.org/ Zusätzliche Informationen • IKAR – Internationale Kommission für Alpines Rettungswesen (www. ikar-cisa.org/), mit 33 Organisationen aus 22 Ländern in Europa und (Schneedecke, Wetter) Nordamerika. Der Fachkommission Lawinenrettung gelang u. a. 1989 Messwerte die Vereinheitlichung der Such- und Sendefrequenz aller Kameraden- Lawinenverschütteten-Suchgeräte über die weltweite Fixierung der Frequenz auf 457 kHz. 1993 folgte die Vereinheitlichung und Festle- Die Bereitschaft ist da! gung der Gefahrenstufen mit entsprechender gleicher Interpretation. Dass für weitere Entwicklungen die Bereit- schaft bei allen Beteiligten vorhanden ist, • MS.I – Mountain Safety Info, weltweite, einheitliche Berg-Datenbank/ Plattform mit ca. 17.000 Puzzleteilen in 20 Sprachen zur einheitlichen bestätigt auch Dr. Thomas Feistl, Leiter Lawinenrettung, Lehr-/Lern-Methoden und Sicherheit im alpinen Raum, der Lawinenwarnzentrale Bayern, die auch www.mountainSafety.info von der Stiftung Sicherheit im Skisport fi- nanziell unterstützt wird. Grundsätzlich sei ein gemeinsamer Internetauftritt mit gro- Wer bietet Lawinen- ßem finanziellem und personellem Auf- sicherheits-Kurse an? • Alle wand verbunden. „Da macht es Sinn ge- alpinen Vereine der Alpenländer, Deutscher Skiverband und sei- meinsam zu agieren und Synergien zu nut- ne Landesskiverbände, Skischulen, internationale Bergführerverbände zen. Aktuell verfolgen wir die Entwicklun- gen und sobald die technischen und • Check your risk (JDAV), Lawinenpräventions-Programm mit teils kostenfreien Trainern in Skilagern der 7. bis 10. Klassen aller strukturellen Voraussetzungen für eine Schularten, außerdem Workshops und Freeride Camps, www.jdav.de/ Vereinheitlichung geschaffen sind, werden check-your-risk wir sie ins Auge fassen.“ Diese werden laut Feistl in fachlicher Sicht bei der EAWS ge- • SnowHow: Eintägige, teils kostenfreie Lawinen-Workshops u. a. für Einsteiger bis aufstiegsorientierte Freerider, Tourengeher, Schulen. schaffen. Hier arbeitet man an gemeinsa- Die „Digitale Lawinenkunde“ zeigt per SnowHow-Freerideapp zudem men Definitionen, Formulierungen und ei- Vor- und Nachteile digitaler Werkzeuge. News und Updates auf ner einheitlichen Darstellung. Organisato- Facebook und Instagram, www.snowhow.info risch müssen die Voraussetzungen bei den zuständigen Lawinenwarndiensten • SAAC – Snow & Avalanche Awareness Camp, u. a. teils kostenlos, für Familien mit Kids, Anfänger bis Fortgeschrittene, Skitourengeher, und deren übergeordneten Behörden ge- Freerider usw., www.saac.at schaffen werden. Ein langwieriger Weg, sagt Feistl: „Dieser sehr komplexe Prozess • Die Bayerische Alpinwerkstatt bietet chronologisch aufeinander aufbauende ein- bis mehrtägige Lawinenkurse von Camp 1 bis 14 an, u. der Vereinheitlichung wird mit Sicherheit a. auch für Schneeschuhwanderer. www.alpinwerkstatt.de einige Zeit in Anspruch nehmen, wenn am Ende ein Gewinn für alle Beteiligten her- • Einige (Berg-)Sporthändler bieten über Partner Workshops und Kurse an, u. a. mit Ortovox Safety Academy, Mammut Alpine School, Pieps auskommen soll.“ LVS Training Station oder dem DAV SKI & BERGE 31
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