BEY OND THEA TRE ZWISCHEN INDUSTRIALISIERUNG UND DIGITALISIERUNG
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BEY 1920 | 2020 OND THEA TRE Digitale Werkschau 3. Studienjahr Regie ZWISCHEN 1. und 2. Studienjahr Dramaturgie INDUSTRIALISIERUNG 3. und 4. Studienjahr UND DIGITALISIERUNG Schauspiel und Gäste 02.— 03.06.2020 2
EDITORIAL Auf die Frage, ob das Theater sich nun in einer ernsten Krise befände, antwortete Heiner Müller vor vielen Jahren: „Das Theater ist immer in der Krise.“ Und das ist gut so. Das Theater muss sich immer wieder neu erfinden, ist es doch ein Seismograf gesellschaftlicher Prozesse, ein Ort der Dystopien und Utopien gleichermaßen, wo Handlungsstrategien verhandelt, Konflikte und Machtverhältnisse überprüft werden können − ein Ort, der Menschsein empathisch eruieren lässt und zur Diskussion stellt. Alle Student*innen der ADK haben sich studiengangs- übergreifend in diesen besonderen Zeiten einer Pandemie den digitalen Möglichkeiten szenischer und darstellerischer Gestaltung gewidmet. Das Thema, vor einem Jahr beschlossen, passt, als wäre es für die Jetztzeit bestimmt gewesen: Die Moderne hat nach 1920 versucht, sich über Krisen und Umbrüche hinweg einen Weg zu bahnen und dabei eine der grausamsten Entwicklungen ausgelöst, die Millionen von Menschen durch Fanatismus und Rassismus den Tod gebracht hat. Erst nach dem Fanal des 2. Welt- kriegs erwachte die Erkenntnis, dass durch eine soziale, demokratische Gesellschaftsform Wohlstand, Gerechtigkeit und ein halbwegs friedliches Miteinan- der beschritten werden können. Wie sieht das 100 Jahre später aus − in einer neuen krisengebeutelten Zeit großer Veränderungen, in der zum ersten Mal ein vom Menschen gebautes System Natur und sich selbst radikal infrage stellt? Ein spannender Versuch der neuen Generation, ihre eigenen Sichtweisen zu formulieren, altbekannte Pfade dabei zu verlassen und sich neuen Experimenten mit neuen Formaten zu widmen. Auch beflügelt die Krise – und führt zu neuen Ufern! © die arge lola Elisabeth Schweeger, Mai 2020 4 5
»#WIRWERDENROSA« Wir starteten mit ausgereiften Ideen in die Probenzeit, als die Pandemie unser gesellschaftliches Leben lahmlegte und die Theaterbühnen als Ort der Entfaltung geschlossen wurden. Die Bühnenbretter unter unseren Sohlen, einfach weg. Aber wenn man etwas am Theater wirklich KLICK HIER lernt, dann ist es mit unvorhergesehenen FÜR EIN Situationen umgehen zu müssen. Als eine Zeit der Neuorientierung, die sich VIDEO in mannigfaltige Richtungen entwickeln kann, erscheint auch die Zeit Rosa Regie Luxemburgs, dieser souveränen Wortfüh- Amanda Lasker-Berlin rerin unterdrückter Arbeiter*innen. Wir entwarfen eine Experimentieranordnung Es spielen im Videoformat, in der vier verschiedene soziale Klassen aufeinander treffen und Lily Josephin Frank, ihre Handlungspotentiale ausloten. Stella Hanheide, Wer verbündet sich mit wem? Gewohnte Denkmuster oder Zukunftsvisionen? Till Krüger, Sara Scheer Eine polarisierende Gestalt mischt die Dramaturgie Nina Dahl Runde plötzlich auf, stellt Aufgaben, moderiert Diskussionen, verführt zu Bühnen- und waghalsigem Verhalten und ähnelt irgendwie Rosa. Kostümbild Amanda Lasker-Berlin Videoschnitt Interview Jens Naujoks Zur Einsicht freigegeben am 02.06.2020 ab 12.00 6 7
Präsentation »METAMORPHOSIS« am 02.06.2020 18.00 Uhr Auszug aus »Metamorphosis« nach Franz Kafka NACH FRANZ KAFKA Vater Du hast Recht Glaube ich Aber warum kann ich dann 2. Szene: Kriegserlebnisse das? Aufeinanderhockend und chronisch Grete, Abiturientin 1920/2020, Visco- Gerechtigkeit. Dabei dehnt er seine Die große Spendengala auf (erschießt alle mit einem gereizt finden sich die Samsas in der Girl und Social-Justice-Warrior, ist Kind Erzählung über 100 Jahre – von 1920 Zoom ist in vollem Gang. Va- wilden Ratatata Bum Bum ter Samsa erzählt von seiner Bum. Alle Bildschirme gehen Krise