Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau

Die Seite wird erstellt Justin Rupp
 
WEITER LESEN
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
Heimatkundliche Blätter
                                  Nr. 4/2020

                   Die Chronik des Storchenwirts
                                   von

                             Anton Metzger

Der Storchenwirt, das neue Kulturhaus im Zentrum der Stadt Neustadt a.d.D.,
kann mit einer über 500jährigen Geschichte auf warten. Stadtarchivar Anton
Metzger hat für den Museumsführer zum interaktiven Heimatmuseum im
Storchenwirt diese Chronik des Gebäudes zusammengetragen.
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
Kupferstich von Matthäus Merian, 1644 (Ausschnitt)

1644   Der Kupferstich von Matthäus Merian von 1644 zeigt den Storchenwirt
       mit zwei Stufengiebeln und Hirschgeweihen am First. Laut der Chronik von
       Julius Sax soll sich zu dieser Zeit das Forstamt in der späteren Storchen-
       wirtschaft befunden haben. Ein Forstamt bestand in Neustadt seit 1517.
       Erster Forstmeister war Hans Zenner.
1657   Mathias Wolf, Bierbräu von Oberviechtach (+ um 1706/7) heiratet 1657
       Catharina Hueber, Tochter des Neustädter Pierpreues Jacoben Huebers und
       Anna seiner ehelichen Hausfrau. Seine Frau erhielt bei der Eheschließung ein
       Heiratsgut von 350 fl und die Maderische Bräustätte (heute Hypo-Vereins-
       bank, Herzog-Ludwig-Str. 12). Noch im selben Jahr kauften sie die seit 1632
       öd gelegene Reuthersche Behausung am Regensburger Tor und verlagerten
       die Brauerei mit Zustimmung des Rates zum heutigen Storchenwirt. Mathias
       Wolf war von 1668 bis 1706 mehrmals Bürgermeister von Neustadt.
????   Mathias Wolf, Bierbrauer von Neustadt, und Elisabeth seine Hausfrau.
1702   Franz Josef Wolf, Bierbrauer (+ 1720) von Neustadt übernimmt von seinen
       Eltern die Preubehausung, neben dem Abensberger Tor, sambt den Grundt-
       stückhen, Wiesen und Äckhern um 5.500 fl. Er war von 1711 bis 1720 Bürger-
       meister von Neustadt und Mitglied des Äusseren und Inneren Rates.
1720   Johann Michael Pettenkhover, Bierbrauer (* ca. 1696, +21.04.1742) von Ber-
       ching heiratet die Witwe von Franz Josef Wolf und erwirbt am 26. Septem-
       ber 1720 das Bürgerrecht in Neustadt.
1745   Johann Gottfried Dopfer, Bierbrauer (* 1708, + 16.05.1761) von Bleskastel
       heiratet die verwitwete Brauereibesitzerin Catharina Pettenkhover und er
       wirbt am 15. September 1745 das Bürgerrecht in Neustadt.
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
1765   Thomas Pesel, gewester Preumeister zu Holstering, gebürtig von Schmidtga-
       den, Churbayer. Pflegericht Augsburg, hat in Neustadt die Petenkhoferliche
       Preustadt und das Bürgerrecht erworben.
1768   Michael Sigel, Bierbräu von Rottenburg heiratet die verwitwete Brauereibesit-
       zerin Barbara Pesel von Neustadt. Diese hatte zuvor beim Tod ihres Mannes
       Thomas Pesel für die gemeinsamen Kinder (Josepha, 5 J. und Anton, 3 J.) ei-
       nen Erbvertrag über 600 fl geschlossen. Michael Sigel brachte ein Heiratsgut
       von 2.500 fl mit in die Ehe.
1769   Michael Sigel, Bierpreu, heiratet seine zweite Frau Juliana. Bei dem abge-
       schlossenen Ehevertrag wurde auch der Erbteil für die beiden Kinder aus ers-
       ter Ehe (Anton u. Josepha) mit 500 fl festgelegt.
1776   Juliana Sigel übernimmt die Brauerei nach dem Ableben ihres Mannes Mi-
       chael Sigel. Des Weiteren wurden für die Kinder Anton (11 Jahre) aus erster
       Ehe und Franz Josef (1 ½ Jahre) aus 2. Ehe die Erbteile festgelegt.
