FOKUS SCHMERZEN - EMPFEHLUNGEN - bei Menschen mit Komplexer Behinderung - des Wissenschafts- und Kompetenz-Stiftung Leben pur
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FOKUS SCHMERZEN bei Menschen mit Komplexer Behinderung EMPFEHLUNGEN des Wissenschafts- und Kompetenz- zentrums
1 EINFÜHRUNG Schmerzen bei Menschen mit Komplexer Behinderung Schmerzen als interdisziplinäre Aufgabe Schmerzen sind für viele Menschen mit Komplexer Behinderung eine Realität, mit der sie sich lebenslang auseinandersetzen müssen. Die Schmerzbehandlung liegt insbesondere in der Hand von Ärzten und medizinischem Personal. Da Schmerzen sehr individuell und von anderen schwer zu erkennen sind, jedoch JURHQ(LQÀXVVDXIGLH6WLPPXQJGHQ$NWLYLWlWVOHYHOXQGGLH Lernbereitschaft einer Person haben können, ist es sehr hilfreich, GDVVVLFKDXFK3ÀHJHIDFKNUlIWH+HLOHU]LHKXQJVSÀHJHQGHVRZLH Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal mit diesem The- PDEHIDVVHQ1LFKW]XOHW]WNHQQHQ(OWHUQXQG$QJHK|ULJHLKU.LQG meist sehr gut und beobachten es kontinuierlich. Nur gemeinsam können diese Personengruppen Schmerzlinderung und Schmerz- freiheit bei Menschen mit Komplexer Behinderung erhöhen und somit ihre Teilhabe und Lebensqualität verbessern. Schmerzkommunikation im Zentrum Menschen mit Komplexer Behinderung können sich oftmals nicht YHUEDOlXHUQVRGDVVHVIU$XHQVWHKHQGHVFKZLHULJLVWGDV VHKULQGLYLGXHOOH6FKPHU]HPS¿QGHQ]XHUNHQQHQ'HU$XIEDX einer möglichst breiten nonverbalen Kommunikationsbasis wird ]XU+DXSWDXIJDEHGHUSÀHJHQGHQXQGSlGDJRJLVFKHQ)DFKNUlIWH Hier ist genaues Beobachten und höchste Sensibilität für Verhal- tensänderungen wichtig. Diese Empfehlungsbroschüre hat zum Ziel, einen Überblick über Komponenten und Typen von Schmerzen zu geben, die Grundlagen einer gelingenden Schmerzerkennung und Schmerzkommunikation darzulegen sowie Praxistipps für die Schmerzbegleitung zu geben. Aufbau der Broschüre Schmerzen verstehen......................................................... Seite 03 Schmerzursachen............................................................... Seite 05 Schmerzerkennung............................................................. Seite 06 Schmerzkommunikation...................................................... Seite 10 Diagnostik........................................................................... Seite 12 Schmerztherapie................................................................. Seite 14 Tipps für die Praxis.............................................................. Seite 17 Seite 02
2 SCHMERZEN VERSTEHEN Medizinische Definition von Schmerz Schmerz ist „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebsschädigung verknüpft ist RGHUPLW%HJULႇHQHLQHUVROFKHQ6FKlGLJXQJEHVFKULHEHQZLUG³ Quelle: International Association for 6FKPHU]GLHQWDOV:DUQVLJQDOXQGKDWGLH$XIJDEHGHQ.|USHU]X the Study of Pain schützen, indem er beispielsweise auf eine Verletzung oder eine drohende Gewebsschädigung hinweist. 'LH6FKPHU]HPS¿QGXQJZLUGYRQ Schmerzfasern, einer faserartigen, sehr Die medizinische dünnen, bis zu einem Meter oder länger Schmerzdefinition basiert auf UHLFKHQGHQ$XVVWOSXQJHLQHU1HYHQ- einem rein körperlichen Modell der zelle, aufgenommen und über das Weiterleitung und Verarbeitung von Rückenmark zum Gehirn geleitet. Reizen durch neurophysiologische Strukturen. Sie unterscheidet nicht zwischen Ursachen von Akuter Schmerz: Dem Schmerz geht Schmerzen. ein Reiz voraus und der Schmerz ist lokal und zeitlich begrenzt. Chronischer Schmerz: Der Schmerz besteht über HLQHQODQJHQ=HLWUDXPXQGNDQQQLFKWPHKUPLWHLQHP$XVO|VHULQ Verbindung gebracht werden. Er verselbstständigt sich und wird ]XU4XDOIUGHQ%HWURႇHQHQ0HQVFKHQPLW.RPSOH[HU%HKLQ- derung sind besonders gefährdet, chronische Schmerzen zu entwickeln. Quellen: 1 Martin, Peter (2021) S. 62; 1 Dederich, Markus (2021) S. 15f Seite 03
