Hintergrund - WWege psychisch beeinträchtigter Menschen in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit (WEMRE)

 
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Hintergrund - WWege psychisch beeinträchtigter Menschen in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit (WEMRE)
Reha-Seminar an der Universität und Universitätsklinik Würzburg, 28. Oktober 2020

                                              Institut für Rehabilitationswissenschaften
                                             Projektbüro: Prof. i. R. Dr. Ernst von Kardorff

   Wege psychisch beeinträchtigter Menschen in die EM-Rente und
    Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit (WEMRE)
                                                gefördert durch:

                               Kooperationspartner: DRV Bund, DRV Westfalen, DRV Berlin-Brandenburg

Referent: Dr. Alexander Meschnig
Team: Prof. i.R. Dr. Ernst von Kardorff, Dr. Sebastian Klaus, Anna Rosa Ostern (stud. Hilfskraft), Yvonne Rafalzik (stud.
Hilfskraft)

                                                       Hintergrund
        Zunahme von EM-Berentungen aufgrund diagnostizierter psychischer Beeinträchtigungen ist eine
        gesellschaftliche, volkswirtschaftliche und versorgungsbezogene Herausforderung:
        ƒ Seit 2009 stehen EM-Berentungen wegen F-Diagnosen an erster Stelle: 1993 betrug ihr Anteil
          lediglich 15,3%, 2018 waren es insgesamt 42,7 % (DRV Bund 2019)
        ƒ Hauptdiagnosen sind dabei mit steigender Tendenz F3 und F4 Diagnosen
        ƒ Durchschnittsalter bei Erstbewilligung wegen F-Diagnosen: 48,1 Jahre im Verhältnis zu 51,1
          Jahren bei somatischen Erkrankungen
        ƒ 30 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen sind 2016 wegen „psychischer Erkrankungen
          ohne Sucht“ in den EM-Rentenbezug eingetreten
        ƒ 46% der Erstbezieher/innen von EM-Renten wegen F-Diagnosen haben vor dem Rentenantrag
          keine medizinische Rehabilitation in Anspruch genommen
        ƒ Nur ca. 5% der wegen einer F-Diagnose befristet berenteten Personen kehren auf den
          Allgemeinen Arbeitsmarkt zurück (Kobelt 2009), dies steht in Kontrast zur Rückkehrmotivation
          in verschiedenen Studien; Briest 2018, Zschucke et al. 2016

         Würzburg 28.10.2020             Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                            2
Hintergrund - WWege psychisch beeinträchtigter Menschen in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit (WEMRE)
EM-Berentung wegen Psyche I

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                                                                          http://www.sozialpolitik-
                                                                          aktuell.de/tl_files/sozialpolitik
                                                                          -
                                                                          aktuell/_Politikfelder/Arbeitsb
                                                                          edingungen/Datensammlung/
                                                                          PDF-Dateien/abbV11.pdf

Würzburg 28.10.2020     Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                               3

                      EM-Berentung wegen Psyche II
                                                                            Insbesondere Zunahme
                                                                            der EM-Berentungen
                                                                            wegen F3-Hauptdiagnose
                                                                            und hier Depression.

                                                                            Quelle: BPtK 2013

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Hintergrund - WWege psychisch beeinträchtigter Menschen in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven aus der EM-Rente in Arbeit (WEMRE)
Studienziele
ƒ Rekonstruktion biographischer Verläufe bis zum Eintritt in die EM-Rente (Schlüsselmomente,
  Wendepunkte etc.) um Hilfebedarfe im zeitlichen Verlauf zu identifizieren
ƒ Analyse von Krankheitsverläufen und Inanspruchnahmen psychologischer/medizinischer
  Angebote
ƒ Erhebung der Motivationen zur, der Erwartungen an und der Begründungen für EMR-Anträge
ƒ Ausarbeitung unterschiedlicher Bewältigungsmuster des Umgangs mit der EM-Rente
  (Änderungen der Einstellungen, Erwartungen, Anpassungstrategien, etc. im Zeitverlauf)
ƒ Erhebung der (RTW)Motivationen zu und der Unterstützungsbedarfe beim Return to Work
  (RTW)
ƒ Ableitung charakteristischer Fallkonstellationen zu Wegen in die EM-Rente und zu RTW-
  Perspektiven
ƒ Empfehlungen für:
   ¾ Ansatzpunkte (zusätzlicher) Präventionsangebote vor der EM-Rente
   ¾ medizinisch-psychologische Angebote im EM-Rentenbezug
   ¾ Unterstützungsangebote für eine Rückkehr in Arbeit bei Personen mit RTW-Motivation und Potentialen

