Haushaltskonsolidierung als Voraussetzung für eine gute Zukunftsgestaltung

 
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Gemeinde Forst                                                             29.03.2021
Haushaltsrede für das Jahr 2021
Bürgermeister Bernd Killinger
                           *Es gilt das gesprochene Wort*

Haushaltskonsolidierung als Voraussetzung für eine gute Zukunftsgestaltung

Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
sehr geehrter Vertreter der Badischen Neuesten Nachrichten,

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Zusammenfassung für Entscheidungsträger
der Haushalt für das Jahr 2021 ist handwerklich solide aufgestellt. Dem Kämmerer
gebührt schon jetzt mein Dank.

Hauptsächlich strukturell bedingt, aber natürlich auch beeinflusst durch die
Coronapandemie, ist unser Haushalt nicht im Gleichgewicht. Der
Gesamtergebnishaushalt schließt trotz kalkulierter Mehreinnahmen durch Erhöhung
der Grund- und Gewerbesteuer voraussichtlich mit -3,8 Millionen Euro ab.

Er weist auch in der gesamten mittelfristigen Finanzplanung bis ins Jahr 2024
negative Zahlen aus. In der ersten Stufe ist der Forster Haushalt damit nicht
genehmigungsfähig. Die Abschreibungen werden nicht erwirtschaftet. Wir leben auf
Kosten unserer Kinder.

Auch der Finanzhaushalt ist im laufenden Jahr mit -2,3 Millionen Euro negativ.
In der mittelfristigen Finanzplanung hellt sich das Bild wieder etwas auf, was aber
insbesondere daran liegen dürfte, dass die Investitionstätigkeit der Zukunft noch nicht
solide ermittelt und erfasst ist.

Im aktuellen Haushaltsjahr ist bis zum 31.12.2021 ein Schuldenstand in Höhe von
5,58 Millionen Euro ausgewiesen. Dies entspräche einem Anstieg um rund 3,6
Millionen Euro. Bis zum 31.12.2024 wäre zum aktuellen Zeitpunkt eine Entwicklung
denkbar, wo der Schuldenstand bis auf 6,78 Millionen Euro ansteigen könnte. Aktuell
ist die Gemeinde mit rund 2 Millionen Euro verschuldet. Damit weist das Planwerk
eine Verdreifachung der Verschuldung aus. Hier gilt es im Haushaltsvollzug darauf
zu achten, dass aus Planung nur im Notfall auch Realität wird.

Positiv ist: Die Girokonten sind mit über 7 Millionen Euro zum Jahresende 2020 noch
gut gefüllt, weshalb insgesamt davon auszugehen ist, dass der Haushalt der
Gemeinde Forst für das kommende Jahr erneut unter Auflagen genehmigungsfähig
ist.

Trotz insgesamt schwieriger Haushaltslage investieren wir in die Zukunft der
Gemeinde. Investitionsschwerpunkte sind die Bereiche Sicherheit (Feuerwehr und
Katastrophenschutz), Bildung und Betreuung (Digitalisierung der Lußhardtschule und
neuer Kindergartenteilneubau St. Franziskus) sowie die
Generalentwässerungsplanung.
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Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,
werte Bürgerinnen und Bürger,

                 Die Pflicht zum Haushaltsausgleich geht allen anderen
                 Pflichten vor, weil auf die Dauer keine Pflicht mehr erfüllt
                 werden kann, wenn der Haushaltsausgleich nicht gelingt.
                 Janbernd Oebbecke, deutscher Rechtswissenschaftler

Oebbecke bringt es auf den Punkt. Bevor wir über die eine oder andere
zukünftige (neue) Aufgabe diskutieren, muss erst einmal der Haushalt als
Ganzes wieder ins Gleichgewicht gebracht werde. Kommunalpolitik wird
für die Menschen gemacht. Der Haushalt ist kein Ziel an sich, sondern nur
das Instrument um die Aufgabenerfüllung abzubilden. Unser Haushalt hat
nicht wegen der Krise das Gleichgewicht verloren. Das Neue Kommunale
Haushaltshaltrecht hat ein strukturelles Ungleichgewicht offenbart. Dieses
wiederherzustellen wäre schon in normalen Zeiten eine Mammutaufgabe.
In Krisenzeiten ist es noch schwieriger. Ich wage nicht abzuschätzen, bis
wann wir den ersten ausgeglichenen Haushalt werden vorlegen können,
aber ich befürchte, dass dies in der Amtszeit des amtierenden
Gemeinderats kaum möglich sein wird.