2 SCHMERZEN VERSTEHEN Das mehrdimensionale Quellen: Schmerzmodell Saunders, Cicely (1960) in Gerhard, Christoph (2015) S. 16; Maio, Giovanni (2015) Heutzutage wird Schmerz nicht nur als ein körperliches Phänomen S. 178 verstanden, sondern muss als komplexes Phänomen mit mehre- ren Dimensionen betrachtet werden. Dieses multidimensionale 0RGHOOZLUGDOVÄ7RWDO3DLQ³EH]HLFKQHWEHLGHP6FKPHU]HQQLFKW nur auf somatischer, sondern auf psychischer, sozialer und spiritu- HOOHU(EHQH$XVZLUNXQJHQ]HLJHQ 6REHHLQÀXVVWGHU6FKPHU]DOOHNRJQLWLYHQ3UR]HVVHOHQNW GLH$XIPHUNVDPNHLWRGHUIKUW]X(UNOlUXQJHQIU Ursachen und Möglichkeiten der Behandlung. Psyche Schmerzen rufen Emotionen wie Ängste und z.B. Motivation, %HGURKXQJHQKHUYRU$XFKVR]LDOH%H]LH- mit seinem hungen verändern sich: Der Mensch EHVWHQ)UHXQG im Schmerz zieht sich von seinen Be- weiterzuspielen zugspersonen zurück oder fordert Kontext PHKU$XIPHUNVDPNHLWYRQLKQHQ z.B. man sieht GHQ)UHXQGQLFKW VRKlX¿J S Körperlicher und seelischer c Schmerz h me Soziale 'DV6FKPHU]HPS¿QGHQ Einbettung und die Schmerzäußerun- rzrea z.B. man will gen sind bei jedem Men- GHQ)UHXQGQLFKW schen sehr individuell und enttäuschen mit Einschränkungen der sozialen Teilhabe und der kt o Lebensqualität verbunden. n i Zusätzlich zu einem kör- Kulturelle perlichen Schmerz kommt Einbettung VRPLWKlX¿JHLQVHHOLVFKHU z.B. man möchte Schmerz, der als Leid bezeich- keine Schwäche net wird. Dieser tritt auf, wenn Sprachliche Grundbedürfnisse nach Verstan- zeigen Ausdrucksform den-Werden oder sozialer Einge- z.B. Beschreibung bundenheit nicht ausreichend erfüllt des Schmerzes werden. Eine sinnvolle Schmerzthera- fällt schwer pie sollte darauf abzielen, nicht nur den Schmerz selbst zu lindern, sondern der Person auch das Gefühl der Wertigkeit des eigenen Lebens, +DQGOXQJVIlKLJNHLWXQG)UHLKHLWHQ]XUFN]XJHEHQ Seite 04
3 SCHMERZURSACHEN Schmerzursachen Die Ursachen von Schmerz sind sehr vielfältig. Zusätzlich zu weit YHUEUHLWHWHQ6FKPHU]XUVDFKHQZLH,QIHNWLRQVNUDQNKHLWHQ)HKO- belastungen oder hormonellen Schwankungen, um nur einige Quelle: zu nennen, kommen behinderungsbedingte Schmerzen sowie 1 Stockmann, Jörg (2021) Schmerzen durch notwendige Interventionen, Therapien und S. 78f +LOIVPLWWHOKLQ]X$XVGLHVHP*UXQGHUIRUGHUWGLH6XFKHQDFKGHU Schmerzursache bei Menschen mit Komplexer Behinderung u.a. gute Vorbereitung, hohe Sensibilität und ausreichend Zeit. t Spastik t Kontraktur Behinderungs- t Epilepsie bedingt t Lungenfunktion t Schluckstörungen t Skoliose t Physio- & Ergotherapien t Osteoporose t 3ÀHJHKDQGOXQJHQ t Orthesen Folgen der t Schläuche, Sonden, Behinderung Katheter t Rollstuhl, Stehständer t Lebensmittelunverträglichkeit t Wetterfühligkeit Allgemeine t )HKOKDOWXQJRGHUEHODVWXQJ Ursachen t Hormonelle Schwankungen t Infektionskrankheiten t Stress Ärztlich diagnostizierte Schmerzursachen Die Gruppe der Menschen mit Komplexer Behinderung ist sehr heterogen. Dennoch lassen sich aus ärztlicher Sicht typische schmerzerzeugende Erkrankungen bei dieser Personengruppe feststellen: t Zahnerkrankungen t Chronische Verstopfung t Knochenbrüche t Schmerzen des Bewegungsapparates Seite 06 Seite 05
3 SCHMERZURSACHEN / 4 SCHMERZERKENNUNG Pflegehandlungen als Schmerzursachen 6FKPHU]HQPVVHQLP$OOWDJGHU )|UGHU 6FKXOHGHU 7DJHV )|UGHUVWlWWHGHU:HUNVWDWWRGHULP:RKQKHLPGHU:RKQJUXSSH berücksichtigt und angemessen begleitet werden. (LQZLFKWLJHU$VSHNWLVWGDVYRUDXVVFKDXHQGH,GHQWL¿]LHUHQYRQ P|JOLFKHQVFKPHU]EHODVWHWHQ6LWXDWLRQHQLP$OOWDJ7\SLVFKHU- ZHLVHVLQGGDV3UR]HGXUHQLP3ÀHJHDOOWDJZLHXQJQVWLJH6LW] oder Liegepositionen, langes Tragen von Orthesen, Korsetts oder Quelle: weiterer Hilfsmittel, Stehen im Stehständer, ungünstige Transfer- Renner, Gerolf & Walter- VLWXDWLRQHQRGHU3RVLWLRQVZHFKVHOGDV$QXQG$XV]LHKHQGDV Klose, Christian (2018) S. 321 $QUHLFKHQYRQ ]XKHLHU 1DKUXQJRGHUDXFKGLH=DKQSÀHJHEHL HQW]QGHWHP=DKQÀHLVFKE]ZNDUL|VHQ=lKQHQ Schwierigkeiten der Schmerzerkennung Menschen mit Komplexer Behinderung sind Schmerzen wesent- OLFKKlX¿JHUDXVJHVHW]WDOV0HQVFKHQRKQH%HKLQGHUXQJGD Quellen: schmerzrelevante Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung Häuser, Winfried, et al. KlX¿JHUDXIWUHWHQ-HGRFKZHUGHQ6FKPHU]HQEHL0HQVFKHQPLW (2013) S. 46ff; Zimmermann, Sonja, (2017) S. 37 Behinderung unterschätzt oder sehr spät erkannt. Eine Untersu- FKXQJYRQ+lXVHUXQG.ROOHJLQQHQ ]HLJWGDVV3URIHVVLR- nelle das Vorhandensein von chronischen Schmerzen bei ihrer Klientel mit Behinderung stark unterschätzen. Vorhandensein chronischer Schmerzen: 32,9 35 30 25 20 15 7,2 10 5 0 Normalbevölkerung Menschen mit Behinderungen 32,9 Prozent der Befragten aus der Normalbevölkerung berichten, chronische Schmerzen zu haben. Mitarbeitende nehmen dagegen nur bei 7,2 Prozent ihrer Klienten Schmerzen wahr. Seite 06
