Die dritte Option Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019

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Die dritte Option
Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht

12. Februar 2019

Zusammenfassung                                      gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht
                                                     und das besondere Diskriminierungsverbot
Intergeschlechtlichen Menschen steht infolge         des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Gericht be-
des Beschlusses des Bundesverfassungsge-             tont die Bedeutung der geschlechtlichen Zu-
richtes aus Oktober 2017 und dem Gesetz zur          ordnung als besonders relevanten Aspekt der
Änderung der Angaben im Geburtenregister             Fremdwahrnehmung und des eigenen Ver-
ab dem 22. Dezember 2018 der Geschlechts-            ständnisses der Persönlichkeit. Das Diskrimi-
eintrag „divers“ im Geburtenregister zu.             nierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG
                                                     spreche ohne Einschränkungen allgemein
Weitergehende Regelungen oder sprachliche            von "Geschlecht", was auch ein Geschlecht
Anpassungen nimmt das Gesetz nicht vor.              jenseits von weiblich und männlich sein
Unmittelbar arbeitsrechtliche Auswirkungen           könne.
hat die Änderung des Personenstandsgeset-
zes daher nicht. Gegebenenfalls, so stellt der       Auch die Ordnungsinteressen des Staates
Gesetzgeber in Aussicht, kann sich zukünftig         rechtfertigten die Verwehrung der Eintragung
weiterer Regelungsbedarf außerhalb des Per-          nicht. Sofern einzelne rechtliche Pflichten und
sonenstandsrechts ergeben.                           Ansprüche nach geltendem Recht an das Ge-
                                                     schlecht anknüpften, entstünden keine Zuord-
Nach unserer Auffassung hat die Entschei-            nungsprobleme, die sich nach geltendem
dung des Bundesverfassungsgerichts keinen            Recht nicht ohnehin schon stellten.
unmittelbaren Einfluss auf arbeitsrechtliche
Regelungen. Im Bereich zwischen Privaten             1. Neue gesetzliche Regelung
folgt aus ihr nichts. In der Literatur finden sich
allerdings Stimmen, die für andere Rechtsge-         Die Bundesregierung hat am 15. August 2018
biete – so auch das Arbeitsrecht – eine abwei-       den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
chende Bewertung vornehmen.                          der in das Geburtenregister einzutragenden
                                                     Angaben beschlossen. Damit wurde die Um-
Im Einzelnen                                         setzung der Entscheidung des Bundesverfas-
                                                     sungsgerichts eingeleitet, zu der der Gesetz-
Am 10. Oktober 2017 hat das Bundesverfas-            geber bis 31. Dezember 2018 verpflichtet
sungsgericht entschieden, dass die fehlende          wurde. Das Gesetz ist nach der Verkündung
Möglichkeit eines Geschlechtseintrags jen-           im Gesetzblatt am 22. Dezember 2018 in
seits von weiblich oder männlich im Gebur-           Kraft getreten.
tenregister bei zwingender Registrierungs-
pflicht nach dem Personenstandsrecht ver-            In § 22 Abs. 3 PStG wird die Möglichkeit ein-
fassungswidrig ist.                                  geräumt, bei der Beurkundung der Geburt ei-
                                                     nes nicht eindeutig einem Geschlecht zuzu-
Die personenstandsrechtliche Regelung                ordnenden Neugeborenen neben den Anga-
(§§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG) verstoße
ben "weiblich" und "männlich" oder der Eintra-                  2. Stellenausschreibungen
gung ohne eine solche Angabe, auch die Be-
zeichnung "divers" zu wählen. Betroffenen                       Hinsichtlich der „Dritten Option“ bieten sich
Personen wird zudem die Möglichkeit eröff-                      unterschiedliche Möglichkeiten in der Kom-
net, unrichtige Zuordnungen im Geburtsein-                      munikation, wenn auch intergeschlechtliche
trag ändern zu lassen und - soweit dies ge-                     Personen ausdrücklich angesprochen wer-
wollt ist - neue Vornamen zu wählen. Voraus-                    den sollen.
setzung dafür ist der Nachweis des Vorlie-
