Heiß geliebt: Albert, Victoria, Bücher - Gedruckte Statements eines Traumpaares - Landesbibliothek Coburg
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Heiß geliebt: Albert, Victoria, Bücher. Gedruckte Statements eines Traumpaares. Ausstellung der Landesbibliothek Coburg zum Doppelgeburtstag Albert + Victoria 2019 19. Juli bis 25. Oktober 2019. Landesbibliothek Coburg, Schloss Ehrenburg (1. OG), Silbersaal
Albert und Victoria liebten sich und – Bücher. Und weil ihre liebsten Verwandten in Coburg lebten, zeugen die ehemaligen herzoglichen Büchersammlungen von diesen Lieben und Vorlieben. Die Landesbibliothek Coburg veranschaulicht Persönlichkeitsfacetten des ersten royalen britischen Traumpaares aus der Perspektive seiner Leidenschaft für Bücher. Hinzu kommt ein kleines Juwel, die einzigartige Hauschronik von Schwägerin Herzogin Alexandrine. Von den Masern im Buckingham Palast bis zur feierlichen Eröffnung des Albert-Denkmals auf dem Coburger Marktplatz gewährt sie persönliche Einblicke in die privaten, wie die nach außen gezeigten Familienbande. Bücher begleiteten Prinz Albert und Königin Victoria ein Leben lang. Bereits in seinen Bilderbüchern wurde der kleine Albert mit seinen Vorfahren vertraut gemacht. Er und sein Bruder Ernst wuchsen mit der volkstümlichen Überlieferung vom Raub der gleichnamigen sächsischen Prinzen Ernst und Albert/Albrecht im 15. Jahrhundert auf. Das royale Leben mit, durch und in Büchern weist eine große Bandbreite auf. Die Ausstellung der Landesbibliothek Coburg aus Anlass des Doppeljubiläums 2019 veranschaulicht mehrere dieser Spielformen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Büchern, die als Geschenke nach Coburg gelangten. Ausgewählt wurden in erster Linie solche Bücher, deren Erscheinen von Albert und/oder Victoria begleitet wurde. Sie dokumentieren Vorlieben und Interessen, programmatische Vorhaben sowie die Gefühls- und Memorialkultur des hohen Paares in unterschiedlichen Ausprägungen. 2
Einband-Slg. / F 61,136 Alexandrine : Haus-Chronik. 1842 – 1867. Herzogin Alexandrines Hauschronik stellt ein wertvolles Einzelstück dar. Die kunstvoll gestalteten Seiten mit den Erinnerungen an die, mit Herzog Ernst II. bis zur Silberhochzeit verbrachten gemeinsamen Jahre, wurden nur einmal gedruckt. Bei den sorgfältig komponierten Jahresbildern handelt es sich um gezeichnete Einzelblätter von namhaften zeitgenössischen Künstlern wie Ferdinand Rothbart, Anton von Werner und Wilhelm Peters. Texte und Zeichnungen weisen zahlreiche Bezüge zu Königin Victoria und Prinz Albert auf, mit denen das Coburg-Gothaer Herzogspaar Ernst und Alexandrine nicht nur verwandt, sondern auch in herzlicher Freundschaft verbunden war. 3
Vitrine 1: Bücher von Anfang an Schon in jungen Jahren zeigt sich, was für Victoria und Albert kennzeichnend bleiben sollte. Sie ist die Emotionale, die ein ausgeprägtes Ausdrucks- und Mitteilungsbedürfnis hat. Bereits mit knapp 11 Jahren verfasst sie die Erzählung „The Adventures of Alice Laselles“. Tage- und Zeichenbücher sind ein Leben lang ihre ständigen Begleiter. Mit ihrer höchst umfangreichen Korrespondenz betrieb sie gleichermaßen Familien- und Weltpolitik. Später fanden diese Selbstzeugnisse Eingang in umfangreiche Tagebuch- und Briefeditionen; allerdings stets in sorgsam gesteuerter und kontrollierter Auswahl. Er, Prinz Albert, ist der wissbegierige, fleißige und disziplinierte Kopfmensch, der sammelt, ordnet und strukturiert. Die gemeinsame Schüler- und Studienbibliothek der Brüder Ernst und Albert ist als Teil der Herzoglichen Privatbibliothek in Coburg erhalten. Q 2017,155 (Exemplar 1+2) Viktoria : The adventures of Alice Laselles. London, Royal Collection Trust, 2015. Die Erzählung verfasste Victoria mit 10 ¾ Jahren unter Anleitung ihrer wichtigsten Bezugsperson Baronin Louise Lehzen (1784-1870). CEB A 1150 (Band 1+2) Esher, Reginald Baliol Brett (Hrsg.): The girlhood of Queen Victoria. A selection from Her Majesty's diaries between the years 1832 and 1840. Published by authority of His Majesty the King; in two volumes. London: Murray, 1912. Victoria begann mit 13 Jahren und zwei Monaten Tagebuch zu schreiben. 1912 wurde eine Auswahl daraus erstmals veröffentlicht. Sie umfasst die Zeit bis zur Eheschließung. Die Initiative dazu ging aus von Victorias Enkel, König Georg V. von Großbritannien und Irland (1865-1936; regierte ab 1910). 4