Volatile Wirtschaftslage
Warum bin ich so zurückhaltend?
Die Pandemie hat die längste wirtschaftliche Boom-Phase der
Nachkriegszeit beendet. In den vergangenen 10 Jahren war auch in den
Kommunen gefühlt alles möglich, weil die Einnahmen in nie dagewesenem
Ausmaß gesprudelt sind. Ein Rekordeinnahmenjahr hat das nächste
abgelöst. Dieser Boom ist nun zu Ende gegangen. Corona hinterlässt seine
Spuren, ganz besonders in den kommunalen Haushalten. Die
einschlägigen Überschriften der regionalen und überregionalen Zeitungen
habe ich bereits in meiner Neujahrsansprache vom Januar dargestellt.
Nachtragen möchte ich nur eine Überschrift aus Spiegel-Online vom 27.
März: Dort ist eine Kolumne überschrieben mit „Die Rückkehr des
Pump-Kapitalismus“. Diese Zeilen beschreiben bestens die Situation auf
allen Ebenen unseres politischen Systems. Bund, Land und Kommunen
machen bereits Rekordschulden oder wir sind auf dem Weg dorthin. Was
das einmal für unsere Kinder bedeutet, kann ich überhaupt nicht
abschätzen. Schon jetzt nehme ich die ganz persönlichen Zukunftssorgen
in den Abschlussjahrgängen war, weil bei vielen nicht klar ist, ob dieses
Jahr der Schulabschluss und die Aufnahme von Ausbildung und Studium
überhaupt möglich sind.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Zeiten unsicher sind wie nie und
damit auch die Unsicherheiten in unserem kommunalen Haushalt extrem
groß sind. Banken (Greensill) gehen Konkurs und die kompletten Einlagen
von Städten und Gemeinden gehen dabei verloren. Ein havarierter
Frachter im Suezkanal bringt den Frachtguttransport aus dem Takt (auch

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dann noch, wenn er bereits zum Teil freigeschleppt ist) und ob und bis
wann Corona wieder im Griff ist, lässt sich aktuell nicht einmal erahnen.

Aktuelle Coronasituation
Mit einem langen und dunklen Winter habe ich gerechnet, aber dass wir
mit dem Erstarken des Frühlings in das nächste exponentielle Viren-
Wachstum geraten, lässt mich sprachlos zurück. Ich merke, dass es auch
mir zunehmend schwerfällt, mich selbst zu motivieren und der Pandemie
die Stirn zu bieten. Ich bedanke mich bei allen, die das bis zum heutigen
Tag tun. Symbolisch FÜR ALLE bedanke ich mich bei dem Team, das am
Samstag den ersten Bürgerschnelltest in der Turnhalle organisiert und
durchgeführt hat (es wird eine Wiederholung am kommenden Samstag
geben!) und bei allen Kindern und Familien, die ebenfalls am Samstag auf
Einladung der Bücherei „Die drei ???“ VIRTUELL besucht haben. Danke
für jeden kleinen und großen Beitrag auf dem Weg zurück in eine
neue Normalität. Danke an alle, die Zusammenhalt und Solidarität
weiter groß schreiben. Bisweilen liegen die Nerven jedoch blank. Auch bei
mir. Die Pandemie führt mir meine eigenen Unzulänglichkeiten vor Augen,
aber auch die meines Umfelds. Noch nie in 15 Monaten war so viel
Aktionismus wie in diesen Wochen. Tübingen hat einen Wettbewerb um
die Modellkommune ausgelöst und alle Kommunen werden zum Opfer.
Plötzlich regiert die Kleinstaaterei. In den Kommunen findet das seine
Fortsetzung. Fraktionen fordern mobile Impfteams, Bürger „Bürgertests“.
Alles bisweilen federführend von der Kommunen begleitet. Geld und
Personalstellen, die immer so kritisch unter die Lupe genommen werden,
spielen hier keine Rolle. Auch für die Zuständigkeiten interessiert sich
niemand. Alle Angebote der Kommune sind freiwillig, während Impfstoff
für die Hausarztpraxen ist bis heute Fehlanzeige ist. Wesentliche Teile des
Gesundheitswesens sind bisweilen bis heute bei der Pandemiebekämpfung
außen vor. Gerade weil die deutsche Impfstrategie scheitert, steigt der
Druck in den Gemeinden vor Ort. Am Ende machen wir irgendein Angebot,
aber wir wissen, dass das nicht die Antwort auf die große Frage ist und oft
nicht einmal ein Tippelschritt auf dem Weg zur neuen Normalität. Ich
wünsch mir und hoffen, dass wir alle über die Feiertage wieder etwas zur
Ruhe finden werden. Ich habe einen Weg aufgezeigt, wie wir die
Impfkampagne von Bund und Land langfristig unterstützen können. Bitte
stellen Sie sich hier hinter mich, damit wir was erreichen können.
Grundsätzlich bin ich auch mit jeder anderen Rolle einverstanden, die uns
Bund/Länder auferlegen, wenn es nur ein klares Ziel, einen klaren
Rahmen und einen nachvollziehbaren Auftrag gibt. Nur unter solchen
Voraussetzungen können wir den Zusammenhalt in unserer Gemeinde
einsetzen und umfassend ausspielen.