gens einer Variante der Geschlechtsentwick-                     Ausgangslage
lung durch Vorlage einer ärztlichen Beschei-
nigung.                                                         Schon bisher waren Menschen eines anderen
                                                                Geschlechts als männlich oder weiblich vom
Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf                       AGG gegen Diskriminierungen geschützt. Der
Menschen mit Varianten der Geschlechtsent-                      mögliche offene Geschlechtseintrag im Per-
wicklung. Weitergehende Regelungen nimmt                        sonenstandsrecht seit 2013 verdeutlichte und
das Gesetz nicht vor. Insbesondere sprachli-                    anerkannte die Existenz einer anderen Ge-
che Anpassungen in Rechtsvorschriften wer-                      schlechtsoption. Daraus lässt sich die Konse-
den ausweislich der Gesetzesbegründung                          quenz ziehen, dass mit dem Zusatz „m/w“ ge-
grundsätzlich für nicht erforderlich gehalten.                  rade alle Geschlechter berücksichtigt werden
Das in der Gesetzessprache verwendete ge-                       sollten - wovon offensichtlich auch der Ge-
nerische Maskulinum stelle gerade nicht auf                     setzgeber in seiner Gesetzesbegründung zur
das somatische Geschlecht ab und müsse                          Neuregelung des Personenstandsgesetzes
daher aufgrund der neu geschaffenen An-                         ausgeht.
gabe "divers" nicht geändert werden. In
Rechtsvorschriften, in denen im Zuge der                        Berücksichtigung in Stellenausschreibun-
Herstellung der sogenannten geschlechter-                       gen
gerechten Sprache, jeweils beide Geschlech-
ter genannt werden, sei davon auszugehen,                       Um bei der Stellenbezeichnung ausdrücklich
dass diese Variante nicht exklusiv wirken                       intergeschlechtliche Personen einzubezie-
solle und auch Menschen ohne Zuordnung zu                       hen, könnte die bisher verwendete Gender-
einem der beiden Geschlechter gemeint                           klammer (m/w) um eine dritte Bezeichnung
seien. Ausdrücklich vom Gesetz nicht erfasst                    ergänzt werden und in Zukunft (m/w/divers)
werden Rechtsvorschriften, die explizit zwi-                    lauten. Vorstellbar wären auch Zusatzbe-
schen Männern und Frauen unterscheiden.                         zeichnungen wie „all genders welcome“ oder
Unmittelbar verpflichtende arbeitsrechtliche                    die Verwendung einer vom Geschlecht unab-
Auswirkungen hat die vorgesehene Änderung                       hängigen Titelbezeichnung wie z. B. „Person
des Personenstandsgesetzes daher nicht.                         zur IT-Entwicklung“ anstatt der bisherigen
                                                                Formulierung „IT-Entwickler/IT-Entwicklerin“.
So hat für die Formulierung in Kundenformu-                     Nicht zuletzt kann die Stellenbezeichnung in
laren der Bundesgerichtshof am 13. März                         genderbewusster Sprache formuliert werden,
2018 – VI ZR 143/17 zugunsten der Einfach-                      z. B. IT-Entwickler_in gesucht. Zur Klarstel-
heit und Klarheit der Sprache entschieden,                      lung kann hierbei zusätzlich in einer Fußnote
dass die Verwendung des generischen Mas-                        angemerkt werden, dass der Gender_Gap o-
kulinums allgemeiner Sprachgebrauch und                         der das Gender-Sternchen die Vielfalt der Ge-
keine Herabsetzung der Person sei. Abschlie-                    schlechter abbilden soll.
ßend rechtssicher ist diese Annahme deshalb
nicht, weil sich die klagende Kundin nunmehr                    Folgerichtig kann dann bei der Stellenbe-
an das Bundesverfassungsgericht gewandt                         schreibung und dem Anforderungsprofil
hat.                                                            ebenfalls darauf geachtet werden, alle Ge-
                                                                schlechter anzusprechen. Diesbezüglich bie-
                                                                tet es sich an, eine Fokussierung auf die
                                                                Funktion und das Profil anstatt auf die Person