4 SCHMERZERKENNUNG Warum wird das Vorhandensein von Schmerzen unterschätzt? Die Vorstellung, dass Menschen mit Komplexer Behinderung ein YHUULQJHUWHV6FKPHU]HPS¿QGHQKDEHQLVWQRFKKHXWHZHLWYHU- breitet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Schmerzen anders NRPPXQL]LHUWZHUGHQXQGRIWPDOVNHLQH$XVNXQIWEHUGDVHLJHQH %H¿QGHQDXIJUXQGYRQIHKOHQGHU9HUEDOVSUDFKHP|JOLFKLVW=X- dem wird der Schmerzausdruck deutlich weniger leidvoll gezeigt. $XFKVHOEVWYHUOHW]HQGHV9HUKDOWHQGDVEHLGLHVHP3HUVRQHQNUHLV KlX¿JHUDXIWULWWPDJDXIGHQHUVWHQ%OLFNGHQ$QVFKHLQHLQHU verringerten Schmerzsensibilität erwecken. Schmerzzeichen erkennen Ein Klient, dessen Hand normalerweise an seinem Ohr ist, legt auf einmal die Hänge ruhig Da Menschen mit Komplexer Behinde- in seinem Schoß zusammen. rung ihren Schmerz oftmals nicht verbal, Eine anschließende ärztliche mimisch und gestisch ausreichend Untersuchung ermittelte eine akute äußern können oder auch sehr untypi- Blinddarmentzündung, die mit sche Verhaltensweisen Schmerzzeichen großen Schmerzen einherging. sein können, ist es für alle Professionen und Eltern sehr wichtig, genau zu beobachten, Verhaltensänderungen wahrzunehmen und Schmer- ]XUVDFKHQDENOlUHQ]XODVVHQ)ROJHQGH=HLFKHQVROOWHQLQNHLQHP )DOOLJQRULHUWXQGDOV6FKPHU]]HLFKHQDEJHNOlUWZHUGHQ t :HLQHQ6FKUHLHQ-DPPHUQ/DXWlXHUXQJ t Schonhaltung des Körpers, ungewöhnliche Positionen t Schützen der schmerzhaften Bereiche t $QJVWN|USHUOLFKH.RQWUDNWLRQZHQQVLFKGHUVFKPHU]HQGHQ Quellen: Stelle genähert wird Belot, Michel (2009) S. 4, 1 Stockmann, Jörg (2021) t Änderungen in der Mimik S. 78f, Schäfer, Karolin t Körperliche Unruhe 6FKPLGW3¿VWHU'LDQD t Niedergeschlagenheit, Rückzug, Verweigerung (2018) S. 23 t Veränderung der gewohnten Kommunikation und Interaktion mit anderen t Veränderungen des Interesses an der Umwelt t Selbst- und fremdverletzendes Verhalten t =XRGHU$EQDKPHYRQ6WHUHRW\SLHQ t Röte, Blässe, Schweiß, Erbrechen, erhöhter Muskeltonus t Ungewöhnliche Schlafstörungen t Verminderung der Mobilität Seite 07
4 SCHMERZERKENNUNG Material zur Schmerzerkennung Das Ich-Buch 'DV,FK%XFKHUIDVVWLQGLYLGXHOOH)DFHWWHQGHU3HUV|QOLFKNHLW Quelle: )lKLJNHLWHQ9RUOLHEHQXQG$EQHLJXQJHQHLQHU3HUVRQ(VNDQQ Fichtmair, Martin (2017), zur Rate gezogen werden, wenn sich die Person nicht selbst aus- S. 57 drücken kann. Im Hinblick auf individuelle Schmerzäußerungen VROOWHQ0LPLNXQG*HVWLNXQWHUIROJHQGHQ$VSHNWHQHUIDVVWVHLQ t Welche Geste, Gebärde oder r Mimik zeigt die Person bei Zu- eine m Körpe VWLPPXQJ -D XQG$EOHKQXQJ erz in m 23. Schm 1HLQ " n erkenne dabei t Welche Geste, Gebärde, tützung c h s t D u Unters Schmerz be- welches Verhalten wird bei Brau h der Q" n, wo sic LW]XWHLOH Schmerzen in einem bestimm- zu fühle LKQDQGHUHQP Q G WHQ.|USHUWHLO]%DP$UPDP ¿QGHWX nn .RSIJH]HLJW" hlen, we u z.B. fü en t Kannst D der Kopfschmerz Wie sollen Unterstützer auf B a u c h -o GHUH Q diese Äußerungen jeweils du VDQ QQVWGXH KDVW".D UHDJLHUHQ" " PLWWHLOHQ HLQ 1 - D QJEHQ| Y R Q 8 QWHUVWW]X n zu :HOFKH$ UW rze e Schme o um eigen uteilen, w tigst Du, nd anderen mitz „Mein Gefühlebuch“ von n u erkenne Claudio Castaneda (2012) kann für XW" HVZHKW die kleinschrittige Erarbeitung von Gefühlen in konkreten Situationen genutzt werden. Es kann helfen zu verstehen, wie die Person ihre Gefühle äußert. Den Download-Link finden Sie im Literaturverzeichnis dieser Broschüre. Der Beobachtungsbogen Mittlerweile gibt es zahlreiche standardisierte Beobachtungs- skalen, an denen das Vorhandensein von Schmerz sowie die Schmerzintensität abgelesen werden können. Über diese Skalen ZHUGHQN|USHUOLFKH$XVGUXFNVIRUPHQEHL6FKPHU]IUHLKHLWVRZLH in schmerzhaften Situationen verglichen. Die Bögen helfen dabei, 6FKPHU]HQEHLGHU3HUVRQXQDEKlQJLJYRPHLJHQHQÄ*HIKO³ zuverlässiger und schneller zu erkennen. Seite 08
4 SCHMERZERKENNUNG $XIJUXQGGHURIWPDOVKRKHQ3HUVRQDOÀXN Die EDAAP-Skala wurde tuation in der Behindertenhilfe ist eine speziell für Menschen mit Komplexer HLQKHLWOLFKH6NDODKLOIUHLFK)ROJHQGH Behinderung entwickelt, jedoch sind Beobachtungsinstrumente für Men- die anderen Skalen ebenfalls hilfreich. Der schen mit Komplexer Behinderung Vorteil aller Skalen liegt in der wiederholten, gibt es: systematischen Beobachtung und Dokumentation. Diese kann als Grundlage t ('$$36NDOD (YDOXDWLRQGHO¶([ für Gespräche im Team und mit Ärzten dienen. SUHVVLRQGHOD'RXOHXUFKH]O¶$GROH VFHQWRXO¶$GXOWH3RO\KDQGLFDSp Datum Uhrzeit Somatische Äußerungen Wert 1. Lautäußerungen (rudimentäre Sprac he u./o. Weinen u./o. Schreien: IHKOHQE]ZLPEOLFKHQ$XVPD Somatische ZLHEOLFKDEHUDXVJHSUlJWHUE]Z 0 0 0 Beschwerden $XIWUHWHQYRQ:HLQHQXR Schreien auslösbar beim Versorgen 1 1 1 Y|OOLJXQEHNDQQWHU$UW 2 2 2 XRQHXURYHJHWDWLYH6\PSWRPH 3 3 3 4 4 4 2. Schonhaltung: keine Schonhaltung wird gesucht 0 0 0 in Ruhe wird spontan eingenommen 1 1 1 ZLUGGXUFKGLH3ÀHJHNUDIWIHVWJHOHJW 2 2 2 Benommenheit aufgrund von Schmerzen 3 3 3 4 4 4 3. Schmerzhafte Körperregionen: keine XPVFKULHEHQHHPS¿QGOLFKH5HJLRQLP 0 0 0 ,GHQWL¿NDWLRQ schmerzhafter 5DKPHQGHU.