WSL Berichte Heft 31, 2015 - DORA 4RI
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Heft 31, 2015 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen Hydrologisches Jahr 2013/14 Frank Techel, Thomas Stucki, Stefan Margreth, Christoph Marty, Kurt Winkler WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf
Heft 31, 2015 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen Hydrologisches Jahr 2013/14 Frank Techel, Thomas Stucki, Stefan Margreth, Christoph Marty, Kurt Winkler Herausgeber WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf
Verantwortlich für die Herausgabe der Schriftenreihe Prof. Dr. Konrad Steffen, Direkter WSL Verantwortlich für dieses Heft Dr. Jürg Schweizer, Leiter SLF und der Forschungseinheit Lawinen und Prävention Schriftleitung: Sandra Gurzeler, WSL Layout: Frank Techel, SLF Zitiervorschlag: T ECHEL , F., S TUCKI , T., M ARGRETH , S., M ARTY, C., W INKLER , K., 2015: Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen. Hydrologisches Jahr 2013/14. WSL Ber. 31: 87 S., ISSN 2296-3448 (Print) / 2296-3456 (Online) «Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen» ersetzt «Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr», und enthält zusätzlich die Lawinenunfälle in den Schweizer Alpen. Bezug: http://www.slf.ch/schneeinfo/wochenbericht/2013-14/Jahresbericht/index_DE http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:20002?q=winterbericht Datengrundlagen: Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr: Messnetze des SLF und der MeteoSchweiz, Lawinenbulletin des SLF Lawinen mit Personen- und Sachschäden: Kantonale Polizeidienststellen, Kantonale Forst- und Tiefbauäm- ter und Naturgefahrenabteilungen, Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, Kantonale Walliser Rettungs- organisation OCVS-KWRO, Maison FXB du Sauvetage, Air Glaciers, Air Zermatt, Heli Bernina, Pisten- rettungsdienste, Alpine Rettung Schweiz, Unfallbeteiligte und Augenzeugen, SLF-Beobachter, Bergführer, Tourenleiter und Skilehrer Karten: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (JA100118/JD100040) Umschlag von oben nach unten: Der Alpensüdhang war sehr gut eingeschneit. Zum Beispiel in San Bernardino (GR) auf rund 1600 m wur- den neue Schneehöhen-Tagesrekorde gemessen (Foto: SLF/T. Stucki, 08.02.2014). Einer von vielen Föhnsturm-Tagen am Bunderspitz (2456 m, BE) (Foto: P. Allenbach, 28.02.2014). Bei einem einfachen Säulentest brach bei diesem Stabilitätstest im Januar die Schneedecke in der bodenna- hen Schwachschicht. In grossen Teilen des südlichen Unterwallis und in den nördlichen Teilen Graubündens war das Altschneeproblem bis Ende Februar ausgeprägt (Foto: SLF/W. Steinkogler, 21.01.2014 im Gebiet Davos/GR). In grossen Teilen des südlichen Unterwallis und in den nördlichen Teilen Graubündens brachen Lawinen meist in tiefen, bodennahen Altschneeschichten (Foto: SLF/S. Margreth, 31.12.2013 am Baslersch Chopf im Gebiet Davos/GR).
Vorwort Der vorliegende Winterbericht 2013/14 enthält die ler im Winter 2013/14 gemeldeten Lawinenunfälle Zusammenfassung der Wetter-, Schnee- und Lawi- mit Personenbeteiligung und die Hälfte der Lawinen nensituation sowie die Unfallstatistik mit Beschrei- mit Todesopfern ereigneten sich in dieser Periode. bungen ausgewählter Unfälle. Die Autoren be- Vor allem im Wallis führte dies zu einem hohen Me- schreiben zudem die ausserordentliche Situation dieninteresse. in Bezug auf die Schneelasten und die resultie- Während auf der Alpennordseite die Schneehöhen renden Schäden. Sie präsentieren ausserdem die unterdurchschnittlich blieben und sich die Lawinen- Resultate einer Online-Befragung zur Nutzung und situation ab Mitte Februar beruhigte, schneite es zur Qualität des Lawinenbulletins. am Alpensüdhang mehrmals intensiv. Zwischen Der Bericht bietet einerseits einen raschen Über- Ende Dezember und Anfang Februar wurden an blick über den Winterverlauf und andererseits de- einigen Messstationen an mehreren Tagen neue taillierte Informationen zu Lawinenunfällen. Da- Schneehöhen-Tagesrekorde gemessen. Die Werte mit ergänzt er die vielen laufend auf der SLF- lagen zwischen zwei und drei Metern. An insge- Homepage verfügbaren Informationen. In der Be- samt 40 Tagen herrschte in den Wintermonaten schreibung der Lawinenunfälle finden sich wertvolle eine Südwest- oder Südlage. Gemäss einer Un- und häufig auch lehrreiche Hinweise für Schnee- tersuchung von MeteoSchweiz ist diese Häufung sportlerinnen und Schneesportler. Dabei geht es rekordverdächtig. Entsprechend schneite es im Sü- nicht darum, wer wann welchen Fehler gemacht den an vereinzelten Messstationen im Durchschnitt hat. Die wenigsten Lawinenunfälle sind das Resul- mindestens jeden zweiten Tag, was vor allem in tat eines offensichtlichen Fehlers, sondern stehen mittleren Höhenlagen zu sehr grossen Schneelas- häufig im Zusammenhang mit den Unsicherheiten, ten auf den Dächern führte. Die Schäden durch die die zur Einschätzung der Lawinengefahr gehören. Schneelasten übertrafen gemäss Angaben der Ge- Die meisten Lawinenunfälle beinhalten eine uner- bäudeversicherungen auch dieses Jahr die durch wartete Komponente; diese zu erkennen und in Lawinen verursachten Sachschäden. seinen eigenen Erfahrungsschatz aufzunehmen, Nachdem der Winter im Norden eher nieder- um in Zukunft darauf zurückgreifen zu können, ist schlagsarm war, ging der Sommer 2014 als beson- letztlich das Ziel. ders kalt und feucht in die Annalen ein. Im Hochge- birge schneite es in den Monaten Juli und August Wie im Vorjahr begann der Winter im Hochgebir- wiederholt. Das SLF publizierte im Juli 2014 fünf- ge früh, sodass Mitte Oktober 2013 deutlich mehr mal ein Lawinenbulletin, so oft wie noch nie in den Schnee lag als im langjährigen Durchschnitt. Nach letzten 20 Jahren im Monat Juli. Schneebrettlawi- weiteren Schneefällen im November war es im nen führten am 18. und 19. Juli im südlichen Wallis Dezember bis Weihnachten vornehmlich trocken, zu insgesamt vier Lawinenunfällen. Zehn Personen sodass die Schneehöhe in allen Gebieten für die wurden erfasst, wobei vier Bergsteiger ihr Leben Jahreszeit stark unterdurchschnittlich war. Diese verloren. Diese Unfallhäufung ist für einen Som- dünne Schneedecke hatte sich verbreitet stark auf- mermonat ungewöhnlich. Anfang August ereignete bauend umgewandelt und bildete für die kommen- sich ein weiterer tödlicher Lawinenunfall - damit er- den Schneefälle ein schwaches Fundament. reichte die Zahl der Opfer den langjährigen Durch- Über die Weihnachtstage schneite es dann endlich, schnitt von 22 Personen. am Alpensüdhang sogar intensiv. Am Alpensüd- hang dürften vor allem während des Schneefalls Wir danken allen Personen und Institutionen, die viele Lawinen abgegangen sein, wohingegen es uns Informationen zukommen