"FPÖ am Ende" Die "Kronen Zeitung" und ihr hässliches Verhältnis zu den Freiheitlichen seit "Ibiza" - Freilich Magazin

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DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER

POLITISCHE STUDIE 2

„FPÖ
am Ende“
Die „Kronen Zeitung“ und ihr
hässliches Verhältnis zu den
Freiheitlichen seit „Ibiza“
DE Z E M B E R 2019
"FPÖ am Ende" Die "Kronen Zeitung" und ihr hässliches Verhältnis zu den Freiheitlichen seit "Ibiza" - Freilich Magazin
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1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                                                 2
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D
          ie ursprüngliche „Kronen Zeitung“ erschien erst-
          mals am 2. Jänner 1900, bezog ihren Namen von
          ihrem damaligen, günstigen monatlichen Abonne-
mentspreis und richtete sich vor allem an die „kleinen Leute“.
Mit ihrer Berichterstattung zum Attentat auf den damaligen
serbischen König Alexander Obrenowitsch im Jahr 1903 er-
reichte sie schlagartig ein großes Publikum und war gegen
Ende der Donaumonarchie eines der auflagenstärksten Blät-

                                                                                                                                           Foto: volkerpreusser / Alamy Stock Foto
ter. Das Ende der ersten „Krone“ kam im Kriegsjahr 1944
durch die Zusammenlegung mit zwei anderen Zeitungen.
    Die heutige „Krone“ geht auf eine Neugründung im Jahr
1959 zurück. Hans Dichand (1921–2010), zuvor Chefredak-
teur beim „Kurier“, kaufte die traditionsreichen Namens-
rechte und ließ ab 11. April 1959 die „Neue Kronen Zeitung“
erscheinen, als zweiter Gründer fungierte Kurt Falk (1933–
2005), ab 1985 Chefredakteur für „Die Ganze Woche“. Maß-
geblich bei der Vermittlung der Finanzierung war der SPÖ-
Politiker Franz Olah (1910–2009).1
    Während sich seit 60 Jahren stets 50 % der „Kronen               nerellen Krise der Printmedien, welche auch die „Krone“
Zeitung“ in Händen der Familie Dichand befinden, wech-               betrifft – Rückgang der Reichweite auf 27,8 % (wochentags)
selte die andere Hälfte mehrmals den Besitzer. Die Anteile           bzw. 33,3 % (Wochenende) – hält diese Dominanz ungebro-
des ursprünglichen deutschen Finanziers Ferdinand Karpik             chen an: Nach eigenen Angaben verkaufte man im ersten
wanderten 1968 formell sowie nach mehreren Prozessen end-            Halbjahr 2019 „wochentags mehr Exemplare als die nächsten
gültig an Falk, der sich wiederum 1987 – als sich die beiden         fünf Tageszeitungstitel zusammen“. Zudem sei man auch bei
längst überworfen hatten – von Dichand auszahlen ließ. Für           den ePapers auf dem ersten Platz.6
damals 2,2 Milliarden Schilling übernahm die WAZ Aus-                    Auch im Onlinebereich ist man mittlerweile zum Platz-
lands Holding GmbH die Hälfte der Anteile. Wiederum 49               hirsch geworden: Mit 150,7 Mio. Aufrufen im Oktober
% dieser Hälfte übernahm im November 2018 die Signa Hol-             2019 befand man sich vor deutlich vor den Angeboten des
ding des Tiroler Unternehmers René Benko, womit dieser               „Standard“ (129,9 Mio.) und „Österreich“ (95 Mio.)7. Hier
seitdem über 24,5 % an Anteilen der „Kronen Zeitung“ hält.           konnte die „Krone“ sich die Spitzenreiterposition erst in den
    Die Zeitung zeichnet sich traditionell durch ihr unüb-           vergangenen Jahren sichern: Kam man bei den Online-Sei-
liches Kleinformat aus und setzt im Blattinneren vor allem           tenaufrufen noch 2014 mit 71,8 Mio. Klicks knapp hinter
auf kurze Artikel. Einen wichtigen Teil nehmen dabei auch            „Österreich“ (80,8 Mio.) und „Standard“ (80,3 Mio.) auf
zahlreiche Meinungskolumnen verschiedener Redakteure                 den dritten Platz8, hatte man bis 2017 bereits fast zum „Stan-
und Kommentatoren ein. Markenzeichen ist außerdem die                dard“ aufgeschlossen (95,8 Mio. vs. 95,9 Mio.), „Heute“ als
Fähigkeit, konzertierte mediale Kampagnen zu inszenieren,            Zeitung mit der zweithöchsten Auflage kam damals nur auf
sowie deren Einsatz. So betätigte sich die „Krone“ etwa als          32,1 Mio. Seitenaufrufe.9
Sprachrohr mehrerer Volksbegehren.                                       Die anhand der Zugriffe von Unique Clients ermittelte
    Dies gelingt ihr auch mittels ihrer durchschlagenden             Reichweite dominiert die „Krone“ derzeit ebenfalls: Hier
Reichweite: Im Jahr 2016 etwa jubilierte das Blatt über eine         hielt man im September bei 37 % und erreichte den ersten
tägliche Reichweite von 2,278 Millionen Österreichern –              Platz vor dem „Standard“ (34 %), den Bezirksblättern (33
rund 31 % der Bevölkerung. An Sonntagen stieg dies sogar             %), „Österreich“ (29 %) und „Heute“ (27 %)10. Der „Stan-
auf 2,824 Mio. (38,4 %). Damit erreichte sie mehr als doppelt        dard“ wirbt aufgrund des Verlustes der Spitzenposition an
so viele Leser wie die zweitplatzierte Zeitung.2 Dieser Um-          die „Krone“ seitdem mit der längsten durchschnittlichen
stand gilt auch für die tatsächliche Druckauflage: Im Jahr           Verweildauer.11 So oder so – die Marktführerposition der
2017 bedeuteten 817.068 Exemplare den unangefochtenen                „Krone“ sowohl im klassischen Printzeitungsmarkt als auch
Spitzenplatz3 vor den beiden vergleichbaren Boulevard-Zei-           beim modernen Onlineangebot verstärkt die Wirkmacht,
tungen „Heute“ (605.526) und „Österreich“ (440.596), de-             welche die „Krone“ unter den österreichischen Zeitungen
ren Reichweite mit 13,1 bzw. 9,8 % bei einer Erhebung aus            besitzt, noch zusätzlich. Dieser Umstand wird bei der gegen-
dem Jahr 2014 allerdings weitaus geringer war4 und seitdem           wärtigen Negativberichterstattung zulasten der FPÖ erneut
sogar noch rückläufig ist (12,3 bzw. 6,3 %)5. Trotz einer ge-        schlagend.
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1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                                                 4
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       PÖ am Ende“: Diese Schlagzeile blitzt am 18. Mai
       2019 dem politisch interessierten Österreicher ent-
       gegen. Bundesweit drängt sie sich geradezu auf, in
weißen Lettern auf schwarzem Untergrund. Dabei ist das
gesamte Deckblatt der heimischen Zeitung mit der größten
Reichweite, der „Kronen Zeitung“, in schwarzer Grundfarbe
gehalten. Was im ersten Moment wie eine nüchterne Feststel-
lung zu den brisanten Enthüllungen des Vorabends klingt,
bekommt in der Nachbetrachtung einen prophetischen
Anstrich. Dieser ist aber selbstredend kein Naturgewächs,
sondern maßgeblich auch Resultat einer der eindrucksvolls-
ten und einschlägigsten medialen Langzeitkampagnen der
Zweiten Republik, welche ihren Auftakt an diesem sonnigen
Samstagmorgen nimmt: Revanche pur.
    Dass die mächtige Boulevardzeitung ab diesem Zeit-
punkt immer wieder mit eindeutiger Schlagseite über die
Freiheitlichen berichtet, ist zwar ein offenes Geheimnis. In
einer schnelllebigen Zeit ist die Titelseite des Vortages al-            18. Mai 2019
lerdings schnell vergessen, weshalb bei nur oberflächlicher              Die „Krone“ titelt „FPÖ am Ende“ – in weißen Lettern
Betrachtung kein ungebührliches Ausmaß auffallen würde:                  auf schwarzem Hintergrund. Trotz des Rücktrittes von
Immerhin – so lernt der junge Österreicher in der Schule                 Strache kündigt ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz
– berichten die Zeitungen über die wichtigen Themen im                   an, für den Herbst Neuwahlen zu planen.
Land, und die Bürger haben ein Anrecht darauf, zu erfahren,
was „die da oben“ eigentlich aushecken. Erfolgreiche Kam-
pagnen benötigen daher zweierlei intuitiv gegensätzliche Be-
standteile: Einerseits ist die Wiederholung die Mutter aller
Bemühungen – und zweitens muss die Stoßrichtung auf eine               auch die jeweiligen Aufstiege der Freiheitlichen von einer
Art und Weise vermittelt werden, welche möglichst nieder-              kleinen Honoratiorenpartei im einstelligen Prozentbereich
schwelligen Infogehalt suggeriert. Hier ist das bereits traditi-       zu einer Volkspartei, welche im Gefolge der langjährigen