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                         Stichprobengenerierung
Versandte Fragebögen: 3.653 Versicherte (August 2017 bis April 2018), Erstbewilligung, F3 oder F4 Diagnose
 DRV Bund (N=2815)
Diagnosegruppe        Geschlecht                       Anzahl        Rücklauf der Fragebögen:
F3 (1.946)            Männlich                            420        Rentenversicherung     Anzahl Rücklaufquote
                      Weiblich                           1526
                                                                                           (N=599)
F4 (869)              Männlich                            144
                                                                              Westfalen         57          9,6%
                      Weiblich                            725
 DRV Berlin-Brandenburg (N=261):                                                                43         16,5%
                                                                      Berlin Brandenburg
Diagnosegruppe       Geschlecht                        Anzahl
F3 (168)              Männlich                             64
                                                                                   Bund         499        17,7%
                      Weiblich                            104
F4 (93)               Männlich                             33
                      Weiblich                             60
                                                                       Datengrundlage für die Verlaufsstudie:
DRV Westfalen (N=597)
Diagnosegruppe        Geschlecht                       Anzahl                                            Sample
F3 (409)              Männlich                            199          Fragebogenerhebung               N=589*
                      Weiblich                            210
F4 (188)              Männlich                             86          Interviewte                         N=45
                      Weiblich                            102

Würzburg 28.10.2020              Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                           6
Studiendesign
                                                                                                                   Sample
    Mixed-Method-Design mit                                                                      Fragebogenerhebung             N=589
    qualitativer Längsschnitterhebung                                                            Interviewte                    N=45
                                                                                                 Angeschrieben wurden insgesamt 3.653 Ver-
                                                                                                 sicherte der DRV Bund, RV Westfalen und RV
      Fragebogenerhebung               Fragebogenauswertung                                      Berlin-Brandenburg von August bis Oktober
                                                                                                 2017 (Vollerhebung)
                       Narratives Interview            Telefoninterview                 Leitfadeninterview

                                                 Interviewauswertung: Narrations- und Sequenzanalyse, kontrastive Fallstudien

                                                                                                  Expert/inneninterviews II:
                               Expert/inneniterviews I: Exploration                               Ergebnissicherung

                                                                                                       Beirat                    Beirat    Endbericht

Oktober 2017 2018                                                     2019                                            2020             September 2020

       Würzburg 28.10.2020                    Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                                   7

                                         Stichprobenbeschreibung I
                                                                                      Projektstichprobe (N=589)    DRV-Bund (N=2806)
     Geschlecht                                                           Weiblich                        75,8%                        79,8%
                                                                          Männlich                        24,1%                        20,2%
     Alter                                                             bis 39 Jahre                        8,5%                        10,7%
                                                                       40-49 Jahre                        18,5%                        22,4%
                                                                       50-59 Jahre                        71,6%                        65,8%
                                                                         Über 60 J.                        1,0%                         1,1%
     Schulabschluss                                              ohne Abschluss                                -                        1,5%
                                                                    Hauptschule                           18,9%                        20,5%
                                                                Realschule + POS                          48,6%                        53,7%
                                                                FH-Reife + Abitur                         30,2%                        24,3%
                                                                   Keine Angabe                            2,3%                             -
     Berufsabschluss                                 ohne beruflichen Abschluss                            6,3%                         6,1%
                                                                           Lehre                          57,0%                        79,9%
                                                                      Fachschule                          22,5%                         5,1%
                                                                 FH + Universität                         14,2%                         8,9%
     Lebenssituation                                                  allein lebend                       38,9%                        46,4%
                                                                        mit Partner                       60,8%                        53,6%