wieder – mit unterschiedlichen der Generation Z. Hyperreflektiert und bis 2020 und knüpft an die Debatte um Zeit als Soldat 1914 und Weih- nacheinander aus. Nur der Bewältigungsstrategien. Vater Samsa klassenbewusst ist sie vollzeit damit die Parallelen von damals und heute nachten im Schützengraben. Prokurist geht wieder an) steht neben sich, Mutter Samsa am beschäftigt, die kolonial-rassistischen an. Wie Vampire ungewissen Alters Vater Prokurist Herd. So weit, so stereotyp. Während Ausfälle ihrer Mutter und die kriegsver- werden die Figuren so gleichzeitig zu Also genau, wo waren wir Der verdächtige Moschus- Tochter Grete sich für ihr Deutsch-Abi herrlichenden Kommentare ihres Vaters Zeitzeugen der Weimarer Republik und stehen geblieben? geruch Ein grünes Licht durch den in Reclamhefte gräbt, wird um Sohn einzuordnen. Zeit sei eben ein schwieri- verschrobenen Karikaturen von heute. Mutter (homophob) Türschlitz und Alleinverdiener Gregor ein großes ges Konzept, meint sie. Wer Visco-Girl und wer Patriarch*in, Bei deinen lieben Weih- Und dieser Schleim nachtselfen … Typisch Geheimnis gemacht. Durch seinen Autoritäts-Fetischist*in und wer Ver- Die Fäulnis hat die Familie Arbeitsausfall hängt der Haussegen Angesichts der weltweiten COVID- wandlungskünstler*in ist, verschwimmt Vater tief im Mark erreicht schief und weil die Geldnot realer ist als 19-Pandemie ist auch Raum momentan dabei im Lauf der Erzählung. Genau, die! Unzureichende Einbindung Die Süßen, haben uns Mor- in die gesellschaftlichen alles andere, lädt Mutter Viktoria zur ein schwieriges Konzept. Auf der einen phiumfläschchen gebracht Aushandlungsprozesse großen Spendengala ein. Seite heißt es, die Situation mache Und Handgranaten Die Gleichschaltung der Und dann Drohnen privaten und staatlichen uns alle gleich – und verhelfe zu mehr Und Panzer Interessen Nostalgisch schwärmt sie von der Zeit Solidarität. Online fordern Hollywood- Und Helikopter Hat einen Abbruch erhalten Und Laserpistolen Und der Abbruch in den alten Kolonien ihrer Großadelsfa- größen derweil aus ihren Villen heraus Krabbelt da hinter dieser Tür milie, der Weltausstellung 1900 und ih- zu eben jener auf – und ernten dafür Tochter (in die Linse) Einen Blick werd ich doch rer Liaison mit Marie Curie. Auch in der Shitstorms. Raum ist Privileg und ein Papa, du verwechselst das mal werfen dürfen glaube ich mit einem von deinen Spielen. Einen kurzen Augenschlag erhaschen alten Zeit verhaftet ist Vater Wilhelm. Als Veteran des ersten Weltkriegs und #stayathome geht jenen, die ihn haben, leichter von der Hand. „Check your pri- Regie und Text Drohnen werden doch erst viel später erfunden. Welches Monster hier ans Bett gefesselt Vollblut-Patriarch hat er das Kämpfen vilege!“ scheint auch „Metamorphosis“ Julian Mahid Carly noch längst nicht aufgegeben. Seine seinen Figuren zuzuschreien. Unter Ver- Es spielen Maria João (wieder zur Runde) Sich selbst der Arbeit ver- Zeit ist ein schwieriges weigert Konzept. Wer in diesen schweren Gegner von damals: Das französische wendung von Franz Kafkas ikonischer Zeiten, das Zimmer nicht verlässt Militär und die Langeweile im Schützen- Erzählung „Die Verwandlung” ver- Kreth d´Orey, Luzia Op- graben. Seine Gegner*innen heute: Das schneidet Julian Mahid Carly in seinem – Hab ich es mir doch ge- Essen seiner Gattin, Videospiel-Villains Text Phänomene der Popkultur mit permann, Jannik Süsel- dacht! und die ihm geistig überlegenen Frauen in seinem Umfeld. pseudowissenschaftlicher Psychoana- lytik und aktuellen Diskursen um soziale beck, Dominik Tippelt Dramaturgie Lena Meyerhoff Bühnen- und Kostüm- bild Ensemble 8 9