liessen. Ohne die nördlich des Alpenhauptkammes - insbesondere bereitwillige Berichterstattung durch Augenzeugen im südlichen Wallis und in Graubünden - anschlie- und Unfallbeteiligte, durch Bergführer, Tourenlei- ssend zu einer kritischen Situation für Schnee- ter und Skilehrer, durch die Polizei, Pistendienste, sportler kam. In diesen Regionen war das schwa- SAC-Rettungschefs, SLF-Beobachter, die soforti- che Schneedeckenfundament von einem «idealen» ge Information durch die Rega sowie die Auskünfte Schneebrett überlagert, sodass Schneesportler des Maison FXB du Sauvetage, der Air Glaciers, Air sehr viele Lawinen auslösten. In den elf Tagen vom Zermatt, Heli Bernina, von Lawinenhundeführern 26. Dezember 2013 bis zum 5. Januar 2014 ka- sowie der Kantonsforst- und Tiefbauämter, aber men bei insgesamt neun tödlichen Lawinenunfällen auch immer zahlreicheren privaten Tourengeherin- zwölf Schneesportler ums Leben. Eine derartige nen und Variantenfahrern wäre die Verwirklichung Häufung von Unfällen ist selten: rund ein Drittel al- der vorliegenden Arbeit nicht möglich gewesen. Ih- 3
nen allen danken wir für die Daten, die detaillierten Beschreibungen, Fotos und die gute Zusammen- arbeit. Ein Dank gebührt auch allen, die sich zur Rettung und Bergung von Verschütteten in irgend- Dr. Jürg Schweizer welcher Art eingesetzt haben. Ihre Arbeit ist oft Leiter SLF schwierig und gefährlich. Der MeteoSchweiz (Wit- Leiter Forschungseinheit Lawinen und Prävention terungsberichte, SwissMetNet-Daten) sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Institu- Davos Dorf, im September 2015 tes, die bei der Erarbeitung und Review dieses WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung Unfallberichtes mitgeholfen haben, sei an dieser SLF, Davos Stelle ebenfalls ganz herzlich gedankt. 4
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 7 2 Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr in den Schweizer Alpen. Hydrologisches Jahr 2013/14 8 Schneehöhenverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Schneedeckenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Lawinenaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Gefahrenstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Lawinenbulletins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Sommer (Juni bis September 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3 Lawinen mit Personen- und Sachschäden 2013/14 33 Lawinen mit erfassten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Lawinen mit Sachschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Übersicht über Lawinenunfälle mit Todesfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Auswahl von Unfallberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4 Spezialthemen 71 Schneehöhe und Schneelasten am Alpensüdhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Schäden durch Schneedruck an Gebäuden und Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Umfragen zum Lawinenbulletin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Anhang 80 Mess- und Beobachterstationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Lawinen mit Personen- und Sachschäden: Erläuterungen und Übersichtstabellen . . . . . . . . . . 82
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 1 Einleitung Im vorliegenden Bericht wird, wie in den voran- Abkürzungen gegangenen Berichten für frühere Jahre, die Be- schreibung der Schnee- und Lawinensituation (Teil IMIS Interkantonales Mess- und 1) zusammen mit den Unfallberichten (Teil 2) für Informationssystem das hydrologische Jahr 2013/14 (1. Oktober 2013 IMSI International Mobile Subscriber bis 30. September 2014) publiziert. Identity LVS Lawinen-Verschütteten-Suchgerät Im ersten Teil (Kapitel 2, ab Seite 8) wird ein RECCO Elektronisches System zur Rückblick zur Schnee- und Lawinensituation in den Lokalisierung von Lawinenopfern Schweizer Alpen gegeben. Dabei wird auf den Rega Schweizerische Rettungsflugwacht Schneehöhenverlauf und die wichtigsten Nieder- SAC Schweizer Alpen-Club schlagsereignisse, die Entwicklung des Schneede- SLF WSL-Institut für Schnee- und ckenaufbaus, sowie die bedeutendsten Lawinenpe- Lawinenforschung SLF, Davos rioden eingegangen. SwissMetNet Automatisches Messnetz Ausführlichere Beschreibungen zu einzelnen Pe- MeteoSchweiz rioden, Gefahren- und Schneehöhenkarten sowie BE Kanton Bern die vollständigen Lawinenbulletins können im Wo- FR Kanton Freiburg chenbericht im Internet unter www.slf.ch abgerufen GL Kanton Glarus werden. GR Kanton Graubünden Der zweite Teil des Berichtes (Kapitel 3, ab Seite LU Kanton Luzern 33) gibt Informationen zu Lawinen mit Personen- NW Kanton Nidwalden und Sachschäden. Nebst einer Zusammenfassung OW Kanton Obwalden aller Lawinen mit Personen- und Sachschäden und SG Kanton St. Gallen einer Übersichtstabelle mit allen tödlichen Lawine- SZ Kanton Schwyz nunfällen (ab Seite 40) werden einige ausgewählte TI Kanton Tessin Unfälle detailliert beschrieben (ab Seite 46). UR Kanton Uri Die aussergewöhnlichen Schneehöhen und -lasten VD Kanton Waadt am Alpensüdhang und die daraus resultierenden VS Kanton Wallis Schäden an Gebäuden und Wald (ab Seite 71), so- wie die Ergebnisse einer Befragung zum Lawinen- bulletin sind Inhalt des dritten Teils des Winterbe- richtes (ab Seite 75). 7
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 2 Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr in den Schweizer Alpen. Hydrologisches Jahr 2013/14 Thomas Stucki, Christoph Marty Zusammenfassung Winter 2013/14 (Oktober 2013 bis Mai 2014) • Dünne Schneedecke bis Weihnachten Bereits im Oktober und November fiel in al- len Gebieten wiederholt Schnee bis in mitt- lere Lagen. Trotzdem war die Schneedecke bis zu den Weihnachtstagen in allen Gebie- ten dünn. Diese dünne Schneedecke wandel- te sich zu grossen, kantigen und kohäsionslo- sen Kristallen um. So entstand eine ungüns- tige, schwache Schneeschicht an der Basis der Schneedecke. Diese blieb gebietsweise über den ganzen Winter für die Lawinenbil- dung relevant. • Ausserordentlich viel Schnee am Alpensüd- hang Abbildung 1: Von Dezember bis Februar schneite es am Mit wiederholten Südstaulagen wurde der Al- Alpensüdhang häufig und zum Teil intensiv. An mehreren Tagen wurden neue Schneehöhen-Tagesrekorde gemes- pensüdhang vor allem ab den Weihnachts- sen, wie zum Beispiel in San Bernardino, GR auf rund tagen reichlich mit Schnee versorgt (200 1600 m (Foto: G. Kappenberger, 08.02.2014). bis 250% der normalen Niederschlagssum- men) (Abbildung 1). Zwischen Ende Dezem- • Ausgeprägt ungünstiger Schneedeckenauf- ber und Anfang Februar wurden an eini- bau im südlichen Wallis und im nördlichen gen Messstationen im Tessin, Oberengadin Graubünden und in den Bündnern Südtälern an mehreren Das südliche