                                                                                                                                                        8
Stichprobenbeschreibung II

                                            Projektstichprobe (N=589)     DRV Stichprobe (N=2806)

         Diagnose                     F3                          70,3%                                69,1%
                                      F4                          29,7%                                30,9%

          Komorbidität               Ja                           86,1%
                                    Nein                          13,9%                                      -

          Reha vor Rente      Med. Reha                           78,0%                                      -
                             Berufl. Reha                         19,8%

          Befristung           Befristet                          82,0%                   74,5% („Zeitrente“)
                             Unbefristet                          17,2%              25,5% („keine Zeitrente“)

                                                                                                                      9

                         Stichprobenbeschreibung (qualitativ)
ƒ Zustimmung zum Interview durch die Versicherten (Einwilligungserklärung): Ja = 51,2%
  (N=307); Nein = 38,2% (N=229); Keine Angabe = 10,6% (N=63).
ƒ Auswahl für die Interviews
  ¾ Kein Ziel der Repräsentativität, sondern möglichst großer Variabilität aus dem
     vorhandenen Sample
  ¾ Suche anhand des Fragebogens nach Personen mit möglichst minimalen
     Unterschieden bzw. maximalen Kontrasten (minimaler und maximaler Vergleich)
      Jüngere Teilnehmer (30-39 Jahre), Männer und F4-Diagnosen sind dabei - im
        Verhältnis zu Gesamtstichprobe – überproportional in die Gruppe der von uns
        interviewten Personen aufgenommen worden.
  ¾ Theoretische Sättigung nach der Befragung von 45 Personen aus dem Sample erreicht
     (d. h. keine signifikanten neuen Ergebnisse mit der Befragung weiterer Personen
     mehr zu erwarten).

   Würzburg 28.10.2020             Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                       10
Ergebnisse: Wege in die EM-Rente
                                                          Es gibt keinen typischen Weg in die EM-Rente!

  ƒ Sehr heterogene biografischen Verläufe (vom ehemaligen Manager bis zu Personen
    ohne berufliche Ausbildung)
    ¾ Lange stringente Erwerbsbiografie mit intaktem Familienleben
    ¾ Brüchige Erwerbsbiografie und alleinlebend
    ¾ Und alles was es dazwischen gibt….
  ƒ Entstehung und Chronifizierung der psychischen Beschwerden in unterschiedlichen
    Lebensphasen und –lagen
    ¾ Wechsel zwischen Krisen und Phasen relativer Stabilität Æ kein linearer Verlauf
  ƒ Keine Auffälligkeiten bei den Berufsfeldern oder Branchen
    ¾ ABER: Tendenz zu personenbezogenen Dienstleistungsberufen und Positionen mit
       Leitungsfunktionen
            Würzburg 28.10.2020                                     Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                     11

                      Unterstützung bei der EM-Rente (Prozente)
                                            Wie sind Sie in die EM-Rente gekommen?                                                 Fragebogenergebnisse spiegeln
                                                                                                                                   sich auch in den Interviews
                                                         Eigeninitiative                                    47                     wieder.

            Empfehlung des Hausarztes, eines Facharztes der Psychologen                                                68,9

                                                                                                                                   Besonders häufig Empfehlung
Empfehlung des Betriebsarztes, des betrieblichen Gesundheitsmanagement         5,1                                                 zum EM-Rentenantrag aus dem
                                                                                                                                   Gesundheitssystem (Klinik,
               Empfehlung eines Vorgesetzten oder eines Arbeitskollegen        5,6                                                 Reha, Psychotherapeut,
                                                                                                                                   Psychiater, Hausarzt).
          Auf Empfehlung des Reha-Fachberaters der Rentenversicherung                        24,6

                          Empfehlung der Arbeitsagentur/des Jobcenters                     22,4                                    Meist auf Druck des Jobcenters.