HP-68,1396 (Band 3,15,17) Shakespeare, William: The plays of William Shakspeare, accurately printed from the text of Mr. Steeven’s last edition, with a selection of the most important notes. Leipzig 1805 ff. Band 3: Much Ado about Nothing, Midsummer-Nights Dream; Band 15: Julius Caesar; Antony and Cleopatra; Band 17: Hamlet, Prince of Denmark. Mit diesen drei Bänden der umfangreicheren Shakespeare-Ausgabe hat Albert im Alter von 14 oder 15 Jahren gearbeitet. Vorne hat er seinen Namen eingetragen und im Inneren zahlreiche handschriftliche deutsche Anmerkungen angebracht. Der Besitzstempel seines Vaters (E mit Fürstenhut) macht deutlich, dass dieser Alberts Shakespeare-Studien förderte. Cob 9 Alb 27 Webster, Benjamin (Hrsg.): The series of dramatic entertainments performed by royal command, before Her Majesty the Queen, His Royal Highness Prince Albert, the royal family and the court at Windsor Castle. London: Mitchell, [um 1850]. Der Band dokumentiert die privaten Theateraufführungen 1848/49 in Schloss Windsor. Albert, Victoria und zwischen ihnen vermutlich Victorias Mutter Victoire, Herzogin von Kent, sind als herausgehobene Zuschauer zu sehen. Zu ihren Füßen sitzen vier ihrer Kinder, vermutlich Victoria „Vicky“ (1840-1901), Albert Edward „Bertie“ (1841-1910), Alfred „Affie“ (1844-1900) und Alice (1843-1878). Unter anderem wird Hamlet gespielt, mit dem sich Albert schon als Jugendlicher befasst hat. HP-66,1972 Combe, Andrew: The principles of physiology applied to the preservation of health, and to the improvement of physical and mental education. Fourth edition, revised and enlarged. Edinburgh: Maclachlan & Stewart, 1836. Dieses Buch steht stellvertretend für die zahlreichen anderen Schul- und Studienbücher, mit denen sich Albert als Jugendlicher befasste. Es ist bemerkenswert, dass bereits der 17- Jährige Albert diesen wissenschaftlich fundierten Ratgeber zur gesunden Lebensführung von einem britischen Autor geschenkt bekam. Die handschriftliche Widmung lautet: “To their Highnesses // The Princes Ernest & Albert // of Saxe-Coburg // with respectfully Compliments // from the Author.” 5
Vitrine 2 Bücher und Musik Bei der umfassenden Erziehung und Ausbildung der beiden Coburger Prinzen kam der Musik eine besondere Rolle zu. Das gemeinsame Klavierspiel schuf wichtige Grundlagen. Albert wurde ein ähnlich guter Komponist wie sein Bruder Ernst, auf den fünf Opern zurückgehen. In Sammelbänden zusammengebundene Blätter mit handschriftlichen Kompositionen belegen, dass sich die Brüder schon in jungen Jahren darin übten. Mus 185 (Band 2) Späth, Andreas (André): Le jeunes pianistes. Heft 2: Trois rondeaux d'une difficulté moyenne pour piano à quatre mains. Basel, [um 1840]. Die gedruckte Widmung an Ernst und Albert und der Besitzstempel ihres Vaters Ernst I. legen die Vermutung nahe, dass beide sich auf dieser Grundlage im vierhändigen Klavierspiel übten. Ms Mus 176, 1- 34 Einsamkeit. Gedicht vom Freyherrn George Kleist auf Leegen in Curland. Musik von Albert. Eigenhändige Schrift Prinz Alberts. o. J. Die folgende Vertonung des Gedichts „Vergissmeinnicht“ von George Kleist ist 1839 datiert. Albert war also 19 oder 20 Jahre alt, als diese Vertonungen entstanden. Mus 24 Cusins, William George (Hrsg.): The collected Compositions of His Royal Highness, The Prince Consort. London: Metzler & Co, o.J. [ca. 1880]. Die Kompositionen Alberts wurden knapp 20 Jahre nach seinem Tod in einer englischen Gesamtausgabe veröffentlicht. Anders als bei anderen Albert-Publikationen ist hier nicht zu erkennen, ob Victoria darauf Einfluss genommen hat. Mehrere Textvorlagen gehen auf Alberts Bruder Ernst zurück. Auch eigene Gedichte hat Albert vertont. Andere stammen von Rückert, Goethe, Eichendorff, Uhland und anderen. 6