Nun zurück zum Haushalt und den Coronahilfen des Landes:
Positiv zu vermerken ist, dass der Haushaltsvollzug 2020 weitaus positiver
ausgefallen ist, als er erwartet war. Umfassende finanzielle Hilfen des
Landes verbessern das Gesamtergebnis 2020 erheblich. Wenn man alle
Unterstützungsleistungen des Landes unter der Überschrift „kommunale
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Coronahilfen“ zusammenfassen würde, dann greift uns das Land im Jahr
2020 mit insgesamt 1,38 Millionen Euro unter die Arme. Im Namen des
Gemeinderats und der Gemeinde Forst bedanke ich mich hier ganz
herzlich bei der Landesregierung und den Landtagsabgeordneten
Hockenberger und Schwarz und natürlich beim Gemeindetag für den
Einsatz für uns Kommunen. Zur Ergebnisverbesserung hat außerdem
beigetragen, dass die Personalaufwendungen rund 350.000 Euro unter
den Planzahlen geblieben sind und auch im Bereich Sach- und
Dienstleistungen rund 1 Million geringere Aufwendungen produziert
worden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte,

Sie erinnern sich alle an unsere Diskussion in der ersten öffentlichen
Verwaltungsausschusssitzung in der Geschichte Forsts zur Beratung des
Krisenhaushalts 2020. In der Sitzung am 25. Mai 2020, die die sehr späte
Verabschiedung des Haushalts am 29. Juni 2020 vorbereitet hat, hatte der
Gemeinderat auf eine weitere Streichrunde bestanden und mit großem
Engagement – dafür zolle ich Ihnen heute noch meinen Respekt – über
einen ganzen Tag hinweg jede einzelne Kostenstelle des Haushalts auf
weitere „Streichpotentiale“ überprüft.

Damals habe ich in meiner Eröffnungsansprache formuliert: „Die
Verwaltung verweist erneut darauf, dass damit zu rechnen ist, dass es
weitere kommunale Hilfsprogramme geben könnte, die zumindest den
Corona bedingten Einnahmenausfall kompensieren. Deshalb sollten im
Haushalt genügend Aufwendungen verbleiben, damit diese Gelder ggf.
abgerufen und umgesetzt werden können. Zu stark den Rotstift
anzusetzen, wäre kontraproduktiv […].“ Heute können wir festhalten, dass
Ihre Bemühungen definitiv nicht geschadet haben. Rückblickend ist es mir
aber auch wichtig darauf zu verweisen, dass die ursprüngliche
Haushaltsplanung der Verwaltung doch näher an der Realität gelegen hat,
als das gemeinsame Produkt der fast zehnstündigen Sitzung. Gerade in
schwierigen Zeiten ist Effizienz wichtig. An diesem Punkt soll auch noch
ein letztes Mal darauf verwiesen werden, dass der Haushalt für das Jahr
2020 sehr wohl auch ohne Anlagen bereits im Früh-Frühjahr hätte beraten
und beschlossen werden können. Auch dieser Beschluss wäre näher an
den Realitäten des Jahresabschlusses gewesen, als das Ergebnis aus dem
sehr späten Haushaltsbeschluss Ende Juni 2020.

