Funkloch Deutschland? Der Ausbau der mobilen Datennetze in den letzten zehn Jahren

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FORSCHUNGSERGEBNISSE

Moritz Goldbeck, Valentin Lindlacher und Svenja Schwarz*

Funkloch Deutschland?
Der Ausbau der mobilen Datennetze
in den letzten zehn Jahren

Digitale Infrastruktur ist die Grundvoraussetzung                                                                                                IN KÜRZE
für wichtige Zukunftstechnologien – etwa in den
Be­reichen Autonomes Fahren, Industrie 4.0 und
dem Internet der Dinge. Neben leitungsgebundenen                         Mobiles Internet hat in den letzten Jahren immer weiter an
Technologien ist auch die Verfügbarkeit von breitban-                    Bedeutung gewonnen. Bei mobiler Datennutzung ist die flä­
digem Internet über das Mobilfunknetz mittlerweile                       chendeckende Versorgung mit schnellem Internet besonders
ein wesentlicher Wettbewerbs- und Standortfak-
                                                                         relevant, um auch Nutzern unterwegs eine verlässliche Ver­
tor. Die mobile Datennutzung ermöglicht den Zu-
griff auf digitale Inhalte und Produkte sowohl von                       bindung zu gewährleisten. In den letzten zehn Jahren wur­
unterwegs als auch an Orten ohne anderweitigen                           den in Deutschland über 33 000 neue Mobilfunkstandorte
Internetzugang.                                                          erschlossen, die eine insgesamt gute flächendeckende Ver­
     In der öffentlichen Debatte werden oft große                        sorgung herstellen. Dazu hat auch beigetragen, dass über die
Unterschiede in der Versorgung von Regionen the-                         Jahre hinweg ein konstanter Anteil zwischen 30 und 34% der
matisiert. Dabei werden typischerweise Städte und
                                                                         neuen Standorte in ländlichen Gebieten errichtet wurde. Es
Ballungsräume als gut versorgt, ländliche Regionen
jedoch als unzureichend abgedeckt wahrgenommen.                          zeigt sich jedoch, dass die Erschließung neuer Standorte für
Währenddessen strebt die Bundesregierung in ihrer                        Mobilfunkbasisstationen zunehmend schwieriger wird. Her­
Mobilfunkstrategie eine »internationale Spitzenpo-                       ausforderungen wie aufwändige und langwierige Genehmi­
sition auf Basis einer flächendeckenden LTE-Versor-                      gungsverfahren und die NIMBY-Problematik noch stärker
gung« an. Es gelte, die im Grundgesetz verankerten                       in den Blick zu nehmen, wird in Zukunft eine wesentliche
gleichwertigen Lebensverhältnisse auch in diesem
                                                                         Rolle spielen, insbesondere auch für die Versorgung mit 5G.
Bereich herzustellen, und das Versprechen ist: »Funk-
löcher sollen bald der Vergangenheit angehören«.
(Mobilfunkstrategie 2019)
     Doch wie kommt der Mobilfunkausbau in Deutsch-                  Betriebsfrequenz (in MHz) und Datum der Inbetrieb-
land voran, und was hat sich in den letzten zehn                     nahme bzw. Betriebsstatusänderung. Zum Stichtag
Jahren getan? Und wie hat sich die Nutzung mobiler                   26. Juli 2021 waren über eine Million Funksysteme
Daten entwickelt? Dieser Artikel ist eine Bestandsauf-               an über 70 000 Standorten erfasst. Für eine regio-
nahme zu diesen Fragen und beleuchtet die Entwick-                   nale Analyse werden die Daten mit Bevölkerungs- und
lungen der letzten zehn Jahre.                                       Flächendaten der Kreise aus der Regionalstatistik-
                                                                     Datenbank der Statistischen Ämter des Bundes und
DATEN                                                                der Länder kombiniert. Für die nachfrageseitige
                                                                     Analyse der Entwicklung in Deutschland greifen wir
Für die angebotsseitige Analyse greifen wir auf Stand-               auf Zeitreihendaten der International Telecommuni­
ortbescheinigungen der Bundesnetzagentur (BNetzA)                    cation Union (ITU) und der Bundesnetzagentur
zurück.1 Vor Inbetriebnahme einer ortsfesten Sen-                    zurück.
deanlage mit Strahlungsleistung von über 10 Watt
muss eine solche Standortbescheinigung ausgestellt                   NACHFRAGE: DIE NUTZUNG MOBILER DATEN
werden, in der Sicherheitsabstände zum Gesundheits-                  NIMMT ZU
schutz festgelegt sind. Die Datenbank enthält daher
alle Funksysteme der deutschen Mobilfunknetze                        Die in Abbildung 1 dargestellten Daten der ITU zur
mit Angaben zum genauen Standort (Koordinaten),                      Nutzung von Mobilfunk zeigen einen leichten Anstieg
                                                                     von Mobilfunkverträgen in Deutschland seit 2010 von
* Die Autoren danken dem Bayerischen Forschungsinstitut für Digi-
tale Transformation (bidt) für Unterstützung.                        einem hohen Ausgangsniveau mit 109 Mobilfunkver-
1
   Die Autoren danken der Bundesnetzagentur für die Bereitstellung   trägen pro 100 Einwohnern. Seit 2017 stagniert diese
einer Kopie der EMF-Datenbank. Die BNetzA macht die Daten auch
im Internet öffentlich zugänglich: https://www.bundesnetzagentur.
                                                                     Zahl bei ca. 130. Betrachtet man aber die Anzahl an
de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.html.                         Mobilfunkverträgen, die eine mobile Datennutzung