EIN INTERAKTIVES »DER OZEANFLUG« HÖRSPIEL NACH Freischaltung DER RADIO-OPER am 03.06.2020 ab 12.00 Uhr VON BERTOLT Im Mai 1927 wagt Charles Lindbergh das scheinbar Unmögliche und bricht zum ers- BRECHT ten Nonstop-Alleinflug über den Atlantik auf. Um mehr Treibstoff laden zu können, verzichtet er auf Co-Piloten und Funkgerät. Vollkommen auf sich gestellt muss er nicht nur Nebel, Stürme und die eigene Müdig- keit überwinden, sondern auch die Zweifel daran, dass sein Flug überhaupt gelingen kann. Brechts Lehrstück ist eine Metapher für das Erreichen des vermeintlich Unerreich- baren, für die Emanzipation von gesell- Regie schaftlichen Zwängen durch das Auf- sich-gestellt-Sein. Diese Metapher wird Felix Bieske übersetzt in ein interaktives Hörspiel, bei Es sprechen Sarah dem die Hörer*innen die konsumierende Position verlassen und selbst zu Protago- Palarczyk, Johannes May, nist*innen werden. Das Spiel lässt sie in Caro Mendelski, Sophie das Abenteuer des Ozeanflugs eintauchen, konfrontiert sie aber auch bald mit Her- KLICK HIER Richter, Leo Röcker, ausforderungen, die sie dazu animieren, FÜR EIN Stellung zu beziehen – und vielleicht sogar Jonathan Springer dazu, die Grenzen des Erreichbaren zu HÖRERLEBNIS Dramaturgie hinterfragen. Sarah Charlotte Becker Game Design Johannes May Klang Steffen Scheuermann Aufführungsrechte: Suhrkamp Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 10 11
»DER ZUSAMMENSTOSS – WWW.ZUSAMMENSTOSS.DADA« FREI NACH MOTIVEN VON KURT Als in Kurt Schwitters‘ komischer Oper „Der Die Weichen stehen auf Weltunter- gang im Berlin der späten Zwanziger SCHWITTERS Zusammenstoß” wie aus dem Nichts ein Jahre: In Kurt Schwitters’ (*1887; †1948 im Exil in England) komischer fremder Planet er- Oper „Der Zusammenstoß” (1928) scheint, der mit der Erde gerät die Erde auf Kollisionskurs mit zu kollidieren droht [...] dem „grünen Globus”. Auch auf formel- ler Ebene ist der Stücktitel Programm: Romantische Ballade, surrealistisches Als Autor dürfte Kurt Ballett, Revue, Meta-Kommentare und Schwitters (*1887 lautmalerischer Sprachwitz bilden ein Hannover; † 1948 dadaistisches Spektakel. Kendal, Cumbria, England) breiteren Regie Anaïs D. Mauptit Dazwischen irrlichtern Gestalten wie ein zum Leben erwachter Teddybär; ein Kreisen heute vermut- Es spielen Kim Biele, manischer Wissenschaftler und ein lich für die „Ursonate” oder „An Anna Blume” Florian Gerteis, Marcel machtbesessener Politiker - deren bekannt sein [...] Gisdol, Henning Mittwollen Präsentation Nicht-Antworten auf die Krise oft genug ihre einzige Antwort bleibt. Dramaturgie am 03.06.2020 „www.zusammenstoß.dada” bedient Marvin Neidhardt 18.00 Uhr sich an den Motiven dieser Vorlage wie zeitgenössische Internetkultur an Bühnen- und Kostümbild geistigem Eigentum und lädt zum Sebastian Schrader Streifzug durch die Säle eines digitalen Varieté, wo das Publikum Ausblicke auf (HfBK Dresden) die letzten Minuten einer dem Unter- Komposition, Klavier gang geweihten Zivilisation entdeckt, die sich nicht aus ihrer Erstarrung Hannes Mittwollen lösen wird. Webdesign Anaïs D. Mauptit, Sebastian Schrader 12 13
Mitwirkende Sarah Charlotte Becker, Kim Biele, Felix Bieske, Julian Mahid Carly, Nina Dahl, Lily Josephin Frank, Florian Gerteis, Marcel Gisdol, Stella Hanheide, Maria João Kreth d´Orey, Till Krüger, Amanda Lasker-Berlin, Anaïs D. Mauptit, Johannes May, Caro Mendelski, Lena Meyerhoff, Hannes Mittwollen, Henning Mittwollen, Marvin Neidhardt, Luzia Oppermann, Sarah DON’T LOOK Palarczyk, Sophie Richter, Leo Röcker, Sara Scheer, Steffen BACK IN ANGER Scheuermann, Sebastian Schrader, Jonathan Springer, Jannik Süselbeck, Dominik Tippelt Projektdozent*innen Heike M. Goetze (Regie), Sylvia Sobottka (Dramaturgie), Philip Steimel (Technische Beratung), Laura Tetzlaff (Schauspiel), Christin Vahl (Raum) Mentorin Regie Christina Rast Akademie für Darstellende Kunst Baden Württemberg Akademiehof 1 | 71638 Ludwigsburg www.adk-bw.de Künstlerische Direktorin und Geschäftsführerin: Prof. Dr. Elisabeth Schweeger Verwaltungsleiterin: Diana Zanker 14 15
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