|USHUSÀHJH *HVLFKW±) H±+lQGH±%DXFK 1 1 Körperregionen GUXFNVFKPHU]HPS¿QGOLFK 1 zeigt sich bei Beobachtung im Rahm 2 2 2 en der Untersuchung 3 wird spontan angezeigt 3 3 Untersuchung wegen Schmerzen 4 4 4 nicht möglich 5 5 5 t &361$,' &KURQLF3DLQ6FDOHIRU1RQYHUEDO$GXOWVZLWK,QWHO OHFWXDO'LVDELOLWLHV YRQ%UHDXXQG%XUNLWW]XP(UNHQQHQYRQ EDAAP-Skala nach Belot et al. chronischen Schmerzen (2009) S. 7 t 'LV'$7 'LVDELOLW\'LVWUHVV$VVHVVPHQW7RRO YRQ5HJQDUGHW al. zur gezielten Beobachtung von Stressverhalten; Deutsche hEHUVHW]XQJYRQ+HLQLW]HWDO t %(6'6NDOD %HXUWHLOXQJYRQ6FKPHU]EHL'HPHQ] t %,6$'6NDOD %HREDFKWXQJVLQVWUXPHQWIUGDV6FKPHU] DVVHVVPHQWEHLlOWHUHQ0HQVFKHQPLW'HPHQ] YRQ%DVOHUHWDO t =23$ =XULFK2EVHUYDWLRQ3DLQ$VVHVVPHQW YRQ+XEHUHWDO t 1&&3&5 1RQFRPPXQLFDWLQJ&KLOGUHQV3DLQ&KHFNOLVW± UHYLGLHUW t 1&$36 1RQFRPPXQLFDWLQJ$GXOW3DLQ6FDOH Seite 09
5 SCHMERZKOMMUNIKATION Schmerzkommunikation Schmerzkommunikation mit Menschen mit Komplexer Behinde- rung ist nicht nur für die Ursachensuche von Schmerzen wichtig, sondern dient auch dem Beziehungsaufbau. Dabei erfährt die Per- son Zuwendung, Mitgefühl und Trost und erhält seelische Unter- stützung, mit dem Schmerz umzugehen. Die Kommunikation kann VLFKMHQDFK9RUDXVVHW]XQJHQGHU3HUVRQN|USHUHLJHQHU /DXWH *HElUGHQ*HVWLN0LPLN DEHUDXFKEDVDOHUXQGN|USHURULHQWLHU- ter Zugänge bedienen. Basale Kommunikation nach Mall© %HLGLHVHP$QVDW]ZHUGHQN|USHUVSUDFKOLFKHbXHUXQJHQZDKUJH- nommen, interpretiert und z.B. durch Spiegeln wahrgenommener Äußerungen durch Laute, Berührung oder Bewegung beantwor- tet. Im Hinblick auf Schmerzen kann mit oder für den Menschen gejammert werden, um das Wahrnehmen seiner Schmerzen und somit Verständnis zu signalisieren. Quellen: 1 Schlichting, Helga (2021) S. 53f; Schellen, Julia, (2015) S. 68f; 1Hübner, Runa Musikbasierte Kommunikation Malin (2021) S. 178 0XVLNEDVLHUWH.RPPXQLNDWLRQLVWHLQHPRWLRQDOHU$XVWDXVFKGHU DOVQRQYHUEDOH.RPPXQLNDWLRQVEUFNHGLHQW%HLGLHVHP$QVDW] werden die Stimmungen und Verhaltensäußerungen der Person DXIJHQRPPHQXQGLQ0XVLNWUDQVIRUPLHUWXQGJHVSLHJHOW$XFK werden die Äußerungen mit Musik beantwortet. Musik kann als Resonanz für akute und chronische Schmerzen sowie als Ventil im schmerzlichen Zustand dienen. Musik kann zudem von Schmerz DEOHQNHQXQG]HLJHQGDVVGLHEHWURႇHQH3HUVRQQLFKWDOOHLQHLVW Objekte (LQH3XSSHHLQ.XVFKHOWLHURGHUHLQH+RO]¿JXUVLQGKLOIUHLFKXP EHUGHQ6FKPHU]RUWÄLQV*HVSUlFK]XNRPPHQ³*JIZHUGHQGLH Körpermaße in Originalgröße zur Konkretisierung benötigt, z.B. GXUFKGLH$XI]HLFKQXQJGHV8PULVVHVHLQHU3HUVRQ6RN|QQHQ Körperteile sukzessive durchgegangen und nach Schmerzen in den einzelnen Bereichen gefragt werden. Seite 10
5 SCHMERZKOMMUNIKATION Skalen zum Ausdruck der Um in dieser konkreten Schmerzintensität Weise Auskunft über Schmerzen geben zu können, In Kombination mit einer verbalen, numerischen braucht es Zeit und vielfältige Übungsmöglichkeiten im oder Smiley-Skala können Informationen über schmerzfreien Zustand. die Schmerzstärke an einem Körperteil erhalten ZHUGHQ,P0(7$&206\PEROV\VWHPLVW]%HLQH VROFKH6NDOD]X¿QGHQ nicht keine leichte starke sehr starke auszuhaltende Schmerzen Schmerzen Schmerzen Schmerzen Schmerzen Smiley-Skala nach Barbara Hartmann (2013) Quelle: Bildsymbole 1 Schlichting, Helga (2021) S. 54 Es existieren zahlreiche Symbolsysteme, die Symbole zum Thema Krankenhaus, medizinische Behandlung sowie Krankheit und Schmerz enthalten: t Handbuch der Unterstützten Kommunikation: Kommunikationstafel für den Einsatz in der medizinischen Notfallversorgung und für die Schmerzkommunikation t Kölner Kommunikationsordner: Kern- und Randvokabular über Symbole zum Körper, Körper- teilen und Krankheit t 3DOOLDWLYNRႇHUÄ,FKELQGD+RVSL]NRႇHUGHU&$%$XJVEXUJ³ UK-Material und Blicktafel zur Kommunikation von Schmerzen und weiteren Unwohlseinszuständen sowie entsprechende Quellen: Hilfsmöglichkeiten. Gemeinsam können Zeichen vereinbart Jordan, Silke & Tapken, werden, die in potenziell schmerzhaften Prozeduren gegeben Marion (2013) 17.063.001; Schellen, Julia (2015); werden und ein Unterbrechen signalisieren können. Fichtmaier, Martin (2017) S. 55f; Erdélyi, Andrea; t UKAPO-Kommunikationsmappe: Mischo, Susanne & Hennig, Birgit (2018) S. 27f %LOGV\PEROH]XU(UIDKUXQJYRQ%H¿QGOLFKNHLWHQ]XU(UOlXWH- rung einer Diagnose und der Erklärung der Darreichungsform von Medikamenten Seite 11