Vitrine 3 Bibliotheken des royalen Paares Albert und Victoria hatten jeweils ihre eigenen Bibliotheken. Diese bilden bis heute geschlossene Sammlungen innerhalb der Royal Library in Windsor, die als Ganzes maßgeblich vom damaligen Bibliothekar Bernard Woodward geprägt wurde. Zu Alberts Lebzeiten nahm seine persönliche Bibliothek allerdings drei Räume im Buckingham Palast in London ein. Vom dafür zuständigen deutschen Bibliothekar Dr. Ernst Becker wissen wir darüber gut Bescheid. Albert waren systematisch aufgebaute und gut organisierte Bibliotheken besonders wichtig. So kümmerte er sich auch um eine Militärbibliothek für Aldershot, dem von ihm geförderten damaligen Hauptstandort der britischen Armee. Und für Coburg initiierte er zur Erinnerung an Luthers Aufenthalt auf der Veste 1530 eine Lutherbibliothek. Es ist bezeichnend für Prinz Albert, dass er Büchersammlungen für sinnvoller hielt als Marmorstandbilder. GP 2 (alt: GP A Albert 2) H. R. H. Prince Albert at the age of 42. Engraved by Francis Holl from an enlarged photograph. 1861. Albert in Zivilkleidung, sitzend und mit einem aufgeschlagenen Buch in der Hand. In seinen späten Lebensjahren wollte der Prinz am liebsten als gebildeter und belesener Mann der Wissenschaften gesehen werden. Cob 7.85/3 (7,2) Fotos von Prinz Alberts Privatbibliothek im Buckingham Palast. Abgedruckt „with permission of Her Majesty Queen Elizabeth II” in: Common Heritage. Documents and Sources relating to German-British Relations in the Archives and Collections of Windsor and Coburg. Vol. 2. Ed. by Franz Bosbach, John R. Davis, Karina Urbach. Berlin 2018, S. 168-169. 7
HP-65,2822 (weitere Exemplare: Cob 54,1450, HP 63,587) Catalogue of the books, maps, and plans in the Military Library of His Royal Highness the Prince Consort, Aldershot. London, Taylor and Francis, 1860. HP-F 60,56 Woodward, Bernard B.: Windsor Castle, picturesque and descriptive. A series of photographic views taken by Her Majesty's most gracious permission. London: Moxon, Corner, [ca. 1875]. Dem einstigen Hofbibliothekar kommt in späten Jahren die ehrenvolle Aufgabe zu, den Text zu diesem repräsentativen Fotoband über Windsor Castle zu schreiben. Der Band gelangte als Weihnachtsgeschenk an Herzogin Alexandrine nach Coburg in die Herzogliche Privatbibliothek. 96,1378 Foto von Alberts deutschem Bibliothekar Dr. Ernst Becker. Abgedruckt in: Charlotte Pangels: Dr. Becker in geheimer Mission an Queen Victorias Hof. Die Briefe des Prinzenerziehers und Bibliothekars Dr. Ernst Becker aus seiner Zeit in England von 1850-1861. Hamburg 1996, S. 104. Lu Ia 1530,21 Luther, Martin: Ein sendbrieff D. M. Lutthers Von Dolmetzschen[n] vnd Fürbit der heiligenn. [Nürnberg] : [Rottmaier], 1530. Benzing 2840; VD 16 L 5949. Der früheste Druck von Luthers in Coburg verfasster Programmschrift zur Bibelübersetzung repräsentiert die von Albert initiierte Lutherbibliothek. Es spricht für Kennerschaft, dass der unter Geheimhaltung in Nürnberg gedruckte, äußerlich völlig unscheinbare Erstdruck gekauft wurde und nicht der kurz danach veröffentlichte repräsentativere Druck aus Wittenberg. 8
Vitrine 4 Eine geordnete Welt von Kunst, Wissenschaft und Gewerbe: Die Große Ausstellung von 1851 Prinz Albert sah und schuf Zusammenhänge und machte sie greifbar. Diese Fähigkeit zeigt sich in seiner Bibliotheksarbeit, bei der in Büchern aufgezeichnetes Wissen systematisiert wurde. Besonders kommen sein Ordnungssinn und sein Organisationstalent in der „Großen Ausstellung“ von 1851 zur Geltung, der ersten Weltausstellung überhaupt. Als System dokumentiert und für die Nachwelt konserviert ist sie in Buchform. Der dreibändige, großformatige und engbedruckte „Offizielle Katalog“ mit insgesamt 1.500 Seiten ist ein beeindruckendes Monument von Struktur und Ordnung. Dem steht der einbändige Dokumentationsband mit den Gutachten zu den zahlreichen Wettbewerben in nichts nach. E II 2,87 (Band 1-3) Great Exhibition of the works and industry of all nations, 1851. Official descriptive and illustrated catalogue. By authority of the Royal Commission. 