1776   Johann Nepomuk Fischer, Bräuknecht, heiratet die verwitwete Brauereibesit-
       zerin Juliana Sigel. Er bringt ein Heiratsgut von 1.000 fl mit in die Ehe.
1793   Mathias Rieder, Bierbrauer aus Pfaffenhofen, erwirbt die Brauerei von Johann
       und Juliane Fischer um 10.800 fl. Er heiratete am 19. Februar 1793 Katharina
       Hoy, eine Bäckerstochter, die ein Vermögen von 2.000 fl mit in die Ehe brach-
       te.
       Auch 1809 bei der Erstellung des Urkatasters war Rieder noch Eigentümer der
       Brauerei.
1832   Mathias Rieder, Bierbrauer übernimmt das Anwesen von seinen Eltern um
       9.000 fl. Sein eigenes Vermögen und das seiner Braut werden zusammen mit
       4.600 fl. angegeben.
       Neben dem Wohnhaus gehören 1836 ein Bräu-, ein Faßhaus, ein Stadel und
       Stallungen zum Sigelgut sowie Grundstücke (Felder, Wiesen usw.) mit einer
       Fläche von 43,24 Tgw., darunter ein riesiger Baumgarten südlich der Straße
       nach Abensberg im Anschluss an den östlichen Stadtwall.
1859   Johann Nepomuk Schober, Bierbrauer von Hausen, verehelichte sich mit
       Katharina Rieder und übernimmt mit ihr die Brauerei mit Taferngerechtigkeit
       von ihrer Mutter Theresia Rieder um 17.690 fl.; Johann Schober bringt ein Ka-
       pital von 5.000 fl mit in die Ehe.
1862   Georg Wild, Braumeister von Niederlindhart, verehelicht sich mit der Brauers-
       witwe Katharina Schober. Er bringt ein Heiratsgut von 7.000 fl mit in die Ehe.
       Die Konzessionsurkunde wurde ihm am 16. Juni 1862 erteilt.
1868   Die Hilfskasse Neumarkt erhielt das Anwesen laut Dekret des königlichen
       Amtsgerichtes Abensberg vom 21. September 1868 um 6.200 fl adjudiert.
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
1868   Peter Schneider (*1861, +1931) von Tettenwang und seine Frau Anna kauften
       das gesamte Brauereianwesen am 18. November 1868 um 10.200 fl.; vermut-
       lich betrieb er zunächst nur die Gaststätte, da er die Brauerei erst später rück-
       wirkend zum Neujahr 1878 angemeldet hatte und seinen bisher betriebenen
       Güterhandel abmeldete. Die Brauerei meldete Peter Schneider rückwirkend
       zum 1. Januar 1911 ab. Er zog zusammen mit seiner Frau Barbara in das Hs.Nr.
       220, heute Reußstr. 10.
       Peter Schneider war ab 1894 Gemeindebevollmächtigter bzw. Magistratsrat
       und von 1904 bis 1919 Bürgermeister von Neustadt a.d.Donau.
1888   Peter Schneider (Sohn) hatte den Storchenwirt am 16. Oktober 1888 mit
       10,05 ha Grund in Neustadt a.d.Donau und weiteren Grundstücken in Mau-
       ern, Mühlhausen, Gögging, Oberulrain und Schamhaupten im Wert von
       41.375 Mark übernommen. Nach seiner Eheschließung mit Babette Bindl
       schloss er mit ihr einen Ehevertrag mit Gütergemeinschaft am 1. August 1889
       und ließ ihr die Hälfte des Anwesens zuschreiben.
       Ebenfalls im Jahre 1889 erbaute Peter Schneider ein neues Wohngebäude mit
       Eiskeller. Das neue Gebäude umfasste im Erdgeschoss eine neue Durchfahrt
       und einen Eiskeller sowie im Obergeschoss eine Wohnung mit drei Zimmern
       und Küche. In einem weiteren Bauabschnitt wurde auch das bestehende Faß-
       haus um ein Stockwerk erhöht.
1910   Die Bayerische Zentral-Darlehenskasse in München hatte das gesamte Anwe-
       sen am 22. Dezember 1910 um 73.000 Mark erworben.
1911   Franz Xaver Gammel von Forstdürnbuch kaufte den gesamten Besitz am 10. Ja-
       nuar 1911 um 80.000 Mark und transferierte einen Großteil der landwirtschaft-
       lichen Grundstücke zu seinen Bauernhof in Forstdürnbuch Hs. Nr. 7.