                                          Empfehlung Familie / Freunde                            28

                                                                           0     10   20          30   40   50   60   70      80

            Würzburg 28.10.2020                                     Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                     12
Inanspruchnahme von Angeboten vor EM-Rente (Prozente)
                                            Welche Angebote haben Sie bislang genutzt?                                              N=590

                                                                                                                                                   Rege Inanspruchnahme psychiatrisch-
           Psychologische Beratung                                                                                          75,3
                                                                                                                                                   psychotherapeutischer Angebote vor
                                                                                                                                                   der EM-Rente.
        Medizinische Rehabilitation                                                                                            78
                                                                                                                               7

Berufliches Gesundheitsmanagement                            10,3

                 Selbsthilfegruppen                                          23,1
                                                                                                                                                   Auffälligkeiten:
                    Psychotherapie                                                                                                    84,1
                                                                                                                                                   54 % der Erstbezieher haben eine
                                                                                                                                                   med. Reha vor dem EM-Rentenbezug
           Berufliche Rehabilitation                                      19,8
                                                                                                                                                   absolviert (DRV Bund 2015), in
                                                                                                                                                   unserer Stichprobe aber 78%
                 Onlineplattformen                                  16,8

                                                                                                                                                   LTA-Maßnahmen werden selten oder
                 Wellnessangebote                                          21,5                                                                    zu spät (?) in Erwägung gezogen.
                                       0                10           20             30        40        50   60   70          80             90

            Würzburg 28.10.2020                                                  Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                                     13

                                                  Aktuelle Unterstützung (Prozente)
                                  Welche Unterstützungsangebote nehmen Sie aktuell in Anspruch?                                                      N=589
                                                                                                                                                                   Partiell stehen somatische
                                                                                                                                                                    Beschwerden im
  Stationäre Rehabilitation                4,9
                                                                                                                                                                    Vordergrund
  Ambulante Rehabilitation                            9,8

                  Facharzt                                                                                                                        72,8
                                                                                                                                                                   Im EM-Rentenbezug
                                                                                                                                                                    abnehmender Bedarf oder
           Psychotherapie                                                                                                           66,2                            Ende der Langzeittherapie,
                                                                                                                                                                    obwohl z. T. noch weiterer
        Selbsthilfegruppen                                          17,8                                                                                            Bedarf besteht

                  Hausarzt                                                                                                                    71,3                 Therapeut und Hausarzt
                                                                                                                                                                    als alltagsweltlicher
                Sonstiges                                                                29
                                                                                                                                                                    Berater
                              0                  10                 20                   30        40        50        60              70                    80

            Würzburg 28.10.2020                                                  Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                                     14
Charakteristische Varianten für Wege in die EM-Rente
Frühes psych. belastendes Erlebnis
          (Misshandlung,
                                            Schwere somatische Erkrankung
   Familienkonstellation, Unfall)

                                                                                     Starke psychische Belastung in
  Verdrängung über viele Jahre                 Psychische Komorbidität
                                                                                        Arbeit und/oder Familie

                                                  Schleichende Chronifizierung der psychischen Beschwerden;
Reaktivierende äußere Ereignisse
                                                                 psychische Komorbiditäten

                                                 Präsentismus in der Arbeitswelt; Verschleierung in der Familie

                                                           Zusammenbruch und vorübergehende AU

 Brüchige Erwerbsbiografie / ALO                                 Beantragung einer EM-Rente

    Würzburg 28.10.2020            Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                             15