Wallis und das nördliche Grau- Tagen neue Schneehöhen-Tagesrekorde ge- bünden, die weitgehend inneralpin liegen, messen. Die Werte lagen zwischen 2 und 3 sind für einen ungünstigen Schneedecken- Metern. Die absoluten Höchstwerte aller Ta- aufbau bekannt. Im Winter 2013/14 war die- ge aus früheren Wintern wurden allerdings an ser sehr ausgeprägt, besonders in den Ge- keiner Station überboten. Über den ganzen bieten des Wallis (Abbildung 2). Der gefalle- Winter betrachtet waren die Schneehöhen im ne Schnee ab Weihnachten überlagerte die Tessin und den Bündner Südtälern rund dop- schwache Basisschicht vom Frühwinter. Da- pelt so gross wie normal, im südlichen Wal- mit verschärfte sich die Lawinengefahr deut- lis leicht überdurchschnittlich, in den übrigen lich und blieb ungewöhnlich lange, gebiets- Gebieten kleiner, besonders klein in den Vor- weise während zwei Monaten, mit erheblicher alpen. Lawinengefahr (Stufe 3) für Schneesportler angespannt. • Besonders am schneereichen Alpensüdhang war die Schneedecke stabil • Ungewöhnlich häufig Gefahrenstufe 1 (ge- Mit den grossen Schneemassen am Al- ring) pensüdhang stabilisierte sich die Schnee- Das Lawinenbulletin erschien täglich vom 28. decke schon im Januar. Die schwache Ba- November 2013 bis zum 3. Mai 2014. Obwohl sisschicht vom Frühwinter wurde von Lawi- in einigen Gebieten relativ lange ununterbro- nen ausgeräumt oder dick überlagert und chen die Gefahrenstufe 3 (erheblich) progno- verlor damit in diesen Gebieten an Bedeu- stiziert wurde, überstieg diese Gefahrenstufe tung. Lawinen gingen vor allem bei wiederhol- den langjährigen Mittelwert kaum. Viel häu- ten, intensiven Niederschlägen in den oberen figer als normal konnte die Gefahrenstufe 1 Schneeschichten ab. Ebenfalls günstig ent- (gering) prognostiziert werden. Dies vor allem wickelte sich die Schneedecke in den Föhn- in der Zeit vor Weihnachten sowie im März gebieten des Nordens. Wiederholte Föhnstür- und April. me bliesen die schwache Basisschicht vom Frühwinter teilweise weg und erhöhten so wiederholt die Variabilität der Schneedecke. 8
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Zusammenfassung Sommer 2014 (Juni bis Sep- tember 2014) • Der Juni war zu warm und zu trocken, der Ju- li war zu kühl, zu trüb und zu nass, der Au- gust zu kühl und zu trüb, der September mil- der, sonniger und trockener als normal. Während allgemein in der Schweiz und den westlichen Teilen Europas in den Som- mermonaten die Lufttemperaturen unter der Norm von 1981 bis 2010 lagen, lagen sie glo- bal um 0.71 ◦ C (± 0.12 ◦ C) über der Norm von 1901 bis 2000, und damit war der Som- mer 2014 global der wärmste seit Messbe- ginn um 1880 (Quelle: MeteoSchweiz). Abbildung 2: Begleitet von einem Wummgeräusch bildete • Die Nullgradgrenze stieg nur zwei Mal für ei- sich beim Betreten des Hanges ein Riss in der Schnee- nige Tage deutlich über 4000 m. Deshalb wa- decke, der sich über den ganzen Hang fortpflanzte. Die Schneetafel glitt nicht ab, da der Hang relativ flach war. ren die Verhältnisse im Hochgebirge oberhalb Die Auslösebereitschaft von Schneebrettlawinen im Alt- von etwa 3500 bis 3800 m mit wiederholten schnee blieb vor allem im südlichen Wallis, wie hier im und teilweise ergiebigen Schneefällen winter- Gebiet Siviez-Nendaz, über lange Zeit hoch (Foto: X. lich. Fournier, 10.01.2014). • Die Schneefallgrenze sank in sieben Peri- oden bis in hohe Lagen (zwischen 2000 und • Im Winter weniger Lawinenopfer als im lang- 3000 m), die Neuschneemengen blieben dort jährigen Mittel aber gering. Der Neuschnee schmolz jeweils Obwohl es über die Weihnachts- und Neu- rasch wieder ab, etwas verzögert in den Nord- jahrsferien zu zahlreichen Lawinenunfällen hängen. kam, lag die Gesamtopferzahl bis Ende Mai mit 17 Todesopfern letztendlich leicht unter • Erhöhte Lawinengefahr konzentrierte sich im dem langjährigen Mittelwert. wesentlichen auf das Hochgebirge, beson- ders auf Höhenlagen oberhalb von 3500 m • Nassschneelawinenaktivität eher bescheiden bis 3800 m. Am 19. Juli verloren vier Berg- Die Durchfeuchtung der Schneedecke be- steiger bei zwei Lawinenunfällen ihr Leben, gann Anfang März. Trotz des schwachen am 4. August ereignete sich ein weiterer töd- Schneedeckenfundamentes in einigen Re- licher Lawinenunfall. Der langjährige Durch- gionen blieben besonders intensive Nass- schnitt in den Monaten Juni bis September schneelawinenperioden aus. liegt bei zwei Todesopfern. 9
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Schneehöhenverlauf Relative Schneehöhen erreicht: auf der Diavolezza (7DI, 2090 m) mit 82 cm der zweithöchste Wert seit 69 Jahren und in Bereits im Oktober fiel in hohen Lagen und im Maloja (7MA, 1810 m) mit 86 cm der dritthöchste Hochgebirge in vier Perioden Schnee, Mitte Ok- Wert. Die Jährlichkeiten für ein solches Ereignis tober sogar bis in mittlere Lagen hinunter. In der betragen 25 bis 250 Jahre. Die 2-Tages- und 3- intensivsten Niederschlagsperiode vom 10. bis 13. Tages-Neuschneesummen des Ereignisses zeigen Oktober zum Beispiel lag das Niederschlagszen- jedoch nur noch Jährlichkeiten zwischen 6 und 50 trum am zentralen Alpensüdhang, im Rheinwald Jahren. und im Avers. Dort fielen 80 bis 120 cm Schnee. Während die Schneehöhen am Alpensüdhang En- Die Schneehöhenmaxima wurden Mitte Monat er- de Dezember dank diesem Grossschneefall stark reicht und lagen verbreitet zwischen 20 und 50 cm, überdurchschnittliche Werte erreichten, blieb die im Tessin und in Graubünden meist zwischen 50 Bilanz über den ganzen Monat (Abbildung 3) doch und 80 cm. Auf vielen Messstationen in allen Ge- bescheiden. Die Schneehöhen erreichten in den bieten der Schweizer Alpen wurden zwischen dem meisten Gebieten nur unterdurchschnittliche Wer- 11. und 15. Oktober neue Schneehöhenmaxima te. Für die Jahreszeit am besten schnitten die süd- für diese Tage gemessen. Die Jährlichkeit einer lichen Teile des Wallis, das Berner Oberland und Schneedecke um diese Zeit liegt unterhalb 1600 m das Oberengadin ab. bei durchschnittlich 17 Jahren, darüber bei durch- schnittlich 8 Jahren. Im Januar fiel erneut am meisten Schnee in den südlichen Gebieten und sorgte dort für grosse Auch im November fiel in allen Gebieten wieder- Schneehöhen. Die intensivste Schneefallperiode holt Schnee. Die intensivste Niederschlagsperiode war vom 2. bis 6. Januar. Die Kerngebiete lagen im dauerte vom 19. bis 23. November und brachte westlichen Unterwallis, im nördlichen und mittleren im Kerngebiet vom Simplongebiet bis ins westliche Tessin, im Oberengadin sowie in den Bündner Süd- Tessin 80 bis 120 cm Schnee. Im Wallis sowie am tälern, wo 40 bis 60 cm, teilweise bis 80 cm Schnee westlichen und zentralen Alpennordhang erreich- fiel. Vom Goms über das Tessin und Rheinwald bis ten die Schneehöhen für