              Ansicht um 1910                            Ansicht um 1925
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
1911   Xaver Gammel (*1884), Bierbrauereibesitzer in Neustadt a.d.Donau, betrieb
       seit 1. Januar 1911 die Gastwirtschaft mit Brauerei. Das Gewerbe wurde erst
       am 8. Juli 1911 angemeldet. Er hatte den Storchenwirt mit 3,68 ha Grundbe-
       sitz am 28. März 1911 im Wert von 60.000 Mark von seinen Eltern übernom-
       men und erhielt am 12. April 1911 das Bürger- und Heimatrecht, nachdem er
       sich mit Ottilia Attenberger, einer Landwirtstochter aus Neustadt a.d.Donau,
       verehelichte.
1911   Josef Limmer (*1860, +1934), Bierbrauer, zieht mit seiner Frau Anna und 14
       Kindern von Nandlstadt nach Neustadt, wo er die ehemalige Brauerei Schnei-
       der am 17. Oktober 1911 um 54.700 Mark gekauft hatte. Er meldete zum 19.
       August 1911 sein Gewerbe für die Brauerei und Gastwirtschaft an.
1917   Josef Limmer erbte die Brauerei nach dem Tod seiner Frau Anna am 6. Mai
       1917 gemeinsam mit den Kindern Josef Johann, Anna, Therese, Maria und
       Ludwig (alle volljährig) sowie die noch minderjährigen Michael, Alfons, Chlot-
       hilde, Wilhelm, Elise, Max, August und Berta in Erbengemeinschaft. Die Grab-
       stätte der Familie Limmer befindet sich noch heute am alten Friedhof in Neu-
       stadt a.d.Donau.
1918   Josef Limmer übernahm den Storchenwirt nach Abschluss der Erbauseinan-
       dersetzungen und Teilungen am 3. Mai 1918 wieder als alleiniger Eigentümer
       und besaß laut Ehevertrag mit seiner zweiten Frau Maria vom 28. August 1919
       noch ein Grundvermögen von 4,23 ha.
1919   Kaspar Ipfelkofer kaufte 1919 einen Teil des Anwesens und transferierte einen
       Teil der Grundstücke von der Gaststätte zur neu gegründeten Hs.Nr. 1 ½ (heu-
       te Stadtplatz 12). Josef Limmer behielt den östlichen Teil des Anwesens, in
       dem heute ein Bestattungsunternehmen untergebracht ist (Stadtplatz 10).
1920   Friedrich Kihm kaufte am 26. Oktober 1920 im Rahmen einer weiteren Auftei-
       lung des ehemaligen Brauereianwesens die Gaststätte (heute Stadtplatz 13)
       mit einer Grundfläche von 680 m² um 15.000 Mark und verkaufte sie zwei Ta-
       ge später um denselben Preis wieder weiter an Josef und Maria Kihm.
1920   Josef Kihm (*1864), Wirtschaftsbesitzer und Pensionist. Er ist am 20. Juli 1920
       von Kleinseeham in Neustadt a.d.Donau zugezogen und führte laut Gewerbe-
       register die Gastwirtschaft wie bisher weiter. Ab dem 16. Februar 1921 über
       nahm er auch das bisher von seinen Söhnen ausgeübte Elektroinstallationsge-
       schäft. Die Familie Kihm ist 1922 nach Vohburg verzogen.
       Josef Weigl (*1897), Gastwirt von Hagenhill, und seine Frau Maria erwarben
       den Storchenwirt am 15. November 1921 um 100.000 Mark und übernahmen
       ab 1. Januar 1922 die Wirtschaft von Josef Kihm.
1925   Josef Brandl (*1860, +1935), Gastwirt von Schneidhart, hatte am 26. März
       1925 den Storchenwirt um 16.000 Reichsmark gekauft und am 10. April 1925
       von Langquaid kommend den Gaststättenbetrieb aufgenommen. Mit Wirkung
       zum 1. Juni 1925 meldete er den Ausschank von Schnaps in kleinen Mengen
       bei der Stadt Neustadt a.d.Donau an.
Heimatkundliche Blätter - Stadt Neustadt ad Donau
1928     Das Bürgerliche Brauhaus in Ingolstadt kaufte die Gastwirtschaft am 25. Juli
         1928 um 30.000 Reichsmark.
1930     Kaspar Wagner (*1892), Gastwirt, hatte zum 15. April 1930 die Wirtschaft vom
         Bürgerlichen Brauhaus in Ingolstadt gepachtet. Er betrieb die Wirtschaft nur
         ein ¾ Jahr bis zum 3. Januar 1931. Die Familie blieb aber weiterhin im Stor-
         chenwirt wohnhaft. Ein Brand im Nebengebäude der Gaststätte am 4. Novem-
         ber 1931 wurde vermutlich von Kaspar Wagner gelegt. Er wurde am 2. Februar
         1932 we gen Brandstiftung zu drei Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bür-
         gerlichen Ehrenrechte verurteilt.
1931     Andreas Attenberger (*1896, +1974), Gastwirt und Metzger von Neustadt a.d.
         Donau, hatte den Storchenwirt zum 1. Februar 1931 als Pächter übernommen.
         Er bewirtschaftete die Gaststätte bis 1937, als er zusammen mit seiner Frau
Maria,   geb. Grillmeier (*1904, +1991) den Gasthof seiner Schwiegereltern übernom-
         men hatte.
1938     Otto Frühmorgen (*1898, +1974) übernahm zum 25. Januar 1938 die Storchen-
         wirtschaft. Bereits ein Jahr später meldete er den Betrieb zum 1. April 1939
         wieder ab.
1939     Karl Mühling (*1877), Gast- und Landwirt hatte zum 15. März 1939 den Stor-
         chenwirt gepachtet. Er war von Essing zugezogen und ist 1942 nach München
         verzogen und dort gestorben.
1942     Leokadia Mühling (*1877, +1957) führte das „Gasthaus zum Storchen“ nach
         dem Wegzug ihres Mannes weiter.
1949     Georg Karmann (*1916), Gastwirt von Eitensheim, und seine Frau Theresia
         (*1923) bewirtschaften den Storchenwirt ab 3. März 1949 als Pächter des Bür-
         gerlichen Brauhauses in Ingolstadt, bis sie 1965 nach Wettstetten verzogen
         sind.
1965     Windele Emmi (*1916) war die letzte Pächterin des Storchenwirtes. Sie hatte
         die Gaststätte von 20. September 1965 bis zum 31. Oktober 1966 bewirt
         schaftet.
1949     Danach konnte das Gebäude wegen dringend notwendiger Instandsetzungs-
         arbeiten nicht mehr verpachtet werden.