onell etablierte Erfolgsmodell von Meinungsmedien wie der              blauen Galionsfiguren Jörg Haider und Heinz-Christian
„Krone“, den „Küchenzuruf “ in eindrücklichen Schlagzeilen             Strache mehr als ein Viertel der Wähler hinter sich ver-
abzufassen, ein nützliches Vehikel.                                    einen konnte, wurde in nicht unmaßgeblicher Art und
    Es ist der Anspruch des um Absatzzahlen bemühten                   Weise von der „Kronen Zeitung“ begleitet – über diesen
Boulevards, sich als „Stimme und Stimmungsbild des Vol-                Umstand herrscht weitgehender Konsens.13 Das Medium
kes“ zu inszenieren. So etablierte sich in der öffentlichen            stand im Ruf, auch so manches freiheitliches Leibthema zu
Wahrnehmung in Österreich die Vorstellung, dass die                    befördern. Immer dann, wenn es etwa um direkte Demo-
„Kronen Zeitung“ imstande sei, im Bereich der populären                kratie oder das Migrationsthema ging, war die „Krone“ an
Meinungsbildung maßgeblich einzugreifen; ein Umstand,                  vorderster Front dabei und wurde ihrer Vorreiterrolle und
welcher bereits Anfang der Nullerjahre auch Gegenstand                 Kampagnenfähigkeit im medialen Sektor gerecht. Als bei
einer vielbeachteten belgischen Dokumentation war. Auf                 der Volkspartei der frühere Außenminister Sebastian Kurz
den Vorwurf angesprochen, ob die „Krone“ in der Lage                   die Geschicke übernahm und schließlich mit der Strache-
sei, österreichische Politiker vor sich herzutreiben, mein-            FPÖ eine Koalition einging, welche sich der Zustimmung
te Außenpolitik-Redakteur Kurt Seinitz: „Gelegentlich                  der einfachen Leute weitaus mehr erfreuen konnte als ihre
müssen wir einen scharfen Ordnungsruf erteilen“12 . Häu-               Vorgängerin14 , war es ebenfalls oft die „Krone“, welche über
fig vermochte es das Blatt, aufstrebende Akteure zu um-                Vorhaben der türkis-blauen Regierung mit einem im Ver-
garnen und deren Anliegen eine öffentliche Rezeption zu                gleich mit weiten Teilen der übrigen etablierten Medien-
verleihen. Unvergessen ist etwa jener berüchtigte „Leser-              landschaft positiven Anstrich berichtete. Dann kam „Ibiza“
brief “ der SPÖ-Spitze in der „Kronen Zeitung“, welcher                – und zumindest, was die Freiheitlichen anging, war nicht
im Jahr 2008 zu einer Wachablöse bei den Genossen vom                  nur scheinbar alles anders.
damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hin zu Wer-                      Was war geschehen? Am Freitag, dem 17. Mai 2019,
ner Faymann und letztendlich zu Neuwahlen führte. Aber                 um 18 Uhr abends hatte eine Enthüllung von „Süddeut-
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scher Zeitung“ und „Spiegel“ eine Abfolge in Gang gesetzt,         drei vier andere Personen dagegen „abservieren“. Dann, so
welche die politischen Geschicke im Land auf den Kopf              Straches Ibiza-Ansicht, könne das Blatt mit seiner Markt-
stellen sollte. Eine in ihrer Genese bislang nicht vollstän-       dominanz dafür sorgen, dass die Partei um bis zu sieben
dig geklärte, aber mutmaßlich unter reger Beteiligung des          Prozent höhere Wahlergebnisse einfahre.
Wiener Anwalts Ramin M. und des Detektivs Julian H. er-                Als einziges bislang gesichert namentlich bekanntes
sonnene Videofalle aus dem Juli 2017 brachte den späteren          positives Beispiel nannte Strache dabei den ehemaligen
Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in                „Krone“-Online-Chefredakteur Richard Schmitt, welcher
Erklärungsnot. Mit ihm fiel Johann Gudenus; er war zur             als FPÖ-nah galt. Nach Ansicht des „Dossier“-Magazins in
Zeit der Entstehung des Videos nicht-amtsführender Wie-            einem Artikel vom 12. Juni 2019 hätten in der Folge des Ibi-
ner Vizebürgermeister und zum Datum der Enthüllungen               za-Videos „alle Krone-Journalisten mit besonderer Nähe zu
der geschäftsführende FPÖ-Klubobmann im Nationalrat.               Strache und der FPÖ“ gezittert, weil man dort „keine Illoya-
Videomaterial im Umfang von etwa sieben Stunden doku-              len“ mehr duldete.19 Tatsächlich musste Schmitt dann gehen.
mentierte angeblich lückenlos das Treffen der beiden blau-         Sein „Doppelpass“ mit dem FPÖ-Parteichef – er brachte
en Spitzenpolitiker mit einer vermeintlichen russisch-letti-       häufig Exklusivinfos aus der blauen Parteispitze, welche Stra-
schen Oligarchennichte in einer Finca auf der Baleareninsel        che dann über seine mittlerweile von der Partei abgedrehte
Ibiza.                                                             Facebook-Seite mit über 800.000 Fans teilte – sorgte stets
                                                                   für hohe Reichweiten. Schmitt musste bei der „Krone“ zuerst
                                                                   die Chefredaktion des Onlinebereichs mit Wirkung zum 1.
Köpfe rollen bei der „Krone“:                                      Juli an den insgesamt als Chefredakteur fungierenden Klaus
eine neue Einheitsmeinung                                          Hermann abgeben20 und wechselte letztendlich Anfang Sep-
                                                                   tember zu „oe24“21, dem wichtigsten „Krone“-Konkurren-
    Aus diesem Konvolut machte in der Folge ein etwa
siebenminütiger Ausschnitt von sich reden, welcher nach
Ansicht der für die Recherche maßgeblichen Journalisten
die brisantesten Aussagen der beiden Politiker zusammen-
fasste. Zu den beiden zentralen Akteuren eines zumindest
fünfköpfigen Redaktionsteams zur Bearbeitung der Ibiza-
Affäre stiegen Bastian Obermayer und Frederik Obermaier
(beide Journalisten bei der „Süddeutschen Zeitung“) auf.
Sie veröffentlichten im August 2019 einen Bestseller mit
ihren Eindrücken und Insiderinformationen zur Causa.15
    Vorgespielter Anlass für das Ibiza-Treffen war der mög-
liche Einstieg der „russischen Investorin“ bei der „Kronen
Zeitung“ in den folgenden Wochen. In deren Besitzverhält-
nissen befand sich damals unter anderem die Funke Medi-
engruppe. Diese hatte inzwischen im November 2018 ins-
gesamt 49 Prozent der WAZ Ausland Holding GmbH und
somit 24,5 Prozent an Anteilen der „Kronen Zeitung“ an
den österreichischen Investor und Immobilienspekulanten
René Benko beziehungsweise dessen Signa Holding ver-
äußert.16 Benko wird ein ausgeprägtes Näheverhältnis zur
neuen Volkspartei unter der Führung von Sebastian Kurz
nachgesagt. Angebliche Spendengebaren Benkos in Rich-
tung der ÖVP werden immer wieder kolportiert17, entspre-
chende Behauptungen Straches im Ibiza-Video, wonach
dies neben der Volkspartei auch für die Freiheitlichen zu-
treffe, dementierte Benko für beide Parteien umgehend.18
Bei den Gesprächen mit der falschen Oligarchennichte               ten. Bei der Plattform handelt es sich um die Onlineausgabe
stellte Strache in Aussicht, dass – weil Journalisten angeb-       der Zeitung „Österreich“ des österreichischen Medienmo-
lich ohnehin „die größten Huren“ seien – man lediglich             guls Wolfgang Fellner, der im Vergleich zur „Krone“ ein er-
drei bis vier Redakteure bei der „Krone“ „pushen“ müsse,           frischend kontroverses Programm fährt.
"FPÖ am Ende" Die "Kronen Zeitung" und ihr hässliches Verhältnis zu den Freiheitlichen seit "Ibiza" - Freilich Magazin
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     Mit Bekanntwerden des Ibiza-Videos, spätestens aber
mit der Degradierung Schmitts zeigte sich deutlich ein ra-
dikaler Umschwung innerhalb der „Kronen Zeitung“ bei
der Berichterstattung über die Freiheitlichen, sowohl im
Online- als auch im Printbereich. Fiel diese zuvor neutral
bis wohlwollend-kritisch aus, war die „Krone“ nun immer
häufiger an vorderster Front anzutreffen, wenn es darum
ging, Vorkommnisse im Vorfeld der Partei zu skandalisie-
ren. Als besonderes Beispiel sticht dabei die Affäre um ein
Liederbuch bei der Mittelschulverbindung des steirischen
FPÖ-Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zanger hervor.
Ende Oktober 2019, vor den steirischen Landtagswahlen,
kam dieser „Skandal“ erst durch Veröffentlichungen der
„Kronen Zeitung“ ins Rollen, wobei auch hier deutlich
tendenziöse Berichterstattung vorherrschte.
     Die vorliegende Studie soll die neue Linie des reich-