                   Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht

                   12. Februar 2019
                                                                                                            2
vorzunehmen. Eine vom Geschlecht losge-                          möglich. Legt die Sanktionsnorm das be-
löste Profilbeschreibung ist beispielsweise:                     wehrte Verhalten, wie hier § 9 Abs. 1 Nr. 3 Ar-
                                                                 bStättV, nicht selbst fest, sondern verweist sie
Ihr Profil:                                                      auf eine verwaltungsrechtliche Vorschrift, hier
- Erfolgreich abgeschlossenes Studium der ...                    auf § 3a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Anhang Nr. 4.1
- Fundierte Kenntnisse in …                                      Abs. 1 ArbStättV, müssen beide Vorschriften
                                                                 in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und
Entsprechend können Anreden in Bewer-                            Anwendung im Einzelfall den verfassungs-
bungstools und Kontaktformularen angepasst                       rechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG
werden – entweder durch eine erweiterte Op-                      genügen.
tion oder das Streichen von Pflichtfeldern der
Anrede.                                                          Die Gleichbehandlung aller Geschlechter
                                                                 stößt an die baulichen Grenzen der bestehen-
3. Sanitär- und Umkleideräume | Arbeits-                         den Betriebsgebäude. Eine etwaige Neurege-
   stättenverordnung                                             lung muss demzufolge die bautechnische
                                                                 Enge und den wirtschaftlichen Aufwand im
Die Regelung zu Toiletten in der Arbeitsstät-                    Blick haben.
tenverordnung verlangt, dass Toilettenräume
„für Männer und Frauen [entweder] getrennt                       Unter Berücksichtigung dieser Gesichts-
einzurichten“ sind (Anhang Nr. 4.1 Abs. 1                        punkte ist die gesonderte Einrichtung von Sa-
Satz 2 Alt. 1 ArbStättV) oder aber alternativ                    nitär- und Umkleideräume für Menschen des
eine ,,getrennte Nutzung zu ermöglichen“ ist                     dritten Geschlechts als vorbeugende Maß-
(Anhang Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 Ar-                         nahme zum Schutz vor Benachteiligungen im
bStättV). Entsprechende Regelungen finden                        Sinne des § 12 Abs. 1 AGG jedenfalls nicht
sich für Waschräume in Absatz 2 und Umklei-                      geboten.
deräume in Absatz 3 der Regelung.
                                                                 Sofern sich derzeit intersexuelle Beschäftigte
Die gesetzliche Wahlmöglichkeit des Arbeit-                      auf ihr Geschlecht berufen, kann allerdings
gebers wird in der betrieblichen Praxis durch                    über eine pragmatische Lösung im Betrieb
die Vorgaben der „Technischen Regeln für                         nachgedacht werden. So kann z. B. die Nutz-
Arbeitsstätten A4.1 (ASR A4.1)“ stark be-                        barmachung nicht genutzter oder überzähli-
schränkt. Nach Ziff. 4 Abs. 6 Satz 1 ASR A4.1                    ger Sanitärräume oder aber eine gemein-
sind grundsätzlich getrennte Sanitärräume für                    same Nutzung der barrierefreien und schon
weibliche und männliche Beschäftigte einzu-                      heute unisex genutzten Sanitärräume erwo-
richten. In Betrieben mit bis zu neun Beschäf-                   gen werden.
tigten kann auf getrennt eingerichtete Toilet-
ten, Wasch- und Umkleideräume verzichtet                         4. Geschlechtsbezogene Wahlvorschrif-
werden, wenn eine zeitlich getrennte Nutzung                        ten im BetrVG und in der WO
sichergestellt ist. Insofern ist die Einrichtung
einer „Unisex-Toilette“ als Ersatz für die ge-                   § 15 Abs. 2 BetrVG bestimmt, dass „das Ge-
trennte Einrichtung aufgrund der gesund-                         schlecht, das in der Belegschaft in der Min-
heitsschutzrechtlichen Anforderungen nur in                      derheit ist“, mindestens entsprechend seinem
kleineren Betrieben möglich.                                     zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat ver-
                                                                 treten sein muss, wenn der Betriebsrat aus
Der Wortlaut des Gesetzes spricht eindeutig                      mindestens drei Mitgliedern besteht. § 5 Abs.
nur von Männern und Frauen. Sanitärräume                         1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 WO sowie § 15 Abs.
sind demnach nur für Frauen und Männer ge-                       3 WO beziehen sich ebenfalls auf das „Ge-
trennt einzurichten.                                             schlecht in der Minderheit“. Die geschlechts-
                                                                 neutrale Formulierung dieser Vorschriften
Eine Ausweitung der Norm auf intersexuelle                       lässt ein umfassendes Geschlechtsverständ-
Menschen wäre schon wegen der Bußgeld-                           nis aller drei Geschlechter zu. Da das Wort
bewährung und dem damit einhergehenden                           „Geschlecht“ im Singular verwandt wird, kann
Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht                      es nur ein Minderheitengeschlecht geben.