die Jahreszeit überdurch- ins Oberengadin und in den Bündner Südtälern schnittliche Werte (Abbildung 3), am östlichen Al- erreichten die Schneehöhen überdurchschnittliche pennordhang und in Graubünden waren sie meist Werte (Abbildung 3). An einigen Stationen wurden der Jahreszeit entsprechend, im Tessin eher klei- für bestimmte Tage neue Schneehöhenmaxima ge- ner. Mittlere, aber auch tiefe Lagen, waren relativ messen. Im Wallis und im Berner Oberland sowie gut eingeschneit. Zwischen 500 und 1000 m lag in Nordbünden erreichten die Schneehöhen etwa Ende Monat am Alpennordhang verbreitet rund durchschnittliche Werte, weiter nördlich lagen sie 10 bis 20 cm Schnee. Auf 1500 m betrugen die deutlich darunter. Schneehöhen verbreitet 20 bis 50 cm, im Engadin und in den Bündner Südtälern weniger. Auf 2000 m Auch im Februar folgten am Alpensüdhang mehre- lag auf windgeschützten Flachfeldern am Alpen- re Niederschlagsperioden in kurzen Abständen und nordhang, im Simplongebiet und im Bedretto 50 brachten grosse Schneemengen. Die intensivste bis 80 cm, in den übrigen Gebieten verbreitet 30 Niederschlagsperiode dauerte vom 2. bis 6. Fe- bis 50 cm Schnee. bruar und brachte dem Simplongebiet sowie dem nördlichen und mittleren Tessin 140 bis 180 cm Die ersten zwei Dekaden des Dezembers wa- Schnee. Insgesamt fielen im Februar an einigen ren von wenig Niederschlag, viel Sonne und oft Stationen im nördlichen und mittleren Tessin 3 bis milden Temperaturen geprägt. Dementsprechend 3.5 Meter Schnee. Der Februar insgesamt und die- dünn war die Schneedecke. Am 20. Dezember se Gebiete im Speziellen waren im Winter 2013/14 war die Schneehöhe in allen Gebieten für die am neuschneereichsten. Die Schneehöhen im Ver- Jahreszeit stark unterdurchschnittlich. Über die gleich zum Mittelwert waren ähnlich wie im Januar, Weihnachtstage schneite es dann endlich, am Al- mit dem Unterschied, dass sie vom Goms über pensüdhang sogar intensiv. Vor allem die 1-Tages- das Tessin und Rheinwald bis ins Oberengadin Neuschneehöhen vom Donnerstag, 26.12. waren und die Bündner Südtäler noch ausgeprägter über- ausserordentlich. An der Messstation San Bernar- durchschnittlich waren. Am Alpensüdhang wurde dino, Graubünden (6SB, 1640 m) war der Messwert an vielen Tagen eine neue, maximale Schneehö- von 120 cm der grösste Wert seit Messbeginn vor he gemessen. Besonders den Voralpen entlang 63 Jahren. In Bosco Gurin, Tessin (6BG, 1530 m) blieben die Schneehöhen hingegen markant unter- war es mit 110 cm der dritthöchste Wert in 65 Jah- durchschnittlich (Abbildung 3). ren. Auch im Oberengadin wurden Fast-Rekorde 10
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 November Dezember Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% Januar Februar Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% März April Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% Abbildung 3: Schneehöhen im Vergleich zum langjährigen Mittel (1971-2000). Die Grafiken zeigen die prozentuale Ab- weichung der mittleren monatlichen Schneehöhen des Winters 2013/14 auf Stationshöhe im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt aus der Periode von 1971 bis 2000. Unterdurchschnittliche Schneehöhen sind rot, überdurchschnittliche Schneehöhen blau dargestellt. Die Daten stammen von den Beobachterstationen des SLF und der MeteoSchweiz so- wie den automatischen Stationen des IMIS (Interkantonales Mess- und Informationssystem). Bei der Interpretation muss beachtet werden, dass nur grossräumige Muster aussagekräftig sind. Kleinräumige Muster oder Wertesprünge dürfen nicht zu stark gewichtet werden. Im Abschnitt Ausgewählte Beobachterstationen (ab Seite 13) ist die zeitliche Entwick- lung der Schneehöhe an verschiedenen Stationen dargestellt. Die Neuschneesummen von November 2013 bis Ende Februar zeigt zudem, dass es in den höhe- Februar 2014 zeigten an vielen südlich beeinfluss- ren Regionen des Alpensüdhanges seit Beginn der ten Stationen Rekordwerte. Aber die wenigen Sta- Niederschläge um die Weihnachtszeit an jedem tionen, die bereits 1951 gemessen haben, zeigen zweiten Tag geschneit hatte. die höchsten Werte in diesem bekannten Lawinen- winter. Eine Auszählung der Neuschneetage bis Schnee fiel im März nur zum Monatsanfang und 11
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 -ende mit Schwergewicht vom Simplongebiet bis In den langjährigen Aufzeichnungen sind nur weni- ins nördliche und westliche Tessin sowie am öst- ge Winter zu finden, die zwischen November und lichen Alpennordhang und im Oberengadin mit je April am Alpensüdhang grössere Neuschneesum- etwa 60 bis 80 cm. Sonst war der März geprägt von men verzeichneten als 2013/14. Auf Rang 1 liegt sonnigem und mildem Wetter. Die Schneehöhen an den meisten Stationen der Winter 1950/51. An über den ganzen Monat betrachtet waren im Ver- den Oberengadiner Stationen waren meistens die hältnis zur Jahreszeit auch im März ähnlich wie im Winter 2000/01 und 2008/09 noch neuschneerei- Januar (Abbildung 3). Anfang März traten an Sta- cher. Trotzdem war die Anzahl Neuschneetage im tionen im Süden neue Schneehöhenmaxima auf, Winter 2013/14 am Alpensüdhang vergleichswei- dann nahm die Schneehöhe aber vor allem bis in se nicht speziell hoch. So konnten z.B. sowohl mittlere Höhenlagen durch Schmelze deutlich ab. in Davos (1560 m), als auch in San Bernardino Am Alpennordhang erreichten die Schneehöhen (1640 m) zwischen November und April gut rund gegen Ende Monat deutlich unterdurchschnittliche 60 Neuschneetage gezählt werden. Daraus resul- Werte. Einige wenige Stationen mit langjährigen tierte in Davos aber eine Neuschneesumme von Messreihen verzeichneten dort neue Schneehö- nur 318 cm, in San Bernardino dagegen kamen henminima. 994 cm zusammen. Der Grund dafür liegt in der grossen Anzahl intensiver Niederschläge am Al- Grössere Schneemengen von rund einem Meter pensüdhang. So verzeichnete San Bernardino die- in drei Tagen fielen im April nur in einer Nieder- sen Winter 11 Schneefälle von mehr als 30 cm, schlagsperiode Ende Monat. Betroffen war vor al- während der grösste Schneefall in Davos Dorf nur lem der Alpenhauptkamm vom Mattertal bis ins gerade 18 cm betrug. Im Tessin dagegen konnten Goms. Die Schneehöhen näherten sich in den bis- alleine am Morgen des 26. Dezembers an einigen her schneereichsten Gebieten des Südens rasch Stationen mehr als 100 cm Neuschnee gemessen dem langjährigen Mittelwert an, in den übrigen Ge- werden. bieten blieben sie deutlich darunter (Abbildung 3). Die Periode von November 2013 bis April 2014 war gemäss MeteoSchweiz-Daten rund 1 bis 2 ◦ C zu Im Mai fielen vor allem in hohen Lagen des Wallis, warm. Vor allem der Wärmeüberschuss von Ja- des Alpennordhanges und Graubündens bedeu- nuar und Februar von 2.5 bis 4 ◦ C im Mittelland