GOTT IN BEZIEHUNG Neuere Materialien zum Thema Trinität für den Religionsunterricht in der Oberstufe - eine Übersicht - Evangelischer Bund
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GOTT IN BEZIEHUNG Neuere Materialien zum Thema Trinität für den Religionsunterricht in der Oberstufe – eine Übersicht Jochen Walldorf Theologisch-didaktische Hinführung Autor: Dr. Jochen Walldorf Das Bekenntnis zu Gott als Vater, Sohn und Geist ist Studienleiter, RPI Gießen für den christlichen Glauben zentral. Das apostolische jochen.walldorf@rpi-ekkw-ekhn.de Glaubensbekenntnis orientiert sich mit seinen drei Ar- tikeln daran und die christliche Taufe geschieht auf den Namen des dreieinigen Gottes. Aber so zentral die Tri- nitätsvorstellung auch für den christlichen Glauben ist, schäftigung mit Trinitätsvorstellungen dort ein etwas so schwierig ist es häufig Schülerinnen und Schülern größerer Raum eingeräumt wird (verbindliches The- Zugänge dazu zu erschließen. Dies zeigt sich schon dar- menfeld Q2.2). an, dass Lernende, wenn sie im christlichen Kontext von „Gott“ sprechen, damit in der Regel Gott als Vater und Schöpfer assoziieren, nicht aber den Sohn oder den hei- ligen Geist – und auch nicht einen dreieinen Gott. Trinität in neueren Schulbüchern, Arbeitsheften und Zeitschriften Die bleibende Relevanz der Trinitätsvorstellung für den RU resultiert jedoch nicht allein aus der zentralen Be- In den Unterrichtswerken für den deutung für die christliche Rede von Gott, Mensch und evangelischen Religionsunterricht in Welt, sondern auch aus dem interreligiösen Gespräch: der Oberstufe wird die Trinität eher „Scheint die Frage nach dem einen und/oder dreifaltigen knapp behandelt. So findet sich z.B. Gott auf den ersten Blick kein drängendes Thema zu im neuen „Kursbuch Religion Sek II“ sein, erhält sie in interreligiösen Lerngruppen, aber auch (2021) vor allem eine Seite mit kurzen in Gesprächen mit islamischen und ggf. jüdischen Mit- Texten von Wilfried Härle und Doro- schüler/innen unerwartete Relevanz. Allein aus diesem thee Sölle, ähnlich verhält es sich im Grund kann ihr der RU nicht ausweichen“.1 „Religionsbuch Oberstufe“ (2014). Mehrfach wird in Publikationen auf In didaktischer Hinsicht ist für die Beschäftigung mit der einen Versuch des Theologen W. Trinitätslehre in der Oberstufe u.a. wichtig, dass … Härle, einen kurzen Rundfunkbei- n bei allen Vermittlungsbemühungen die Anders- trag zur Trinitätslehre zu erstellen, artigkeit und Unverfügbarkeit Gottes bewusst zurückgegriffen.3 Kerngedanke ist bleibt (Gott als Geheimnis), dabei, dass der eine Gott dreifach n keine falschen Vorstellungen von Trinität (Tritheis- begegnet und erfahrbar wird – „nicht mus, Modalismus) entstehen bzw. solche drei Götter, aber ein Gott dreifach“. Vorstellungen kritisch hinterfragt werden und n der Ansatzpunkt bei den (religiösen) Vorstellungen, In den Lehrwerken für den katholi- Fragen und Anforderungen der Jugendlichen schen RU wird – entsprechend der gewählt wird. curricularen Vorgaben – Trinität z.T. deutlich ausführlicher thematisiert. Außerdem muss die Lehrkraft selbst eine für sie stim- Anregend ist z.B. die Entfaltung in mige (immer auch Fragen einschließende) theologische der neuen Ausgabe von „Vernünftig Position entwickeln und zur Sprache bringen können. glauben“ (2020). Neben gut versteh- Ziel der unterrichtlichen Beschäftigung ist es, ahnen zu baren Texten, in denen ein Zugang lassen, dass Dreieinigkeit bedeutet: Gott ist nicht erst in