                                                                              ifo Schnelldienst   11 / 2021   74. Jahrgang   10. November 2021   33
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Abb. 1                                                                                                                  men pro Anschluss ist in den letzten zehn Jahren ein
Mobilfunk- und mobile Datenverträge                                                                                     exponentieller Anstieg zu verzeichnen. Lag das Da-
                                                              Mobilfunkverträge           Mobile Datenverträge          tenvolumen 2015 noch bei rund 0,4 Gigabyte pro An-
           Anzahl pro 100 Einwohner
140                                                                                                                     schluss, so stieg es binnen fünf Jahren auf 3 Gigabyte
120
                                                          118                                                128        pro Anschluss im Jahr 2020. Es nutzen also nicht nur
            109                                                                                                         immer mehr Menschen in Deutschland mobiles Inter-
100
                                                                                                             91         net. Gleichzeitig verbrauchen diejenigen, die mobile
 80                                                                                                                     Daten nutzen, heute sehr viel mehr Datenvolumen als
 60                                                        71                                                           noch vor einigen Jahren.
                                                                                                                             Dies ist nicht nur dadurch zu erklären, dass
 40
            26                                                                                                          mobiles Internet öfter genutzt wird, sondern auch
 20                                                                                                                     durch die Änderung der genutzten Dienste. Von Video-
   0                                                                                                                    Streaming über Audio-Übertragung zu komplexen
            2010    2011    2012       2013    2014      2015       2016     2017     2018     2019     2020            grafischen Benutzeroberflächen, viele Applikationen
Quelle: ITU.                                                                                           © ifo Institut   sind datenintensiver geworden. Beispielsweise haben
                                                                                                                        sich die abgehenden Sprachverbindungsminuten über
                                   beinhalten, so hat sich diese von 26 Verträgen pro                                   Internettelefonie-Anwendungen (sog. »Over-the-top«
                                   100 Einwohnern im Jahr 2010 auf 91 im Jahr 2020                                      (OTT)-Applikationen wie z.B. WhatsApp) von 48 Mio.
                                   mehr als verdreifacht. Die größte Steigerung mit                                     Minuten pro Tag im Jahr 2011 auf 213 Mio. Minuten pro
                                   41% fand dabei von 2013 auf 2014 statt. Die Daten                                    Tag im Jahr 2020 gesteigert (VATM 2020). Diese Dienste
                                   zeigen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung in                                   setzen eine entsprechend schnelle Internetverbindung
                                   Deutschland mittlerweile aktiv die individuelle Vor­                                 voraus. Der Anteil der LTE-fähigen SIM-Karten hat sich
                                   aussetzung dafür geschaffen hat, mobiles Internet                                    dementsprechend seit 2014 von 17 auf 63,6 Millionen
                                   über das Mobilfunknetz nutzen zu können. Allerdings                                  (2020) erhöht. Auch die Reduktion der Preise für mo-
                                   ist auch ersichtlich, dass mindestens 9% der Bevöl-                                  biles Datenvolumen in Deutschland um 62% im Zeit-
                                   kerung dies noch nicht getan haben und etwa 29%                                      raum 2012 bis 2019 haben die Nutzung attraktiver
                                   der Verträge keine mobile Datennutzung beinhalten.2                                  gemacht (ITU).3
                                   Beim Internet über das Mobilfunknetz spielt insbeson-
                                   dere die Nutzung von unterwegs eine große Rolle; nur                                 ANGEBOT: ERSCHLIESSUNG NEUER STANDORTE
                                   etwa 5% der Internetnutzer in Deutschland nutzen                                     ZUNEHMEND SCHWIERIG
                                   das Internet ausschließlich über das Mobilfunknetz
                                   (EU-Kommission 2021).                                                                Mit dem oben beschriebenen Anstieg in der Nutzung