tende Schneemengen. Gleichzeitig setzte sich der führte dazu, dass an einigen Orten kein einziger Schneehöhenabbau fort, verzögerte sich aber An- Schneetag (Tage mit einer Schneehöhe von min- fang und Mitte Monat durch ein Absinken der Null- destens 5 cm) zu verzeichnen war. Nur gerade gradgrenze unter 2500 m. der Winter 1989/90 war diesbezüglich im Mittelland noch schneeärmer. Obwohl auch die Tieflagen der Die über den ganzen Winter gemittelten Schnee- Alpensüdseite eine unterdurchschnittliche Anzahl höhen sind vergleichbar mit dem Muster von Januar Schneetage erlebten, war die absolute Anzahl in bis April: Am Alpensüdhang und im Oberengadin Locarno (7 Schneetage) für einmal mehr als dop- sowie den direkt nach Mittelbünden angrenzenden pelt so gross wie in Zürich (3 Schneetage). Gebieten waren die Schneehöhen deutlich über- Gemäss einer Untersuchung von MeteoSchweiz durchschnittlich (rund doppelt so gross wie nor- (Klimabulletin Winter 2013/14) wurden im Winter mal), im südlichen Wallis leicht überdurchschnitt- 2013/14 40 Tage mit einer Südwest- oder Südlage lich. In den übrigen Gebieten lagen die Schneehö- über den Schweizer Alpen registriert. Das ist die hen unter dem langjährigen Mittelwert, besonders grösste Häufigkeit seit dem Beginn der Datenreihe ausgeprägt in den Voralpen und den grossen Al- im Winter 1957/58. Diese häufigen Südlagen, wel- pentälern (Abbildung 4), wo teilweise nur rund 50% che am Alpensüdhang die grossen Schneemengen des langjährigen Mittels erreicht wurde. Auffällig ist zur Folge hatten, führten im Norden mit Föhnlagen, der grosse Gradient in Mittelbünden und im Gott- milden Temperaturen und wenig Niederschlag zu hardgebiet. schneearmen Verhältnissen. 12
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Schneehöhe 250 % 100 % 0% Abbildung 4: Schneehöhen über den ganzen Winter (November bis April) im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (1971-2000) über den ganzen Winter. Ausgewählte Beobachterstationen Auf den folgenden Abbildungen wird der Verlauf der täglich gemessenen Schneehöhe im Vergleich zur minimalen, mittleren und maximalen je gemes- senen Schneehöhe für jeden Tag dargestellt. Die Anzahl der Winter von Messbeginn bis und mit 2014 wird in der Legende erwähnt. Die Beobachter messen in der Regel zwischen dem 1. November und dem 30. April. Gebiete mit ähnlichem Schnee- höhenverlauf im Winter 2014 werden zusammen- gefasst und anhand repräsentativer Stationen be- schrieben. 13
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Alpennordhang: Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos 1HB Hasliberg (1825m) 400 HN HS_avg 350 HS_min HS_max HS 300 HS_interp 250 Schneehöhe [cm] 200 150 100 50 5 (1 0 01.10.13 01.11.13 01.12.13 01.01.14 01.02.14 01.03.14 01.04.14 01.05.14 01.06.14 Abbildung 5: Schneehöhenverlauf an der Station 1HB, Hasliberg, BE, 1825 m (55 Winter). Dargestellt sind die Schnee- höhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjährigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die 27.06.2014 langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung am Alpennordhang den am 11. November mit 58 cm, am 27. Dezem- kann anhand der langjährigen Vergleichsstation ber mit 38 cm, am 2. Februar mit 31 cm, am 23. Hasliberg, 1825 m (Abbildung 5) verfolgt werden. und 24. März mit 25 resp. 28 cm und am 15. Janu- Der grösste Neuschneewert des Winters wurde am ar mit 25 cm gemessen. An zwei Drittel der Tage 11. November mit 58 cm gemessen. Bereits am des Winters wurde kein Neuschnee registriert (Ta- 9. November war diese Vergleichsstation einge- belle 1). Das Schneehöhenmaximum wurde am 6. schneit und mit ihr die meisten am Alpennordhang. März mit 111 cm gemessen. Am 14. und 15. April Der Neuschnee vom 11. und 12. Oktober, welcher wurden neue, minimale Schneehöhen für diese Ta- am Alpennordhang verbreitet erfasst wurde, ist in ge gemessen. Abbildung 5 sichtbar. Ausgeapert war das Messfeld Der maximale Wasserwert der Gesamtschneede- am 22. April. Während im November die Schnee- cke erreichte nur gerade die Hälfte des langjähri- höhen noch überdurchschnittlich waren, rutschten gen Mittels und mit 447 mm den viert-tiefsten Wert die Werte im Dezember unter den langjährigen Mit- an dieser Station in 44 Jahren. telwert. Die bedeutenderen Neuschneewerte wur- Tabelle 1: Statistik zur Station Hasliberg 1HB, Hasliberg, BE, 1825 m (55 Winter) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm]. Einschneien 09.11.2013 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 22.04.2014 Anzahl Tage 106 39 14 3 2 1 Dauer 165 Häufigkeit % 64.2 23.6 8.5 1.8 1.2 0.6 14
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Wallis: 4FY Fionnay (1500m) 250 HN HS_avg HS_min HS_max 200 HS HS_interp 150 Schneehöhe [cm] 100 50 0 01.10.13 01.11.13 01.12.13 01.01.14 01.02.14 01.03.14 01.04.14 01.05.14 01.06.14 Abbildung 6: Schneehöhenverlauf an der Station 4FY, Fionnay, VS, 1500 m (54 Winter). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjährigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung im Wallis kann an- de so am langjährigen Mittelwert. Bis Mitte März hand der langjährigen Vergleichsstation Fionnay, blieben dann die Werte überdurchschnittlich. Das 1500 m (Abbildung 6) verfolgt werden. Schneehöhenmaximum wurde am 27. Februar und Die Schneehöhen im nördlichen Wallis waren meist 1. März mit 140 cm erreicht. Der Schneedeckenab- unterdurchschnittlich: Wie an anderen Stationen bau erfolgte mit durchschnittlich 4 cm pro Tag zwi- fand das Einschneien am 10. November statt. Nach schen dem 25. März und 25. April relativ rasch. überdurchschnittlichen Schneehöhen im November Ausgeapert war das Messfeld am 25. April (Tabelle blieben die Werte aufgrund der trockenen Witte- 2). rung bis zu den Weihnachtstagen deutlich unter An etwa einem Drittel der Tage wurde Neuschnee dem langjährigen Mittelwert. Die Schneefälle Ende gemessen, in vier Fällen 21 bis 30 cm, in 17 Fällen Dezember besserten die Schneelage auf und die 11 bis 20 cm und in 37 Fällen 10 cm oder weniger Schneehöhen hielten sich bis Mitte Februar gera- (Tabelle 2). Tabelle 2: Statistik zur Station 4FY, Fionnay, VS, 1500 m (54 Winter) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm]. Einschneien 10.11.2013 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 25.04.2014 Anzahl Tage 109 37 17 4 0 0 Dauer 167 Häufigkeit % 65.3 22.2 10.2 2.4 0 0 15