                    Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht

                    12. Februar 2019
                                                                                                               3
Demnach könnten Personen des dritten Ge-                        Wählerliste neben der Eintragung des Ge-
schlechts das „Geschlecht in der Minderheit“                    schlechts der männlichen und weiblichen Mit-
im Betrieb darstellen.                                          arbeiter auch die Eintragung der Personen
                                                                des dritten Geschlechts umfassen. Ebenso
Demgegenüber wird in § 5 Abs. 1 Satz 3 WO                       kann der Wahlvorstand verfahren, wenn eine
ausdrücklich auf die im Betrieb beschäftigten                   Person unter Hinweis auf ihr drittes Ge-
„Frauen und Männer“ Bezug genommen.                             schlecht Einspruch gegen die Wählerliste
Auch die Gesetzesbegründung anlässlich der                      gem. § 4 Abs. 1 WO erhebt und eine Berichti-
Neufassung von § 15 Abs. 2 BetrVG im Jahr                       gung der Wählerliste beantragt.
2001 belegt, dass der Gesetzgeber von ei-
nem binären Verständnis der Geschlechter                        Im Zuge der Feststellung des Geschlechts in
(männlich und weiblich) ausgegangen ist. In                     der Minderheit gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 WO
der Gesetzesbegründung heißt es insoweit:                       kann der Wahlvorstand aufgrund des eindeu-
„Der Anteil der weiblichen Betriebsratsmitglie-                 tigen Willens des Gesetzgebers vom binären
der muss künftig dem Anteil der weiblichen                      Verständnis der Geschlechter ausgehen.
Belegschaftsmitglieder entsprechen. Dies soll                   Gleiches gilt für die Berechnung des Mindes-
die Repräsentanz der Frauen im Betriebsrat                      tanteils der Betriebsratssitze für das Ge-
deutlich erhöhen und die organisatorische                       schlecht in der Minderheit gem. § 5 Abs. 1
Voraussetzung dafür schaffen, dass Frauen-                      Satz 2 WO sowie das Wahlausschreiben
förderung im Betrieb stärker als bisher von                     gem. § 3 Abs. 2 WO.
den unmittelbar Betroffenen mitgestaltet wird.
… Mit der Umwandlung der Soll-Vorschrift in                     Im Hinblick auf die Verteilung der Betriebs-
eine Muss-Vorschrift soll dem Gleichberechti-                   ratssitze gem. § 15 WO gelten grundsätzlich
gungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 2 des                        keine Besonderheiten. Für den seltenen Fall,
Grundgesetzes Rechnung getragen werden.“                        dass die Person des dritten Geschlechts die
Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass                       niedrigste Höchstzahl erhält (d. h. die nied-
es dem Gesetzgeber darum ging, die Unter-                       rigste Stimmenzahl derjenigen Personen, die
repräsentanz von Frauen in Betriebsräten zu                     in den Betriebsrat gewählt werden) und sich
beseitigen.                                                     die Verteilung der Betriebsratssitze nach § 15
                                                                Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO richtet, sind zwei Vorge-
Die Auslegung von § 15 Abs. 2 BetrVG ergibt                     hensweisen denkbar:
daher, dass der Gesetzgeber von einem binä-
ren Verständnis der Geschlechter (männlich                      a) Die Person des dritten Geschlechts wird
und weiblich) ausgegangen ist. Andernfalls                      nicht in den „Ausgleichsmechanismus“ gem.
würde insbesondere der Verweis auf Art. 3                       § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO einbezogen. Aus-
Abs. 2 GG keinen Sinn ergeben. Ob der Ge-                       weislich des gesetzgeberischen Willens be-
setzgeber für zukünftige Betriebsratswahlen                     zieht sich der Ausgleich ausschließlich auf
die geschlechtsbezogenen Wahlvorschriften                       Personen des männlichen und weiblichen
im BetrVG und in der WO neu regeln wird, ist                    Geschlechts. Die Person des dritten Ge-
offen. Eine Pflicht zur Berücksichtigung des                    schlechts ist nach dieser Betrachtungsweise
dritten Geschlechts im Rahmen Betriebsrats-                     kein von § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO „betroffe-
wahlen besteht demnach nicht. Eine freiwil-                     nes“ Geschlecht. Folge der Nicht-Einbezie-
lige Berücksichtigung des dritten Geschlechts                   hung des dritten Geschlechts in den „Aus-
kommt ohnehin nur in Betracht, wenn der Ar-                     gleichsmechanismus“ ist, dass eine Person
beitgeber Kenntnis davon hat, dass es im Be-                    des dritten Geschlechts, die die niedrigste
trieb Personen des dritten Geschlechts gibt.                    Höchstzahl erhält, nicht gem. § 15 Abs. 5 Nr.
                                                                1 - 3 WO gestrichen wird, so dass die Person
Hat eine Person dem Arbeitgeber angezeigt,                      ihren Betriebsratssitz behält.
dass sie dem dritten Geschlecht angehört,
kann der Arbeitgeber dies dem Wahlvorstand                      Diese Vorgehensweise lässt sich an folgen-
im Rahmen seiner Mitwirkung bei der Aufstel-                    dem Beispiel illustrieren:
lung der Wählerliste (vgl. § 2 Abs. 2 WO) ent-
sprechend mitteilen. In diesem Fall kann die