3 Volumes. London 1851. E II 2,88 - HP-Q 67,129 (2 Exemplare) Exhibition of works of industry of all nations, 1851. Reports by the juries on the subjectes in the thirty classes into which the exhibition was divided. London: Printed for the Royal Commission, 1852. Aufgeschlagen S. 740-741: Bookbinding, dazwischen Tafel mit gewürdigten Buntpapieren. Tb 229 The industry of all nations 1851. The Art-Journal illustrated catalogue. London: Virtue, 1851. Ein weiterer Katalog erschien in Verbindung mit dem Art Journal. Bei ihm standen weniger die Systematik als Abbildungen der ausgestellten Objekte im Vordergrund. Auf dem Titelblatt trägt die rechte kniende Figur die Gesichtszüge Alberts. Sie reicht einem Maler die Hand, der ein Bild des Objektes angefertigt hat, das die an Albert erinnernde Figur in der Hand hält. Eine Allegorie des Friedens hält für beide Lorbeerkränze bereit. 9
GP 8 (alt: GP A Albert 8) Albert. Portrait of H. R. H. Prince Albert on Sèvres China by A. Ducluzeau; exhibited in the great exhibition by the French government. [um 1840]. Das Porträt wurde von D. Pound nach einer Daguerreotype [Frühform der Fotografie] gestochen und anlässlich der Großen Ausstellung 1851 auf französischem Chinaporzellan aus der berühmten königlichen Porzellan-Manufaktur in Sèvres wiedergegeben. 10
Vitrine 5 Die große Ausstellung von 1851 als Event Die Great Exhibition würden wir heute als Event bezeichnen. Sie war ein großer Publikumsmagnet. Hoher wissenschaftlicher Anspruch, Wirtschaftsförderung und Touristik waren dabei eng miteinander verbunden. In Herzogin Alexandrines Hauschronik ist zu lesen, dass auch das Coburger Herzogspaar der Ausstellung wegen nach London reiste und sie mehrfach besuchte. Alexandrine berichtet anschaulich von einem „in der Ausstellung prangenden Orchestrion“, bei dem einmal „in der sonst ganz vorzüglich gelungenen Ouvertüre zu Wilhelm Tell [von Rossini] die Trompeten nicht mehr zu bändigen waren“. Die besondere Attraktion war der Crystal Palace. Dieses zentrale Ausstellungsgebäude wurde nach einem Entwurf von Joseph Paxton durch Charles Fox in einer frühen Form der Modulbauweise im Hydepark errichtet und später in einen anderen Stadtteil verlegt. GP 168 (alt: GP B London 2) Auswahl aus einer Serie von 20 Farblithographien (7,5 x 12 cm) mit verschiedenen zeitgenössischen Ansichten des Crystal Palace. HP-Ze-1682(1854,2) Darstellung des Crystal Palace an seinem späteren Standort in Sydenham. In: Illustrierte Zeitung Nr. 574 vom 1. Juli 1854, S. 8. Der Bericht in der deutschen Boulevardpresse - in Verbindung mit dem anschließenden Beitrag über den Industrie-Ausstellungs-Palast in München von 1854 - belegt den Einfluss der Great Exhibition auf Deutschland. 11
HP-58,55 The Palace and Park. London: Crystal Palace Library 1859. Der offizielle Ausstellungsführer besteht aus insgesamt fünf Teilen, die in einer zweiten Ausgabe in diesem Band zusammengebunden sind: 1. Phillips, Samuel: Guide to the Crystal Palace and its park and gardens. A newly arranged and entirely revised edition, by F. K. J. Shenton. London 1858. 2. Phillips, Samuel: The Portrait Gallery of the Crystal Palace. London 1854. 3. The Natural History Department of the Crystal Palace described. Ethnology. By Robert Gordon Latham / Zoology and Botany. By Edward Forbes. London 1854. 4. Owen, Richard: Geology and Inhabitants of the ancient world. London 1854. – aufgeschlagen! 5. Scharf, Johann Georg: The Pompeian Court in the Crystal Palace. London 1854. HP-57,1804 Whitbread's new Crystal Palace map of London. [London], Whitbread, 1856. Der Crystal Palace wurde zum Wahrzeichen Londons. Das zeigt dieser Stadtplan, der ihn im Titel führt. Ta 646 (Band 1+2) Gaspey, William: Tallis's illustrated London. In Commemoration of the Great Exhibition of 1851. London – New York 1851. Aus Anlass der Großen Ausstellung kam dieser ausführliche zweibändige London-Führer heraus. 12