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Nordbünden, nördliche Teile Mittelbündens, Unterengadin: Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos 5WJ Weissfluhjoch (2540m) 400 HN HS_avg 350 HS_min HS_max HS 300 HS_interp 250 Schneehöhe [cm] 200 150 100 50 8 (1 0 01.10.13 01.11.13 01.12.13 01.01.14 01.02.14 01.03.14 01.04.14 01.05.14 01.06.14 01.07.14 01.08.14 01.09.14 01.10.14 Abbildung 7: Schneehöhenverlauf an der Station 5WJ, Weissfluhjoch, GR, 2540 m (81 Jahre). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjäh- rigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und 27.06.2014 die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung in Nordbünden so- der grössten, minimalen Schneehöhe, welche nur wie im Unterengadin kann anhand der langjähri- um 7 cm verfehlt wurde. Der Schneehöhenabbau gen Vergleichsstation Weissfluhjoch, 2540 m (Ab- erfolgte in der zweiten Maihälfte rasch. Der letzte bildung 7) verfolgt werden. Meter schmolz in 14 Tagen ab (ca. 7 cm pro Tag). Bereits am 11. Oktober, mit dem ersten Schnee- Am 19. Juni war das Messfeld ausgeapert, drei Wo- fall des hydrologischen Jahres, wurde das Mess- chen früher als das mittlere Ausaperungsdatum. feld eingeschneit. Die Schneehöhe erreichte Werte Im Durchschnitt schneite es ungefähr jeden zwei- von 36 cm. Für einen Tag, am 29. Oktober, aper- ten Tag. Die grösste Neuschneemenge wurde am te es nochmals aus, schneite aber gleich wieder 11. Oktober, vor dem Einschneien gemessen, be- ein. Im November entsprachen die Schneehöhen trug aber nur 32 cm. Die meisten Neuschneewerte meist dem langjährigen Mittelwert, später blieben (40% der Tage) betrugen 10 cm oder weniger, 5% die Werte bis zum Ende des Winters darunter. Das lagen zwischen 11 und 20 cm, 2% zwischen 21 bis Schneehöhenmaximum wurde am 24. März mit 30 cm (Tabelle 3). 189 cm erreicht, drei Wochen früher als das mittlere Maximum (14. April). Mitte April war der Zeitpunkt Tabelle 3: Statistik zur Station 5WJ, Weissfluhjoch, GR, 2540 m (81 Jahre) mit der Dauer der permanenten Schneebe- deckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm]. Einschneien 30.10.2013 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 19.06.2014 Anzahl Tage 124 93 12 4 0 0 Dauer 233 Häufigkeit % 53.2 39.9 5.2 1.7 0 0 16
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Alpensüdhang, Oberengadin, südliche Teile Mittelbündens: Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos 6SB San Bernardino (1640m) 350 HN HS_avg HS_min 300 HS_max HS HS_interp 250 Schneehöhe [cm] 200 150 100 50 6 (1 0 01.10.13 01.11.13 01.12.13 01.01.14 01.02.14 01.03.14 01.04.14 01.05.14 01.06.14 Abbildung 8: Schneehöhenverlauf an der Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m (63 Winter). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjäh- rigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und 27.06.2014 die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung am Alpensüdhang April 1975 (295 cm) wurde bei weitem nicht ange- und im Oberengadin kann anhand der langjährigen tastet. Der Schneedeckenabbau erfolgte ab Anfang Vergleichsstation San Bernardino, 1640 m (Abbil- März zügig, aber mit kurzen Unterbrüchen. Die Ra- dung 8) verfolgt werden. te der Schneehöhenabnahme war hoch und betrug Nach den Schneefällen im Oktober und November im März und April 5 bis 6 cm pro Tag. Das Messfeld aperte das Messfeld jeweils aus. Erst auf den 20. war am 4. Mai ausgeapert. Dezember schneite es definitiv ein. Markant war An etwas mehr als der Hälfte der Tage wurde Neu- die Schneehöhenzunahme auf den 26. Dezember schnee gemessen. Neben dem aussergewöhnlich mit einem Neuschneewert von 120 cm. Damit war hohen Wert von 120 cm wurden in neun Fällen und blieb die Schneehöhe etwa beim doppelten Neuschneewerte von 31 bis 50 cm, in sechs Fällen Wert des langjährigen Mittels und die Schneehö- 21 bis 30 cm, in 12 Fällen 11 bis 20 cm und in 31 he erreichte bis in den März hinein immer wieder Fällen 10 cm oder weniger gemessen (Tabelle 4, neue Tagesschneehöhenmaxima. Das Schneehö- vgl. auch Kapitel 4 ab Seite 71). henmaximum des Winters wurde am 1. März mit 254 cm erreicht. Das absolute Maximum vom 10. Tabelle 4: Statistik zur Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m (63 Winter) mit der Dauer der permanenten Schnee- bedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm]. Einschneien 20.12.2013 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 04.05.2014 Anzahl Tage 77 31 12 6 9 1 Dauer 136 Häufigkeit % 56.6 22.8 8.8 4.4 6.6 0.7 17
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Schneedeckenaufbau Der Schneedeckenaufbau war vor allem anfangs der Schweizer Alpen vergleichbar. Der Schnee, Winter ungünstig (Abbildung 9). Bereits Ende De- welcher im Oktober und November gefallen war, zember und Mitte Januar erreichte er für die Jah- wandelte sich in grosse, kantige Kristalle um, be- reszeit normale Güte und wurde in der Folge noch sonders an Nordhängen. Dieser Prozess wurde günstiger. Diese generelle Beurteilung (Abbildung durch die dünne Schneedecke noch begünstigt. 9) ist aufgrund regionaler Unterschiede zu relati- Bereits Ende Oktober und im November war der vieren: Die Verbesserung des Schneedeckenauf- ältere Schnee aufbauend umgewandelt, so dass baus war in erster Linie die Folge der grossen Neu- und Triebschnee jeweils auf diesem abglitten. Schneemengen in den südlichen Gebieten, die Nach den ersten zwei sonnigen, milden Dezember- dort rasch zu einer günstigen Schneedecke führ- dekaden ten. Aber auch die sehr häufigen Föhnlagen am Alpennordhang trugen, insbesondere in den typi- • lagen die Schneehöhen im Vergleich zum schen Föhngebieten, zu einer Verbesserung des langjährigen Mittel deutlich unter dem Durch- Schneedeckenaufbaus bei. Über die längste Zeit schnitt (meist 30 bis 60% oder weniger) ungünstig blieb der Schneedeckenaufbau in den • lagen auf 2500 m in den meisten Gebieten 40 Gebieten mit eher weniger Neuschnee und weni- bis 60 cm Schnee, im nördlichen Wallis, im ger Föhneinfluss, namentlich im südlichen Wallis nördlichen Tessin und im Oberengadin 60 bis und in den nördlichen Gebieten Graubündens. In 90 cm. der Folge sind die wichtigsten regionalen Aspekte beschrieben. • war die dünne Schneedecke stark aufbau- end umgewandelt und weich. Grosse, kantige Herbst 2013: Ähnliche Entwicklung in allen Ge- Kristalle dominierten. Besonders ausgeprägt bieten der Schweizer Alpen war diese Situation in Bereichen, die nicht Bis Weihnachten 2013 war die Entwicklung der stark vom Wind beeinflusst waren (Abbildung Schnee- und Lawinensituation in allen Gebieten 10). Schneedeckenaufbau − langjähriger Vergleich günstig ● ● ● ● ● ● ● Winter 2013/14 ● ● ● ● ungünstig Dez Jan Feb Mär Apr Abbildung 9: Schneedeckenaufbau im Winter 2013/14 (rote Linie mit Punkten) im Vergleich mit den letzten 17 Wintern (Mittelwert: blaue, durchgezogene Linie; äusserer blau schattierter Bereich: minimaler und maximaler Wert; innerer grau schattierter Bereich: Bereich von einer Standardabweichung um den Mittelwert). Der Index berücksichtigt die maxima- le Anzahl Nieten (kritische Bereiche) in der Schneedecke sowie den Anteil sehr weicher, grobkörniger und aufbauend umgewandelter Schichten. Als Grundlage für den Index wurden alle Flachfeldprofile, sowie Hangprofile, welche in Nord- hängen (NW-N-NE) aufgenommen wurden, verwendet. 18