                    Drei Motive zum Antrag der EM-Rente*
ƒ EM-Rente aufgrund der fehlenden Perspektive, weiterhin dauerhaft der Berufstätigkeit
  nachgehen zu können
  ¾ Zunehmende psychische Belastungen
  ¾ Verkürzung der Zeiten der Berufsausübung zwischen den AU-Tagen
  ¾ Inanspruchnahmen psychiatrisch-psychotherapeutischer Angebote verlieren an
     Wirkung
ƒ Entkommen einer ausweglos scheinenden Situation
  ¾ EM-Rente als Rettungsanker eines nicht mehr funktionierenden Lebenswegs
  ¾ EM-Rente als Auszeit für biografische Neujustierung
ƒ EM-Rente als dauerhafte Alternative zur eingetretenen Arbeitslosigkeit
  ¾ Subjektive Wahrnehmung der fehlenden Perspektive, aufgrund der gesundheitlichen
     Einschränkungen wieder in Erwerbsarbeit zu gelangen
  ¾ Sehr häufig Komorbiditäten (multiple psychische Beeinträchtigungen oder
     Kombination aus psychischen und somatischen Beeinträchtigungen)
    Würzburg 28.10.2020          Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                              16
Erwartungen an die EM-Rente
ƒ Zeit für intensive Krankheitsarbeit
ƒ Intensive Inanspruchnahme ambulanter psychiatrisch-psychologischer Angebote
  ¾ Klinikaufenthalte
  ¾ Ausrichtung des Alltags an die gesundheitlichen Einschränkungen
      Etablierung einer gesundheitsförderlichen Alltagsstruktur
      Zeit für Aktivitäten, die nicht psychisch belasten
      Ressourcen aktivieren, um Stressoren im Alltag besser entgegenwirken zu können
ƒ Zurückkehrende Selbstbestimmung bei vorheriger Abhängigkeit vom Jobcenter
  ¾ Dem neuen Leben eine eigene Struktur geben
ƒ Befreiung aus den Zwängen psychisch belastender Erwerbsarbeit
  ¾ Die Entscheidung, eine EM-Rente zu beantragen, stellt auch eine psychische
     Entlastung dar, weil damit der normativ-gesellschaftlichen Zwang zur Erwerbsarbeit
     umgangen wird (im Kontrast zur ALO)

   Würzburg 28.10.2020      Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                  17

                             Höhe der EM-Rente

                                                                                 Quelle:
                                                                                 http://www.sozialpolitik-
                                                                                 aktuell.de/tl_files/sozialpolitik
                                                                                 -aktuell/_Politikfelder/Alter-
                                                                                 Rente/Datensammlung/PDF-
                                                                                 Dateien/abbVIII47b.pdf

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Lebenslagen mit der EM-Rente
ƒ Die finanzielle Lage ist für viele der Befragten mit um die 1.500 €/Monat etwas besser
  als die Statistik vermuten lässt!
  ¾ Personen mit zuvor stabiler Erwerbsbiografie und gutem Einkommen
ƒ Neben der EM-Rente verfügen viele Studienteilnehmer über zusätzliche Einnahmen
  ¾ Rente der Berufsgenossenschaft
  ¾ Betriebliche Rente
  ¾ Waisen- oder Witwenrente
  ¾ Nebenjobs
ƒ Gemeinsame Veranlagung mit Partner entspannt zudem die finanzielle Lage
  ¾ Meist verfügen diese Personen über ein rund 1.000 €/Monat geringeres
      Haushaltseinkommen gegenüber der Zeit der vollen Erwerbstätigkeit
ƒ Gelingendes Arrangement mit dem Leben in der EM-Rente.
  ¾ Finanzielle Sparmaßnahmen (z.B. weniger Urlaube, kleineres Auto).
  ¾ Prioritätenverschiebung: Von Prestige hin zu Gesundheit.
    Würzburg 28.10.2020      Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit       19

                          Lebenslagen mit der EM-Rente
ƒ Einige Studienteilnehmer finden sich im EM-Rentenbezug unterhalb des
  Existenzminimums wieder
  ¾ Meist alleinlebende Personen mit monatlich weit unter 1.000 €
  ¾ Partiell begleitet von einer Privatinsolvenz
  ¾ I.d.R. Personen mit brüchiger Erwerbsbiografie
  ¾ EM-Rente als unverschuldeter Schicksalsschlag, der individuell zu managen ist

ƒ Arrangement mit der EM-Rente gelingt unterschiedlich gut
  ¾ Entscheidend dafür sind nicht nur die Höhe der EM-Rente, sondern auch die in die
     EM-Rente transformierten Ansprüche
      Dementsprechend fällt auch die subjektive Deutung des Existenzminimums
       unterschiedlich aus