                                        Während die Daten in Abbildung 1 zeigen, wie                                    ging ein Ausbau der digitalen Infrastruktur einher.
                                   viele Menschen in Deutschland mobiles Internet                                       Zwei Faktoren spielen beim Ausbau der Netzinfra-
                                   nutzen, stellt Abbildung 2 dar, wie intensiv mobiles                                 struktur eine wichtige Rolle: die Erschließung neuer
                                   Internet genutzt wird. Dies wird von der Bundesnetz-                                 Sendestandorte und die Aufrüstung von Standorten
                                   agentur mit dem Datenvolumen, das über das Mobil-                                    mit neuen Funktechnologien.
                                   funknetz übertragen wurde, gemessen. Sowohl beim                                          Laut Bundesnetzagentur sind noch 3,8% der Flä-
                                   absoluten Datenvolumen als auch beim Datenvolu-                                      che Deutschlands sogenannte weiße Flecken, in de-
                                                                                                                        nen maximal 2G-Empfang möglich ist. Weitere 7,2%
                                   2
                                      Die Angabe von 9% stellt eine Untergrenze dar, denn manche Per-                   der Fläche sind sog. graue Flecken, in denen lediglich
                                   sonen haben mehrere Verträge zur mobilen Datennutzung abge-
                                   schlossen und/oder erhalten einen zusätzlichen Mobilfunkanschluss
                                                                                                                        einer der Netzbetreiber den Mobilfunkstandard 4G
                                   mit Datennutzung über ihren Arbeitgeber.                                             anbietet. Nach Schätzungen der neuesten Versor-
                                                                                                                        gungs- und Kostenstudie des BMVI werden auch 2024
Abb. 2                                                                                                                  voraussichtlich noch ca. 4 400 weiße Flecken verblei-
Entwicklung des mobilen Datenvolumens                                                                                   ben (Umlaut Communication/WIK Consult 2020).
                Datenvolumen insgesamt                                     Datenvolumen pro Anschluss                        Es gibt jedoch einige Gründe, warum ein mög-
4 000
            Mio. GB                                                                         Megabyte
                                                                                                             4 000
                                                                                                                        lichst flächendeckender Ausbau mit schnellem mo-
                                                                                                                        bilem Internet sinnvoll erscheint. Erstens kommt es
                                                                                                                        gerade bei mobilem Internet besonders darauf an,
3 000                                                                                                        3 000
                                                                                                                        unterwegs eine durchgehend stabile Verbindung zu
                                                                                                                        haben. Verbindungsunterbrechungen oder niedrige
2 000                                                                                                        2 000      Übertragungsgeschwindigkeiten unterbinden die Nut-
                                                                                                                        zung digitaler Dienste unterwegs, auch wenn sie nicht
1 000                                                                                                        1 000      auf der ganzen Strecke auftreten. Dies führt dazu,
                                                                                                                        dass Nutzer nicht mit durchgehender Verfügbarkeit
       0                                                                                                      0
                                                                                                                        planen können und es an der nötigen Verlässlich-
             2010   2011    2012       2013   2014     2015        2016    2017    2018    2019   2020                  3
                                                                                                                          Berechnung auf Basis von standardisierten USD-Preisen für 1 GB
Quelle: BNetzA.                                                                                        © ifo Institut   und 1,5 GB mobiles Datenvolumen.

