Funkloch Deutschland? Der Ausbau der mobilen Datennetze in den letzten zehn Jahren
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FORSCHUNGSERGEBNISSE Moritz Goldbeck, Valentin Lindlacher und Svenja Schwarz* Funkloch Deutschland? Der Ausbau der mobilen Datennetze in den letzten zehn Jahren Digitale Infrastruktur ist die Grundvoraussetzung IN KÜRZE für wichtige Zukunftstechnologien – etwa in den Bereichen Autonomes Fahren, Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge. Neben leitungsgebundenen Mobiles Internet hat in den letzten Jahren immer weiter an Technologien ist auch die Verfügbarkeit von breitban- Bedeutung gewonnen. Bei mobiler Datennutzung ist die flä digem Internet über das Mobilfunknetz mittlerweile chendeckende Versorgung mit schnellem Internet besonders ein wesentlicher Wettbewerbs- und Standortfak- relevant, um auch Nutzern unterwegs eine verlässliche Ver tor. Die mobile Datennutzung ermöglicht den Zu- griff auf digitale Inhalte und Produkte sowohl von bindung zu gewährleisten. In den letzten zehn Jahren wur unterwegs als auch an Orten ohne anderweitigen den in Deutschland über 33 000 neue Mobilfunkstandorte Internetzugang. erschlossen, die eine insgesamt gute flächendeckende Ver In der öffentlichen Debatte werden oft große sorgung herstellen. Dazu hat auch beigetragen, dass über die Unterschiede in der Versorgung von Regionen the- Jahre hinweg ein konstanter Anteil zwischen 30 und 34% der matisiert. Dabei werden typischerweise Städte und neuen Standorte in ländlichen Gebieten errichtet wurde. Es Ballungsräume als gut versorgt, ländliche Regionen jedoch als unzureichend abgedeckt wahrgenommen. zeigt sich jedoch, dass die Erschließung neuer Standorte für Währenddessen strebt die Bundesregierung in ihrer Mobilfunkbasisstationen zunehmend schwieriger wird. Her Mobilfunkstrategie eine »internationale Spitzenpo- ausforderungen wie aufwändige und langwierige Genehmi sition auf Basis einer flächendeckenden LTE-Versor- gungsverfahren und die NIMBY-Problematik noch stärker gung« an. Es gelte, die im Grundgesetz verankerten in den Blick zu nehmen, wird in Zukunft eine wesentliche gleichwertigen Lebensverhältnisse auch in diesem Rolle spielen, insbesondere auch für die Versorgung mit 5G. Bereich herzustellen, und das Versprechen ist: »Funk- löcher sollen bald der Vergangenheit angehören«. (Mobilfunkstrategie 2019) Doch wie kommt der Mobilfunkausbau in Deutsch- Betriebsfrequenz (in MHz) und Datum der Inbetrieb- land voran, und was hat sich in den letzten zehn nahme bzw. Betriebsstatusänderung. Zum Stichtag Jahren getan? Und wie hat sich die Nutzung mobiler 26. Juli 2021 waren über eine Million Funksysteme Daten entwickelt? Dieser Artikel ist eine Bestandsauf- an über 70 000 Standorten erfasst. Für eine regio- nahme zu diesen Fragen und beleuchtet die Entwick- nale Analyse werden die Daten mit Bevölkerungs- und lungen der letzten zehn Jahre. Flächendaten der Kreise aus der Regionalstatistik- Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und DATEN der Länder kombiniert. Für die nachfrageseitige Analyse der Entwicklung in Deutschland greifen wir Für die angebotsseitige Analyse greifen wir auf Stand- auf Zeitreihendaten der International Telecommuni ortbescheinigungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) cation Union (ITU) und der Bundesnetzagentur zurück.1 Vor Inbetriebnahme einer ortsfesten Sen- zurück. deanlage mit Strahlungsleistung von über 10 Watt muss