6 DIAGNOSTIK Ablauf der ärztlichen Diagnostik In der Planung der ärztlichen Diagnostik von möglichen Schmer- ]HQXQGGHUHQ8UVDFKHQVSLHOWGLH9RUJHVFKLFKWHXQGGLH$Q- nahme, was die wahrscheinlichste Ursache ist, die größte Rolle. Die Schmerzdiagnostik sollte in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten erfolgen: Anamnese: Es erfolgt die strukturierte Schilderung des 1 3UREOHPVGXUFKHLQHJXWLQIRUPLHUWH)DFKNUDIW+LHUNDQQ VFKRQHLQHUVWHU9HUGDFKW±DXFKLP+LQEOLFNDXIHLQHP|JOL- FKHUZHLVHEHWURႇHQH.|USHUUHJLRQ±JHlXHUWZHUGHQ Körperliche Untersuchung: Ihre Durchführbarkeit sollte gleich zu Beginn des Kontaktes besprochen werden. Das Entkleiden zwecks körperlicher Untersuchung kann extrem 2 YLHO=HLWLQ$QVSUXFKQHKPHQ$XHUGHPWROHULHUHQYLHOH Patienten die Untersuchung selbst oder die Positionierung auf einer herkömmlichen Untersuchungsliege schlecht. Zahnärztliche Untersuchungen können z.B. unter Narkose VWDWW¿QGHQ Blutabnahme:(VHPS¿HKOWVLFKZHJHQGHURKQHKLQKlX¿J 3 großen diagnostischen Unsicherheit eine eher breitere Labordiagnostik. Dies ist auch abhängig von eventuellen 6FKZLHULJNHLWHQEHLGHU%OXWDEQDKPH VFKOHFKWHU9HQHQ VWDWXV$QJVW$EZHKU1RWZHQGLJNHLW]XVHGLHUHQ Präferenz nichtinvasiver Diagnostikverfahren: Wenn 6FKPHU]YHUPXWHWZLUGGLH)UHPGDQDPQHVHXQGN|USHUOL- 4 che Untersuchung aber keine konkrete Spur liefert, entsteht ein diagnostisches Dilemma bzgl. der Reihenfolge und Methode der Untersuchung. Hier zählt das Erfahrungswis- VHQGHUbU]WH8QVFKlGOLFKH9HUIDKUHQZLH]%6RQRJUD¿H oder Röntgen, sind invasiven Verfahren vorzuziehen. Seite 12
6 DIAGNOSTIK Invasive Verfahren:)DOOV6FKULWWNHLQH$XINOlUXQJJH- bracht hat, kann eine Gastroskopie erfolgen. 5 Weitere diagnostische Verfahren: Computertomographie, %LWWHXP6WHOOXQJQDKPHZHLWHUHU)DFKEHUHLFKH]%2UWKR SlGLH*\QlNRORJLH1HXURORJLH+12XQG$XJHQKHLONXQGH 6 Versuchsweise Schmerztherapie: Diese stellt bei nicht ]XNOlUHQGHU8UVDFKHHLQHHPSIHKOHQVZHUWH$OWHUQDWLYH]X 7 invasiver Diagnostik dar. Hierbei muss ein ausreichend lan- ger Zeitraum, eine adäquate Dosis sowie eine strukturierte Beobachtung anhand einer Schmerzskala sichergestellt werden. Quelle: 1 Stockmann, Jörg (2021) S. 86f Interdisziplinäre Schmerzdiagnostik 6FKPHU]GLDJQRVWLNLVWQLFKWDOOHLQlU]WOLFKH$XIJDEH$XFKGDV %HWUHXXQJVXPIHOGGHVEHWURႇHQHQ0HQVFKHQVROOWH9HUDQWZRUWXQJ übernehmen. Das Team sollte sich um eine erhöhte Grundauf- merksamkeit, die strukturierte Beobachtung und eine systemati- sche Diskussion der beobachteten Phänomene bemühen. Seite 13
7 SCHMERZTHERAPIE Schmerztherapieformen Die unterschiedlichen Therapieformen hängen von der zugrundlie- genden Erkrankung ab und werden in psychologische, physikali- sche und pharmakologische Verfahren eingeteilt. Psychologische Schmerztherapie Psychologische Maßnahmen dienen nicht nur der Schmerzbewäl- WLJXQJVRQGHUQKDEHQDXFKHLQHQGLUHNWHQSK\VLRORJLVFKHQ(ႇHNW auf die Schmerzverarbeitung. Diese sind z.B. pädagogische Maß- nahmen, psychologische Begleitung, Psychotherapie, Seelsorge, Biofeedback, Entspannung und Meditation, Hypnose, Basale Quellen: Stimulation® sowie Musiktherapie. 1 Schlichting, Helga (2021) S. 56f; 1Talmon, Doris & Wollenschläger, Anne (2021) Basale Stimulation®: S. 175; Schlichting, Helga, Basale Stimulation zählt zu den nichtmedikamentösen Therapie- (2017) S. 46; Zernikow, Boris (2013) S. 116ff maßnahmen. Hieraus können Elemente zur Schmerzlinderung YHUZHQGHWZHUGHQ]%GDV$XVVWUHLFKHQXQG$EWDVWHQZlKUHQG GHU3ÀHJH'XUFKGLH%HUKUXQJHUKlOWPDQ=HLWGHQ0XVNHO WRQXV]XUHJXOLHUHQXPZHLWHUH$NWLYLWlWHQVFKPHU]DUPDXVIKUHQ ]XN|QQHQ$XFKNDQQGLH$WPXQJGXUFK0HWKRGHQGHU.RQWDNW DWPXQJRGHUGHU$WHPVWLPXOLHUHQGHQ(LQUHLEXQJEHUXKLJWXQG vertieft werden. Musiktherapie: Musiktherapie ist eine Methode, um Leid zu mindern und thera- SHXWLVFKH=LHOH]XHUUHLFKHQ$EHU0XVLNLVWDXFKDQVLFK6LQQ gelebtes eigenes Leben und Lebensqualität. Musikthera- SHXWLVFKH0HWKRGHQUHLFKHQYRQ)UDJH$QWZRUW Modellen auf Trommeln oder Klangbausteinen über Spüren der Vibrationen des Resonanzkör- pers bis hin zur Handführung am Klienten auf leicht spielbaren Instrumenten, z.B. Tamburin oder Glockenspiel. Die Musik hilft dabei, sich auszudrücken, Ursache-Wirkungs-Zusam- menhänge zu verstehen und selbst kreativ zu werden. Seite 14