                                                                                                                                  Foto: Claus Pándi (@Claus_Pandi) / Twitter
weitenstarken Blattes in Bezug auf die Freiheitlichen do-
kumentieren. Sie zeichnet den Zeitraum etwa eines halben
Jahres (17. Mai bis 25. November 2019) nach. Dabei gilt
ein besonderes Augenmerk nicht nur der unmittelbaren
Berichterstattung über „Ibiza“ und die Folgen, sondern
auch der Kampagnenfähigkeit des Blattes – insbesondere
im Zuge der „Spesenaffäre“ im September und der „Lieder-
buchaffäre“ im Oktober. Außerdem wird herausgestellt,
mit welcher Häufigkeit der ehemalige Parteichef Heinz-
Christian Strache selbst Gegenstand prominenter Bericht-
erstattung bleibt, obwohl er aus dem tagespolitischen Ge-           Claus Pándi
schäft bereits seit Monaten weitestgehend ausgeschieden             Claus Pándi, 1966 in Wien als Sohn ungarischer Flücht-
ist. Weiters setzt sich die Studie mit der Häufigkeit negati-       linge geboren, ist ebenfalls seit den 1980er-Jahren für
ver Berichterstattung auseinander, auch anhand der Histo-           die „Krone“ tätig. Obwohl er ab 1987 an der großen Auf-
rie einzelner hochrangiger Redakteure, die als Akteure im           gabe scheiterte, dem Blatt auch in Vorarlberg eine nen-
Bereich sozialer Medien um die „Krone“ mit vorwiegend               nenswerte Reichweite zu verschaffen, hielt sein Entde-
negativer Einstellung eine nicht zu unterschätzende Rolle           cker Hans Dichand an ihm fest. Über Jahre leitete Pándi
spielen.                                                            das Chronik-Ressort, ehe er 2009 zum Leiter des Innen-
     Dabei sei darauf hingewiesen, dass die folgenden Aus-          politik-Ressorts aufstieg, welches er bis 2018 führte.
führungen keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit er-                Es folgte die Rochade nach Salzburg, wo er seitdem als
heben. Das vorliegende Werk beabsichtigt, insbesondere              Chefredakteur der Regionalausgabe fungiert.
Tendenzen, Methoden und Systematiken illustrativ auf-                    Ein persönliches Näheverhältnis verband ihn mit
zuzeigen. Dafür war es an manchen Stellen notwendig,                dem Ex-SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, welchen
lediglich die offensichtlichsten Entwicklungen, Vorwürfe            er bereits seit seinen ersten Schritten in der Politik kann-
und Kampagnen nachzuzeichnen sowie sich auf die präg-               te und mit dessen Pressesprecherin Pándi zeitweise in
nantesten Akteure zu konzentrieren. Die Vollständigkeit             zweiter Ehe verheiratet war. Schon vor dem Bekannt-
der Kehrtwende in der Berichterstattung gegenüber der               werden des Ibiza-Videos gehörte Pándi zu den größten
FPÖ wird zweifellos dennoch offensichtlich werden. In der           FPÖ-Kritikern innerhalb der „Kronen Zeitung“ – ein Pro-
Auflistung wurde großer Wert darauf gelegt, die Abfolge             fil, welches er im Nachgang der Affäre noch maßgeblich
des Auftretens so weit als möglich beizubehalten, wobei             zu schärfen wusste.
es aufgrund nebeneinander bestehender Schauplätze im
Ausnahmefall nötig war, die jeweiligen Chronologien sich
überschneiden zu lassen sowie einzelne Punkte zur besse-
ren Illustration außerhalb ihrer zeitlichen Abfolge darzu-
stellen.
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1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                                                 8
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        ines der eindrucksvollsten Beispiele dieses Paradig-
        menwechsels in der „Krone“ zeigte sich, wie ein-
        gangs bereits erwähnt, schon am Tag nach dem Be-
kanntwerden des Ibiza-Videos. Am Samstag, dem 18. Mai
2019, veröffentlichte die „Krone“ österreichweit das Deck-
blatt mit der Schlagzeile „FPÖ am Ende“. Dabei machte das
Boulevardblatt keinen Hehl daraus, alles andere als neutral
berichten zu wollen. Was HC Strache in Ibiza gesagt hatte,
wurde als Angriff auf die Souveränität – beziehungsweise
die „Unabhängigkeit und Unkäuflichkeit“ – des eigenen
Blattes verstanden. Das Cover sprach sogar von einem
„Komplott“. Die Klarheit und Einseitigkeit der Aussage be-
stach dabei ebenso wie die klare Bildsprache; die Kombina-
tion entfaltete eine große Wirkmacht. 22
    In den folgenden Tagen legte der Boulevard noch nach:
Das beschlossene Ende der Koalition wurde am 19. Mai mit
den Worten „Das war’s“ kombiniert, wobei die Fotomon-
tage einen zerknirscht schauenden Strache vor einer staats-
männisch anmutenden Profilaufnahme von ÖVP-Kurz
zeigte. 23 Im Blattinneren bat man unter anderem den prin-
zipiell für seine zumeist nüchtern-neutralen Erhebungen
bekannten Politologen Peter Filzmaier zur Analyse, welcher
nicht an markigen Aussagen sparte: Strache habe die FPÖ
„in die Luft gesprengt“. Mit „ausländischer Hilfe“ habe er
die „Krone“ „kapern“ wollen – und sich damit verhalten
wie ein „Möchtegern-Diktator“. Die Ablenkungen der Par-
tei davon seien „Nebelgranaten“, denn das Video habe ein
„Sittengemälde“ erstellt, wonch „Kurz bei der Partnerwahl
ins Klo gegriffen“ habe. 24