    Würzburg 28.10.2020      Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit       20
Leben mit der EM-Rente

     Krankheitsarbeit                         Alltagsarbeit                         Biografiearbeit

 Medizinisch-                                                 Aufbau einer
therapeutische                                                   neuen
  Angebote                      Selbstsorge                    Normalität
                                                                                          Realistisches
                                                                                          RTW-Szenario

  Würzburg 28.10.2020         Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                     21

                        Unterschiedliche RTW-Perspektiven

        Neue Normalität mit EM-Rente                             Normative RTW-Orientierung
                ca. 60 %                                                   ca. 20 %
        ƒ Strikter Ausschluss eines RTW                          ƒ RTW-Wunsch mit Blick auf das
        ƒ Häufig somatische Beschwerden                            Umfeld (soziale Erwünschtheit)
        ƒ Einrichten in/Abfinden mit der EM-                     ƒ TN sehen sich (noch) nicht als
          Rente                                                    arbeitsfähig

                                               RTW-Szenario
Gelungener RTW,                                  ca. 20 %
3 von 45 Personen:
                                    ƒ   Manifester Rückkehrwunsch
eine Person in VZ ;
eine Person in TZ;                  ƒ   Positive Gesundungserwartung
eine Person in WfbM                 ƒ   Fehlende Infos und Unterstützung
                                    ƒ   Eher jüngere Personen < 50 J.

  Würzburg 28.10.2020         Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                     22
Personen mit realistischem RTW-Szenario
ƒ   Tendenziell jüngere Personen < 50 Jahren
ƒ   Sehr frühe erste psychische Belastungen; Kindheit in problematischen Familienkonstellationen
ƒ   Frühe (teilweise erzwungene) Loslösung vom Elternhaus
ƒ   Suche nach neuen sozialen Kontakten; frühe feste Partnerschaft, soziale Welten
ƒ   Sporadische Versuche der Aufarbeitung der psychischen Belastungen in der Jugend
ƒ   Aufbau einer starken beruflichen Identität; auch als Kompensation der geringen Identifikation
    mit der Familie
ƒ   Stringente Erwerbsbiografie im „Traumberuf“; i.d.R. personenbezogene Dienstleistungsberufe
ƒ   Rückkehr psychischer Belastungen in Partnerschaft und Arbeit
ƒ   EM-Rente als Strategie, dem nicht mehr passfähigen Lebensweg zu entkommen
ƒ   Kurze Inanspruchnahme medizinisch-therapeutischer Angebote vor dem Antrag
ƒ   Empfehlung auf EM-Rente in einer Klinik und/oder von niedergelassenen Ärzten
ƒ   EM-Rente als Auszeit für biografische Neujustierung

      Würzburg 28.10.2020                     Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                              23

                            Zwei Fallbeispiele mit RTW Potenzial
Herr Ballauf, 54 Jahre, in Partnerschaft lebend, 2 Kinder (kein Kontakt)
                                 Scheidung,         HIV Diagnose,                                   Depressive
                                                                        Medizinische
          „Coming Out“           depressive           schwere                                         Phasen,
                                                                        Rehabilitation
                                   Phasen            Depression                                   Suizidgedanken

Florist, arbeitet aber                                                                         Überforderung am
                                Selbständiger          Aufgabe des          Umschulung zu                                   EM-Rentenantrag,
   in Betrieb des                                                                                 Arbeitsplatz,
                                    Florist             Geschäfts           Bürokaufmann                                   unbefristet bewilligt
  Schwiegervaters                                                                               Krankschreibung

 Frau Bunt, 40 Jahre, in Partnerschaft lebend, 2 Kinder
Manisch-depressive          Immer wieder             Lange
                                                                      Geburt zweier      Durchgehend in ambulanter
 Phasen bereits in           Psychiatrie-          depressive
                                                                         Kinder          psychiatrischer Behandlung
   der Jugend                aufenthalte            Phasen

