Eva SONDERAUSGABE Lätare | 22.März2020 - Evangelische Kirchengemeinde Wattenscheid
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eva
SONDERAUSGABE
Lätare | 22. März 2020
Verhülltes Triptychon in der Versöhnungskirche Höntrop
„Aber Jesus verbarg sich und ging zum Tempel hinaus.“ Johannes 8,59 Liebe Gemeinde, Angehörige bestattet werden müssen. Solche in diesen Tagen erleben wir notgedrungen eine Szenarien kratzen an einem fundamentalen Situation, die uns zu einem anderen Leben Wert unserer Gesellschaft: der unantastbaren zwingt, als wir es kennen. Würde des Menschen. Und wir müssen alle dazu Für die einen reduziert sich der Aktionsradius beitragen, dass es nicht dazu kommen wird. auf ein Minimum; eine schwierige Situation für Unsere Kirchengemeinde versteht sich als Ort junge Familien, Menschen, die einsam sind oder der Begegnung. Begegnung zwischen Mensch solche, die Bedarf nach Unterstützung oder Ge- und Gott sowie zwischen Menschen untereinan- sellschaft haben. der. Aber wir kennen auch Momente der Abwe- Andere wissen nicht, wie sie die Anforderungen senheit, gerade in der Passionszeit. bewältigen sollen – in den Krankenhäusern und In einigen Kirchen unserer Gemeinde gibt es das Pflegeeinrichtungen, Verantwortliche in Firmen Ritual, die Kreuzdarstellungen in der Passions- sowie Kleinunternehmerinnen und -unterneh- zeit mit einem violetten Tuch zu verhängen. mer, die um ihre Existenz bangen. Dahinter steckt der alte kirchliche Brauch, Kreu- Dazu die Sorge, dass wir alle nicht wissen, was ze, aber auch Jesusbilder und -figuren zu ver- noch alles auf uns zukommen wird. hüllen. Die Liturgie wird im Laufe der Passions- Angela Merkel hat in ihrer Fernsehansprache am zeit immer weiter reduziert und an Karfreitag Mittwoch einige merkenswerte Sätze gesagt. wird sogar der Altar leergeräumt. Berührt hat mich der Abschnitt zum Thema Nä- Erklärungen dafür gibt es einige: he: „Wir möchten, gerade in Zeiten der Not, ein- - Die Verhüllung ist ein Zeichen der Trauer. Die ander nah sein. Wir kennen Zuwendung als kör- Kirche trauert um ihren Herrn und verbirgt ihr perliche Nähe oder Berührung. Doch im Augen- Gesicht; blick ist leider das Gegenteil richtig. Und das - Die Verhüllung ist Zeichen der Buße. Es gibt müssen wirklich alle begreifen: Im Moment ist Dinge, die zwischen uns und Gott stehen und nur Abstand Ausdruck von Fürsorge.“ die sich wie ein Schleier auf sein Zeichen legen; Das ist schwer einzusehen, gerade als Kirchen- - Gott hat auch verborgene Seiten. Es gibt auch gemeinde. Aber es stimmt. Jeder Kontakt birgt bei Gott manches, das wir nicht verstehen und das Risiko, sich selbst oder andere mit dem Vi- das sich unserer Wahrnehmung entzieht; rus anzustecken und die Epidemie zu verbrei- - Die zeitweise Verhüllung kann eine Hilfe sein, ten. Es kann passieren, dass auch bei uns Ärzte das Kreuz danach wieder neu wahrzunehmen entscheiden müssen, wer die lebensnotwendi- und besser zu verstehen. Vieles in unserem All- ge Behandlung erhält und wer nicht. Es kann tag nehmen wir gar nicht mehr richtig wahr, es passieren, dass auch bei uns Verstorbene ohne ist selbstverständlich geworden. Erst, wenn es
nicht mehr da ist, bemerken wir es wieder. So können auch schon damit anfangen, anders zu lenkt die Verhüllung des Kreuzes unsere Gedan- leben. ken nicht auf das Tuch, sondern auf das Kreuz, Denn es ist nicht so, dass wir zur Untätigkeit nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Un- verdammt daheim sitzen müssen (…). Wir kön- sichtbare im Leben. nen versuchen, uns zu helfen. Die Einsamen und Was auch immer die Verhüllung für Sie bedeu- Labilen anrufen. Uns gegenseitig Mut machen. tet – das Kreuz ist verhängt, aber es ist da. Nicht übermütig sein, und nicht verzweifeln. Gott ist da, auch wenn er nicht sichtbar ist. Er Kein Trotz, keine Party, kein Streit, keine unnö- ist da und er ist bei uns, bei Ihnen, auch wenn tige Aufregung. Dafür ist später wieder Zeit. wir ihn nicht immer spüren. Werden wir erst einmal wieder gesund.“ Das gilt auch für die Situation, in der wir uns Für einige von Ihnen ist das nicht so leicht, wie befinden. Wir dürfen anderen nicht begegnen. sich das anhört. Dann können wir vielleicht hel- Aber sie sind da. Ihre Kirche ist leider nicht zu- fen. Auch wir Pfarrerinnen und Pfarrer sind an- gänglich, aber sie ist da. Das Kreuz ist ver- sprechbar. Rufen Sie uns an, wenn Sie Hilfe be- hängt, aber es ist da und es wird auch wieder nötigen oder sprechen möchten. Auf der Rück- sichtbar und nahbar werden. seite und auf unserer Homepage www.e-ki-wa.- Wenn in der Kapelle in Höntrop im Ostergottes- de informieren wir Sie über Andachten und Got- dienst die Kinder das Tuch herunterziehen und tesdienste im Fernsehen, Hörfunk und im Inter- das große Altarfenster freigeben, dann fallen net. Es ist geplant, Videos zum Mittagsgebet die Sonnenstrahlen in den Raum und der Glaube aus der Friedenskirche zu produzieren und ins an Auferstehung erreicht unser Herz. Darauf Netz zu stellen. Wir wollen zu den Feiertagen freue ich mich in diesem Jahr besonders, auch Videoandachten aus unseren Kirchen vorberei- wenn dieser Moment vielleicht erst im Mai oder ten und mit Ihnen gemeinsam auf diese Weise Juni oder noch später sein wird. Gottesdienst feiern. Demnächst werden in un- Der Kommentator Stefan Kuzmany schreibt im serer Stadt jeden Abend um 19 Uhr die Kirchen- Spiegel: „Diesmal ist ´Wir´ keine Lüge. Wir sind glocken läuten. Und wir bleiben im Gebet und krank. Wir alle. Und alle, das sind diesmal nicht mit unseren Segenswünschen miteinander ver- nur alle Deutschen, alle Arbeitnehmer oder Ar- bunden. beitslosen oder Rentner, alle Rechten oder Lin- Benedicere – der lateinische Begriff für „seg- ken, alle Alten oder Jungen, alle Frauen oder nen“ bedeutet wortwörtlich: etwas Gutes sa- Männer oder Diverse. Wir, das sind diesmal und gen. Und so seien Sie alle gesegnet mit guten jetzt und bis auf Weiteres: alle Menschen. (…) Wünschen und Gedanken. In diesen Tagen und Wochen und vielleicht Mo- Gott segne Dich und Du sollst ein Segen sein. naten der verordneten Einsamkeit können wir Im Namen des Pfarrteams Wattenscheid, uns vielleicht die Zeit nehmen, darüber nachzu- Pastor Holger Dirks denken, was tatsächlich wichtig ist. Und wir
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