eine solche Standortbescheinigung ausgestellt NACHFRAGE: DIE NUTZUNG MOBILER DATEN werden, in der Sicherheitsabstände zum Gesundheits- NIMMT ZU schutz festgelegt sind. Die Datenbank enthält daher alle Funksysteme der deutschen Mobilfunknetze Die in Abbildung 1 dargestellten Daten der ITU zur mit Angaben zum genauen Standort (Koordinaten), Nutzung von Mobilfunk zeigen einen leichten Anstieg von Mobilfunkverträgen in Deutschland seit 2010 von * Die Autoren danken dem Bayerischen Forschungsinstitut für Digi- tale Transformation (bidt) für Unterstützung. einem hohen Ausgangsniveau mit 109 Mobilfunkver- 1 Die Autoren danken der Bundesnetzagentur für die Bereitstellung trägen pro 100 Einwohnern. Seit 2017 stagniert diese einer Kopie der EMF-Datenbank. Die BNetzA macht die Daten auch im Internet öffentlich zugänglich: https://www.bundesnetzagentur. Zahl bei ca. 130. Betrachtet man aber die Anzahl an de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.html. Mobilfunkverträgen, die eine mobile Datennutzung ifo Schnelldienst 11 / 2021 74. Jahrgang 10. November 2021 33
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 1 men pro Anschluss ist in den letzten zehn Jahren ein Mobilfunk- und mobile Datenverträge exponentieller Anstieg zu verzeichnen. Lag das Da- Mobilfunkverträge Mobile Datenverträge tenvolumen 2015 noch bei rund 0,4 Gigabyte pro An- Anzahl pro 100 Einwohner 140 schluss, so stieg es binnen fünf Jahren auf 3 Gigabyte 120 118 128 pro Anschluss im Jahr 2020. Es nutzen also nicht nur 109 immer mehr Menschen in Deutschland mobiles Inter- 100 91 net. Gleichzeitig verbrauchen diejenigen, die mobile 80 Daten nutzen, heute sehr viel mehr Datenvolumen als 60 71 noch vor einigen Jahren. Dies ist nicht nur dadurch zu erklären, dass 40 26 mobiles Internet öfter genutzt wird, sondern auch 20 durch die Änderung der genutzten Dienste. Von Video- 0 Streaming über Audio-Übertragung zu komplexen 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 grafischen Benutzeroberflächen, viele Applikationen Quelle: ITU. © ifo Institut sind datenintensiver geworden. Beispielsweise haben sich die abgehenden Sprachverbindungsminuten über beinhalten, so hat sich diese von 26 Verträgen pro Internettelefonie-Anwendungen (sog. »Over-the-top« 100 Einwohnern im Jahr 2010 auf 91 im Jahr 2020 (OTT)-Applikationen wie z.B. WhatsApp) von 48 Mio. mehr als verdreifacht. Die größte Steigerung mit Minuten pro Tag im Jahr 2011 auf 213 Mio. Minuten pro 41% fand dabei von 2013 auf 2014 statt. Die Daten Tag im Jahr 2020 gesteigert (VATM 2020). Diese Dienste zeigen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung in setzen eine entsprechend schnelle Internetverbindung Deutschland mittlerweile aktiv die individuelle Vor voraus. Der Anteil der LTE-fähigen SIM-Karten hat sich aussetzung dafür geschaffen hat, mobiles Internet dementsprechend seit 2014 von 17 auf 63,6 Millionen über das Mobilfunknetz nutzen zu können. Allerdings (2020) erhöht. Auch die Reduktion der Preise für mo- ist auch ersichtlich, dass mindestens 9% der Bevöl- biles Datenvolumen in Deutschland um 62% im Zeit- kerung dies noch nicht getan haben und etwa 29% raum 2012 bis 2019 haben die Nutzung attraktiver der Verträge keine mobile Datennutzung beinhalten.2 gemacht (ITU).3 Beim Internet über das Mobilfunknetz spielt insbeson- dere die Nutzung von unterwegs eine große Rolle; nur ANGEBOT: ERSCHLIESSUNG NEUER STANDORTE etwa 5% der Internetnutzer in Deutschland