                           34      ifo Schnelldienst   11 / 2021    74. Jahrgang   10. November 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

keit fehlt. Zweitens bedeutet die ortsungebundene                                   Abb. 3
Nutzung mobiler Daten, dass die Bereitstellung des                                   Erschließung neuer Standorte
Mobilfunknetzes nicht nur für die vor Ort lebende
                                                                                                     Neue Standorte                                                               Standorte insgesamt
Bevölkerung von Bedeutung ist, sondern auch für                                      16 000                                                                                                     80 000
pendelnde oder reisende Personen, die sich durch                                     14 000                                                                                                      70 000
das entsprechende Gebiet bewegen. Drittens ist eine                                  12 000                                                                                                      60 000
flächendeckende Versorgung in Deutschland auch we-
                                                                                     10 000                                                                                                      50 000
gen der dezentralen Wirtschaftsstruktur wichtig. Um
                                                                                      8 000                                                                                                      40 000
etwaige Produktivitätseffekte dieser Technologie für
                                                                                      6 000                                                                                                      30 000
einen Großteil der Wirtschaftsakteure zu realisieren,
reicht es nicht aus, nur die großen Wirtschaftszentren                                4 000                                                                                                      20 000

und die Verbindungen zwischen diesen zu versorgen.                                    2 000                                                                                                      10 000
Viertens ist eine flächendeckende Versorgung für die                                       0                                                                                                     0
Digitalwirtschaft vorteilhaft. Denn digitale Geschäfts-                                            2010   2011    2012     2013      2014     2015     2016    2017      2018   2019    2020
modelle sind oft fixkostenintensiv, zeichnen sich aber                               Quelle: EMF-Datenbank; Berechnungen des ifo Instituts.                                                 © ifo Institut

durch eine hohe Skalierbarkeit aufgrund relativ gerin-
ger variabler Kosten aus. Ob digitale Produkte ange-                                ten statt, was zwei Drittel aller in den letzten zehn
boten werden, hängt daher stark von der Marktgröße                                  Jahren neu erschlossenen Standorte darstellt. Bemer­
ab, die es ermöglicht, die hohen Fixkosten zu tragen.                               kenswert ist, dass kurz danach (von 2013 auf 2014) die
Ist die Anzahl potenzieller Nutzer aufgrund nicht aus-                              größte Steigerung bei den mobilen Datenverträgen zu
reichender Internetversorgung zu gering, besteht die                                verzeichnen ist. Schon in den beiden Jahren 2010 und
Gefahr, dass gesellschaftlich nützliche Digitalprodukte                             2011 fand mit ca. 2 500 neuen Standorten pro Jahr
nicht entwickelt und angeboten werden und Innova-                                   bereits ein beträchtlicher Zuwachs statt. Ab 2014 ist
tionen verloren gehen. Und fünftens trägt eine hohe                                 jedoch nur noch ein vergleichsweise geringer Zubau
Diskrepanz in der Versorgungslage zwischen Stadt und                                festzustellen, der von ca. 1 500 neuen Standorten 2014
Land bei der digitalen Infrastruktur zu regionaler Un-                              bis 2018 auf einen Tiefpunkt von 565 zurückgeht. Seit-
gleichheit bei und könnte die Ab­wanderung aus länd-                                dem steigt der Zubau wieder leicht an, auf 904 neu
lichen Regionen verstärken. Mobiles Internet flächen-                               erschlossene Standorte im Jahr 2020.
deckend bereitzustellen, ist also auch zur Herstellung                                   Die Anforderungen an die Infrastruktur der Mobil-
gleichwertiger Lebensverhältnisse wünschenswert.                                    funknetze ist regional sehr unterschiedlich. In dichter
     Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Mobil-                                   besiedelten Gebieten ist die Nachfrage höher, und
funkstandorte über die letzten zehn Jahre. Insgesamt                                die Infrastruktur muss eine entsprechend hohe Ka-
wurden seit 2010 ca. 33 800 neue Standorte errichtet,                               pazität bereitstellen, was durch eine höhere Dichte
was etwas weniger als der Hälfte der heute in Betrieb                               an Mobilfunkstandorten und der stärkeren Nutzung
befindlichen Standorte entspricht. Der mit Abstand                                  von höheren Sendefrequenzen bewerkstelligt wird. In
größte Zuwachs an Standorten fand in den Jahren                                     dünner besiedelten Gebieten ist dagegen die Sicher-
2012 und 2013 mit 8 669 und 13 539 neuen Standor-                                   stellung der flächendeckenden Versorgung die größte