Vitrine 6 Bücher als Denkmäler I: Das Leben des Prinzgemahls Albert war kein Freund von Marmorstatuen. Victoria hingegen fand daran sehr wohl Gefallen. Als sie sich nach Alberts frühem Tod die Kultur der Erinnerung an ihn zur Aufgabe machte, legte sie neben der Errichtung von Monumenten auch großen Wert auf Bücher. Durch den Druck sollte ein von ihr bestimmtes Bild von Alberts Persönlichkeit in die Öffentlichkeit gelangen. Die ersten gedruckten Albert-Biografien wurden von der Königin in Auftrag gegeben und durch die Bereitstellung von ausgewählten Dokumenten in die gewünschte Richtung gelenkt. In der Landesbibliothek Coburg sind so viele der frühesten Lebensbeschreibungen Alberts vorhanden, dass sich gut zeigen lässt, wie viel Zeit und Energie für verschiedene Fassungen und Drucke aufgewendet wurden. Fast alle kamen als Geschenke an die hier lebenden Verwandten nach Coburg, stets versehen mit einer eigenhändigen Widmung Victorias. HP-65,1290 The principal speeches and addresses of His Royal Highness the Prince Consort. With an introduction, giving some outlines of his character. London: Murray, 1862. Die erweiterte Neuausgabe von Alberts Reden und Ansprachen ist das erste Albert- Denkmal in Buchform. Es war bereits fünf Monate nach Alberts Tod fertig. Die „outlines of his character“ markieren den Beginn der Albert-Biografien nach Victorias Wünschen. Mit einer ergreifenden eigenhändigen Widmung an die „lieben Geschwister Ernst und Alexandrine“ gelangte das Buch nach Coburg. HP-56,1558 Grey, Charles: Biography of His Royal Highness the Prince Consort. Compiled from letters and memoranda. London: Smith, Elder, 1866. Die erste Albert-Biografie lag vier Jahre später vor. Charles Grey hatte sie im Auftrag Victorias auf der Grundlage von Unterlagen geschrieben, die sie ihm gegeben hatte. Sie war „for private circulation”. Das bedeutet, dass sie nicht über den Buchhandel vertrieben wurde. Das Coburger Exemplar hat Victoria ihrer „Schwester“ Alexandrine geschenkt. 13
CEB A 1277 Grey, Charles: The early years of His Royal Highness, the Prince Consort. Compiled under the direction of Her Majesty the Queen. 5th edition. London: Smith, Elder, 1868. SG 15 Grey, Charles: Die Jugendjahre des Prinzen Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, Prinzgemahls der Königin von England. Autorisierte Übersetzung von Julius Frese. Gotha: Perthes, 1868. (weitere Exemplare vorhanden: L I 5/62d; Eb K 51; Cob 9 ALB 19). Grey setzte seine Auftragsarbeit fort und befasste sich nach seiner ersten einbändigen Albert-Biografie nun ausführlich mit den Jugendjahren. Diese Lebensbeschreibung war für den Buchhandel und damit für die Allgemeinheit bestimmt. Sie erschien in mehreren Auflagen und wurde auch ins Deutsche und ins Italienische (Einband-Slg. / HP-56,1006) übersetzt. Das bedeutet, dass sie eine sehr weite Verbreitung fand. HP-56,1560 (Band 1+2) Martin, Theodore: The life of His Royal Highness the Prince Consort. London: Smith, Elder, 1875 und 1876. Ab 1875 erschien „in compliance with Her Majesty’s desire“ die insgesamt fünf Bände umfassende Albert-Biografie Theodore Martins (L I 5/61; Cob 9 ALB 1). Die hier gezeigten ersten beiden Bände der englischen Originalausgabe schenkte Victoria ihrer Schwiegertochter Marie. Diese hatte kurz zuvor Alfred geheiratet, den zweiten Sohn Alberts und Victorias und späteren Coburg-Gothaer Herzog. Martins Lebensbeschreibung wurde wie die Greys in einer deutschen Parallelausgabe auch über den deutschen Buchhandel vertrieben (L I 5/62). 14
Vitrine 7 Bücher als Denkmäler II: Das Leben in den Highlands Kurz nach Alberts Tod begann Victoria auch, Auszüge aus ihren Tagebüchern zu veröffentlichen. Es waren die Eintragungen über die gemeinsamen Aufenthalte in den Highlands. Alberts Todesjahr bildet den Endpunkt. Auch diese Publikation soll an Albert erinnern: “To the dear memory of him who made the life of the writer bright and happy, these simple records are lovingly and gratefully inscribed.” (Zur lieben Erinnerung an ihn, der das Leben der Schreiberin hell und glücklich machte, wurden diese einfachen Eintragungen in Liebe und Dankbarkeit festgehalten). Von den Blättern aus den Highlands