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Was wir heute ausgeben, müssen wir heute
                       erarbeiten und dürfen es zukünftigen Generationen
                       nicht als Mitgift mitgeben.
                       Georg Unland, deutscher Politiker

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Haushalt 2020 trotz aller
Verbesserungen im Gesamtergebnis ein Minus in Höhe von rund 700.000
Euro ausweist, wenn wir die bisherigen Abschreibungen bei der
Beurteilung des Gesamtergebnisses einbeziehen. Die Abschreibungen sind
nicht erwirtschaftet. Der Gesamtergebnishaushalt ist damit nicht
ausgeglichen und die Generationengerechtigkeit nicht erreicht.

Das Gesamtergebnis in 2021 wird weit roter werden als 2020, weil nicht
im selben Umfang mit dem Sondereffekt „Corona-Finanzhilfe Land“ zu
rechnen sein wird. Auch in diesem Jahr wird der Haushaltsausgleich und
damit die Generationengerechtigkeit verfehlt. Damit werden wir dem
Politiker Georg Unland zum zweiten Mal in Folge nicht gerecht. Für Forst
müssen wir leider festhalten: Was wir heute ausgeben, haben wir nicht
erarbeitet. Wir leben auf Kosten unserer Kinder und schmälern deren
zukünftige Handlungsmöglichkeiten. Da der Ergebnishaushalt in der
gesamten mittelfristigen Finanzplanung bis 2024 nicht ausgeglichen ist
und zudem damit zu rechnen ist, dass die aktuelle mittelfristige
Finanzplanung von der Realität eingeholt und sich noch weiter
verschlechtern wird, müssen wir uns ehrlich machen: „Wir haben ein
echtes Problem!“

Wenn wir Schulden oder ein leeres Konto hinterlassen, oder sogar beides,
dann kann die nächste Generation nicht mehr gestalten und auch das
Verwalten wird schwierig. Das Problem vergrößert sich weiter, wenn die
übergebene Infrastruktur in die Jahre gekommen ist und keinen
zeitgemäßen Zustand aufweist.

                                  Die Defizite von heute sind die Steuern
                                  von morgen.
                                  David Ricardo, britischer Ökonom

Meine Vorgänger Alex Huber und Reinhold Gsell haben zusammen mit
dem Gemeinderat die Voraussetzungen für eine Infrastruktur geschaffen,
die für Angebote sorgt, die wir schätzen und liebgewonnen haben. Unsere
Vorgänger haben uns ein gutes Erbe hinterlassen. Es ist nun unsere
Aufgabe dafür Sorge zu tragen, dass auch wir der nächsten Generation ein
gutes Erbe hinterlassen. Wir leisten uns in Forst aus Überzeugung so
manches Angebot, dass es sonst nur in einer Großen Kreisstadt gibt. Bei
der Finanzierung von Kindergarten, Schule, Waldseehalle, Waldseestadion,
Lehrschwimmbecken, Heidesee, Jägerhaus, Spielkiste, Musik- und
Kunstschule, Bücherei, ÖPNV, Gemeindestraßen uvm. entsteht ein
Millionendefizit (> 5 Millionen Euro).
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Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer
Im Sinne von David Ricardo ist dieses Defizit der Grund für die nun
vorgenommenen Steuererhöhungen. Die GPA hat schon bei ihrer
vorletzten Prüfung vor über 5 Jahren auf diese Möglichkeit verwiesen.
Bereits im vergangenen Jahr wurde die Hundesteuer erhöht. In diesem
Jahr ist die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer vorgesehen,
nachdem diese bereits vom Verwaltungsausschuss im Rahmen der
Vorberatung des Haushalts 2020 am 17. Februar 2020 beschlossen, aber
ausgesetzt worden war. Beide Steuern wurden seit mehr als eineinhalb
Jahrzehnten nicht mehr angepasst. Bei den einschlägigen Hebesätzen liegt
Forst aktuell im unteren Drittel der Gemeinden im Land und im Landkreis.
Mit der nun geplanten Erhöhung möchten wir uns wieder ins Mittelfeld
bewegen, obwohl das freiwillige kommunale Angebot im
Gemeindevergleich im oberen Drittel anzusiedeln ist. In Forst steht damit
auch in Zukunft einem durchschnittlichen Steuerniveau ein
überdurchschnittliches Leistungsangebot gegenüber. Für die nächsten
Jahre ist noch die Einführung einer Vergnügungssteuer vorgesehen. Diese
steht ganz oben auf der Agenda der Haushaltsstrukturkommission und
wäre schon für dieses Jahr wünschenswert gewesen. Mangels
Personalkapazität brauchen wir hier noch etwas Zeit.