                               Der ehemalige Gebäudekomplex um 1958
1969      Die Bürgerliche Brauhaus AG in Ingolstadt verkauft das Gasthaus zum Stor-
          chen an den Elektromeister Lorenz Kürzinger und seiner Ehefrau Lydia. Diese
          renovierten das aus dem 15. Jahrhundert stammende Gebäude und bauten es
          in ein Elektrogeschäft um.
1973      Kurz nach der Eröffnung der neuen Geschäftsräume brannte das Gebäude am
          20. August 1973 bis auf die Grundmauern nieder. Gegen 2:30 Uhr wurde die
          Feuerwehr zu diesem Großbrand alarmiert, der eines der ältesten noch erhal-
          tenen Häuser in Neustadt a.d.Donau zerstörte. Damit endeten die jahrhunder-
          tealte Tradition der Brauerei und des Gasthauses zum Storchen.

          Ansicht vor Beginn der Innenstadtsanierung 2014         Aktuelle Ansicht von 2020

1974 – 1980
          Erfolgte der Wiederaufbau (Neubau) durch Lorenz Kürzinger in heutiger
          Form. Hierbei wurden aber nur das Kellergeschoss und das Erdgeschoss aus
          gebaut. Im Keller befand sich von 1984 bis 2004 das Tanzcafe Ciconia. Das La-
          dengeschäft im Erdgeschoss war von 1982 bis 2002 an den Lebensmitteldis-
          counter Penny verpachtet. Die beiden oberen Stockwerke blieben im Rohbau
          zustand mit dem provisorischen Dachstuhl.
2007      Erwerb des gesamten Gebäudes durch die Stadt Neustadt a.d.Donau im Rah-
          men eines Zwangsversteigerungsverfahren.
2012      Zwangsräumung des Anwesens nach jahrelangen Rechtsstreit mit dem ehe-
          maligen Eigentümer Lorenz Kürzinger.
2012 – 2015
          Planungen für die Umgestaltung des Gebäudes zu einem Kulturzentrum mit
          Volkshochschule, interaktives Museum und Stadtarchiv.
2015 – 2020
          Sanierungs- und Umbauarbeiten zum Kulturzentrum im Storchenwirt.

(Chronikerstellung: Anton Metzger, Stadtarchiv)

                                                                    Neustadt a.d.D., 28.05.2020
                                                            Eduard Albrecht, Stadtheimatpfleger
Sie können auch lesen