                   Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht

                   12. Februar 2019
                                                                                                            4
Beispiel 1:                                                     die Person des dritten Geschlechts in den
                                                                „Ausgleichsmechanismus“ gem. § 15 Abs. 5
•   Der Betriebsrat besteht aus elf Mitglie-                    Nr. 1 - 3 WO aufzunehmen. Personen des
    dern.                                                       dritten Geschlechts müssen dann ebenso wie
•   Eine Vorschlagsliste enthält eine Person                    männliche Beschäftigte hinnehmen, dass ihr
    des dritten Geschlechts.                                    Sitz im Betriebsrat aufgrund der Förderung
•   Die weiblichen Beschäftigten sind von ih-                   der weiblichen Beschäftigten gestrichen wird.
    rem zahlenmäßigen Verhältnis im Betrieb                     Folglich könnte eine Person des dritten Ge-
    in der Minderheit. Der Mindestanteil der                    schlechts, die die niedrigste Höchstzahl er-
    Betriebsratssitze für die weiblichen Be-                    hält, gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO gestrichen
    schäftigten beträgt fünf.                                   werden, so dass die Person ihren Betriebs-
•   Nach dem Wahlergebnis sind sechs Män-                       ratssitz verliert.
    ner, vier Frauen und die Person des drit-
    ten Geschlechts gewählt.                                    Auch diese Vorgehensweise lässt sich an-
•   Die Person des dritten Geschlechts ist die                  hand eines Beispiels illustrieren:
    Person mit der niedrigsten Höchstzahl, d.
    h. die niedrigste Stimmenzahl derjenigen                    Beispiel 2:
    Personen, die in den Betriebsrat gewählt
    werden.                                                     •     Ausgangslage wie im Beispiel 1.
•   Wird die Person des dritten Geschlechts                     •     Wird jetzt die Person des dritten Ge-
    nicht in den „Ausgleichsmechanismus“                              schlechts in den „Ausgleichsmechanis-
    gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO einbezo-                            mus“ gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO ein-
    gen, müsste der männliche Bewerber mit                            bezogen, verliert die Person des dritten
    der niedrigsten Stimmenzahl (= der                                Geschlechts (die die niedrigste Stimmen-
    sechste Mann) seinen Betriebsratssitz an                          zahl hat) ihr Mandat zugunsten einer
    eine weibliche Bewerberin abgeben. Die                            Frau.
    Person des dritten Geschlechts hätte                        •     Der Betriebsrat setzt sich dann wie folgt
    dann ebenfalls einen Sitz im Betriebsrat.                         zusammen: Sechs Männer, fünf Frauen.
•   Der Betriebsrat würde sich dann wie folgt
    zusammensetzen: Fünf Männer, fünf                           5. Geschlechtsbezogene Regelungen im
    Frauen, eine Person des dritten Ge-                            AktG
    schlechts.
                                                                § 96 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) bestimmt,
b) Gegen dieses Vorgehen spricht, dass es                       dass sich der Aufsichtsrat von Gesellschaf-
zu einer „Beeinträchtigung“ des Mehrheitsge-                    ten, die börsennotiert sind und der Mitbestim-
schlechts führt. Ggf. müsste eine Person des                    mung des MitbestG unterliegen, zu mindes-
Mehrheitsgeschlechts nicht nur zugunsten ei-                    tens 30 Prozent aus Frauen und zu 30 Pro-
ner Person des Minderheitengeschlechts,                         zent aus Männern zusammensetzt.
sondern auch zugunsten der Person des drit-
ten Geschlechts auf seinen Betriebsratssitz                     Im Hinblick auf die Festlegung von Zielgrößen
verzichten. Im Fall der weiblichen Beschäftig-                  bestimmt § 111 Abs. 5 AktG, dass der Auf-
ten wird diese „Beeinträchtigung“ der männli-                   sichtsrat von Gesellschaften, die börsenno-
chen Beschäftigten vom Gesetzgeber akzep-                       tiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen,
tiert, um die Repräsentanz von Frauen im Be-                    für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im
triebsrat zu erhöhen. Dies ist Ausfluss der ge-                 Vorstand Zielgrößen festlegt. Ergänzend be-
setzgeberischen Entscheidung, Art. 3 Abs. 2                     stimmt § 76 Abs. 4 AktG, dass der Vorstand
GG Vorrang vor Art. 3 Abs. 3 GG einzuräu-                       für den Frauenanteil in den beiden Führungs-
men. Im Fall der Person des dritten Ge-                         ebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen
schlechts findet sich dagegen kein Anhalts-                     festlegt.
punkt dafür, dass der Gesetzgeber die Prä-
senz von Angehörigen des dritten Ge-                            Im Gegensatz zum BetrVG ist der Wortlaut
schlechts im Betriebsrat fördern will. Vor die-                 des AktG eindeutig: Der Gesetzgeber geht er-
sem Hintergrund erscheint es konsequent,