nutzen ZUNEHMEND SCHWIERIG das Internet ausschließlich über das Mobilfunknetz (EU-Kommission 2021). Mit dem oben beschriebenen Anstieg in der Nutzung Während die Daten in Abbildung 1 zeigen, wie ging ein Ausbau der digitalen Infrastruktur einher. viele Menschen in Deutschland mobiles Internet Zwei Faktoren spielen beim Ausbau der Netzinfra- nutzen, stellt Abbildung 2 dar, wie intensiv mobiles struktur eine wichtige Rolle: die Erschließung neuer Internet genutzt wird. Dies wird von der Bundesnetz- Sendestandorte und die Aufrüstung von Standorten agentur mit dem Datenvolumen, das über das Mobil- mit neuen Funktechnologien. funknetz übertragen wurde, gemessen. Sowohl beim Laut Bundesnetzagentur sind noch 3,8% der Flä- absoluten Datenvolumen als auch beim Datenvolu- che Deutschlands sogenannte weiße Flecken, in de- nen maximal 2G-Empfang möglich ist. Weitere 7,2% 2 Die Angabe von 9% stellt eine Untergrenze dar, denn manche Per- der Fläche sind sog. graue Flecken, in denen lediglich sonen haben mehrere Verträge zur mobilen Datennutzung abge- schlossen und/oder erhalten einen zusätzlichen Mobilfunkanschluss einer der Netzbetreiber den Mobilfunkstandard 4G mit Datennutzung über ihren Arbeitgeber. anbietet. Nach Schätzungen der neuesten Versor- gungs- und Kostenstudie des BMVI werden auch 2024 Abb. 2 voraussichtlich noch ca. 4 400 weiße Flecken verblei- Entwicklung des mobilen Datenvolumens ben (Umlaut Communication/WIK Consult 2020). Datenvolumen insgesamt Datenvolumen pro Anschluss Es gibt jedoch einige Gründe, warum ein mög- 4 000 Mio. GB Megabyte 4 000 lichst flächendeckender Ausbau mit schnellem mo- bilem Internet sinnvoll erscheint. Erstens kommt es gerade bei mobilem Internet besonders darauf an, 3 000 3 000 unterwegs eine durchgehend stabile Verbindung zu haben. Verbindungsunterbrechungen oder niedrige 2 000 2 000 Übertragungsgeschwindigkeiten unterbinden die Nut- zung digitaler Dienste unterwegs, auch wenn sie nicht 1 000 1 000 auf der ganzen Strecke auftreten. Dies führt dazu, dass Nutzer nicht mit durchgehender Verfügbarkeit 0 0 planen können und es an der nötigen Verlässlich- 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 3 Berechnung auf Basis von standardisierten USD-Preisen für 1 GB Quelle: BNetzA. © ifo Institut und 1,5 GB mobiles Datenvolumen. 34 ifo Schnelldienst 11 / 2021 74. Jahrgang 10. November 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE keit fehlt. Zweitens bedeutet die ortsungebundene Abb. 3 Nutzung mobiler Daten, dass die Bereitstellung des Erschließung neuer Standorte Mobilfunknetzes nicht nur für die vor Ort lebende Neue Standorte Standorte insgesamt Bevölkerung von Bedeutung ist, sondern auch für 16 000 80 000 pendelnde oder reisende Personen, die sich durch 14 000 70 000 das entsprechende Gebiet bewegen. Drittens ist eine 12 000 60 000 flächendeckende Versorgung in Deutschland auch we- 10 000 50 000 gen der dezentralen Wirtschaftsstruktur wichtig. Um 8 000 40 000 etwaige Produktivitätseffekte dieser Technologie für 6 000 30 000 einen Großteil der Wirtschaftsakteure zu realisieren, reicht es nicht aus, nur die großen Wirtschaftszentren 4 000 20 000 und die Verbindungen zwischen diesen zu versorgen. 