                                                         Häufige                Neuer Job und weitere               Aufgrund mangelnder
    Medizinstudium               Arbeit als
                                                      Jobwechsel da            Kündigung, danach lange         Perspektiven Entschluss auf EM-
     mit Abschluss              Zahnärztin
                                                        gekündigt                  Arbeitslosigkeit            Rentenantrag, befristet bewilligt

      Würzburg 28.10.2020                     Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit                                               24
Aktuelle Situation (ca. 18 Monate nach
                                    Erstbewilligung)
Herr Ballauf (54 Jahre)
ƒ Akzeptanz des EM-Rentenstatus verringert sich mit der Zeit, will wieder arbeiten,
  weiß aber zunächst nicht wie er dabei vorgehen soll (Æ Informationsdefizit)
ƒ bewirbt sich nach ein paar Monaten auf zwei Teilzeitstellen im Verkauf, die er
  aber nicht weiter verfolgt, da er lieber im sozialen Bereich tätig sein möchte (Æ
  Eigeninitiative)
ƒ Gesundheitlich stabil, depressive Phasen treten während unserer Interviewzeit
  selten auf. Die abgebrochene Beziehung zu seinen Kindern beschäftigt ihn weiter,
  er unternimmt aber real nicht wirklich etwas dagegen, aus Angst abgelehnt zu
  werden (Æ nimmt dafür Psychotherapie in Anspruch)
ƒ etwa 2 Monate nach unserem letzten Gespräch schreibt Herr Ballauf mir eine
  Email, dass er nun auf 480.- € Basis in einem Altenheim am Empfang arbeitet und
  es ihm sehr gut damit geht (RTW, ja oder nein?)

  Würzburg 28.10.2020        Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit     25

                        Aktuelle Situation (ca. 18 Monate nach
                                    Erstbewilligung)
  Frau Bunt (40 Jahre)
  ƒ ihre Situation ist im dritten Interview unverändert, ihr Wunsch und die Hoffnung
    wieder arbeiten zu können sind zwar weiter vorhanden (Æ normativer RTW-
    Wunsch), der entscheidende Schritt wird aber stetig hinausgezögert, da sie ihrer
    Einschätzung nach (noch) nicht so weit ist (Angst vor geringer Leistungsfähigkeit)
  ƒ Privat: Überforderung durch Kindererziehung, ihr Mann kompensiert viel,
    dennoch zeigen die Kinder Verhaltensauffälligkeiten in Kita und Schule (Æ
    ungünstige RTW-Prognose)
  ƒ Frau Bunt hatte zum dritten Interviewzeitpunkt, durch Kontakt zu Nachbarin, das
    Angebot als Schulzahnärztin stundenweise zu arbeiten, traut sich das aber nicht
    zu, da stabile Phasen nach wie vor von instabilen abgelöst werden, ein länger
    andauernder RTW ohne Unterstützung und Begleitung ist unwahrscheinlich (Æ
    wechselnde Phasen der Belastbarkeit als Herausforderung)

  Würzburg 28.10.2020        Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit     26
Hemmschwellen für die Umsetzung des RTW
ƒ Es fehlen Informationen und Unterstützungsangebote seitens der DRV und auch anderer
  Reha-Träger; Unklarheiten über Voraussetzungen für Unterstützungsangebote
ƒ Fehlende Möglichkeiten, sich entsprechend der Vorgabe von max. 3 Stunden pro Tag
  neue Berufsfelder über Praktika zu erschließen
ƒ Zunehmende Unsicherheiten während des EM-Rentenbezugs in der Beurteilung der
  eigenen Leistungsfähigkeit bezüglich der Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts
ƒ Fehlende Rückkehrmöglichkeit in den EM-Rentenbezug bei einem misslingenden RTW
  (hier schwedisches Modell als Alternative: seit 2009 gesetzlich verankerte Möglichkeit
  wieder in Erwerbsleben zurückzukehren ohne Verlust des Anspruchs auf AU-Rente)

   Der RTW ist für unsere Interviewten ein Vorhaben in eigener Verantwortung und auf
                                     eigenes Risiko!