                   Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht

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                                                                                                             5
sichtlich vom binären Verständnis der Ge-                       Geschlechts“ vornimmt. Ausdrücklich heißt es
schlechter (männlich und weiblich) aus. Es                      außerdem in der Gesetzesbegründung zum
bleibt somit im AktG kein Spielraum für eine                    Begriff „Geschlecht“ des § 21 Abs. 2 Entg-
ergänzende Auslegung im Sinne eines um-                         TranspG: Beschäftigt der Arbeitgeber Men-
fassenden Verständnisses der Geschlechter.                      schen mit einem anderen Geschlechterstatus
Solange der Gesetzgeber keine ausdrückli-                       als dem weiblichen oder dem männlichen,
che Regelung im AktG trifft, sind daher Per-                    werden sie nicht gesondert ausgewiesen. Aus
sonen des dritten Geschlechts bei der Umset-                    alledem folgt das Verständnis eines binären
zung der Quote sowie bei der Festlegung von                     Geschlechtsbegriffs des Gesetzgebers für
Zielgrößen nicht zu berücksichtigen.                            dieses Gesetz.

6. Entgelttransparenzgesetz                                     Neben der rechtlich nicht gebotenen Erweite-
                                                                rung des Anwendungsbereiches dürfte die
Werden die Vorstellung, der Wille und die Mo-                   Vergleichsgruppenbildung bereits praktisch
tive des Gesetzgebers ermittelt und die im                      an der von § 12 Abs. 3 Satz 2 geforderten
Rahmen der Gesetzgebung stattgefundenen                         Mindestanzahl von 6 intersexuellen Personen
Diskussionen berücksichtigt, so ist der Einbe-                  scheitern. Nicht mehr umfasst von Wortlaut
zug intergeschlechtlicher Menschen in die ge-                   sowie Sinn und Zweck des Gesetzes dürfte
setzliche Regelung nicht zwingend.                              der Vergleich mit zwei Geschlechtern als Ge-
                                                                schlechtergruppe sein.
Bereits der vollständige Titel des Gesetzes,
der kurz vor Verabschiedung des Gesetzes                        Eine Analogie verbietet sich, weil die Geset-
noch von „Gesetz zur Förderung der Trans-                       zesbegründung bezeugt, dass eine unge-
parenz von Entgeltstrukturen“ in „Gesetz zur                    plante Regelungslücke nicht besteht. Eine Er-
Förderung der Entgelttransparenz zwischen                       weiterung des Anwendungsbereiches ist nicht
Frauen und Männern“ geändert wurde, legt                        gewollt – insbesondere, wenn mitgedacht
nahe, dass vom Anwendungsbereich aus-                           wird, dass das dritte Geschlecht auch schon
schließlich dem weiblichen oder männlichen                      vor der Entscheidung des Bundesverfas-
Geschlecht zuzuordnende Personen umfasst                        sungsgerichts vom Diskriminierungsverbot
sind.                                                           des AGG umfasst war.

Nichtsdestotrotz verwendet der Gesetzgeber                      Ansprechpartner:
den Begriff Geschlecht ähnlich häufig wie die
Begriffe „Männer und Frauen“ oder „weibliche                    BDA | DIE ARBEITGEBER
und männliche Beschäftigte“. Der allein unter                   Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-
grammatischen Aspekten zu ermittelnde                           verbände
Wortsinn lässt demnach verschiedene Deu-
tungsmöglichkeiten offen.                                       Arbeits- und Tarifrecht
                                                                arbeitsrecht@arbeitgeber.de
                                                                T +49 30 2033-1200
Das Gesetz soll einen Beitrag zur Beseitigung                   F +49 30 2033-1205
der vermeintlichen Entgeltlücke zwischen
Männern und Frauen leisten. Der Gesetzge-
ber fand sich in der Pflicht, gemäß § 3 Abs. 2
Satz 2 GG auf die Durchsetzung des Gebots
der Entgeltgleichheit zwischen Männern und
Frauen hinzuwirken. Die Durchsetzung des
gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei
gleicher oder gleichwertiger ist das in aller
Deutlichkeit in § 1 des Gesetzes erklärte Ziel.

Der Auskunftsanspruch aus § 11 antizipiert
das insofern, als er eine Beschränkung auf
die Angabe des Entgelts „des jeweils anderen

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