Die Kampagne läuft warm:
Sachlichkeit bleibt völlig aus
    Am 20. Mai – noch Stunden vor der Pressekonferenz
des designierten neuen FPÖ-Chefs Norbert Hofer und des
damals noch amtierenden Innenministers Herbert Kickl –
titelte die Zeitung, dass Kurz der Ägide des Letzteren ein
Ende bereiten wolle. Weitere Schlagzeilen auf dem Titel-
blatt ließen dabei jegliche Neutralität vermissen: Dort war
von „Neuen Enthüllungen im FPÖ-Skandal“ die Rede –
die ganze Partei war also mitgemeint. Außerdem betitelte
man dort angebliche Überlegungen, wonach Strache schon
Pläne für einen Antritt bei der Wien-Wahl 2020 habe, als
„Schnapsidee“. 25 Im Blattinneren nahm der keineswegs als
Meinungsbeitrag gekennzeichnete Beitrag eine vernichten-
de und untergriffige Bewertung des soeben als langjähriger
Parteichef zurückgetretenen Strache vor:
    „In dem Ibiza-Video beweist Heinz-Christian Strache, dass
ihm die Macht wichtiger ist als die Menschen, die er vertreten
sollte. Auch von der Mär des ‚Vertreters des kleinen Mannes‘ ist
"FPÖ am Ende" Die "Kronen Zeitung" und ihr hässliches Verhältnis zu den Freiheitlichen seit "Ibiza" - Freilich Magazin
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nicht viel geblieben. HC ist nicht der Bierzelt-Kumpel, für den        nisse über die Hintergründe des Ibiza-Videos. Dass die
man ihn halten sollte. Er ist ein Oli-garchenfreund, der sich          „Krone“ eine Studentin als möglichen Lockvogel in Tar-
auf Milliardärs-Jachten pudelwohl fühlt und bei Abendessen,            nung der Oligarchennichte als „Venusfalle“ bezeichnete31,
die das Doppelte der Mindestsicherung kosten. Und in seiner            dürfte auch keinen Zufall darstellen: Im nachrichtendienst-
Machtgier kann er nicht loslassen […].“ 26                             lichen Sprachgebraucht bezeichnet dieses Wort nämlich den
    Nachdem die Ablöse von Innenminister Kickl – und                   Einsatz von weiblichen Ködern, die ihre körperlichen Reize
der daraufhin ausgemachte Abzug der übrigen blauen Mi-                 einsetzen sollen, um Informationen abzugreifen. Weitere
nister aus der Regierung – eine beschlossene Sache war,                zwei Tage später, am 29. Mai, zwei Tage nach seiner Abwahl
konnte die „Krone“ sich auch am Dienstag, dem 21. Mai                  als Bundeskanzler, durfte zur Abwechslung Sebastian Kurz
2019, eine gewisse Häme nicht verkneifen. Ein unvorteil-
haftes Bild des Innenressortchefs wurde mit den Worten
„Kickl muss gehen … und alle FPÖ-Minister gehen mit“
umrahmt. In der Bildunterschrift kommentierte man die-
sen Umstand mit den Worten: „Zack, zack, zack – da war
der Innenminister weg“. 27 Im Artikel selbst suggerierte die
Wortwahl eine Notwendigkeit: Kurz würde die „Reißlei-
ne“ ziehen und Kickl „kaltstellen“. Die folgenden Absätze
transportierten umfangreich die Darstellung des Kanzlers
und wurden in der Onlineversion von der Einbettung der
vollen Länge von dessen mehr als zehnminütiger Rede be-
gleitet. Die FPÖ-Entgegnungen, welche es auch nicht in
den Anriss des Beitrages schafften, kamen erst zum Ende
vor. 28 Insgesamt beschäftigte sich das Blatt an diesem Tag
auf nicht weniger als 14 Seiten mit der Regierungskrise.

„Krone“-Chef schnappt über:
Vergleich mit Anschluss
    Nachdem sich die „Krone“ dann einige Tage einigerma-
ßen neutral gab, war es just der 26. Mai 2019, also der Tag              20. Mai 2019
der EU-Wahl in Österreich, an dem man „Schicksalstage                    Die „Krone“ zeichnet die Stoßrichtung der folgenden Monate
für Österreich“ heraufbeschwor. Die eigene Erwähnung im                  vor: Ibiza wird zum „FPÖ-Skandal“, und mögliche Pläne
Strache-Video wurde dabei sogar zum „Kampf um die Ver-                   Straches über einen Antritt bei der Wien-Wahl gelten – wenig
teidigung der Pressefreiheit“. 29 Schlug man das Blatt auf,              neutral – als „Schnapsidee“.
blickte man sofort auf einen Leitartikel von Chefredakteur
Klaus Hermann. Dieser zitierte darin zum Einstieg aus
einem Artikel in der linksliberalen – oder, in seinen Wor-
ten, „renommierten“ – „Zeit“. Dort attestierte der Medien-
wissenschaftler Bernhard Pörksen dem gefallenen blauen                 als Aufmacher dienen – mit der staatsmännischen Aussage,
Parteichef, er habe den „totalitären Traum von einer ‚Or-              er würde „alles wieder so machen“.32
banisierung‘ der Medienlandschaft geträumt und sich mit                    Gerade dieses letzte Beispiel – dem zu diesem Zeitpunkt
seinen FPÖ-Truppen dem Kampf gegen den unabhängigen                    ersten per Misstrauensantrag abgewählten und jüngsten
Journalismus verschrieben“. Hermann selbst unterstellte                Altkanzler prominent das „letzte Wort“ einzuräumen, wäh-
Strache „Allmachtsfantasien“ und einen „Cäsarenwahn“,                  rend dessen ehemaliger Koalitionspartner neben dem be-
mit welchem dieser die „Krone“ habe „verschachern“ und                 reits angerichteten Schaden beinahe ausschließlich negativ
„blaue Parteisoldaten“ in die Redaktion habe „einreiten“               dargestellt wurde – zeichnete dabei nicht nur eine Tendenz
lassen wollen. Bei letzterer Vorstellung zog Hermann so-               der folgenden Monate vor, sondern sollte in der Wirkung
gar einen Vergleich zum Anschluss Österreichs an Hitler-               auf die öffentliche Meinungsbildung gerade angesichts der
deutschland – wohlgemerkt am Tag einer Bundeswahl.30                   verwirrenden und nicht immer überschaubaren Ereignisse
    Am Tag nach der Wahl gab es schließlich neue Erkennt-              der Vortage nicht unterschätzt werden.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E       11                        K A PI T E L 1