Abb. 4
Anzahl der Basisstationen pro Quadratkilometer und pro Einwohner

                                            Funktürme pro Quadratkilometer                                                          Funktürme pro 1 000 Einwohner
                                                       2,80 − 4,20                                                                                   1,40 − 1,60
                                                       1,20 − 2,80                                                                                   1,10 − 1,40
                                                       0,90 − 1,20                                                                                   1,00 − 1,10
                                                       0,55 − 0,90                                                                                   0,97 − 1,00
                                                       0,35 − 0,55                                                                                   0,90 − 0,97
                                                       0,16 − 0,35                                                                                   0,80 − 0,90
                                                       0,13 − 0,16                                                                                   0,75 − 0,80
                                                       0,10 − 0,13                                                                                   0,70 − 0,75
                                                       0,08 − 0,10                                                                                   0,60 − 0,70
                                                       0,03 − 0,08                                                                                   0,45 − 0,60

Quelle: EMF-Datenbank und Regionaldatenbank, Statistische Ämter; Berechnungen des ifo Instituts.                                                            © ifo Institut

                                                                                                    ifo Schnelldienst   11 / 2021   74. Jahrgang     10. November 2021       35
FORSCHUNGSERGEBNISSE

                                 Abb. 5                                                                              schlossenen Standorte, was leicht über deren Be-
                                 Ausbau der Basisstationen pro Einwohner                                             völkerungsanteil von etwa 25% liegt. Das zeigt, dass
                                                                                                                     über die Jahre hinweg ein stabiler Anteil in ländli-
                                                                                                                     chen Gebieten erschlossen wurde und insofern der
                                                                                                                     Ausbau in Ballungsräumen nicht zunächst priorisiert
                                                                                                                     wurde, sondern auch eine stetige Verbesserung der
                                                                                                                     Infrastruktur auf dem Land stattfand. Abbildung 5
                                                                                                                     zeigt, wo im Zeitraum 2010 bis 2020 im Verhältnis zur
                                                                                                                     Bevölkerungszahl besonders viele neue Basisstatio-
                                                                                                                     nen in Betrieb genommen wurden, was besonders
                                                                                                                     in den neuen Bundesländern und Mitteldeutschland
                                                                                                                     der Fall gewesen ist. Dies bedeutet, dass in dünn
                                                                                 Ausbau pro 1 000 Einwohner          besiedelten Gebieten im Verhältnis zur dort leben-
                                                                                          0,60 − 0,75                den Bevölkerung leicht überproportional viele neue
                                                                                          0,52 − 0,60
                                                                                          0,46 − 0,52                Mobilfunkstandorte erschlossen wurden. Das Gros
                                                                                          0,42 − 0,46
                                                                                          0,38 − 0,42                der neuen Standorte entstand dennoch in den Bal-
                                                                                          0,34 − 0,38
                                                                                          0,30 − 0,34                lungsräumen, unter anderem weil dort aufgrund der
                                                                                          0,25 − 0,30
                                                                                          0,10 − 0,25                genutzten höheren Frequenzen und zur Deckung der
                                                                                                                     benötigten Kapazität ein dichteres Standortnetz be-
                                 Quelle: EMF-Datenbank und Regionaldatenbank, Statistische Ämter;                    nötigt wird.
                                 Berechnungen des ifo Instituts.                                  © ifo Institut          Neben der Erschließung neuer Standorte wird die
                                                                                                                     Netzinfrastruktur kontinuierlich aufgerüstet, indem