Im Kreistag haben sich die Freien Wähler für eine Reduzierung der
Kreisumlage stark gemacht. Dennoch ist festzuhalten, dass trotz einer
reduzierten Kreisumlage von 30 Prozent auf 28,5 Prozent die Überweisung
an den Landkreis weiter ansteigt und wir in diesem Jahr sogar 120.000
Euro mehr an den Landkreis abführen, als im Vorjahr. Erst im
übernächsten Jahr beginnt die Senkung auch im kommunalen Haushalt zu
wirken. An dieser Stelle ist es wichtig, im Rahmen des dringend
erforderlichen Neubaus des Landratsamtes in Karlsruhe auf eine maximale
Kostenkontrolle hinzuwirken, weil wir in den Städten und Gemeinden
gerade jeden Euro benötigen.

Haushaltskonsolidierung beginnt auf der Ausgabenseite
Selbstverständlich ist Haushaltskonsolidierung weit mehr als Steuern- und
Gebühren zu erhöhen. Im Fokus muss zuvorderst immer die
Aufgabenkritik stehen. Leider sehen die Verantwortlichen dies oft genug
anders, weshalb Haushaltsstruktur ein aufwändiger und mühsamer
Prozess ist und man bisweilen den Eindruck hat, dass erst einmal
Grundlagenarbeit geleistet werden muss. Für diese schwierige
Ausgangssituation sind wir dann aber doch relativ gut in den Prozess der
Haushaltskonsolidierung eingestiegen und haben im ersten halben Jahr
schon mehr erreicht, als ich für möglich gehalten habe. In den
Themengebieten „Immobilienstruktur, Stellenplan, Randzeitenbetreuung
und Spielplatzfläche“ werden wir es schaffen hohe sechsstellige
Sondererträge zu erwirtschaften und voraussichtlich auch dauerhaft
sechsstellige Einsparungen zu generieren. Manchem Gemeinderat geht
das alles immer noch nicht schnell genug. Ich kann nachvollziehen, dass
mancher noch viel grundsätzlicher den Rotstift ansetzen möchte und
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pauschal die Budgets um 10 oder 20 Prozent kürzen möchte. In der freien
Wirtschaft wird so vorgegangen, aber im Unterschied zur freien Wirtschaft
ist die Kommune eine Mischung aus Pflicht- und Freiwilligkeitsleistungen
und ein Großteil der Instrumente, die er freie Wirtschaft bei der
Haushaltskonsolidierung zur Verfügung stehen, gehören bei uns nicht zum
Werkzeugkasten. Unser Konsolidierungsprozess sieht deshalb anders aus,
als in der freien Wirtschaft. Besonders stolz können wir dabei darauf sein,
dass wir nicht nur rückwärtsgewandt „Sparen“, sondern auch die Zukunft
gestalten. Im Rahmen des Konsolidierungsprozesses versuchen wir zum
Beispiel auch die Digitalisierung voran zu bringen und bestehende
Pflichtaufgaben mit guter Qualität abzusichern. Bei einer guten Gestaltung
des Digitalisierungsprozesses ist dabei klar, dass wir zunächst zusätzliches
Geld ausgeben müssen. Die Einsparungen entstehen dabei erst in
Zukunft. Auch wenn mancher Haushaltsredner hier noch stärkere
Einsparungen im Stellenplan verlangt, werbe ich doch dringend dafür zu
akzeptieren, dass gerade im Bereich der Digitalisierung Einsparungen erst
erzielt werden können, wenn die Digitalisierungsvoraussetzungen
geschaffen worden sind. An diesem Punkt werbe ich auch für eine klare
Kante. Nachdem das Ticketsystem am Heidesee eingeführt ist, ist es
gerade keine gute Idee mehr, weiterhin parallel und übergangsweise für
ein paar Jahre eine Handkasse zu führen. Es macht auch keinen Sinn, die
Satzungsveröffentlichen ins Internet zu verlagern und dann dennoch alles
umfassend weiterhin im Mitteilungsblatt zu veröffentlichen. Beim KVV-
Ticket hatte der Gemeinderat sogar gefordert, dass wir diese Aufgabe ins
Bürgerbüro holen, um den Bürgerservice hochzuhalten, während uns der
KVV erklärte, dass das Onlineangebot so umfassend implementiert ist,
dass alle wesentlichen Buchungen eigentlich dort erfolgen sollten.