    Würzburg 28.10.2020             Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit              27

                                                 Empfehlungen I
     ƒ Einrichtung eines regional gegliederten Case-Managements für die RTW Begleitung
        ¾Zielgerichtetes Angebot eines Informations- und Beratungsgesprächs (mit biografischer
         Anamnese) ca. 3-6 Monate nach Erstbewilligung einer (befristeten) EM-Berentung an
         Personen mit einer potenziellen RTW-Perspektive
        ¾Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die Gewährleistung von Reha-Maßnahmen
         während des EM-Rentenbezuges
        ¾Klärung der Motivation und der Ziele; Berufswege-/Wiedereinstiegsplanung; Finanzielle
         Beratung (individuelles Risikoprofil), ggf. Belastungserprobung und/oder Reha
        ¾Vermittlung und Betreuung von Praktika, Probearbeiten, LTA-Maßnahmen
        ¾Weitere Unterstützungsangebote (Hilfe bei der Jobsuche: Person-Environment-Fit, Job-
         Coaching, aber auch Familienhilfe)
        ¾RTW-Begleitung bis zu 12 Monaten
        ¾Besprechung von Alternativen jenseits des ersten Arbeitsmarkts (480.-€ Jobs, Ehrenamt,
         etc.)

    Würzburg 28.10.2020   Reha-Seminar ONLINE: Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit
Empfehlungen II
 ƒ Fallvignetten zur Sensibilisierung des Case-Managements für die Zielgruppe der
   Personen mit „berufsbiografischer Neuorientierung“, ggf. auch für Personen mit
   einer „normativen RTW-Orientierung“
 ƒ Verlängerung des Bewilligungszeitraums für die Zeit der Begleitung durch das
   Case-Management, wenn trotz aller Bemühungen eine Rückkehr in Arbeit nicht
   gelingt
 ƒ Bei allen Angeboten zu einer möglichen Rückkehr in Arbeit ist es unerlässlich,
   einen „Erprobungsraum“ zu gewähren, da die Ängste vor dem Verlust der
   Sicherheit der EM-Rente für die überwiegende Mehrzahl der Befragten das
   Haupthindernis für den Versuch einer Rückkehr in Arbeit darstellt
         „Schwedisches Modell“ (Kein Verlust des EM-Anspruchs bei einem
         Scheitern des RTW)

Würzburg 28.10.2020   Reha-Seminar ONLINE: Wege in die EM-Rente und Rückkehrperspektiven in Arbeit   29

                       Herausforderung für die Forschung
ƒ Identifizierung von Personen mit RTW-Perspektiven über einen Kriterienkatalog
  biografischer Daten auf der Basis einer Verknüpfung von:
     ¾ Routinedaten (Alter, Geschlecht, Bildungsabschlüsse, Diagnosen, Komorbidität,
       Inanspruchnahme von Behandlungen und Reha-Leistungen, AU- und ALO-Zeiten)
     ¾ Qualitative biografische Daten (Familien- und Berufsgeschichte, Kritische
       Lebensereignisse, Wege in die EM-Rente, aktuelle soziale Situation, Erwartungen und
       Motivation an RTW und darauf bezogene Unterstützung, persönliche bzw. familiäre
       Zukunftsplanung)
     ¾ Entwicklung einer Heuristik zur Identifikation von Personen mit RTW Potenzial und
       Wunsch; ein rein statistisches Screening-Instrument reicht dafür nicht aus
ƒ Machbarkeitsanalyse zur organisatorischen, sozialrechtlichen und inhaltlich-fachlichen
  Umsetzung sowie zu den Kosten und der Akzeptanz bei den Versicherten und den
  Fachkräften
ƒ Modellhafte Erprobung in Regionen mit unterschiedlicher Arbeitsmarktsituation und
  unterschiedlicher Versorgungsdichte

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Institut für Rehabilitationswissenschaften
                               Projektbüro: Prof. i. R. Dr. Ernst von Kardorff
                      Wiss. Mitarbeiter: Dr. Sebastian Klaus, Dr. Alexander Meschnig

              Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
                       und Ihr Interesse!

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