1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                                 11
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           bwohl Heinz-Christian Strache bereits am Tag                unter anderem Wien obendrein mit einem Brennpunktarti-
           nach dem Bekanntwerden des Videos sämtliche                 kel zu Spielsüchtigen warb.51 Trotz der ungemein polarisie-
           politischen Funktionen zurückgelegt hatte, blieb er         renden Schlagzeile war der eigentliche Artikel dann erstaun-
weiterhin ein beliebtes Thema für die „Krone“, um damit die            lich ausgewogen und fair.52
Titelseiten zu schmücken. Besonders die Wiener Ausgabe,                    Trotzdem folgte am nächsten Tag in einigen Ausgaben –
die häufig als Leitausgabe für zahlreiche Bundesländer-Ver-            einschließlich der Wiener53 – die nächste Filzmaier-Analyse
sionen gilt, tat sich dabei hervor. Das galt sogar hinsichtlich        als Hauptschlagzeile. Darin erklärte dieser – einen Tag vor
bundesweit (nahezu) einheitlicher Deckblätter: Beispielswei-           dem ORF-Sommergespräch mit Norbert Hofer – kurzer-
se verwendete auch die Grazer Ausgabe33 vom 5. Juni 2019               hand Strache und Kickl zu „Problemkindern“ der Partei.54
eine neuerliche Lageanalyse der FPÖ von Peter Filzmaier als            Während es bei Kickl vor allem um die Frage ging, ob dieser
Aufmacher. Dafür nahm die Wiener Version zusätzlich eine               auch nach der Wahl noch ein Regierungsamt besetzen solle,
Klage von Ex-SPÖ-Chef Christian Kern wegen Aussagen aus                durfte bei Strache wieder einmal das Ibiza-Video herhalten:
dem Ibiza-Video als Schlagzeile.34 Im Artikel wurden diese             Habe dieser doch bei seiner „moralischen Bankrotterklä-
als „abstruse und substanzlose Anschuldigungen“ verkauft,              rung“ auch Medien „in ordinärster Form beschimpft“. Dass
welche Strache „neben allen Korruptions-Avancen“ auf Ibiza             sich wiederum tags darauf (20. August) angeblich die Behör-
zum Besten gegeben habe.35                                             den darüber streiten sollten, wer Straches Handy überprüfen
    Ähnlich verhielt es sich am 15. Juni, als die Steirer-„Kro-        dürfe, war – wie sollte es anders sein – in Wien neuerlich die
ne“36 im Gegensatz zur Wiener Schwester darauf verzichte-              Aufmacher-Schlagzeile55, während dieses Thema in Graz56
te, das Antreten von HC Straches Ehefrau Philippa auf der              und Linz57 nicht einmal auf dem Titelblatt landete. Ein an-
Wiener FPÖ-Landesliste als „Postenschacher à la FPÖ“ zu                geblicher „blauer Rosenkrieg“ zwischen Hofer und Strache
bezeichnen37, und bei der Schlagzeile „Trotz Ibiza kann es             fand sich weitere zwei Tage später am 22. August 2019 als
Ex-FPÖ-Chef nicht lassen: Strache möchte bei Wien-Wahl                 untergeordnete Schlagzeile links unten.58
antreten“ am 18. Juni 2019.38 Auch am 26. Juni39 und 9. Juli40             Die Personalie Strache war der Wiener „Krone“ dann
waren Strache-Geschichten auf dem Wiener Titelblatt zu                 auch im September regelmäßig das Deckblatt wert – sogar,
finden. Am 20. Juli bemüßigte man sich, als einzige Ausga-             wenn es sich am 8. September nur um die Feststellung han-
be „nicht ganz ernst gemeinte“ Urlaubstipps für Strache auf            delte, dass ein Ermittler der „Soko Ibiza“ abgezogen worden
Ibiza auf die Titelseite zu setzen.41 Am 10. August diente ein
Interview mit dem russischen Sender Russia Today als An-
lass, das Ibiza-Video als Beweis dafür, „wie innig Straches Be-
ziehungen zu Russland“ seien, erneut ins Gespräch zu brin-
gen.42 Auch hier ein Fall für das Wiener Titelblatt43 – diesmal
allerdings neben anderen Länderausgaben einschließlich der
Steirer-„Krone“.44

Stets im „Krone“-Visier:
die Freiheitlichen als Ganzes
    Zum Aufmacher brachte Strache es dann bereits am 14.
August 2019 wieder – anlässlich der Hausdurchsuchungen
wegen der „Casinoaffäre“, diesmal wiederum als bundesweite
Schlagzeile. Im Übertitel erklärte die „Krone“ dabei, es gehe
um „Postenschacher für Glücksspielgesetz“.45 Zwei Tage spä-
ter, als man die Debatte zum Anlass nahm, das „Sittenbild“
der FPÖ und ihr „Verhältnis zur Spielindustrie“ zu behan-
deln46, scherten einzig die Steiermark47 und Oberösterreich48
aus und nahmen das Thema nicht als oberste untergeordnete                15. Juni 2019
Schlagzeile. Als es um Straches Stellungnahme zu den Raz-                Die Krone bezeichnet die Kandidatur von Philippa Strache
zien ging, unterstellten ihm sämtliche Deckblätter, „wild um             auf der Landesliste als „Postenschacher à la FPÖ“.
sich“ zu schlagen – in der Steiermark49 und Tirol50 als unter-
geordnete Schlagzeile, überall sonst als Aufmacher, wobei
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                  13                                                          K A PI T E L 4

sei, weil er Strache eine aufmunternde SMS geschickt habe.59           desländer, einschließlich Wien73; Oberösterreich74 und die
60
   Danach wurde es relativ ruhig um Strache als Aufmacher              Steiermark75 verzichteten erneut. In Wien legte man in der
– erst am 24. September, als die „Spesenaffäre“ bereits einen          Abendausgabe sogar noch einmal nach und unterstellte, dass
Tag alt war, zierte er die Wiener Ausgabe61 wieder in einer            die Partei vor „Straches Rache“ zittere.76 Fast folgerichtig wa-
untergeordneten Schlagzeile: „Spesenritter Strache im                  ren die Straches auch am 9. Oktober erneut die Hauptschlag-
Visier der Ermittler“. 62 Dass sich sein Ex-Leibwächter auf-           zeile: „Er will klagen, sie könnte Mandat behalten: Straches
grund der Causa in Haft befinde, reichte die „Krone“ noch              stürzen die FPÖ ins Chaos.“ 77 Im Blattinneren beschwor
am Vormittag online nach63 – sowie in der Wiener Print-                die Journalistin Doris Vettermann dabei „dunkle Wolken“,
Abendausgabe. 64                                                       die sich über dem „blauen Himmel“ zusammenbrauten. Sie
     In der Onlineversion ließ das Wording „Ibiza-Knallef-             raunte, dass es aufgrund der Causa in der Partei „gewaltig
fekt […]“ vermuten, dass die Zeitung eine Verbindung zur               brodelt“.78 In Wien kam der Streit um Frau Straches Mandat
früheren Affäre herstellen wollte. Am Folgetag kristallisierte         dann auch in der Abendausgabe79 vor – und am 10. Oktober
sich heraus, dass die neuen Enthüllungen auch eine eigene              ebenso in der regulären80 sowie der Abendausgabe81.
Geschichte trugen. In der Abendausgabe65 titelte man als                   Philippa Strache, ihr Mandat sowie ihre mutmaßliche In-
Hauptschlagzeile: „Straches Ex-Bodyguard belastet die Frei-            volvierung in die „Spendenaffäre“ fanden sich dann auch am
heitlichen: Die FPÖ zittert vor ‚Lebensbeichte‘“. Der Artikel          Sonntag, dem 13. Oktober, auf dem Titelblatt82 – und dien-
selbst versuchte, die Partei als Ganzes mit hinein zu ziehen –
die Rede ist etwa von einer „FPÖ-Tradition üppiger Spesen-
konten“.66 Die Kampagnenfähigkeit der „Krone“ in diesen
Tagen wird unten genauer beleuchtet werden.