7 SCHMERZTHERAPIE Physikalische Schmerztherapie 3K\VLNDOLVFKH7KHUDSLHIRUPHQEHLQKDOWHQHLQHQ(LQJULႇLQGLH3K\- VLRORJLHHLQHU3HUVRQ'D]X]lKOHQ)UDNWXUEHKDQGOXQJHQ%DQG- scheiben-Operationen, Stabilisierung bei ausgeprägter Wirbelsäu- OHQYHUIRUPXQJHOHNWULVFKH5HL]XQJXQG$NXSXQNWXU*\PQDVWLN Massage und Bewegung, Wärme und Kälte, Physiotherapie, Ergotherapie, Lymphdrainage, Positionierungsmaßnahmen sowie Logopädie. Wärme- und Kältetherapie :LFNHOXQG$XÀDJHQ]XU6FKPHU]OLQGHUXQJEHL6SDVWLNXQG9HU- spannungen sind Bestandteile der Wärmetherapie. Hierzu zählen WURFNHQH$QZHQGXQJHQ]%.|UQHUNLVVHQXQGIHXFKWH$QZHQ- GXQJHQ]%'DPSINRPSUHVVHQRGHUgONRPSUHVVHQ$XFKNKOHQ- GH$XÀDJHQ]%LQ)RUPYRQ4XDUNDXÀDJHQN|QQHQHQW]QGOL- che Schmerzen lindern. Hierbei ist auf die sorgsame Überwachung der Temperatur und der betreuten Person zu achten. Quelle: 1 Möllmann, Stephanie (2021) Pharmakologische Schmerztherapie S. 154f; Nüßlein, Florian (2017) S. 52 Bei medikamentöser Schmerztherapie wird unterschieden zwi- schen Nicht-Opioiden mit zentraler und peripherer Wirkung, z.B. Paracetamol, mittelstarken, z.B. Codein, oder starken Opioiden, z.B. Morphin, sowie Cannabinoiden. Hierzu zählen auch Psycho- pharmaka und Betäubungsmittel. Seite 15
7 SCHMERZTHERAPIE Applikationsformen von Analgetika Tropfen Schmerzpumpe Tabletten (z.B. patient- controlled analgesia PCA) Zäpfchen Schmerzmittel Intravenös (Analgetika) Quelle: 1 Augustin, Jörg (2021) S. 99f Über einen Portkatheter 6FKPHU]SÀDVWHU Bei Unklarheiten und Subkutane vertretbarem Neben- Verabreichung – wirkungsprofil sollte man unter die Haut sich eher für als gegen den Versuch einer medikamentösen Schmerztherapie entscheiden. Wichtige Aspekte einer medikamentösen Schmerztherapie 'D$QDOJHWLNDXQWHUVFKLHGOLFKH:LUNE]Z1HEHQZLUNXQJVSUR¿OH besitzen, ist die Wahl des am besten passenden Medikaments mitunter nicht einfach. Wichtig ist auch die richtige Dosierung, die (UZlJXQJHLQHU.RPELQDWLRQXQWHUVFKLHGOLFKHU$QDOJHWLNDVRZLH QLFKW]XOHW]WGLHEHVWH$SSOLNDWLRQVIRUP Seite 16
8 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Multimodales Kommunikations- TIPP spektrum aufbauen 1 $QKDQGGHU.|USHUKDOWXQJGHV9HUKDOWHQVHLQIDFKHU*HElUGHQ RGHUGHU)L[LHUXQJYRQHQWVSUHFKHQGHQ%LOGV\PEROHQPLWGHQ $XJHQNDQQPLW0HQVFKHQRKQH9HUEDOVSUDFKHHLQH6FKPHU]- kommunikation aufgebaut werden. Da Schmerzen ein zentraler Bestandteil des Lebens sind, sollte die Kommunikation früh etab- Quelle: liert und immer wieder geübt werden. Regelmäßiges Vormachen 1 Nicklas-Faust, Jeanne und Wiederholen festigt das Gelernte auch in schmerzfreien Situ- (2021) S. 121 ationen. Werden kleinste körperliche Veränderungen der Person wahrgenommen, kann in schmerzhaften Phasen schneller eine Einleitung der richtigen Schritte erfolgen. Beispiel einer kommunikativen Situation ,QGHU)|UGHUJUXSSHUXKHQVLFKQDFKGHP0LWWDJVHVVHQDOOHDXI dem Wasserbett. aus Plötzlich wird Max H. unruhig und es scheint alles nicht mehr so recht zu passen. In so einer Situation hilft es, genau zu beobachten, wann diese Unruhe auftritt und wodurch sie sich verbessert. Bei einer chronischen Speiseröhrenentzündung wäre dies zum Beispiel, jemanden nach dem Essen nicht hinzu- legen, sondern erst noch einmal aufrecht zu lassen, bis sich der Magen entleert hat. Ein ungutes Gefühl ernst nehmen TIPP Sollten Sie die von Ihnen betreute Person noch nicht lange kennen oder sind noch keine strukturierten Beobachtungsskalen in Ihrer 2 Einrichtung etabliert, hilft es erst einmal, auf Ihr Gefühl zu hören. t ,VWGLH3HUVRQQLFKWPHKUVRDNWLYZLHLQGHQOHW]WHQ7DJHQ" t ,VVWGLH3HUVRQZHQLJHU" t .RPPXQL]LHUWGLH3HUVRQQLFKWVRYLHOZLHVRQVW" t 6FKUHLWVLHPHKUPDOVDP7DJ]%QDFK0DKO]HLWHQ" Schlagen Sie im Ich-Buch der Person nach, wie sie sich äußert, und besprechen Sie Ihr Gefühl mit den Kollegen. So lernen Sie den Menschen mit Komplexer Behinderung schneller kennen und können eigene Hypothesen bzgl. der Schmerzäußerung der Person bilden. Seite 17 13
