Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)
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Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) Pressemitteilung, Witzenhausen, den 09. Dezember 2017 „Gefährdete Nutztierrassen des Jahres 2018 - Altwürttemberger Pferd, elegant und kraftvoll“ Das Altwürttemberger Pferd wird im Jahr 2018 von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ ernannt. Es ist in der Roten Liste als „extrem gefährdet“ eingestuft und soll in diesem Jahr im Mittelpunkt der Erhaltungsaktivitäten stehen, gleichzeitig aber auch auf die Situation der gefährdeten Nutztiere allgemein aufmerksam machen. Vielfalt der Pferderassen Früher vielseitig in der Landwirtschaft eingesetzt sowie geritten und gefahren und auch im Militär genutzt, werden Pferde heute hauptsächlich zu (freizeit-) sportlichen Zwecken gehalten. Auf der Roten Liste der GEH stehen insgesamt 174 gefährdete Nutztierrassen. Darunter sind 16 Pferderassen, davon drei Kaltblutrassen, sieben Warmblutrassen und sechs Ponyrassen. Altwürttemberger Hengst Sorius Altwürttemberger Hengst LVV Aragon Foto: Bozai Foto: Kube Das Altwürttemberger Pferd - Zuchtgeschichte Einst als „Herr und Bauer“ bezeichnet, zeigte das Altwürttemberger Pferd werktags seine Stärken in der Landwirtschaft und wurde am Sonntag vor die Kutsche gespannt oder geritten. Für diese vielseitige Nutzung war ein kräftiges, ruhiges, ausdauerndes und anspruchsloses Warmblutpferd vonnöten. Im Jahr 1866 wurde nach langjährigen Diskussionen in einem von König Wilhelm I. von Württemberg berufenen „Rosseparlament“ das vielseitig angelegte Zuchtziel für ein Wirtschaftspferd im Typ des "Artilleriestangenpferdes" festgelegt. Im Wesentlichen ist die Rasse aus einer Mischung von ostpreußischem- und anglo-normänner Blut entstanden, daneben findet man das alte württembergische Blut mit geringer Beimischung von oldenburgischem Anteilen. Der für das Kaliber der Rasse sehr edle Kopf lässt sich aus der Geschichte des Landesgestütes Marbach herleiten. Die Marbacher Stutenherde verfügte schon zu dieser Zeit über sehr viel arabisches Blut und schenkte so dieser Rasse Adel, Härte und Eleganz, während die ostpreußische 1
Zuchtgrundlage mehr Rahmen beisteuerte und die Anglo-Normänner für mehr Kaliber und Fruchtbarkeit sorgten. Der Hengst „Faust“, geboren 1885, ein Anglo-Normänner im Cob-Typ (schwerer, untersetzter Typ), wurde zum Stammvater der Zucht. Durch Inzucht wurde sein Typ in der Population gefestigt. Das Württemberger Warmblut wurde eine eigenständige Rasse, die Ausdauer und Leistungsfähigkeit auszeichnete. Ein gedrungenes, futterdankbares Modell mit harten Hufen war entstanden – das ideale Pferd für die Landwirtschaft. Bis heute gilt der damalige Hauptbeschäler des Landesgestüts Marbach (‚Faust‘) als einer der wichtigsten Stammväter, wenn nicht sogar als der Stempelhengst des Württembergischen Wirtschaftspferdes. Die Faustnachkommen prägten die Zucht bis in die 60er Jahre dieses Jahrhunderts. Die Zufuhr von arabischem Blut hat sich laufend bewährt. Eine zugfeste und -willige, bodenständige sowie den harten Anforderungen auf der Schwäbischen Alb gewachsene Rasse, war gezüchtet worden. Durch die Anordnung des damaligen Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft waren 1938 Reinzuchtgebiete festgelegt worden. Für den Württemberger waren dies das Württembergische Oberland und Hohenzollern, aber auch die Gebiete um Ludwigsburg, Leonberg, Herrenberg, Esslingen und Göppingen. Die Hengste wurden vom Haupt- und Landgestüt