                                 Herausforderung, die hauptsächlich durch weitere                                    die Basisstationen mit neuer Funktechnologie ausge-
                                 Basisstationen mit stärkerer Nutzung niedriger Fre-                                 stattet werden. Dies ist in den Daten durch sog. Be-
                                 quenzbänder erreicht werden kann.                                                   triebsstatusänderungen der Funksysteme erfasst. Ab-
                                      In Abbildung 4 ist die Anzahl der Standorte auf                                bildung 6 stellt gegenüber, wie viele Basisstationen in
                                 Ebene der Kreise dargestellt. Dabei zeigt die Karte                                 den letzten zehn Jahren aufgerüstet (dunkelblau) und
                                 links die Anzahl der Basisstationen pro Quadratkilo-                                wie viele Standorte im jeweiligen Jahr neu erschlossen
                                 meter und die Karte rechts die Anzahl der Standorte                                 wurden (hellblau). Im Zuge der LTE-Markteinführung
                                 pro Einwohner. Es ist zu erkennen, dass in den Bal-                                 sind ab 2012 insgesamt deutlich höhere Ausbauan-
                                 lungsgebieten eine viel höhere Anzahl an Basissta­                                  strengungen zu verzeichnen als in den Jahren zuvor.
                                 tionen pro Quadratkilometer vorhanden ist, während                                  Dabei handelte es sich in den Jahren 2010 bis 2013
                                 in dünn besiedelten Regionen eine hohe Anzahl an                                    noch hauptsächlich um neue Standorte (87%). Ab 2014
                                 Standorten pro Einwohner nötig ist. Vor allem in den                                sind es vor allem Aufrüstungen bereits bestehender
                                 neuen Bundesländern, Teilen Mitteldeutschlands und                                  Basisstationen (93%). Mit rund 15 400 Basisstationen
                                 im Norden Bayerns – Gebiete mit relativ dünner Be-                                  wurden hier im Betrachtungszeitraum die meisten
                                 siedlung – ist die Versorgung für die Netzbetreiber                                 Standorte mit neuen Funksystemen ausgestattet.
                                 entsprechend kostenintensiv.                                                        Diese Zahl sank bis 2016 auf etwa 10 000 und stieg
                                      In den Jahren 2010 bis 2020 lag der Anteil der                                 wieder auf ca. 13 000 Standorte im Jahr 2020.
                                 neu erschlossenen Mobilfunkstandorte in ländlichen                                       Unterscheidet man ländliche und städtische
                                 Kreisen4 stabil zwischen 30 und 34% aller neu er-                                   Kreise, so zeigt sich, dass der Anteil von Standorten,
                                 4
                                    Stand: 2019, wobei ländliche Landkreise als Landgemeinde und
                                                                                                                     die aufgerüstet wurden, in den ländlichen Landkreisen
                                 kleine Kleinstädte definiert sind. Etwa 25% der Bevölkerung leben dort.             im Zeitverlauf auch hier recht stabil zwischen 28 und
                                                                                                                     33% aller aufgerüsteten Standorte lag. Dies ist im Ver-
Abb. 6                                                                                                               hältnis zur dort lebenden Bevölkerung leicht überpro-
Neue und Aufrüstung bestehender Standorte                                                                            portional und lässt nicht erkennen, dass Verbesse-
                                                                  Neue Standorte                                     rungen zunächst nur in Ballungsräumen stattfanden.
           Anzahl
18 000                                                            Änderungen an bestehenden Standorten
16 000                                                                                                               SCHLUSSBEMERKUNGEN
14 000
12 000                                                                                                               Alles in allem befindet sich die digitale Infrastruktur
10 000                                                                                                               für mobiles Breitbandinternet in Deutschland mo-
 8 000                                                                                                               mentan in einer guten Verfassung, um zukünftige
 6 000                                                                                                               Herausforderungen zu meistern. Dies bestätigt auch
 4 000                                                                                                               der diesjährige »Digital-Economy-and-Society«-Index
 2 000                                                                                                               (DESI) der EU-Kommission (EU-Kommission 2021), bei
      0                                                                                                              dem Deutschland im Bereich »mobiles Breitband« auf
            2010     2011     2012     2013     2014     2015      2016    2017     2018     2019     2020           Platz 2 sogar ganz vorne mitspielt. Die hier analysier-
Quelle: EMF-Datenbank; Berechnungen des ifo Instituts.                                              © ifo Institut   ten Daten zeigen, dass die größte Steigerung in der