zur Trinitätsvorstellung u.a. über seiner Beziehung zum Menschen, sondern schon in sich die menschliche Erfahrung inniger selbst Liebe und dynamische Lebendigkeit (vgl. 1. Joh Liebe erschlossen wird (Wolfgang 4,8; Joh 1,1; 5,26).2 Beinert)4, finden sich drei prägnan- te Bildwerke moderner Kunst sowie Blickt man auf die curricularen Vorgaben für Ev. Religi- eine Auseinandersetzung mit der is- on in Hessen und Rheinland-Pfalz, dann bildet Trinität lamischen Sicht auf die Trinität.5 jeweils einen wichtigen thematischen Zusammenhang (KCGO Hessen: Q2.3 und Q2.1; Rheinland-Pfalz: The- Bei der inhaltlichen Entfaltung der Trinitätsvorstellung menbereich Jesus Christus: Konkretion 4), ist allerdings wird in einigen Schulbüchern zunächst auf die Erfah- unterschiedlich verortet. Ein Vergleich mit dem KCGO rungen Bezug genommen, die die ersten Jüngerinnen für Katholische Religion in Hessen zeigt, dass der Be- und Jünger mit Jesus, seiner einzigartigen Gottesnähe -Impulse 1|22 | Fachbeitrag 23
SEKUNDARSTUFE II und mit der im Menschen wirkenden Kraft des göttli- zeugten Erfahrungen mit Jesus Christus vermittelt z.B. chen Geistes gemacht haben. Als Verdeutlichung dieser der katholische Theologe Hans Kessler in seinem Beitrag unterschiedlich akzentuierten Gotteserfahrungen dient „Trinität? Der eine Gott – dreifaltig“. Er bezieht eine mitt- vielfach – im Anschluss an Karl Rahner – die Rede von lere Position zwischen sog. mono-subjektivischen und Gott-über-uns (Vater), Gott-mit-uns (Sohn) und Gott-in- sozialen Modellen der Trinität (die stärker von der Einheit uns (Geist). Ausgehend davon kann gefragt werden, in- bzw. von der Interpersonalität Gottes ausgehen) und be- wiefern den drei Begegnungsweisen Gottes (sog. heils- tont, dass „Gott wesenhaft in kommunikativer Beziehung ökonomische Trinität) auch etwas in Gott selbst ent- zu denken ist“. Anschließend werden im Heft schulform- spricht (sog. immanente Trinität). bezogene Praxis- und Unterrichtsideen vorgestellt. Für die Oberstufe entwickelt Thomas Menges konkrete Im- Neben den Unterrichtswerken bie- pulse (als Online-Material auf der Homepage des Eulen- ten einige Arbeitshefte und Zeit- fisch abrufbar) und greift dabei u.a. auf Textauszüge aus schriften vielfältige theologische und dem genannten Beitrag von Kessler zurück. Als Anforde- didaktische Impulse. In dem neuen rungssituation wählt er – ähnlich wie Christina Bartsch – Themenheft des RPI „Nach Gott eine Diskussion unter Schülern, in der der Satz fällt: „Ihr fragen – Konzepte und Mat eriali- Christen glaubt doch an drei Götter“. In mehreren Lern- en für den Oberstufenkurs ‚Gott‘ schleifen werden dann vor allem das Gottesverständnis (Q2)“ (2021) entfaltet Christina im Islam sowie Entstehung und Grundbegriffe der kirch- Bartsch eine Lernaufgabe zur eigen- lichen Trinitätslehre erarbeitet und dazu Textmaterialien ständigen Erschließung des Themas vorgelegt. Außerdem findet sich im Heft z.B. ein Beitrag durch die Lernenden. Als Anforde- zu unterschiedlichen Trinitätsdarstellungen von der alten rungssituation wird ein Gespräch Kirche bis in die Moderne: „Visio Dei – Bilder vom drei- zwischen einer muslimischen Schü- einigen Gott“. lerin und Mitschülerinnen, die den ev. Religionsunterricht besuchen, Eine breite Vielfalt von Unterrichtsmaterialien für die gewählt. Darin äußert die muslimi- Oberstufe bietet die Zeitschrift „Religion betrifft uns“ sche Schülerin ihr Unverständnis in der Ausgabe 1/2017: „Gott in Beziehung – Dreifal- darüber, dass für Christen Gott Vater tigkeit als Ausdruck menschlicher Gottesrede“. In und Mutter sein soll und auch noch dieser Vielfalt liegen zugleich Chance und Grenze: Da- ein Baby hat. Ausgehend von dieser Situation sollen die durch, dass das Thema über sechs (Unterrichts-)Module Lernenden eine Antwort an Kamila entwickeln (z.B. in hin sehr breit angelegt ist und die Texte zudem für Ju- Form eines Audioblogs), in der sie das trinitarische Got- gendliche häufig anspruchsvoll sind, kann im Grundkurs tesverständnis erklären, es mit der Gottesvorstellung im nur auf einige wenige Materialien zurückgegriffen wer- Islam vergleichen und selbst zu beidem Stellung neh- den (z.B. aus dem Modul 6: „Trinität im islamisch-christ- men. Zur Bearbeitung dieser Lernaufgabe erhalten die lichen Gespräch“). Breitere Verwendung der Materialien Jugendlichen verschiedene Texte und Materialien, die im ist in einem Leistungskurs denkbar. Heft abgedruckt sind und im Beitrag der Autorin näher erläutert werden, z.B. zur heilsgeschichtlichen und zur Die katholische religionspädagogische Zeitschrift immanenten Rede von der Trinität (Klaus von Stosch, „RelliS“ hat in der Ausgabe 4/2013 ebenfalls das Sabine Pemsel-Maier) sowie zur Gottesvorstellung im Thema Trinität aufgegriffen und legt darin – neben Islam. theologischen Akzenten – mehrere didaktische Beiträ- ge (auch) mit Bezug zur Oberstufe vor. Georg Gnandt Auch das Arbeitsheft „Der unverfügbare und der er- entfaltet ein ansprechendes Unterrichtsvorhaben, das fahrbare Gott“ (Klett 2012) behandelt die Trinitätsvor- zunächst grundsätzlich Möglichkeiten und Grenzen stellung relativ breit – unter Rückgriff auf verschiedene des Nachdenkens über Gott reflektiert (Anforderungs- theologische Texte (z.B. von Werner situation: Ein nicht-gegenständliches Kunstwerk als Brändle, Wilfried Härle und Rochus „Gottesbild“ über dem Altar?). Im weiteren Verlauf Leonhardt) und vielfältiges Bildma- werden die Bedeutung der Drei-Zahl in Alltag und Re- terial. ligionsgeschichte, die Frage nach der Entstehung der Trinitätslehre sowie – im Sinne eines „umkreisenden Ausschließlich mit dem Thema Tri- Verstehens“ – verschiedene trinitätstheologische Zu- nität befasst sich die Zeitschrift gänge (Norbert Scholl, Sabine Pemsel-Maier, Lorenz Eulenfisch (Limburger Magazin Wachinger) thematisiert und ins Gespräch gebracht. für Religion und Bildung) in ihrer Am Schluss steht ein Bezug zur Musik (Mozarts Trini- Ausgabe Nr. 24 (2020): „Singular, tatismesse).6 Plural, Trinität“. Darin werden zu- nächst von verschiedenen Autoren In einem weiteren Heftbeitrag entwickelt Daniela Busse theologisch-philosophische Zugän- eine Annäherung an die Trinität mithilfe moderner Litera- ge zur trinitarischen Gottesvorstel- tur und persönlicher Glaubensbekenntnisse. Textanaly- lung entfaltet. Einen guten Überblick tisch wird dabei mit der sog. PQ4R-Methode gearbeitet über die Entwicklung der Trinitäts- – eine Lesestrategie, deren zentrales Merkmal das Ge- vorstellung aus den in der Bibel be- nerieren und Beantworten von Fragen als Ausganspunkt 24 -Impulse 1|22 | Fachbeitrag