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 • lag der Schnee allgemein sehr unregelmässig verteilt und war oft stark vom Wind geprägt. An Kämmen, Graten, Gipfeln und Gelände- kanten lag teilweise kaum mehr Schnee, wäh- rend in Rinnen, Mulden oder an Felswandfüs- sen alte Triebschneeansammlungen lagen. Südhänge waren zudem von Sonne und Wär- me oft bis über die Waldgrenze ausgeapert (Abbildung 11). Diese ungünstige Ausgangslage war in allen Ge- bieten der Schweizer Alpen ähnlich. Im Weiteren S hneep o i : 2 t: N Enge be g o hpass Su i atum/ eit: 1 .12.2013 10:00 entwickelte sich die Situation regional unterschied- Beobachter rofilnr 1 erner Hurschler Höhe . M. 2380 m E position N / Neigung 37 ° Lufttemp. -4.5 °C Bewölkung wolkenlos (0/8) Koordinaten 673180 / 180940 ind / 0 km/h lich. Gesamtwasserwert --- mm (HS --- cm) Hasty it Nein Mittl. Raumgew. --- kg/m³ Mittl. Rammwiderstand 19 N Abbildung 11: Schneelage Mitte Dezember am Alpen- etter/Niederschlag schön Bemerkungen nordhang. Die Niesenkette (BE) war an Südhängen bis Neuschnee Filz kleine Runde kantig Tiefenreif Oberflächenreif Schmelzform Eislamelle kantig, abgerundet Graupel Rammwiderstand (N) H θ F D K Niete Rutschblock weit hinauf (2400 m) aper, an Nordhängen reichte die 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 mm M B 1F 4F FA Schneedecke bis ins Tal (ca. 800 m) und war in allen Hö- 190 henlagen kantig aufgebaut und locker (Foto: H.U. Naege- 180 li, 17.12.2013). 170 160 Günstige Entwicklung mit wiederholten, ergie- 150 bigen Schneefällen am Alpensüdhang 140 Die Schneedeckenentwicklung am Alpensüdhang 130 kann aufgrund der Station San Bernardino ver- folgt werden (Abbildung 12). Dabei ist allerdings 120 zu berücksichtigen, dass an diesem Standort der Schnee von Oktober und November bis Mitte De- 110 Schneehöhe (cm) 100 zember geschmolzen war. An anderen Standorten 90 resp. in höheren Lagen war eine kantig aufgebaute 80 und weiche Altschneeschicht vorhanden. 1 1 70 Obwohl am 25., 26. und 27. Dezember in diesem 60 1-1.5 2 *** **** nur ein Eck RB6 unregelmässig Gebiet nur wenige Lawinen beobachtet und ge- 50 1-1.5 1 meldet wurden, muss davon ausgegangen werden, 40 1.5 2 **** dass während der ausserordentlich intensiven Nie- **** 30 1-2 1-2 N / 37° derschlagsperiode zahlreiche kleine und mittlere 20 1.5 2 **** **** Schneebrettlawinen spontan abgegangen waren. 10 1-2.5 1 Meist waren die Anrisshöhen wohl nicht gross, 2-3 2-3 4 1 ****** ***** die Lawinen dürften aber in vielen Fällen grossflä- -24 -22 -20 -18 -16 -14 -12 -10 Temperatur (°C) -8 -6 -4 -2 0 chig gewesen sein. Viele Hänge wurden wohl auch Copyright (C) SLF Davos Abbildung 10: Schneeprofil vom 16. Dezember 2013, mehrmals entladen. Damit wurde das schwache aufgenommen am Jochpass (Titlis/NW) auf 2380 m an Schneedeckenfundament vielerorts ausgeräumt. einem 37 Grad steilen Nordwesthang. Die Schneehö- Die grossen Neuschneemengen setzten und ver- he war für dieses Gebiet eher überdurchschnittlich. Dar- festigten sich deutlich. Die Schichten waren mäch- gestellt sind Handhärte (grau), Rammwiderstand (blau), tig genug, dass sie die schwache Altschneedecke, Temperaturverlauf (rot), Kornformen sowie Korngrössen. wo sie nicht durch Lawinen ausgeräumt worden In diesem Profil hatten alle Schichten eine Härte von war, tief begruben und die Auslösebereitschaft von 1 oder 2 («Faust» oder «4 Finger»), ausser der Kruste Lawinen nach Niederschlagsende rasch abnahm. am Boden. Die Schneekristalle waren kantig und gross. Die deutliche Setzung und Verfestigung ist an den Die Auslösung einer Schneebrettlawine war zum Zeit- punkt der Profilaufnahme wenig wahrscheinlich, weil das Schneeprofilen von San Bernardino (Abbildung 12) Schneebrett fehlte. Für Neuschnee war diese Schnee- gut ersichtlich: Der Rammwiderstand war in den decke aber eine schlechte Unterlage und bildete für den tieferen Schneeschichten schon Mitte Januar deut- weiteren Verlauf des Winters das schwache Schneede- lich fester geworden und nahm bis in den März ckenfundament. weiter zu. 19
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 San Bernardino Fracc (6SB − 1640 m) − 2013/14 300 Neuschnee Filz rund kantig ● Schwimmschnee ● ● Schneehöhe (cm) ● ● ● 200 Oberflächenreif ● ● ● ● Schmelzform ● ● ● ● ● ● ● ● Eis ● ● ● ● ● ● ● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 100 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 ● ● ● ● ● ● ● ● Dezember Januar Februar März April Abbildung 12: Schneedeckenentwicklung im Winter 2013/14 an der Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m. Dar- gestellt sind die Schneehöhe (schwarze Kurve, eine Messung pro Tag), der Rammwiderstand (schwarze Balken), die Kornformen (vgl. Legende in der Abbildung, die primäre Kornform ist dargestellt) und die Schneetemperaturen (rote Punkte). Rammwiderstand, Kornformen und Schneetemperaturen stammen von Schneeprofilaufnahmen (zwei Mal pro Monat). den war die bodennahe, kantig aufgebaute Herbst- Schneeschicht dünner und fester geworden und mächtig überlagert. Für die Beurteilung der Situa- tion im Nachhinein war diese Schicht jedoch noch relevant, nicht für die Auslösung durch Personen, aber verbunden mit der Frage, ob sie bei zusätzli- cher Auflast durch weitere Schneefälle stellenweise brechen und grosse Lawinen entstehen könnten. Des Weiteren konnte günstig gewertet werden, dass höhere Niederschlagsintensitäten (mehr als 3 cm pro Stunde) nur über kurze Zeit auftraten und die Niederschläge immer wieder von Pausen unterbrochen wurden. Schneefälle mit mittleren In- tensitäten von 5 cm pro Stunde oder mehr über län- gere Zeit (z.B. einen oder mehrere Tage) können zu grossen oder sehr grossen Lawinen und Kata- strophensituationen führen. Ferner beeinflussten die, für hochwinterliche Verhältnisse relativ milden Temperaturen die Setzung der Schneedecke posi- tiv. Mit zunehmender Überlagerung nahm die Festig- keit der Schichten im Februar und März weiter zu. Durch die Last der gut verfestigten Schichten wur- de das Fundament allmählich fester. In Abbildung 12 kommt gut zum Ausdruck, wie sich Abbildung 13: Schneeprofilaufnahme in San Bernardino die Schneekristalle von Neuschnee über Filz zu am 31. Januar 2014. Viel Schnee Ende Januar, . . . am runden Körnern entwickelten. Die in der Abbildung meisten Neuschnee fiel dann aber erst im Februar (Foto: als kantig bezeichneten Schichten im März wa- P. Vivalda). ren eine Mischung aus kantigen und runden. Ende März und im April war die Schneedecke bis zum Boden 0 ◦ C-isotherm und von Schmelzformen do- Am meisten Schnee fiel im Süden im Februar. miniert. Der Schneedeckenabbau erfolgte, abge- Durch die bereits günstige Schneedeckenentwick- sehen von einem kurzem Unterbruch Ende März, lung Ende Dezember und im Januar (Abbildung rasch. 13) war die Schneedecke vor den neuen Nieder- schlägen im Februar günstig aufgebaut. Schwach- schichten fehlten weitgehend. Wo noch vorhan- 20