Fast täglich Titelseite:
die Straches als Daueraufhänger
    Auch nach der Wahl köderte die Wiener „Krone“ die
Leserschaft weiterhin mit der Personalie HC Strache. Dabei
war völlig egal, ob es sich um dessen angekündigten Rückzug
aus der Politik noch in der Abendausgabe des 1. Oktober67
handelte oder um die weitere Entwicklung seines Abschie-
des. Diesen begleitete man online mit dem suggestiv betitel-
ten Artikel „Ex-FPÖ-Chef Strache – Außer Spesen nichts
gewesen“68. Darin rechnete man mit dem angeblich ohne-
hin „wegen seiner Vergangenheit im rechtsextremen Milieu
umstrittenen“ ehemaligen Vizekanzler ab. Dieser habe be-
kanntlich „Staatsaufträge und die Krone […] verscherbeln“
wollen. Seine Frau habe er mit ihrer Kandidatur zum „Bröt-
chenbringer“ deklariert. Dabei vertiefte man den Werdegang
des Ex-Parteichefs erneut, teilte das 2007 geleakte Bild eines
etwa 18-jährigen Strache in Tarnuniform und mit Gewehr
bei angeblichen „Wehrsportübungen in seiner Jugend“. Der
Artikel unterstellte Strache sogar, eine treibende Kraft hinter
Knittelfeld sowie der Abspaltung des BZÖ gewesen zu sein.
Erst daraufhin wird der Verlauf seiner politischen Karriere
versöhnlicher dargestellt.
    Apropos „Brötchenbringer“: Auch das Hickhack über das
Mandat seiner ebenfalls in der „Spesenaffäre“ implizierten
Ehefrau tauchte am 7. Oktober auf der Titelseite auf – neben
Wien69 allerdings nur in Tirol79, Vorarlberg71 und im Burgen-
land72 . Ihr vermeintlich verhinderter Einzug schaffte es dann
auch am Folgetag auf die Titelseite in der Mehrzahl der Bun-
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ten am 14. Oktober als Aufmacher der Abendausgabe83 sowie
mit identem Wortlaut als untergeordnete Schlagzeile auf der
Titelseite der regulären Ausgabe am Folgemorgen84. Wenig
verwunderlich landete dort am 20. Oktober auch der Streit
um die Facebook-Seite des Ex-Vizekanzlers85 – in Salzburg86,
Oberösterreich87 und der Steiermark88 schaffte es hingegen

                                                                                                                   Foto: Franz Perc / Alamy Stock Foto
auch diese Meldung nicht auf die erste Seite. Auch der Raus-
wurf aus der Partei schaffte es am 24. Oktober in Wien auf
die Titelseite89 – in der Steiermark90 passte man erneut, dies-
mal zudem in Vorarlberg 91 und Tirol92 .

Der öffentliche Politiker:
das Handy als „wahre Fundgrube“                                        Heinz-Christian Strache
    Auch am 25.93 und 26.94 Oktober landete der blaue Ex-              Heinz-Christian Strache wurde 1969 in Wien geboren
Parteichef auf der Wiener Vorderseite. Außerdem am 30.                 und wuchs in der Bundeshauptstadt auf. Bereits früh in-
Oktober 95 und zumindest mittelbar am 31. Oktober 96 traf              teressierte er sich für das patriotische Lager und trat mit
dieser Befund zu. Am 14. November – also nur drei Tage,                15 Jahren in die Wiener pennale Burschenschaft Vanda-
bevor die Stadtzeitung „Falter“97 umfangreiche Chatproto-              lia ein. Nach einem jugendlichen Ausflug ins prononciert
kolle zur Postenvergabe in der „Casinoaffäre“ veröffentlich-           nationale Lager engagierte Strache sich für die Freiheit-
te – schrieb die Wiener „Krone“ in ihrer Abendausgabe98,               lichen, wurde 1991 mit nur 21 Jahren jüngster Bezirksrat
dass Straches Handy eine „wahre Fundgrube“ für Ermittler               in Wien und zog 1996 in den Wiener Landtag ein.
sei.99 Am selben Tag beschäftigte sich ein Onlineartikel mit           Ab 2004 war er zudem Landesobmann der Wiener FPÖ;
einem Prozess, in dem es darum ging, ob Strache den He-                am 23. April 2005 wurde er zum Bundesparteiobmann
                                                                       gekürt – eine Funktion, welche er bis zum 18. Mai 2019
rausgeber der Zeitung „Österreich“, Wolfgang Fellner, im
                                                                       bekleidete, dem Tag nach der Veröffentlichung des Ibi-
Ibiza-Video als „Schneebrunzer“ bezeichnet habe. Die Aus-
                                                                       za-Videos. Von Dezember 2017 bis Mai 2019 war er Vize-
sage Straches, dass er sich aufgrund mangelnder Nüchtern-
                                                                       kanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und
heit nicht erinnern könne, schaffte es in den Untertitel.100
                                                                       Sport in der Bundesregierung Kurz.
Selbst das letzte Titelblatt im untersuchten Zeitraum – je-
                                                                       Seine politische Karriere fand durch das Bekanntwer-
nes vom 25. November – wartete wieder mit einer unter-                 den seiner Aussagen im Ibiza-Video vorerst ein jähes
geordneten Strache-Schlagzeile auf, und zwar mit dessen                Ende. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2019 stellte er seine
Angebot via Facebook, wieder die Wiener Stadtpartei zu                 Mitgliedschaft in der FPÖ ruhend, bzw. suspendierte
übernehmen.101 Oberösterreich102 , die Steiermark103, Salz-            diese ihn in der Folge. Seine zentrale Rolle bei „Ibiza“,
burg104 und Tirol105 verzichteten in ihren Regionalausgaben            der „Spesenaffäre“ und der „Casinoaffäre“ machte ihn
darauf.                                                                allerdings auch über sein politisches Wirken hinaus zum
    Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die „Kro-             Gegenstand regelmäßiger Berichterstattung, wobei ins-
nen Zeitung“ im untersuchten Zeitraum die Personalie                   besondere die „Kronen Zeitung“ sich weiterhin auf den
Strache vermehrt als Aufmacher und/oder zentrale Schlag-               Ex-Parteichef einschießt.
zeile verwendete – und zwar weit mehr, als Strache wirk-
lich Gegenstand öffentlicher Debatte war. Zwar mag die
Konzentration auf Wien – als einzige Regionalausgabe lässt
die Hauptstadtversion keine einzige derartige Gelegenheit
aus – auch mit dem Wohnort des Betroffenen und seinen
politischen Wurzeln in der Bundeshauptstadt zu tun ha-
ben. Dennoch ist die Häufung angesichts des fortwähren-
den internen Zwists zwischen Strache und Partei auffällig;
die konsequente Bespielung der auch für die Bundespolitik
nicht unwichtigen Wiener Ausgabe mit der Strache-Thema-
tik legt nahe, dass der Eindruck der Uneinigkeit innerhalb
der Partei möglichst eindringlich vermittelt werden sollte.
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1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                                15
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N
          eben der ständigen Bespielung des Strache-Themas
          zeigte sich in mehreren zeitlich auseinander lie-
          genden Fällen auch, dass die „Kronen Zeitung“ als
bundesweite Marktführerin maßgeblich daran beteiligt war,
die öffentliche Meinung über die FPÖ zu beeinflussen. Be-
sonders auffällig war dies unter anderem bei der Entwicklung
der „Spesenaffäre“ in der Woche vor der Nationalratswahl
sowie bei der „Liederbuchaffäre“ um den steirischen Abge-
ordneten Wolfgang Zanger zum Monatswechsel Oktober/
November.
    Nach dem omnipräsenten „Ibiza“-Thema wurde eine der-
artige Dynamik erstmals wieder bei einem regionalen Test-
lauf in Oberösterreich Anfang September offensichtlich.
Nach 100 Tagen im Amt gab der für Elmar Podgorschek als
Landesrat nachgerückte Wolfgang Klinger der „Krone“ ein
Interview. Seinen aus dem Kontext gerissenen Sager, wonach
„Mischkulturen […] kein Vorteil“ seien, brachte die „Krone“
am 1. September im linken unteren Eck der Titelseite. Nach-
dem sich bundesweite Empörung daran entzündet hatte, war
die Causa am nächsten Tag sogar Aufmacher. Die oberöster-
reichische „Krone“ titelte: „Landesrat muss abberufen wer-
den“106 – zwar als Zitat, allerdings ohne auszuführen, wer da-
mit überhaupt zitiert wurde. Die wichtige Wiener Ausgabe
hingegen erwähnte den Umstand auf ihrem Titelblatt nur
beiläufig: „Zwei blaue Landespolitiker mit aufsehenerregen-
den Sagern“.107