                         36      ifo Schnelldienst   11 / 2021   74. Jahrgang   10. November 2021
FORSCHUNGSERGEBNISSE

Nutzung mobiler Datenverträge (2013 auf 2014) kurz      funkstandorte zu erschließen. Dabei wird die Erschlie-
nach den größten Ausbauanstrengungen bei den Mo-        ßung neuer Standorte in Zukunft noch an Bedeutung
bilfunkstandorten (2012 und 2013) erfolgte. Dies deu-   gewinnen, denn sie ist nicht nur für die Schließung
tet auf die hohe Bedeutung der Netzinfrastruktur für    verbleibender weißer und grauer Flecken wichtig,
die Attraktivität der Nutzung mobiler Daten hin.        sondern auch bei der Versorgung mit dem 5G-Stan-
     Ziel muss es nun sein, diese gute Ausgangspo-      dard, für den eine deutliche Verdichtung des Mobil-
sition nicht zu verspielen. Insbesondere die zügige     funknetzes nötig sein wird. Insbesondere mangelnde
und flächendeckende Versorgung mit neuen Mobil-         Bereitschaft von Grundstückseigentümern, Flächen
funkstandards mit besonderem Augenmerk auf der          bereitzustellen (NIMBY-Problematik), und langwie-
Abdeckung der Verkehrsinfrastruktur wird hier eine      rige Genehmigungsverfahren von durchschnittlich
entscheidende Rolle spielen. Verbesserungen, insbe-     zwei Jahren werden oft als Probleme thematisiert.
sondere in ländlichen Regionen, könnten unter an-       Die frühzeitige Einbindung der lokalen Bevölkerung in
derem durch stärkere Kooperation beim Netzausbau        die Standortsuche sowie eine weitgehende Digitalisie-
herbeigeführt werden. Es wurden bereits Vereinbarung    rung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren
zur gemeinsamen Nutzung und Ausbau geschlossen          könnten hier geeignete Lösungsansätze sein.
und auch von der Bundesregierung gefördert. Ne-
ben sog. passivem Infrastruktur-Sharing, bei dem        LITERATUR
Mobilfunkmasten gemeinsam genutzt werden, sind          Bundesregierung (2019), »Mobilfunkstrategie der Bundesregierung«, ver-
auch andere kostensenkende Maßnahmen denkbar,           fügbar unter: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/DG/Digitales/
                                                        Mobilfunkstrategie.pdf?__blob=publicationFile.
z.B. aktives Infrastruktur-Sharing oder nationales
                                                        EU-Kommission (2021), Digital Economy and Society Index 2020 Report,
Roaming. Da solche Vereinbarungen die Differenzie-      verfügbar unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/desi.
rungsmöglichkeiten über das Netz einschränken, sind     Umlaut Communications/WIK Consult (2019), Abschlussbericht zur Ver-
dabei aber die wettbewerblichen Auswirkungen im         sorgungs- und Kostenstudie für das Bundesministerium für Verkehr und
                                                        Infrastruktur.
Auge zu behalten, so dass keine negativen Effekte auf
                                                        VATM/Dialog Consult (2020), 22. TK-Marktanalyse Deutschland 2020, ver-
Innovation und Wettbewerb entstehen.                    fügbar unter: https://www.vatm.de/wp-content/uploads/2020/10/VATM_
     Eine zentrale Herausforderung scheint zu sein,     TK-Marktstudie-2020_1020_a.pdf.

dass es zunehmend schwieriger wird, neue Mobil-

                                                                    ifo Schnelldienst   11 / 2021   74. Jahrgang   10. November 2021   37
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