                       Jeder erwartet vom Staat Sparsamkeit im
                       Allgemeinen und Freigebigkeit im Besonderen.
                       Anthony Eden, britischer Politiker

                       Alle wollen den Gürtel enger schnallen, aber jeder
                       fummelt am Gürtel des Nachbarn herum.
                       Norbert Blüm, deutscher Politiker

Die beiden Zitate bringen das Dilemma, in dem wir uns befinden, auf den
Punkt. Bahn gebrochen hat sich dies kürzlich beim Thema Erlass von
Kindergartengebühren und Verkauf eines Spielplatzes als Baugrundstück.
Die Mehrheit des Gemeinderats war für den freiwilligen Erlass von
Kindergartenbeiträgen während des Coronalockdowns. Das Gros des
Gemeinderats stimmt jedoch auch dafür, dass ein für die Wohnbebauung
geeigneter Spielplatz im Hardlach nur als Rasenfläche stillgelegt und nicht
veräußert wird. Damit sind die einmaligen Sondererlöse weg, die für die
Refinanzierung des Kindergartenbeitragserlasses verwendet werden
könnten und gleichzeitig besteht ein gewisser Pflegeaufwand für den
Bauhof fort. Strukturelle Verbesserungen sehen anders aus, insbesondere
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wenn es erklärtes Ziel sein soll die Personalaufwendungen zu reduzieren.
Wasch mich, aber mach mich nicht nass, geht in Zukunft nicht mehr. Wir
müssen noch viel konsequenter sein.

Haushaltskonsolidierung als Chance betrachten
Der Haushaltsstrukturprozess den wir vor uns haben und der auch in den
nächsten Jahren und den nächsten Haushalten Fortsetzung finden wird, ist
ein umfassender, aufwendiger und undankbarer Prozess. Dies wird von
den Betroffenen und Beteiligten auch immer wieder betont. Die
Haushaltskonsolidierung ist jedoch auch eine CHANCE die uns in der
Konzentration auf das Wesentliche hilft. So wie die Fastenzeit zu Ostern
gehört, ist die Rezession eine Grundvoraussetzung für langfristig
erfolgreiches Wirtschaften. Haushaltskonsolidierung sorgt für Reinigung,
für Konzentration auf das Wesentliche, sie zwingt uns zu Innovation und
Effizienz und zum Blick über den Tellerrand.

Anfang März bei der Weiterbildung „Strategische Haushaltsplanung“ hat
der Gemeinderat in einem Wochenendseminar erfahren, dass gutes
Wirtschaften nicht nur bedeutet, für die Durchfinanzierung des
Bestehenden zu sorgen. Noch viel wichtiger ist die grundsätzliche Frage,
welche Leistungen möchten wir unseren Bürgerinnen und Bürgern
eigentlich heute, morgen und in Zukunft anbieten. Das Forster Denken ist
geprägt von der vorhandenen Infrastruktur – die unbestritten eine Wucht
ist. Im Prozess der Haushaltskonsolidierung dürfen wir uns jedoch auf
keinen Fall nur Fragen, wie erhalten wir was da ist, sondern wir müssen
uns auch Fragen, welche Leistungen wünschen wir uns in Zukunft.

Zukunftsaufgabe Digitalisierung
Trotz angespannter Haushaltslage sind wir mutig, hier die Weichen zu
stellen. Bei der Digitalisierung ist Forst mit der Gemeinschaftsschule
vorangeschritten und hat das Förderangebot des Landes umfassend
genutzt. Auch im aktuellen Haushalt ist das wieder ein
Investitionsschwerpunkt. Insgesamt werden für die Digitalisierung der
Schule über 150.000 Euro ausgegeben. Auch am Heidesee ist die
Gemeinde Digital gegangen. Das Ticketbuchungssystem wird zukünftig
komplett im digitalen Raum abgebildet. Herr Hoffmann hat hier im
Alleingang eine sehr gute Lösung auf den Weg gebracht, die uns
gleichzeitig im Coronajahr die Badesaison gerettet hat. Für weitere
Digitalisierungsschritte müssen wir unser Personalkonzept stärken oder
die Zusammenarbeit mit Dritten prüfen. Hier stecken wir mitten in der
Bearbeitung.