Marbach zur Verfügung gestellt. Dort waren im „Oberfeld“ schon 1491 die ersten Stuten aufgestellt worden; der Stutenbrunnen ist noch heute vorhanden. Im Februar jeweils gingen die Landbeschäler auf die verschiedensten Beschälstationen im Lande, wo ihnen die Zuchtstuten der Umgebung zugeführt wurden. Grundlage der Pferdezucht in Baden-Württemberg war der bäuerliche Familienbetrieb, in den nicht nur die Zucht, sondern auch die Aufzucht von Pferden sinnvoll eingegliedert war. Durch den steigenden Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft sank die Nachfrage nach Arbeitspferden ab 1950 rapide. Dem entgegen änderte sich mit zunehmendem Wohlstand in den fünfziger und sechziger Jahren der Käuferwunsch hin zu einem feineren Reitmodell. Durch Einkreuzung verschiedener Hengste aus Ostpreußen begann entsprechend die Umzüchtung des Württemberger Warmblutpferdes zum Reitpferd. Der Prozess der reinen Reitpferdezucht hielt an, wobei der Genanteil des alten Württemberger Warmblutes durch die Verdrängungszucht immer mehr verschwand. Ein bewährtes Produkt langjähriger, mühsamer Zuchtarbeit war rasch und schnell ins Abseits geraten. Im Februar 1988 wurde sozusagen in letzter Minute der „Verein zur Erhaltung des Altwürttemberger Pferdes e.V.“ gegründet, der sich für die Erhaltung des ursprünglichen Typs einsetzt. Damals wurden noch lebende Stuten mit mindestens 50% Blutanteil erfasst, leider fanden nur 22 der über 150 Tiere Eingang in die Erhaltungszucht. Festwochenende Haupt- und Landgestüt Marbach Foto: Schreiner 2
Während noch eine Reihe von fruchtbaren und gesunden Stuten zur Verfügung stand, konnte auf keinen einzigen reingezogenen Hengst zurückgegriffen werden. Daher kamen neben den beiden noch vorhandenen Hengsten mit Altwürttemberger Vorfahren Abendruf und Jurist auch Deckhengste des Schweren Warmbluts zum Einsatz, um die fortan als Alt-Württemberger Pferde bezeichnete Rasse neu aufzubauen. Das im Reitpferde-Typ weiter gezüchtete württembergische Warmblut ist heute hingegen als Deutsches Reitpferd bekannt. Mit Blick auf die Wiederbelebung des ursprünglich gezüchteten Typs konnte bereits 1992 ein erster Erfolg verzeichnet werden, denn mit dem Braunen Sorent, ein Nachfahre der noch reingezogenen Stute Solara von Sombrero, stand wieder der erste Altwürttemberger Hengst im Deckeinsatz. Ihn zeichnete eine hervorragende Fruchtbarkeit aus. Seine guten Fohlen zeigen Linie und Kaliber. Sehr gutmütige, nervenstarke Altwürttemberger Stute Foto: Milerski Anlässlich der Fohlenschauen beweist die Altwürttemberger Nachzucht, dass sie sich bei mehr Kaliber dennoch im Gangvermögen sehr wohl mit den Fohlen der Reitpferdezucht messen kann. Zur Einbindung weiterer wertvoller Genanteile können Warmblutstuten mit mindestens 30 Prozent Altwürttemberger Vorfahren zu den Altwürttemberger Hengsten zugelassen werden, ohne dass sie ihren Status in der Reitpferdezucht verlieren. Eigenschaften und Eignung Entgegen des Trends hin zu immer hochblütigeren und feineren Reitpferden konnten die Altwürttemberger als elegante, kraftvolle, gesunde und widerstandsfähige Pferde mit vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Gefordert im Gespann oder unter dem Reiter entwickelt der Altwürttemberger einen enormen Ehrgeiz, ohne jedoch, wie viele seiner blütigen Kollegen, „heiß“ zu werden oder sich gegen den Reiter oder Fahrer zu wenden. Arbeitswille und Gutmütigkeit sind der Rasse in die Wiege gelegt, der Altwürttemberger ist nervenstark bei dennoch lebhaftem Temperament. Dabei ist nicht die Spezialisierung auf eine Disziplin oder Sparte seine Stärke, sondern vielmehr der vielseitige Einsatzzweck und die Unkompliziertheit mit welcher der Altwürttemberger alle gestellten Aufgaben meistert. Als echtes Allroundtalent eignet er sich als zuverlässiger Freizeitpartner, als unerschütterliches Therapiepferd, im Voltigiersport aber auch auf Breitensportveranstaltungen und ist auch im Turniersport bis Klasse L zu finden. 3