existiert eine kaum zu überschauende Vielzahl an Drucken: in unterschiedlichen Formaten, mit variierenden Einbänden und auf verschiedene Weise illustriert. Gestaltung und Materialien der Einbände dokumentieren ebenso das Experimentieren mit neuen Werkstoffen und Techniken wie die zahlreichen eingeklebten Fotografien im Wechsel mit gedruckten Bildern zeigen. Später kam noch eine Fortsetzung für die Jahre 1862 bis 1882 heraus. Die Erinnerung an Albert ist darin nicht mehr ganz so vorherrschend (HP-57,1785 und HP-59,195). Die Aktivitäten der Königin, die Leistungen ihres Prinzgemahls dauerhaft im kollektiven Gedächtnis zu verankern, halfen ihr persönlich bei der Bewältigung des Verlustes. Gleichzeitig trugen alle Maßnahmen auch zur Festigung der britischen Monarchie bei. Die in ihren Traditionen fest verwurzelten schottischen Untertanen galt es besonders, an die britische Krone zu binden. Bereits der erste Besuch des royalen Paares 1842 in Schottland wurde in einem Buch mit großformatigen Lithographien und Stichen dokumentiert. HP-F 63,13 Queen Victoria in Scotland 1842. Edinburgh [u.a.]: Black [u.a.] [ca. 1842]. – Aufgeschlagen: Einschiffung am Loch Tay. 15
HP-59,194 [Victoria Queen of Great Britain]: Leaves from the journal of our life in the Highlands, from 1848 to 1861. London: Smith, Elder [1865]. – Aufgeschlagen: Frühe Aufnahme von Loch Avon. Der äußerlich schlichte Erstdruck umfasst deutlich weniger Text als die späteren Ausgaben. Doch schon hier sind im hinteren Teil zahlreiche Fotografien eingeklebt. Diese Beispiele aus der Frühzeit der neuen Aufnahmetechnik sind teilweise sehr blass. Das Buch dürfte in kleiner Auflage für einen begrenzten Kreis erschienen sein. Das Coburger Exemplar war ein Geschenk Victorias an Alexandrine. HP-57,1790 + HP-61,1268 [Victoria Queen of Great Britain]: Leaves from the journal of our life in the Highlands, from 1848 to 1861. To which are prefixed and added extracts from the same journal giving an account of earlier visits to Scotland, and tours in England and Ireland, and yachting excursions. Edited by Arthur Helps. London: Smith, Elder, 1868. Die Ausgabe im kleineren Oktavformat erschien im regulären Buchhandel. Fotografien sind nicht eingeklebt. Ein Exemplar war ein Geschenk Victorias für den „theuren Bruder Ernst“, das andere für „die geliebte Schwester Alexandrine“. HP-Q 65,164 [Victoria Queen of Great Britain]: Leaves from the journal of our life in the Highlands, from 1848 to 1861. To which are prefixed and added extracts from the same journal giving an account of earlier visits to Scotland, and tours in England and Ireland, and yachting excursions. Edited by Arthur Helps. London: Smith, Elder, 1868. – Illustrated Edition. Diese Ausgabe im größeren Quartformat ist reich mit Drucken illustriert. Der rote Textileinband weist eingeprägte Verzierungen in Schwarz und Gold auf. In der Mitte ist ein Hirsch zu sehen. Die Gestaltung entspricht den Kriterien für gutes Buchdesign gemäß dem Jurygutachten der Weltausstellung von 1851. Bei den zahlreichen Illustrationen im Buchinneren handelt es sich um Drucke. Für die Wohnzimmer der Königin und des Prinzgemahls in Balmoral wurde ein Farbdruck gewählt. Es handelt sich um ein Geschenk an den „lieben Ernst“. 16
CEB B 148 [Victoria Queen of Great Britain]: Leaves from the journal of our life in the Highlands, from 1848 to 1861. To which are prefixed and added extracts from the same journal giving an account of earlier visits to Scotland, and tours in England and Ireland, and yachting excursions. Edited by Arthur Helps. London: Smith, Elder, 1868. – Illustrated Edition. Dieses Exemplar der illustrierten Variante im Quartformat basiert auf der entsprechenden gedruckten Ausgabe. Ergänzt wird sie durch zahlreiche Fotografien, die auf Trägerpappe aufgeklebt und dazwischen gebunden sind. Besonders bemerkenswert sind die Einbanddeckel mit Schottenmuster. Sie sind aus Werkstoffen gefertigt, mit denen damals offensichtlich erste Versuche gemacht wurden (Lack, Kunststoff?), und nehmen beinahe das Design der 1970er Jahre vorweg. Diesen Band hat Victoria eigenhändig in französischer Sprache Clémentine (1817-1907) gewidmet, der Ehefrau Augusts von Sachsen-Coburg Koháry (1818-1881), einer geborenen Prinzessin von Frankreich. 17