Bildung und Betreuung
Die Kinderbetreuung von vor 30 Jahren hat nichts mehr mit der
Kinderbetreuung von heute zu tun. Es ist davon auszugehen, dass wir hier
weiter rasante Entwicklungen sehen werden. Ich bin sehr froh, dass der
Teilerweiterungsbau des Kindergartens St. Franziskus in diesem Jahr in
Betrieb gehen konnte. Die Durchfinanzierung steht noch aus. Hier ist
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erneut eine Finanzierungsrate im aktuellen Haushalt vorgesehen. Mit rund
250.000 Euro ist es die zweitgrößte in diesem Jahr. Die Finanzierung des
Teilneubaus wird über einen Kredit in Höhe von 1,4 Millionen Euro
sichergestellt.

Sicherheit und Katastrophenschutz
Für die Anschaffung eines neuen Feuerwehrfahrzeugs sind in diesem Jahr
362.000 Euro vorgesehen. Das ist der größte Einzelposten im aktuellen
Haushalt. Dringend ist diese Neubeschaffung erforderlich. Das bestehende
TLF muss ersetzt werden, nicht zuletzt, weil die Rechnungen aus den
Reparaturwerkstätten Dimensionen erreichen, wo jedem offensichtlich
wird, dass langfristig nur eines teuer ist als „Neubeschaffung“, nämlich
„keine Neubeschaffung“. Mit mittleren fünfstelligen Beträgen setzen wir
das Katastrophenschutzkonzept weiter um. Nach der Feuerwehr und dem
Seniorenheim soll nun auch endlich das Rathaus eine
Notstromersatzanlage erhalten, die noch um eine moderne Sirene ergänzt
werden soll.

Bildung, Betreuung, Digitalisierung und Sicherheit sind demnach in diesem
Jahr unsere finanziellen Schwerpunktthemen im Haushalt. Gleichzeitig
wird aber auch das energetische Quartiersmanagement in Kombination
mit einem Sanierungsgebiet weiter vorangetrieben und auch für die
Generalentwässerungsplanung und die Ersatzbeschaffung von
Spielgeräten für unsere Spielplätze stehen finanzielle Mittel in fünfstelliger
Höhe bereit.

EnBW-Beteiligung
Die mit Abstand größte finanzielle Investition entfällt auf die EnBW-
Beteiligung. Hier war in den Vorberatungen deutlich, dass über 2,5
Millionen Euro als strategische Einlage bei der EnBW angelegt werden
sollen. Die Verwaltung hatte nur 500.000 Euro vorgeschlagen. Ziel ist es,
mit dem beachtlichen Zinsertrag in Höhe von über 75.000 Euro,
zusätzliches Handlungsspielräume im Haushalt zu eröffnen, die es sonst
nicht geben würde. Persönlich habe ich hier eine echte Chance gesehen,
für die Sozialstiftung eine gute Anlagemöglichkeit zu eröffnen.
Zwischenzeitlich ist klar, dass dies aus rechtlichen Gründen nicht geht.

Ich sehe die Chance dieser Beteiligung. Privat muss ich sagen, dass ich
ein solches Angebot wohl sofort annehmen würde. Da es jedoch nicht um
mein privates Geld geht, über das hier zu entscheiden ist, sondern wir
über den Umgang mit Steuermitteln entscheiden, bin ich zurückhaltender.
Ich sehen die Chancen und ich glaube die Risiken sind so gering, dass
man mit dieser strategischen Beteiligung tatsächlich nichts falsch machen
kann. Dennoch wäre ich beim eingelegten Betrag zurückhaltender als der
Gemeinderat es ist. Die Unsicherheiten im Haushalt, insbesondere im
Hinblick auf die zukünftige Schuldenentwicklung sorgen bei mir für ein
ungutes Bauchgefühl. Ich werde mich deshalb bei der Entscheidung zu
dieser Beteiligung enthalten.
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Im Rahmen der finanziellen und personellen Möglichkeiten sind wir auch in
diesem Jahr wieder engagiert unterwegs. Unbestritten ist jedoch, dass es
gut und dringend wäre, noch weitere Projekte umsetzen zu können. Aus
finanziellen und personellen Gründen mussten wir z. B. eine
Photovoltaikanlage auf dem Dach des Bauhofes zurückstellen und auch die
Sanierung der Hambrücker Straße auf der Höhe des Heideseeparkplatzes
muss zurückgestellt werden, weil es hier dringend weiterer
Untersuchungen bedarf. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die
geplante Oberflächensanierung mit einem finanziellen Volumen von rd.
250.000 Euro, um mehr das Dreifache erhöhten dürfte.