8 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Gleichzeitig bringen Sie das Thema Schmerzen auch auf die $JHQGDGHV.ROOHJLXPV=XP:RKOHGHV%HWURႇHQHQHPS¿HKOWHV VLFKHLQHDXႇlOOLJH%HREDFKWXQJVWHWV]XNRPPXQL]LHUHQ'LHVLVW RIWPDOVLQGHU+HNWLNGHV$OOWDJHVQLFKWOHLFKWNDQQ DEHUPLWKlX¿JHU:LHGHUKROXQJ]XU*HZRKQKHLW Achtsamkeitsübungen werden. in Bezug auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers helfen auch dabei, die Umwelt und das Verhalten des Klienten genauer wahrzunehmen und sensibel auf Veränderungen im Außen zu reagieren. Arztbesuch gut vorbereiten TIPP 3 :LUGHLQ6FKPHU]YHUPXWHWVWHKWRIWPDOVHLQ$U]WEHVXFKDQ'LH ZHUWYROOH=HLWZlKUHQGHLQHV$U]WEHVXFKVPXVVKLHUEHLHႇHNWLY JHQXW]WZHUGHQ$U]WEHVXFKHXQGlU]WOLFKH'LDJQRVWLNVROOWHQJXW vorbereitet werden. Dazu gehören: t 2EMHNWLYH'DWHQ]%0HGLNDWLRQLQEHUVLFKWOLFKHU)RUP bereithalten t *HVHW]OLFKH%HWUHXHU$QJHK|ULJHYRUGHP$U]WEHVXFK informieren t Begleitung des Patienten durch gut informierte Mitarbeiter Patientenbezogene Daten 'HU$U]WZLUGPHLVWIROJHQGHSDWLHQWHQEH]RJHQH)DNWRUHQHUKH- ben. Es ist hilfreich, diesen dabei mit dem eigenen Vorwissen zu unterstützen: t .|USHUJHZLFKWDXFKLP9HUODXIYRQ-DKUHQ%OXWGUXFN3XOV Körpertemperatur t Verhalten t Nahrungsaufnahme, Gewichtsverlauf Quelle: 1 Stockmann, Jörg (2021) t Mobilität S. 85 t Schlaf t Relevante Lebensereignisse der letzten Monate Seite 18
8 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Begleitung im Krankenhaus TIPP Sollte aufgrund eines Notfalls oder einer geplanten Operation ein Krankenhausbesuch mit dem Klienten notwendig 4 sein, ist dieser ebenfalls gut vorzube- reiten. Im Krankenhaus herrschen meist keine barrierefreien Struktu- Bei Krankenhausaufenthalten ist UHQYRUXQGGLH3ÀHJHNUlIWHXQG eine Begleitung durch eine vertraute Ärzte haben wenig Erfahrung mit Person entscheidend. Nur so können Menschen mit Komplexer Behin- kommunikative Äußerungen richtig derung. Der vertraute Betreuer gedeutet werden. Zahlreiche Krankenhäuser bietet dem Klienten durch seine und Krankenkassen haben dies bereits $QZHVHQKHLW6LFKHUKHLWXQGUHGX- erkannt, eine verlässliche Regelung der ziert das subjektive Stresserleben. Begleitung muss jedoch unbedingt Zudem sollte er dem Klienten die rechtlich verankert werden. $EOlXIHHUNOlUHQXQGLKQDXIGLHNRP- PHQGHQ±DXFKVFKPHU]KDIWHQ±3UR]H- duren vorbereiten, da die Krankenhausstruktu- UHQKlX¿JVHKULQWUDQVSDUHQWVLQG Quelle: Teamwork in der Zernikow, Boris (2005) S. 122f Schmerzdiagnostik Schmerzdiagnostik ist immer Teamwork, bei der möglichst viele Perspektiven einzubeziehen sind, nämlich die: t GHV%HWURႇHQHQ TIPP t t GHU$QJHK|ULJHQ der Mitarbeitenden, insbesondere der Vertrauenspersonen in der Werkstatt, der Tagesstruktur etc. 5 t der gesetzlichen Betreuer t der behandelnden Therapeuten t GHU+DXVXQG)DFKlU]WH Quelle: Die große Herausforderung besteht im Zusammentragen all dieser 1 Stockmann, Jörg (2021) 3HUVSHNWLYHQ,QEHVRQGHUVVFKZLHULJHQ)lOOHQVROOWHGLHVLP S. 81 5DKPHQHLQHU)DOONRQIHUHQ]E]ZPRGHULHUWHQ%HVSUHFKXQJ geschehen. Seite 19
8 TIPPS FÜR DIE PRAXIS Die Teilnahme aller oben genannten Personen wird man kaum erreichen können, jedoch könnte z.B. eine Vertrauensperson Infor- mationen von möglichst vielen, in die Behandlung und Betreuung des Patienten involvierten Menschen einholen. Diese Informatio- nen könnten dann in einer Übergabe oder einem Teamgespräch diskutiert werden. Herausforderndes Verhalten TIPP als Schmerzzeichen 6 Schmerzen können sich manchmal als selbstverletzendes Verhal- ten, aber auch als aggressives oder zurückgezogenes Verhalten äußern. Wichtig ist es hier, auf Veränderungen zu achten. So kann Quelle: selbstverletzendes Verhalten gegen bestimmte eigene Körperteile Schlichting, Helga (2013) S. 31f den Schmerzort anzeigen, das Schlagen des Kopfes gegen harte Gegenstände auf Kopf-, Ohr- oder Zahnschmerzen hindeuten. $XFKH[WHUQDOLVLHUHQGHV9HUKDOWHQ]%DJJUHVVLYHV9HUKDOWHQ ZlKUHQGGHU3ÀHJHNDQQHLQ6FKPHU]]HLFKHQVHLQ+LHUPXVV EHREDFKWHWZHUGHQEHLZHOFKHU3ÀHJHKDQGOXQJGDV9HUKDOWHQ auftritt. Daraufhin sollte die Handlung angepasst und weniger schmerzhaft gestaltet werden. Nicht jedes herausfordernde Verhalten kann durch körperliches Unwohlsein erklärt werden, da es zahlreiche weitere Ursachen gibt. Jedoch verstärken Schmerzen zumindest die Häufigkeit und Intensität von herausforderndem Verhalten. Werden Schmerzen als Ursache von herausforderndem Verhalten gefunden, ist eine Schmerztherapie im Unterschied zum Einsatz von Psychopharmaka zur Verringerung herausfordernden Verhaltens erfolgreicher. Seite 20