SEKUNDARSTUFE II zum Textverstehen ist. Zentral für den Unterrichtsentwurf mern (Home-Schooling!) ausgewählt ist die arbeitsteilige Erarbeitung sowie Präsentation und und entsprechend beschriftet bzw. Diskussion verschiedenartiger Texte zur Trinität (Gedich- kommentiert haben, um „Trinität“ te von Kurt Marti, persönliche Glaubensbekenntnisse darzustellen.8 Zu sehen ist z.B. ein aus einem Credo-Projekt, Auszüge aus dem Buch „Die Multi-Tool mit der Schöpfer-Zange, Hütte“ von William P. Young, lehramtliche bzw. theo- dem Jesus-Messer zum Sünden- logische Texte) anhand der genannten Methode. Die vergeben und dem Heilig-Geist-Fla- Textauswahl bringt eine interessante Bandbreite an Bil- schen- und -Herzensöffner. Wie die dern und Umschreibungen Gottes zum Vorschein und Autorin schreibt: „Das ist nicht im- bietet so gute Möglichkeiten zur Identifikation und Aus- mer theologisch-politisch korrekt, einandersetzung. Mithilfe der Methode des kreativen aber ehrlich und echt, herausfor- Schreibens formulieren die Jugendlichen anschließend dernd, überraschend, anregend“. die eigene Position zur Trinitätsfrage und wählen dafür Anregend sind auch die „trinitari- eine der kennengelernten Textformen. sche[n] Entdeckungen im Alltag“, die Harald Lamprecht schildert. Da wird Die neueste Ausgabe der Zeitschrift des Evangelischen im Supermarkt mehrfach für „Drei in Bundes „Evangelische Orientierung“ (2/2021) entwi- eins“ geworben, z.B. bei Tabs für die ckelt ebenfalls Perspektiven auf die Dreieinigkeit Gottes.7 Geschirrspülmaschine: „Reiniger, Für den religionspädagogischen Kontext interessant ist Klarspüler und Spülsalz in einem Tab dabei u.a. der Beitrag von Christina Krause zur Trini- kombiniert. Man packt nur einen Würfel in die Maschine tätstheologie mit, für und von Jugendlichen. Darin sind und hat drei Aufgaben erfüllt“. Das mag nicht wirklich Fotos mit Gegenständen zu sehen, die kurz vor dem Abi- helfen, die Trinität besser zu verstehen, bietet aber doch tur stehende Schülerinnen und Schüler aus ihren Zim- einen interessanten Gesprächsanlass. 1 Pemsel-Maier, Sabine, Gott und Jesus Christus – Orientierungswissen Christologie, Stuttgart 2016, S. 214. 2 Vgl. dazu Gnandt, Georg, Göttliche Kleinfamilie oder Beziehungskommune? […], in: RelliS 4/2013, S. 46f. 3 Vgl. z.B. Härle, Wilfried, Warum Gott?, Leipzig 2014, 203f. Zum Ansatz Härles vgl. auch ders., Trinität ist kein theologisches Kreuzworträtsel, in: Schönber- ger Hefte 2/2007 https://www.rpi-ekkw-ekhn.de/fileadmin/templates/rpi/normal/material/arbeitsbereiche/ab_sekII-abitur/SH_2-2007_Haerle_Trinitaet.pdf (Zugriff am 2.11.2021) 4 Einen ähnlichen, jedoch anders akzentuierten Ansatz erläutert F. von Herreman im Anschluss an den Religionsphilosophen Jörg Splett: „Das Absolute trinitarisch denken“ (Eulenfisch Nr. 24, S. 26ff) 5 In der Ausgabe von 2011 findet sich stattdessen ein Text von Peter Knauer, der die Dreifaltigkeit Gottes mit der Folge der Personworte Ich – Du – Wir vergleicht. 6 2009 hat Georg Gnandt die Idee eines Schreibzirkels vorgestellt, in dem die Lernenden schriftlich verschiedene Texte bzw. „Stimmen“ kommentieren, die um die Frage nach Gott und die Bedeutung trinitarischer Gottesvorstellungen kreisen (entwurf 4/2009, 37ff). 7 https://evangelischer-bund.de/unser-magazin-evangelische-orientierung-2-2021/ 8 Einen ähnlichen Versuch unternimmt Ulrich Löffler in seinem Artikel „Theologische Laborzeiten – Die Dreieinigkeit Gottes im RU (nicht nur) der gymnasialen Oberstufe“ (entwurf 1/2020, 54ff). Er gibt Lernenden den Auftrag, eine kleine Zeichnung zu erstellen, in der die vier Begriffe Heiliger Geist, Vater, Sohn, Gott integriert sind. Im Artikel werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt und Vorschläge zum weiteren Vorgehen gemacht. -Impulse 1|22 | Fachbeitrag 25
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