2 000 10 000 Viertens ist eine flächendeckende Versorgung für die 0 0 Digitalwirtschaft vorteilhaft. Denn digitale Geschäfts- 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 modelle sind oft fixkostenintensiv, zeichnen sich aber Quelle: EMF-Datenbank; Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut durch eine hohe Skalierbarkeit aufgrund relativ gerin- ger variabler Kosten aus. Ob digitale Produkte ange- ten statt, was zwei Drittel aller in den letzten zehn boten werden, hängt daher stark von der Marktgröße Jahren neu erschlossenen Standorte darstellt. Bemer ab, die es ermöglicht, die hohen Fixkosten zu tragen. kenswert ist, dass kurz danach (von 2013 auf 2014) die Ist die Anzahl potenzieller Nutzer aufgrund nicht aus- größte Steigerung bei den mobilen Datenverträgen zu reichender Internetversorgung zu gering, besteht die verzeichnen ist. Schon in den beiden Jahren 2010 und Gefahr, dass gesellschaftlich nützliche Digitalprodukte 2011 fand mit ca. 2 500 neuen Standorten pro Jahr nicht entwickelt und angeboten werden und Innova- bereits ein beträchtlicher Zuwachs statt. Ab 2014 ist tionen verloren gehen. Und fünftens trägt eine hohe jedoch nur noch ein vergleichsweise geringer Zubau Diskrepanz in der Versorgungslage zwischen Stadt und festzustellen, der von ca. 1 500 neuen Standorten 2014 Land bei der digitalen Infrastruktur zu regionaler Un- bis 2018 auf einen Tiefpunkt von 565 zurückgeht. Seit- gleichheit bei und könnte die Abwanderung aus länd- dem steigt der Zubau wieder leicht an, auf 904 neu lichen Regionen verstärken. Mobiles Internet flächen- erschlossene Standorte im Jahr 2020. deckend bereitzustellen, ist also auch zur Herstellung Die Anforderungen an die Infrastruktur der Mobil- gleichwertiger Lebensverhältnisse wünschenswert. funknetze ist regional sehr unterschiedlich. In dichter Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Mobil- besiedelten Gebieten ist die Nachfrage höher, und funkstandorte über die letzten zehn Jahre. Insgesamt die Infrastruktur muss eine entsprechend hohe Ka- wurden seit 2010 ca. 33 800 neue Standorte errichtet, pazität bereitstellen, was durch eine höhere Dichte was etwas weniger als der Hälfte der heute in Betrieb an Mobilfunkstandorten und der stärkeren Nutzung befindlichen Standorte entspricht. Der mit Abstand von höheren Sendefrequenzen bewerkstelligt wird. In größte Zuwachs an Standorten fand in den Jahren dünner besiedelten Gebieten ist dagegen die Sicher- 2012 und 2013 mit 8 669 und 13 539 neuen Standor- stellung der flächendeckenden Versorgung die größte Abb. 4 Anzahl der Basisstationen pro Quadratkilometer und pro Einwohner Funktürme pro Quadratkilometer Funktürme pro 1 000 Einwohner 2,80 − 4,20 1,40 − 1,60 1,20 − 2,80 1,10 − 1,40 0,90 − 1,20 1,00 − 1,10 0,55 − 0,90 0,97 − 1,00 0,35 − 0,55 0,90 − 0,97 0,16 − 0,35 0,80 − 0,90 0,13 − 0,16 0,75 − 0,80 0,10 − 0,13 0,70 − 0,75 0,08 − 0,10 0,60 − 0,70 0,03 − 0,08 0,45 − 0,60 Quelle: EMF-Datenbank und Regionaldatenbank, Statistische Ämter; Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut ifo Schnelldienst 11 / 2021 74. Jahrgang 10. November 2021 35
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 5 schlossenen Standorte, was leicht über deren Be- Ausbau der Basisstationen pro Einwohner völkerungsanteil von etwa 25% liegt. Das zeigt, dass über die Jahre hinweg ein stabiler Anteil in ländli- chen Gebieten erschlossen wurde und insofern der Ausbau in Ballungsräumen nicht zunächst priorisiert wurde, sondern auch eine stetige Verbesserung der Infrastruktur auf dem Land stattfand. Abbildung 5 zeigt, wo im Zeitraum 2010 bis 2020 im Verhältnis zur Bevölkerungszahl besonders viele neue Basisstatio- nen in Betrieb genommen wurden, was