                             Sparen heißt normalerweise, dass Sie Geld,
                             das Sie haben, nicht ausgeben. Wenn wir im
                             Staatshaushalt über Sparen reden, heißt das,
                             wir geben Geld, das wir nicht haben, nicht
                             aus.
                             Eberhard Sinner, deutscher Politiker

Bei der Streichrunde mit dem Gemeinderat im vergangenen Jahr hat sich
gezeigt, dass auch in Forst „Sparen“ eigentlich nur Verschieben in die
Zukunft bedeutet. Eberhard Sinner trifft den Nagel deshalb auf den Kopf.
Investitionen permanent zu verschieben ist keine Lösung. Totsparen auch
nicht. Unsere Aufgabe muss es sein zu definieren, was wir in unserer
Gemeinde für Leistungen in Zukunft anbieten wollen und dann gilt es für
die notwenige Finanzierung für diese Angebote zu sorgen. Nicht jedes
Angebot muss dabei von der Kommune erbracht werden. Bisweilen sorgt
auch der Markt für gute und professionelle Lösungen. Manche Angebote
können zukünftig vielleicht auch einfach an einem anderen Ort erbracht
werden. Im Jägerhaus z. B. haben wir noch Raumkapazitäten frei.
Natürlich kann man mit dem Jugendteam den Hilsenhof besuchen,
derartige Angebote gibt es aber auch von Vereinen. Baden kann man im
Heidesee als Naturbad, aber natürlich auch in der Badestelle. Sparen
sollten wir deshalb als strukturelle und intelligente Aufgabe verstehen, bei
der es darum geht, den Rahmen so zu definieren, dass die Angebote die
uns wichtig sind fortbestehen und vielleicht sogar ausgebaut werden
können. So definiert, sind Konsolidierungsprozesse nur eine Gefahr für das
„weiter so“, aber nicht für das Angebot an sich. Wenn wir die
Haushaltskonsolidierung so verstehen, dann überwiegen die Chancen und
nicht die Risiken. Mich persönlich motiviert bei der
Haushaltskonsolidierung, dass Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft
eröffnet werden können, die es sonst nicht gäbe. Ohne
Haushaltskonsolidierung verwalten wir nur den Bestand und wir werden
am Ende zum Erfüllungsgehilfen von „Auflösung, Aufgabe und
Abschaffung“, weil man von einem totgerittenen Pferd nur noch absteigen
kann. Konsolidierung birgt ein konstruktives Element in sich, auch
wenn man das anfangs gerne übersieht. Konsolidierung ist die
erholsame Pause zum Innehalten und Nachdenken. Konsolidierung ist die
                                                                          10
Möglichkeit zur Reflektion und zur Überprüfung der eigenen Ziele.
Konsolidierung ist die Chance zu bewahren was uns wichtig ist. Sie ist
auch die Chance anzugehen, was wir schon immer vermisst haben.
Konsolidierung und Haushaltsstruktur müssen offene,
konstruktive und vorwärts gewandte Prozesse sein. Hier müssen wir
noch besser werden und auch die Verwaltung muss in Vorlagen noch viel
stärker die Zukunftsperspektive in den Blick nehmen. Wir konsolidieren
alle, weil wir eine bestimmte Zukunft vor dem inneren Auge haben. Im
konkreten Prozess nehmen wir jedoch, fast schon automatisch die
rückwärtsgewandte Perspektive ein. Diese ist wichtig und vermutlich sogar
zwingend der Startpunkt jedes neuen Denkens. Spätestens bei der
Beschlussfassung sollten wir uns davon jedoch Lösen und vorwärts und in
die Zukunft gewandt aufzeigen, was wir mit unserem Handeln und
unseren Entscheidungen erreichen wollen. Natürlich geht die Pflicht zum
Haushaltsausgleich allen anderen voran, weil auf Dauer keine Pflicht mehr
erfüllt werden kann, wenn der Haushaltsausgleich nicht gelingt. In der
aktuellen Phase hat der HAUSHALTSAUSGLEICH natürlich einen gewissen
Eigenwert. Wir konsolidieren jedoch nicht, um es dem Haushalt recht zu
machen, sondern weil wir langfristig für die Bürgerinnen und Bürger
Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben erfüllen möchten und Forst mit
einem überdurchschnittlichen Angebot als eine der attraktivsten
Gemeinden im Landkreis erhalten möchten. Wir sind auf dem richtigen
Weg, aber der Weg ist noch lang.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und schöne Osterfeiertage!

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