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Ungewöhnlich viele Süd- und Südwestlagen mit Die Schneedeckenentwicklung am Alpennordhang Föhn im Norden kann anhand der Station Hasliberg verfolgt wer- Am Alpennordhang, insbesondere in den typischen den (Abbildung 15, oben). Die Schneedeckenun- Föhngebieten, wurde der Schneedeckenaufbau tersuchung Mitte Dezember zeigt, dass die dün- durch aussergewöhnlich viele Föhnlagen (Abbil- ne Schneedecke vollständig umgewandelt war und dung 14) beeinflusst. Gemäss einer Untersuchung aus kantigen Formen bestand. Ab Anfang Januar von MeteoSchweiz (Klimabulletin Winter 2013/14) bestand diese Schicht dann aus Schmelzformen traten in den Wintermonaten Dezember, Januar und an der ehemaligen Oberfläche hatte sich ei- und Februar in den Schweizer Alpen 40 Tage mit ne Kruste gebildet (hoher Rammwiderstand). Der einer Südwest- oder Südlage auf, so viele wie noch Neuschnee von Dezember hatte sich in runde Kör- nie seit Beginn der Datenreihe im Winter 1957/58. ner umgewandelt. Im weiteren Verlauf blieb der Zudem waren die Temperaturen etwa 2 Grad wär- unterste halbe Meter dieser Schicht bestehen. Die mer als im langjährigen Durchschnitt (Norm 1961- Schneetemperaturen lagen immer nahe bei null 1990). Grad. Insgesamt fiel nur wenig Neuschnee, der in runde oder kantige Formen umgewandelt wurde. Teilweise waren dünne Schichten (Krusten, Eisla- mellen) eingelagert. Mit der Durchfeuchtung Ende März und im April nahm der Rammwiderstand deut- lich ab. Ungünstiger Schneedeckenaufbau über Wo- chen im südlichen Wallis und in den nördlichen Gebieten Graubündens Am ungünstigsten entwickelte sich die Schneede- cke in den Gebieten, die nicht den stärksten Nie- derschlägen oder Winden ausgesetzt waren: Im südlichen Wallis und in den nördlichen Teilen von Graubünden (Nordbünden, nördliche Teile Mittel- bündens, nördliche Teile des Unterengadins). Die Abbildung 14: Föhn, Föhn, Föhn. Schneetreiben am Bun- Entwicklung kann beispielhaft an den Profilen auf derspitz (2456 m, BE) (Foto: P. Allenbach, 28.02.2014). dem Weissfluhjoch verfolgt werden (Abbildung 15, unten). Der Einfluss des Föhns auf die Schneedecke kann Das Schneeprofil Mitte Dezember zeigt die kan- wie folgt positiv gewertet werden: tig aufgebaute, ca. 50 cm dünne Schneedecke des Frühwinters (vergleichbar mit Abbildung 10). • Er stört die oberflächennahen Schneeschich- Die orange Linie markiert die Obergrenze die- ten und behindert die Bildung von flächi- ser Schicht über den ganzen Winter. Wie deut- gen Schwachschichten. Dies auch in Nord- lich zu sehen ist, blieb der Rammwiderstand un- hängen, wo er in diese hinunter greift. Die terhalb dieser Linie bis Ende Februar fast unver- Schneeoberfläche wird unregelmässig und ändert klein und war bis Ende April relativ gering. rauh. Die Kornformen bestanden aus kantigen Formen oder Schwimmschnee, teils waren sie sogar ange- • Er erhöht die Variabilität der Schneedecke. schmolzen. Demgegenüber nahm der Rammwider- Homogene Schneeschichten sind weniger stand oberhalb der Altschnee-Linie im Winterver- vorhanden. Die Schneehöhenverteilung ist lauf allmählich zu, d.h. diese Schichten setzten und sehr unterschiedlich. verfestigten sich. Die Festigkeitszunahme war aber deutlich kleiner als in San Bernardino (Abbildung • Er führt zu milderen Temperaturen, was eine 12). Die Schmelzformen zeigten ab Mitte März die verfestigende Wirkung hat. oberflächennahe Anfeuchtung der Schneedecke. • Frischer Triebschnee wird hart und stabilisiert Ende April war die Schneedecke durchfeuchtet. sich schnell. 21
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2013/14 Hasliberg (1HB − 1830 m) − 2013/14 300 Neuschnee Filz rund kantig Schwimmschnee Schneehöhe (cm) 200 Oberflächenreif Schmelzform Eis ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 100 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● 0 ● ● ● ● ● ● ● ● ● Dezember Januar Februar März April Davos − Dorftälli − VF Weissfluhjoch (5WJ − 2540 m) − 2013/14 300 Neuschnee Filz rund kantig Schwimmschnee Schneehöhe (cm) 200 Oberflächenreif Schmelzform Eis 100 0 Dezember Januar Februar März April Abbildung 15: Oben: Schneedeckenentwicklung im Winter 2013/14 an der Station 1HB, Hasliberg, BE, 1830 m, sowie unten an der Station 5WJ, Weissfluhjoch, GR, 2540 m. Dargestellt sind die Schneehöhe (schwarze Kurve, eine Messung pro Tag), der Rammwiderstand (schwarze Balken), die Kornformen (vgl. Legende in der Abbildung, die primäre Kornform ist dargestellt) und die Schneetemperaturen (rote Punkte). Rammwiderstand, Kornformen und Schneetemperaturen stammen von Schneeprofilaufnahmen (zwei Mal pro Monat). Im Profil unten zeigt die orange Linie die Grenze zwischen dem Altschneefundament und dem Schnee, der ab Weihnachten 2013 fiel. Während am Alpensüdhang Mitte Januar das über die Weihnachtstage und Anfang Februar war schwache Schneedeckenfundament schon mit ein- nicht nur der ungünstigen Schneedecke zuzu- einhalb Meter Schnee überlagert war (Abbildung schreiben, sondern auch den hohen Begehungs- 12), erreichte die Überlagerung in den hier be- zahlen bei sonnigem Wetter in den Bergen wäh- schriebenen Gebieten nur etwa einen Meter und rend der Weihnachtsferien. Zudem war in vielen dies erst Mitte Februar. Die Überlagerung und die Gebieten erstmals diesen Winter die Schneela- Festigkeit des überlagernden Schnees nahm also ge für Touren- und Varianten ausreichend. Somit im Gegensatz zu den Gebieten am Alpensüdhang waren sehr viele Personen abseits der Pisten un- nur langsam zu. Über längere Zeit betrug sie 50 terwegs und viele Touren oder Varianten wurden bis 80 cm. Das bedeutete kritische Voraussetzun- zum ersten Mal in diesem Winter befahren. Beson- gen für die Auslösung von Lawinen durch Personen ders am 5. und 6. Januar genügten teils kleins- (Abbildung 16). Mit der Veränderung der Schnee- te Störungen der Schneedecke für die Auslösung eigenschaften des Schneebrettes nahm die Aus- von gefährlich grossen Lawinen. Wummgeräusche, lösebereitschaft jeweils etwas ab oder wieder zu Rissbildungen und Fernauslösungen deuteten vie- (z.B. mit Neuschnee). Das Schneedeckenfunda- lerorts auf die sehr instabile Situation hin. ment veränderte sich in dieser Zeit kaum und trug als Schwachschicht seinen Teil zur hohen Auslöse- bereitschaft bei (Abbildung 17). Die hohe Lawinenaktivität mit Personenbeteiligung 22
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