Ursula Stenzel im Fadenkreuz:
Freiheitliche blieben standhaft
    Bereits die Folgewoche bot die nächste Möglichkeit, sich
auf eine blaue Funktionsträgerin einzuschießen. Denn der
Umstand, dass die Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel
bei einem Gedenken in Wien auftrat, dessen Organisations-
komitee auch Mitglieder der Identitären angehörten, schaffte
                                                                           9.–10. September 2019
es in der Bundeshauptstadt gleich mehrfach als Aufmacher
                                                                           Der Auftritt der FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel bei einer
auf die Titelseite. Am 9. September hieß es: „Nach Stenzel-
                                                                           Gedenkveranstaltung, deren Organisationskomitee auch
Rede Druck im Parlament: VP will Identitäre sofort verbie-
                                                                           Identitäre angehörten, sorgt in Online- und Print-„Krone“ für
ten“.108 Am nächsten Tag109 wiederholte sich das Muster der                Aufregung, ist zweimal auf dem Titelblatt. Auch hier wird die
Vorwoche aus Oberösterreich – indem die „Krone“ die be-                    Personalfrage prominent auf der ersten Seite gestellt.
troffene Personalie infrage stellte: „FPÖ hält weiter an Sten-
zel fest“110. In der Onlineausgabe berichtete man schon am 8.
September über den Vorfall und unterstellte „Entsetzen über
Stenzel“.111 Auffällig ist in beiden Fällen, dass die Überschrif-        tuell, aus den Schlagzeilen zu kommen, indem man den maß-
ten weitaus reißerischer waren als die jeweiligen Artikel, wel-          geblichen Akteuren Rückendeckung zusicherte, weshalb die
che weitgehend nur unterschiedliche Stellungnahmen gegen-                gegen das blaue Personal lancierten Kampagnen ihre Wirk-
überstellten. Als „Küchenzuruf “ blieb freilich dennoch die              samkeit nur sekundär entfalten konnten. Der Imageschaden
Schlagzeile übrig, welche gerade im Fall der Titelschlagzeilen           war trotzdem angerichtet.
sogar noch über das tatsächliche Leserpotenzial der „Krone“                 Ihre volle Wirkmacht entfalteten diese medialen Gestal-
hinausgeht. In beiden Fällen schaffte es die Partei aber punk-           tungsmöglichkeiten dann erst bei zwei späteren Fällen, wel-
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                  17                                                       K A PI T E L 5

che eine größere Tragweite besaßen. Dies betraf zum einen              „sogar seinen Gartenzaun auf Parteikosten errichten“ habe
die „Spesenaffäre“, welche in der Woche vor der National-              lassen. Dass die Schutzmauer nötig und auf Behördenemp-
ratswahl den medialen Raum dominierte. Nach den bereits                fehlung errichtet worden war, weil Hofer im Wahlkampf
erwähnten Ausgangsberichten legte die „Krone“ regelmäßig               zur Bundespräsidentenwahl 2016 Morddrohungen erhal-
nach, und zwar sowohl auf der Titelseite als auch im Blatt-            ten hatte119, erwähnte das Blatt an dieser Stelle nicht. Erst
inneren sowie im Onlinebereich. Dabei ist auffällig, dass              ein Onlineartikel am Vormittag klärte darüber auf, dass
– obwohl sich die Thematik auf den bereits von allen Funk-             Hofer seine alte Thujenhecke bevorzugt hätte. Aber auch
tionen entbundenen Strache konzentrierte – am Beispiel des             dieser Artikel kam nicht ohne den Hinweis aus, dass es ge-
Einzelnen die ganze Partei impliziert werden sollte. So titelte        gen Strache Ermittlungen gebe, wegen „möglicher falscher
die „Krone“ etwa am 26. September, drei Tage vor der Wahl:             Rechnungen zu seinem üppigen Lebensstil“.120
„Geständnis des Ex-Bodyguards lässt FPÖ zittern: Droht
Strache jetzt sogar Haft?“112 Die Partei sollte sich dabei laut
Artikel vor nicht näher bezeichneten „schmutzigen Enthül-
lungen“ fürchten. Strache sollte sich „üppige Spesenkonten“
und einen „kostspieligen privaten Lebensstil“ gegönnt ha-
ben.113 Wiewohl diese beiden suggestiven Formulierungen
in der Onlineausgabe auf jeweilige Vorberichterstattung114 115
verwiesen, stachen sie dem Leser sofort ins Auge – darüber,
ob es sich um einen Zufall oder geplante Irreführung handel-
te, lässt sich allerdings angesichts der Verbreitung derartiger
Praktiken bestenfalls spekulieren.
     Dass die „Spesenaffäre“ ein Auftrag sei, die Partei nicht
mehr zu wählen, machte die „Krone“ ebenfalls klar, indem
sie einen blauen „Kult-Fan“ aus Kärnten zu Wort kommen
ließ, dessen Verständnis für die Eskapaden begrenzt war:
„Die FPÖ wähle ich nicht mehr“, verkündete er laut Über-
schrift eines Onlineartikels, der es auch auf das Cover der
Wiener Abendausgabe schaffte.116 Der Mann, der laut Ar-
tikel ein besonders nahes Verhältnis zum Andenken an den
verstorbenen ehemaligen FPÖ- und späteren BZÖ-Chef Jörg
Haider pflege, sollte als Beispiel für die Stimme des Volkes
dienen und deklarierte: „Die FPÖ ist nur noch eine Kasperl-
partei in meinen Augen. Da ist keiner mehr bei der Sache.
Und der Strache schadet nur noch der Partei.“117