besonders in den neuen Bundesländern und Mitteldeutschland der Fall gewesen ist. Dies bedeutet, dass in dünn Ausbau pro 1 000 Einwohner besiedelten Gebieten im Verhältnis zur dort leben- 0,60 − 0,75 den Bevölkerung leicht überproportional viele neue 0,52 − 0,60 0,46 − 0,52 Mobilfunkstandorte erschlossen wurden. Das Gros 0,42 − 0,46 0,38 − 0,42 der neuen Standorte entstand dennoch in den Bal- 0,34 − 0,38 0,30 − 0,34 lungsräumen, unter anderem weil dort aufgrund der 0,25 − 0,30 0,10 − 0,25 genutzten höheren Frequenzen und zur Deckung der benötigten Kapazität ein dichteres Standortnetz be- Quelle: EMF-Datenbank und Regionaldatenbank, Statistische Ämter; nötigt wird. Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut Neben der Erschließung neuer Standorte wird die Netzinfrastruktur kontinuierlich aufgerüstet, indem Herausforderung, die hauptsächlich durch weitere die Basisstationen mit neuer Funktechnologie ausge- Basisstationen mit stärkerer Nutzung niedriger Fre- stattet werden. Dies ist in den Daten durch sog. Be- quenzbänder erreicht werden kann. triebsstatusänderungen der Funksysteme erfasst. Ab- In Abbildung 4 ist die Anzahl der Standorte auf bildung 6 stellt gegenüber, wie viele Basisstationen in Ebene der Kreise dargestellt. Dabei zeigt die Karte den letzten zehn Jahren aufgerüstet (dunkelblau) und links die Anzahl der Basisstationen pro Quadratkilo- wie viele Standorte im jeweiligen Jahr neu erschlossen meter und die Karte rechts die Anzahl der Standorte wurden (hellblau). Im Zuge der LTE-Markteinführung pro Einwohner. Es ist zu erkennen, dass in den Bal- sind ab 2012 insgesamt deutlich höhere Ausbauan- lungsgebieten eine viel höhere Anzahl an Basissta strengungen zu verzeichnen als in den Jahren zuvor. tionen pro Quadratkilometer vorhanden ist, während Dabei handelte es sich in den Jahren 2010 bis 2013 in dünn besiedelten Regionen eine hohe Anzahl an noch hauptsächlich um neue Standorte (87%). Ab 2014 Standorten pro Einwohner nötig ist. Vor allem in den sind es vor allem Aufrüstungen bereits bestehender neuen Bundesländern, Teilen Mitteldeutschlands und Basisstationen (93%). Mit rund 15 400 Basisstationen im Norden Bayerns – Gebiete mit relativ dünner Be- wurden hier im Betrachtungszeitraum die meisten siedlung – ist die Versorgung für die Netzbetreiber Standorte mit neuen Funksystemen ausgestattet. entsprechend kostenintensiv. Diese Zahl sank bis 2016 auf etwa 10 000 und stieg In den Jahren 2010 bis 2020 lag der Anteil der wieder auf ca. 13 000 Standorte im Jahr 2020. neu erschlossenen Mobilfunkstandorte in ländlichen Unterscheidet man ländliche und städtische Kreisen4 stabil zwischen 30 und 34% aller neu er- Kreise, so zeigt sich, dass der Anteil von Standorten, 4 Stand: 2019, wobei ländliche Landkreise als Landgemeinde und die aufgerüstet wurden, in den ländlichen Landkreisen kleine Kleinstädte definiert sind. Etwa 25% der Bevölkerung leben dort. im Zeitverlauf auch hier recht stabil zwischen 28 und 33% aller aufgerüsteten Standorte lag. Dies ist im Ver- Abb. 6 hältnis zur dort lebenden Bevölkerung leicht überpro- Neue und Aufrüstung bestehender Standorte portional und lässt nicht erkennen, dass Verbesse- Neue Standorte rungen zunächst nur in Ballungsräumen stattfanden. Anzahl 18 000 Änderungen an bestehenden Standorten 16 000 SCHLUSSBEMERKUNGEN 14 000 12 000 Alles in allem befindet sich die digitale Infrastruktur 10 000 für mobiles Breitbandinternet in Deutschland mo- 8 000 mentan