Vitrine 8 Bücher als Denkmäler III: Die Triqueti Marbles Albert fand seine letzte Ruhestätte im Mausoleum von Frogmore auf dem Gelände von Windsor Castle. Vor der Fertigstellung des Mausoleums wurde er vorübergehend in einer Seitenkapelle der St. George’s Chapel bestattet. Dauerhaft wurde in der St. George’s Chapel ein Kenotaph, ein Ehrengrabmal, mit Marmorskulpturen für ihn errichtet. Damit beauftragte Victoria den Piemontesen Henri Joseph Francois de Triqueti (1804-1874). Nach der Fertigstellung sorgte sie dafür, dass repräsentative Fotografien vom prachtvollen Scheingrabmal in einem großformatigen Bildband in die Öffentlichkeit gelangten. Das Coburger Exemplar ist einmal mehr eigenhändig der Herzogin Alexandrine gewidmet. HP-F 61,131 Davison, Jane / Davison, Margaret: The Triqueti marbles in the Albert Memorial Chapel, Windsor. One hundred and seventeen photographs. A series of photographs. London: Chapman and Hall, 1876. 18
Vitrine 9 Raffael als Inspirationsquelle Über Bücher wollte das royale Paar auch geschmacksbildend wirken oder das Erscheinungsbild öffentlicher Gebäude beeinflussen. Einen Orientierungspunkt bildete dabei die italienische Renaissance. Raffael (1483-1520) gehörte zu den besonders geschätzten Künstlern. HP-Q 69,91 The great works of Raphael Sanzio of Urbino. Twenty-six photographs from the best engravings of his most celebrated paintings. Second series. Edited by Joseph Cundall. London, Cambridge: Bell and Daldy [u.a.] 1869. Diese Publikation ist illustrationsgeschichtlich bemerkenswert. Graphikblätter nach Gemälden Raffaels werden abfotografiert, auf dünnen Karton aufgeklebt und zwischen die Druckseiten eingebunden. Victoria sandte dieses Buch mit eigenhändiger Widmung vom Neujahrstag 1870 als „Schwester und Freundin“ an die „theure Alexandrine“. F 61,106 The decoration of the garden-pavilion in the grounds of Buckingham Palace. Engraved under the superintendence of L. Gruner. … With an Introduction by Mrs. Jameson. London: John Murray u.a., 1846. Dieser Band, “published by Command of Her Majesty”, dokumentiert die Errichtung eines Garten-Pavillons auf dem Gelände des Buckingham Palace. Für die Innendekoration wurde auf die Fresko-Technik nach dem Vorbild der italienischen Renaissance zurückgegriffen, wie sie Raffael etwa in den Stanzen des Vatikans angewandt hatte. Beauftragt wurden zeitgenössische britische Künstler, darunter der Hofmaler Edwin Landseer (1802-1873). Mit diesem kleinen persönlichen Bauprojekt schufen Albert und Victoria laut Einführung ein Experimentierfeld im Interesse bedeutender nationaler Gebäude. Dabei ist besonders an die Innengestaltung des zwischen 1840 und 1870 errichteten Parlamentsgebäudes zu denken. 19
Vitrine 10 Förderung britischer Künstler Bücher dienten auch dazu, britische Künstler zu würdigen, zu fördern und breiteren Bevölkerungsschichten bekannt zu machen. Eine ganze Reihe hochwertiger Bildbände dieser Zweckbestimmung gelangte mit königlicher Widmung an Herzogin Alexandrine. Bei allen entspricht die Gestaltung der Einbände den Kriterien für gutes Buchdesign nach Maßgabe der Weltausstellungs-Jury von 1851. HP-Q 66,109 Pictures by Sir Edwin Landseer, Royal Academician. With descriptions and a biographical sketch of the painter by James Dafforne. London: Virtue, Spalding, and Daldy [1873]. HP-Q 66,108 Pictures by Sir Edwin Landseer, Royal Academician. With descriptive letterpress. London: J.S. Virtue and Co, 1890. Edwin Landseer (1802-1873) wurde am britischen Hof sehr geschätzt und erhielt zahlreiche hochrangige Aufträge. Unter anderem erteilte er Victoria Zeichenunterricht. Er gehörte auch zu den Malern, die mit der Ausschmückung des Gartenhauses auf dem Gelände des Buckingham Palace beauftragt wurden. Die beiden Bildbände versammeln hochwertige Druckgraphik, die verschiedene Graveure nach gemalten Tierbildnissen Landseers angefertigt haben. Die Bilder sind überwiegend die gleichen, jedoch in geänderter Abfolge. Die Texte unterscheiden sich. 20