9 ADRESSEN Adressen die weiterhelfen EDAAP-Skala von Dr. Michel Belot und Kolleginnen ZZZVWLIWXQJOHEHQSXUGH¿OHDGPLQ:HEGDWD8SORDGV3')VB @ '2&VHGDDSVNDODSGI DNQP Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der 3ÀHJH±([SHUWHQVWDQGDUG6FKPHU]+RFKVFKXOH2VQDEUFN ZZZGQTSGHH[SHUWHQVWDQGDUGVXQGDXGLWLQVWUXPHQWHF Ablaufschema für Professionelle zum Vorgehen bei aktuellen oder zu erwartenden Schmerzereignissen ZZZGQTSGH¿OHDGPLQ+626+RPHSDJHV'143'DWHLHQ ([SHUWHQVWDQGDUGV6FKPHU]PDQDJHPHQWB6FKPHU] $NWB$EODXIVFKHPDSGI Empfehlungen des interdisziplinären Arbeitskreises Schmerzen 2021 ZZZVWLIWXQJOHEHQSXUGHZLVVHQDXVWDXVFKDNVFKPHU]HQKWPO 8QYHU|ႇHQWOLFKWHV6FKPHU]NRQ]HSWGHU:RKQVWlWWHÄ$P 6FKORVVSDUN³GHU/HEHQVKLOIH'RUWPXQGJ*PE+DXI$QIUDJH KWWSVOHEHQVKLOIHGRUWPXQGGHGHZRKQHQSÀHJHZRKQVWDHWWHQ wohnstaette-am-schlosspark.php Ausgewählte Schmerzzentren Neurologische Séguin-Klinik für Menschen mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung am Epilepsiezentrum Kehl-Kork KWWSVGLDNRQLHNRUNGHHSLOHSVLH]HQWUXPPHGL]LQHSLOHSVLHNOLQL- NHQVHJXLQNOLQLN Klinik für Inklusive Medizin des evangelischen Krankenhauses Hagen-Haspe KWWSVHYNKDVSHGHNOLQLNHQ]HQWUHQNOLQLNIXHULQNOXVLYHPHGL]LQ kurzvorstellung Abteilung Pädiatrische Palliativmedizin der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln ZZZNLQGHUNOLQLNGDWWHOQGHOHLVWXQJHQIDFKEHUHLFKH paediatrische-palliativmedizin 'HXWVFKH*HVHOOVFKDIWIU0HGL]LQIU0HQVFKHQPLWJHLVWLJHU RGHUPHKUIDFKHU%HKLQGHUXQJH9 '*0*% www.dgmgb.de Seite 21
10 LITERATUR Literatur %HORW00DUULPSRH\3 5RQGL) %RJHQ]XU(YDOXD- WLRQGHU6FKPHU]]HLFKHQEHL-XJHQGOLFKHQXQG(UZDFKVHQHQPLW 0HKUIDFKEHKLQGHUXQJGLH('$$36NDOD,Q10DLHU0LFKDOLWVFK Leben pur Schmerz. Düsseldorf %LUEDXPHU1 6FKPLGW5) %LRORJLVFKH3V\FKRORJLH Berlin &DVWDQHGD& 0HLQ*HIKOH%XFKKWWSVZZZ FOXNVIRUXPEZGHDXVGHUSUD[LVLGHHQNLVWH"W[BFIRUXPBOLVW- SRVW%DFWLRQ' VKRZ W[BFIRUXPBOLVWSRVW%FRQWURO- OHU' 3RVW W[BFIRUXPBOLVWSRVW%SRVW' F+DV- h=ce54fc91e462c2a9ab2ca010de197f07 (UGpO\L$0LVFKR6 +HQQLJ% 8.$32'LH.RPPX- QLNDWLRQVWDIHOIU$U]WXQG$SRWKHNH8QWHUVWW]WH.RPPXQLNDWLRQ 6 )LFKWPDLU0 8QWHUVWW]WH.RPPXQLNDWLRQXQG6FKPHU] Themenheft Schmerzen bei Menschen mit mehrfacher Behinde- rung. behinderte menschen. Zeitschrift für gemeinsames Leben, /HUQHQXQG$UEHLWHQ6 *HUKDUG& 3UD[LVZLVVHQ3DOOLDWLYPHGL]LQ6WXWWJDUW1HZ York +lXVHU:H 3UlYDOHQ]FKURQLVFKHU6FKPHU]HQLQ 'HXWVFKODQG'HU6FKPHU]6KWWSVZZZUHVHDUFKJDWH QHWSXEOLFDWLRQB3UHYDOHQFHBRIBFKURQLFBSDLQBLQB*HU- PDQ\B$BUHSUHVHQWDWLYHBVXUYH\BRIBWKHBJHQHUDOBSRSXODWLRQ -HURVHQNR$ 0DLHU0LFKDOLWVFK1 +UVJ 6FKPHU]HQ 1 bei Menschen mit Komplexer Behinderung. Düsseldorf -RUGDQ6 7DSNHQ0 8QWHUVWW]WH.RPPXQLNDWLRQLQ lU]WOLFKHU3UD[LVXQGPHGL]LQLVFKHU 1RWIDOO 9HUVRUJXQJ,QLVDDF +UVJ +DQGEXFKGHU8QWHUVWW]WHQ.RPPXQLNDWLRQ.DUOVUXKH 0DLR* 6FKPHU]DOV:LGHUIDKUQLV'LH.RQWUROOLHUEDUNHLWV- HUZDUWXQJDOV3UREOHP,Q*H0DLR +UVJ /HLGXQG6FKPHU] .RQ]HSWLRQHOOH$QQlKHUXQJHQXQGPHGL]LQHWKLVFKH,PSOLNDWLRQHQ )UHLEXUJ 0QFKHQ Seite 22
10 LITERATUR 1OHLQ) $OWHUQDWLYH0|JOLFKNHLWHQGHU6FKPHU]OLQGH- rung. behinderte menschen, S. 49-53 2EHUODQGHU7) 6\PRQV)- 3DLQLQ&KLOGUHQ $GXOWV with Developmental Disabilities. Baltimore, London, Sydney 5HQQHU* :DOWHU.ORVH& 6FKPHU]JHKWDXFKGLH Schule an! Schmerzdiagnostik bei Kindern mit cerebralen Be- wegungsstörungen in schulpädagogischen Handlungsfeldern. Zeitschrift für Heilpädagogik, S. 313-326 6FKlIHU. 6FKPLGW3¿VWHU' :,HNRPPXQL]LHUHQ .LQGHUGLHQLFKWRGHUZHQLJVSUHFKHQGDVVLKQHQHWZDVZHKWXW" Erste Ergebnisse einer Elternbefragung. Unterstützte Kommunika- WLRQ 6 6FKHOOHQ- 6FKPHU]HQNRPPXQL]LHUHQN|QQHQ,Q3 %LHQVWHLQ 7.ODX +UVJ +HUDXVIRUGHUXQJ6FKPHU]HQ$XV- JHZlKOWH$VSHNWH%HUOLQKWWSVGRFSOD\HURUJ+HUDXV- forderung-schmerzen-ausgewaehlte-aspekte.html 6FKOLFKWLQJ+ 3ÀHJHEHL0HQVFKHQPLWVFKZHUHQXQG mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf 6FKOLFKWLQJ+ 6FKPHU]HQEHL0HQVFKHQPLWPHKUIDFKHU Behinderung. behinderte menschen, S. 25-29 :|UGHKRႇ' 9HUKDOWHQVVW|UXQJRGHU6FKPHU]"'HU Onkologe. =HUQLNRZ% 6FKPHU]WKHUDSLHEHL.LQGHUQ%HUOLQ =HUQLNRZ% 3DOOLDWLYYHUVRUJXQJYRQ.LQGHUQ-XJHQGOL- chen und jungen Erwachsenen. Berlin =LPPHUPDQQ6 6FKPHU]HUNHQQXQJEHL0HQVFKHQPLW schwerer und mehrfacher Behinderung. behinderte menschen, S. 37-39 Seite 23
Impressum Empfehlungsbroschüre des Wissenschafts- und Kompetenzzentrums für Menschen mit Komplexer Behinderung der Stiftung Leben pur Ä6FKPHU]HQEHL0HQVFKHQPLW.RPSOH[HU%HKLQGHUXQJ³ $XWRULQ'USKLO$QQD-HURVHQNR /D\RXWXQG*HVWDOWXQJ-XWWD)HJHUWGLH¿UPHQGHVLJQHU München, Mai 2021 Bildnachweise: 8PVFKODJIRWR*ROGVLWKQH\VKXWWHUVWRFN Bild S. 3, 13, 15: shutterstock %LOG6)DELDQ+HOPLFK+HOIHQGH+lQGH ,FRQV)UHHSLN)ODWLFRQ $XV*UQGHQGHUEHVVHUHQ/HVEDUNHLWZXUGHDXIHLQH*HVFKOHFKWHU GLႇHUHQ]LHUXQJYHU]LFKWHW*HPHLQWVLQGLPPHUDOOH*HVFKOHFKWHU Kontakt Stiftung Leben pur Wissenschafts- und Kompetenzzentrum Garmischer Straße 35 0QFKHQ 7HO info@stiftung-leben-pur.de www.stiftung-leben-pur.de Stifter Gefördert durch
Sie können auch lesen