Kein Ende, niemals:
„Krone“ im Zerstörungswahn
    Auch am 27. September war die Partei das Leitthema
der „Krone“. Bundesweite Titelschlagzeile: „Untreue-Vor-
wurf gegen Strache, aber Partei hält noch still – FPÖ: Nach
der Wahl wird abgerechnet“.118 Der groß angekündigte Be-
richt fiel dann neuerlich durch markige Wortwahl auf: Der
Skandal um die „unfassbaren Spesenbezüge“ von Strache
erschüttere die Partei „in ihren Grundfesten“. Man pro-
phezeite, dass die Causa die Partei „sicher ein paar Prozent-              Am Tag vor dem Urnengang war Thema, ob der FPÖ
punkte kosten“ werde und dass „etliche Blaue am Sonntag                die „Spesenaffäre“ mehr schade als „Ibiza“. Ein schlechtes
wohl daheimbleiben“.                                                   Wahlergebnis wurde vorausgesagt.121 Tatsächlich verlor die
    Den Bogen zur aktuellen Parteiführung schlug dann                  Partei tags darauf dann 9,8 Prozentpunkte und stürzte auf
der vermeintlich „brisante“ Hinweis, dass Norbert Hofer                16,17 % ab – unter Verlust von 20 Mandaten.
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1.                      Die Vorgeschichte der „Kronen Zeitung“                           2
2.                      Einleitung und Methodologie                                      4
3.                      Die Berichterstattung der „Krone“ nach dem Ibiza-Video           8
4.                      Strache als Dauerbrenner bei Wiener „Krone“                     11
5.                      Kampagnenfähigkeit der „Krone“ gegen die FPÖ                    15
6.                      Liederbuchaffäre mit fabrizierten Vorwürfen                     18
7.                      Goldfundgeschichten als Kuriositätenkabinett                    22
8.                      Ausbleibende Positivberichterstattung                           24
9.                      „Krone“-Journalisten schäumen auf Twitter über                  28
                        8.1. Claus Pándi schimpft regelmäßig über FPÖ                   29
                        8.2. Kurt Seinitz lässt sich anstecken                          33
10.                     Fazit			                                                        36
11.                     Anhänge                                                         39
                        11.1. Chronologie der zentralen Ereignisse                      40
                        11.2. Quellenverzeichnis                                        42

                                                               18
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                19                                                                                             K A PI T E L 6

E
        in weiteres Mal machte die Kampagnenfähigkeit der
        „Krone“ Ende Oktober – man befand sich bereits im
        Landtagswahlkampf in der Steiermark für den 24.
November – von sich reden. Bundesweit sorgte das Auftau-

                                                                                                                   Foto: Parlamentsdirektion / photo simonis
chen des Liederbuches „Liederliche Lieder“ für einigen Wi-
derhall, die „Krone“ war an vorderster Front der Skandali-
sierung. Die meisten Titelblätter der Bundesländer decken
sich mit der Wiener Ausgabe, welche am 31. Oktober titelt:
„FPÖ-Nationalratsabgeordneter im Mittelpunkt: Neue Af-
färe um NS-Liederbuch“.122
    Auffallend ist diesmal allerdings das Verhalten der Stei-
rer-„Krone“, deren Titelseite abwich. Dort fand sich die Be-
wertung „Einfach widerlich“ als Titelschlagzeile.123 Den Rest
des Covers schmückten das Liederbuch, der im Zentrum der
Anschuldigungen befindliche NR-Abgeordnete Wolfgang                    Wolfgang Zanger
Zanger sowie der freiheitliche Spitzenkandidat Mario Kuna-             Der 1968 in Knittelfeld geborene Steirer studierte in
sek samt der eindeutigen Bekundung, dass die ganze Landes-             Graz technische Chemie und arbeitete ab 1990 als Bank-
partei betroffen sei („Neue Liederbuch-Affäre holt steirische          angestellter. In seiner Gymnasialzeit wurde er im Corps
Freiheitliche ein“). Der Begleittext sprach von einem „wider-          Austria zu Knittelfeld im Österreichischen Pennäler
lichen Skandal“ rund um Zanger, da das Liederbuch mit                  Ring (ÖPR) erstmals im Korporationswesen sozialisiert.
„antisemitischen, Nazi-verherrlichenden und rassistischen              Während seiner Studienzeit trat er zudem dem im Köse-
Passagen“ aufwarte. Damit brächte dieses den steirischen               ner Senioren-Convents-Verband (KSCV) organisierten
FP-Chef Kunasek nur wenige Wochen vor der Landtagswahl                 Corps Vandalia Graz bei.
in „arge Bedrängnis“.124 Die Wiener Abendausgabe titelte                   Eine erste nennenswerte politische Funktion erfüllte
„widerlich liederlich“ und stellte einen Rücktritt Zangers in          Zanger bei den Freiheitlichen ab 2001, als er zum stell-
den Raum.125 Diese Frage stellte auch die bundesweite Aller-           vertretenden Bezirksobmann der FPÖ Knittelfeld wurde;
                                                                       vier Jahre später folgte er auf den Bezirksobmannsses-
heiligenausgabe, welche zudem titelte, dass das vermeintliche
                                                                       sel nach und fungierte im nahe gelegenen Großlobming
„NS-Liederbuch“ die FPÖ „massiv unter Druck“ setze.126
                                                                       als Gemeinderat. Bereits im Jahr 2006 schaffte er es,
    Bereits am 30. Oktober kam die Affäre auf der Online-
                                                                       für die Freiheitlichen in den Nationalrat einzuziehen; ein
plattform der „Krone“ ins Rollen – wobei man keinen Hehl
                                                                       Mandat, welches er seitdem durchgängig hielt und auch
daraus machte, dass man diesen „Skandal“ selbst aufgedeckt
                                                                       bei der Nationalratswahl 2019 halten konnte. Als lang-
hatte. In einem Artikel war die Rede davon, dass ein Lied
                                                                       jähriger Abgeordneter ist er auch Träger des Großen
eine „Heil-Hitler-Passage“ enthalte.127 Behauptet wurde zu-            Goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich.
dem fälschlicherweise, dass es sich um ein Liederbuch des                  Der für seine mehrmaligen markigen und mitunter
Pennalen Corps Austria zu Knittelfeld handele; tatsächlich             polarisierenden Aussagen im Parlament sowie im medi-
war das Buch ein Geschenk der Grazer Burschenschaft Che-               alen Bereich bekannte Politiker fand sich ab Ende Okto-
ruskia Jahre zuvor, das unter anderem auch an Zanger direkt            ber im Zentrum einer von der „Kronen Zeitung“ angesto-
ging. Der Artikel zitierte leitende Politiker, welche Konse-           ßenen Affäre um das Liederbuch „Liederliche Lieder“,
quenzen forderten. Der steirische SPÖ-Klubobmann Han-                  welches seiner Mittelschulverbindung vor Jahren zum
nes Schwarz attestierte der FPÖ, „nicht regierungsfähig“ zu            Geschenk gemacht worden war und sich auch in seinem
sein128, die KPÖ-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler sah                Privatbesitz befand.
die „Beteuerungen der FPÖ, sich von ihrem braunen Rand
zu trennen“, als „leere Worte“129, und die grüne Spitzenkan-
didatin Sandra Krautwaschl sprach von einer „NS-Verherr-
lichung“, aufgrund derer die Partei als „untragbar“ gelte,           vorab auszuschließen.131 Dieser wiederum bekräftigte auch
solange derartige „Einzelfälle“ immer wieder auftauchen              am Folgetag seine Forderung nach „Handlungsbedarf“ bei
würden.130 NEOS-Spitzenkandidat Niko Swatek ging einen               der FPÖ angesichts der Liedtexte, welche ihn „fassungslos“
Schritt weiter, sah aufgrund des Auftauchens des Liedes in           hinterlassen hätten. Derselbe Artikel erwähnte gegen Ende,
der FPÖ eine „antisemitische und rassistische Partei“ und            dass das beanstandete Lied – einschließlich der skandalisier-
forderte von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer                   ten Textzeile – auch im Liederbuch des Mittelschüler-Kar-
(ÖVP), eine schwarz-blaue Koalition nach der Wahl bereits            tell-Verbandes (MKV) vorkomme; auch in zwei katholischen
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