in einer guten Verfassung, um zukünftige 6 000 Herausforderungen zu meistern. Dies bestätigt auch 4 000 der diesjährige »Digital-Economy-and-Society«-Index 2 000 (DESI) der EU-Kommission (EU-Kommission 2021), bei 0 dem Deutschland im Bereich »mobiles Breitband« auf 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Platz 2 sogar ganz vorne mitspielt. Die hier analysier- Quelle: EMF-Datenbank; Berechnungen des ifo Instituts. © ifo Institut ten Daten zeigen, dass die größte Steigerung in der 36 ifo Schnelldienst 11 / 2021 74. Jahrgang 10. November 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE Nutzung mobiler Datenverträge (2013 auf 2014) kurz funkstandorte zu erschließen. Dabei wird die Erschlie- nach den größten Ausbauanstrengungen bei den Mo- ßung neuer Standorte in Zukunft noch an Bedeutung bilfunkstandorten (2012 und 2013) erfolgte. Dies deu- gewinnen, denn sie ist nicht nur für die Schließung tet auf die hohe Bedeutung der Netzinfrastruktur für verbleibender weißer und grauer Flecken wichtig, die Attraktivität der Nutzung mobiler Daten hin. sondern auch bei der Versorgung mit dem 5G-Stan- Ziel muss es nun sein, diese gute Ausgangspo- dard, für den eine deutliche Verdichtung des Mobil- sition nicht zu verspielen. Insbesondere die zügige funknetzes nötig sein wird. Insbesondere mangelnde und flächendeckende Versorgung mit neuen Mobil- Bereitschaft von Grundstückseigentümern, Flächen funkstandards mit besonderem Augenmerk auf der bereitzustellen (NIMBY-Problematik), und langwie- Abdeckung der Verkehrsinfrastruktur wird hier eine rige Genehmigungsverfahren von durchschnittlich entscheidende Rolle spielen. Verbesserungen, insbe- zwei Jahren werden oft als Probleme thematisiert. sondere in ländlichen Regionen, könnten unter an- Die frühzeitige Einbindung der lokalen Bevölkerung in derem durch stärkere Kooperation beim Netzausbau die Standortsuche sowie eine weitgehende Digitalisie- herbeigeführt werden. Es wurden bereits Vereinbarung rung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren zur gemeinsamen Nutzung und Ausbau geschlossen könnten hier geeignete Lösungsansätze sein. und auch von der Bundesregierung gefördert. Ne- ben sog. passivem Infrastruktur-Sharing, bei dem LITERATUR Mobilfunkmasten gemeinsam genutzt werden, sind Bundesregierung (2019), »Mobilfunkstrategie der Bundesregierung«, ver- auch andere kostensenkende Maßnahmen denkbar, fügbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/Digitales/ Mobilfunkstrategie.pdf?__blob=publicationFile. z.B. aktives Infrastruktur-Sharing oder nationales EU-Kommission (2021), Digital Economy and Society Index 2020 Report, Roaming. Da solche Vereinbarungen die Differenzie- verfügbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/desi. rungsmöglichkeiten über das Netz einschränken, sind Umlaut Communications/WIK Consult (2019), Abschlussbericht zur Ver- dabei aber die wettbewerblichen Auswirkungen im sorgungs- und Kostenstudie für das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur. Auge zu behalten, so dass keine negativen Effekte auf VATM/Dialog Consult (2020), 22. TK-Marktanalyse Deutschland 2020, ver- Innovation und Wettbewerb entstehen. fügbar unter: https://www.vatm.de/wp-content/uploads/2020/10/VATM_ Eine zentrale Herausforderung scheint zu sein, TK-Marktstudie-2020_1020_a.pdf. dass es zunehmend schwieriger wird, neue Mobil- ifo Schnelldienst 11 / 2021 74. Jahrgang 10. November 2021 37
Sie können auch lesen