Volles Tempo mit alter Technik, Foto: Milerski Mit einer Größe von 155 bis 156 cm Wiederristhöhe (bei Hengsten unter 170 cm) ist der Altwürttemberger der richtige Partner für unbeschwerte Stunden im Sattel oder auf dem Kutschbock. Es kommen überwiegend Braune, Rappen und Füchse vor, Schimmel sind selten. Das Gebäude ist mittelschwer mit genügend Kaliber und einem kräftigen Halt im sogenannten Cobtyp. Der Altwürttemberger verfügt über harte Hufe und zeigt einen raumgreifenden Schritt und schwungvollen Trab. Hengst Solo bei der Hengstleistungsprüfung Foto: Hartje Das Brandzeichen ist das mit drei Zacken versehene württembergische Hirschhorn. Grafik: Pferdezuchtverband Baden-Württemberg e.V. Aktueller Bestand Gegenwärtig umfasst die Altwürttemberger Population 45 eingetragene Stuten, denen noch etwa 60 nachgezogene jüngere Stuten zuzurechnen sind. Als Folge der extremen Umzüchtungsmaßnahmen vom Wirtschafts- zum Sportpferd, liegt heute der durchschnittliche Genanteil der zur Zucht zugelassenen Pferde, die noch das ursprüngliche Altwürttemberger-Blut führen, im Schnitt bei 30 Prozent. Ein Drittel dieser Tiere weist einen Genanteil des alten Württemberger Warmblutes von mehr als 43 Prozent auf. Zehn zuchtaktive Hengste aus fünf verschiedenen Linien stehen der Zucht 4
zur Verfügung. Diese Zahl erscheint in Bezug auf die Zahl der Stuten hoch, ist aber angebracht, um weiteren Genverlust in einer kleinen Population zu vermeiden. Nicht nur seiner Geschichte wegen gilt es den Altwürttemberger zu erhalten, auch seine Exterieur- und Interieurwerte machen ihn zu etwas ganz Besonderem. Der Verein zur Erhaltung des Altwürttemberger Pferdes e.V. und seit 2011 auch die Interessensgemeinschaft zum Erhalt des Altwürttemberger Pferdes engagieren sich dafür, dass dieses altehrwürdige Juwel neue Glanzzeiten erlebt. Ihr Ziel ist es, die reitende Bevölkerung mehr und mehr für die positiven Eigenschaften dieser Rasse zu begeistern und zu sensibilisieren. Das Altwürttemberger Pferd ist Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2018 - als Schweres Warmblut hat es raumgreifende Gänge, ein lebhaftes Temperament und ist vielseitig einsetzbar. Foto: Eble Nervenstark und vielseitig, Foto: Hartje 5
Voltigieren mit dem Hengst Sorius, Foto: Posim _______________________________________________________________________________ Ansprechpartner zum Altwürttemberger Pferd und weiteren Rassen der Roten Liste: Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) Walburger Str. 2, 37213 Witzenhausen, Tel.: 05542-1864, Mail: info@g-e-h.de, www.g-e-h.de GEH-Rassebetreuerin: Christine Zwicker, Blasengasse 10/1, 73035 Göppingen-Jebenshausen, Mobil: 0171-6316339, Mail: ekarazwicker@web.de Verein zur Erhaltung des Altwürttemberger Pferdes e.V., Säulstr. 7, 89547 Gerstetten, www. Altwuerttemberger.de Haupt- und Landesgestüt Marbach, Gestütshof 1, 72532 Gomadingen, Mail: poststelle@hul.bwl.de, www.gestuet-marbach.de Pferdezuchtverband Baden-Württemberg e.V., Am Dolderbach 11, 72532 Gomadingen, Mail: poststelle@pzv.bwl.de, www.pzv-bw.de 6
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