HP-Q 66,110 The Works of J. M. W. Turner, R.[oyal| A.[cademician]. With a biographical sketch and critical and descriptive notes by James Dafforne, author of “Pictures by Sir Edwin Landseer, R.A.”. London: Virtue & Co, 1877. William Turner (1775-1851) gilt als der bedeutendste britische Bildkünstler der Romantik. Wie Landseer war er Mitglied der königlichen Akademie. Stiche nach seinen Gemälden, vor allem Seestücke, Landschaftsbilder und Ansichten von Venedig, enthält in ebenfalls beeindruckender Qualität dieser Bildband. Die Texte stammen wie beim ersten Landseer- Band von James Dafforne (1804-1880). Dafforne schrieb unter anderem für das „Art Journal“, wo auch der „Illustrierte Katalog“ zur Weltausstellung 1851 herauskam. Prinz Albert war von 1843 bis zu seinem Tod Präsident der „Royal Society for the Encouragement of Arts, Manufactures & Commerce“ (kurz: Royal Society of Arts). 1878 verfasste Dafforne auch ein Buch über das 1872 errichtete Albert-Memorial in den Kensington Gardens. HP-F 65,11 The Etcher. Thirty-seven examples of original etched work of modern artists. London: Sampson Low u.a., 1882. – Aufgeschlagen: “The Woolly-Ones of England” von Ned Swaine. Das Weihnachtsgeschenk von 1882 enthält Originalradierungen von 37 zeitgenössischen Künstlern. Zu jedem Blatt des nummerierten Pressedrucks gibt es auch einen Text, teils literarischer, teils beschreibender Art. 21
Literatur: Bachmann, Gertraude: Die beiden Schwägerinnen Königin Victoria und Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg und Gotha. In: Queen Victoria, 1819 - 1901, zum 100. Todesjahr. Hrsg. von Ewald Jeutter und Birgit Cleef-Roth. Coburg 2001, S. 28-45. (Cob 9 VIC 53). Bosbach, Franz: Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha im Rheinland. In: Koblenzer Geographisches Kolloquium. Sonderheft 2018. Festschrift Rainer Graafen. Koblenz 2018, S. 33-48. (2019,515). Brockmann, Thomas: "Dieses würdigste aller Lutherdenkmale ...". Die Coburger Luther- Bibliothek als Projekt und Typ reformationsbezogener Erinnerungskultur. In: Windsor - Coburg, Geteilter Nachlass - gemeinsames Erbe. Hrsg. von Franz Bosbach und John R. Davis. München 2007 (Prinz-Albert-Studien 25), S. 85-114. (2007,1709). Common Heritage. Documents and Sources relating to German-British Relations in the Archives and Collections of Windsor and Coburg. Ed. by Franz Bosbach, John R. Davis, Karina Urbach. Vol. 2: The Photograph Collections and Private Libraries. Berlin 2018, bes. S. 194- 197. (Cob 7.85/3(7,2). Ernst : Aus meinem Leben und aus meiner Zeit. 3 Bände. Berlin 1887-1889; hier Band 1, S. 3-4. (Eb K 40). Hamber, Anthony: Photography and the 1851 Great Exhibition. New Castle, London 2018. (Q 2019,73). Marsden, Jonathan (Hrsg.): Victoria & Albert. Art & Love. [accompanies the exhibition opening at The Queen's Gallery, Buckingham Palace, in March 2010]. London: Royal Collection Publ., 2010. (Q 2010,167). Pangels, Charlotte: Dr. Becker in geheimer Mission an Queen Victorias Hof. Die Briefe des Prinzenerziehres und Bibliothekars Dr. Ernst Becker aus seiner Zeit in England von 1850- 1861. Hamburg 1996. (96,1378). Pfister, Silvia: Ein Geschenk zur Silberhochzeit. In: Gott, die Welt und Bayern. 100 Kostbarkeiten aus den regionalen staatlichen Bibliotheken Bayerns. Hrsg. für die Bayerische Staatsbibliothek von Bernhard Lübbers und Bettina Wagner. Petersberg 2018, S. 226-227. (Q 2018,304). Urbach, Karina: Queen Victoria. Die unbeugsame Königin. München 2011. (2018,1299). 22
Ausstellung und Begleitheft: Silvia Pfister Landesbibliothek Coburg Schloss Ehrenburg Schlossplatz 1 96450 Coburg Tel: 09561/8538-0 Fax: 09561/8538-201 E-Mail: geschaeftsstelle@landesbibliothek-coburg.de Webseite: www.landesbibliothek-coburg.de Öffnungszeiten: Montag – Donnerstag: 10 – 17 Uhr Freitag – Samstag : 10 – 13 Uhr Während der Schulferien: Montag – Freitag: 10 – 13 Uhr 23
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