Die dritte Option Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019
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Die dritte Option Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 Zusammenfassung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das besondere Diskriminierungsverbot Intergeschlechtlichen Menschen steht infolge des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Gericht be- des Beschlusses des Bundesverfassungsge- tont die Bedeutung der geschlechtlichen Zu- richtes aus Oktober 2017 und dem Gesetz zur ordnung als besonders relevanten Aspekt der Änderung der Angaben im Geburtenregister Fremdwahrnehmung und des eigenen Ver- ab dem 22. Dezember 2018 der Geschlechts- ständnisses der Persönlichkeit. Das Diskrimi- eintrag „divers“ im Geburtenregister zu. nierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG spreche ohne Einschränkungen allgemein Weitergehende Regelungen oder sprachliche von "Geschlecht", was auch ein Geschlecht Anpassungen nimmt das Gesetz nicht vor. jenseits von weiblich und männlich sein Unmittelbar arbeitsrechtliche Auswirkungen könne. hat die Änderung des Personenstandsgeset- zes daher nicht. Gegebenenfalls, so stellt der Auch die Ordnungsinteressen des Staates Gesetzgeber in Aussicht, kann sich zukünftig rechtfertigten die Verwehrung der Eintragung weiterer Regelungsbedarf außerhalb des Per- nicht. Sofern einzelne rechtliche Pflichten und sonenstandsrechts ergeben. Ansprüche nach geltendem Recht an das Ge- schlecht anknüpften, entstünden keine Zuord- Nach unserer Auffassung hat die Entschei- nungsprobleme, die sich nach geltendem dung des Bundesverfassungsgerichts keinen Recht nicht ohnehin schon stellten. unmittelbaren Einfluss auf arbeitsrechtliche Regelungen. Im Bereich zwischen Privaten 1. Neue gesetzliche Regelung folgt aus ihr nichts. In der Literatur finden sich allerdings Stimmen, die für andere Rechtsge- Die Bundesregierung hat am 15. August 2018 biete – so auch das Arbeitsrecht – eine abwei- den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung chende Bewertung vornehmen. der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben beschlossen. Damit wurde die Um- Im Einzelnen setzung der Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts eingeleitet, zu der der Gesetz- Am 10. Oktober 2017 hat das Bundesverfas- geber bis 31. Dezember 2018 verpflichtet sungsgericht entschieden, dass die fehlende wurde. Das Gesetz ist nach der Verkündung Möglichkeit eines Geschlechtseintrags jen- im Gesetzblatt am 22. Dezember 2018 in seits von weiblich oder männlich im Gebur- Kraft getreten. tenregister bei zwingender Registrierungs- pflicht nach dem Personenstandsrecht ver- In § 22 Abs. 3 PStG wird die Möglichkeit ein- fassungswidrig ist. geräumt, bei der Beurkundung der Geburt ei- nes nicht eindeutig einem Geschlecht zuzu- Die personenstandsrechtliche Regelung ordnenden Neugeborenen neben den Anga- (§§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG) verstoße
ben "weiblich" und "männlich" oder der Eintra- 2. Stellenausschreibungen gung ohne eine solche Angabe, auch die Be- zeichnung "divers" zu wählen. Betroffenen Hinsichtlich der „Dritten Option“ bieten sich Personen wird zudem die Möglichkeit eröff- unterschiedliche Möglichkeiten in der Kom- net, unrichtige Zuordnungen im Geburtsein- munikation, wenn auch intergeschlechtliche trag ändern zu lassen und - soweit dies ge- Personen ausdrücklich angesprochen wer- wollt ist - neue Vornamen zu wählen. Voraus- den sollen. setzung dafür ist der Nachweis des Vorlie- gens einer Variante der Geschlechtsentwick- Ausgangslage lung durch Vorlage einer ärztlichen Beschei- nigung. Schon bisher waren Menschen eines anderen Geschlechts als männlich oder weiblich vom Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf AGG gegen Diskriminierungen geschützt. Der Menschen mit Varianten der Geschlechtsent- mögliche offene Geschlechtseintrag im Per- wicklung. Weitergehende Regelungen nimmt sonenstandsrecht seit 2013 verdeutlichte und das Gesetz nicht vor. Insbesondere sprachli- anerkannte die Existenz einer anderen Ge- che Anpassungen in Rechtsvorschriften wer- schlechtsoption. Daraus lässt sich die Konse- den ausweislich der Gesetzesbegründung quenz ziehen, dass mit dem Zusatz „m/w“ ge- grundsätzlich für nicht erforderlich gehalten. rade alle Geschlechter berücksichtigt werden Das in der Gesetzessprache verwendete ge- sollten - wovon offensichtlich auch der Ge- nerische Maskulinum stelle gerade nicht auf setzgeber in seiner Gesetzesbegründung zur das somatische Geschlecht ab und müsse Neuregelung des Personenstandsgesetzes daher aufgrund der neu geschaffenen An- ausgeht. gabe "divers" nicht geändert werden. In Rechtsvorschriften, in denen im Zuge der Berücksichtigung in Stellenausschreibun- Herstellung der sogenannten geschlechter- gen gerechten Sprache, jeweils beide Geschlech- ter genannt werden, sei davon auszugehen, Um bei der Stellenbezeichnung ausdrücklich dass diese Variante nicht exklusiv wirken intergeschlechtliche Personen einzubezie- solle und auch Menschen ohne Zuordnung zu hen, könnte die bisher verwendete Gender- einem der beiden Geschlechter gemeint klammer (m/w) um eine dritte Bezeichnung seien. Ausdrücklich vom Gesetz nicht erfasst ergänzt werden und in Zukunft (m/w/divers) werden Rechtsvorschriften, die explizit zwi- lauten. Vorstellbar wären auch Zusatzbe- schen Männern und Frauen unterscheiden. zeichnungen wie „all genders welcome“ oder Unmittelbar verpflichtende arbeitsrechtliche die Verwendung einer vom Geschlecht unab- Auswirkungen hat die vorgesehene Änderung hängigen Titelbezeichnung wie z. B. „Person des Personenstandsgesetzes daher nicht. zur IT-Entwicklung“ anstatt der bisherigen Formulierung „IT-Entwickler/IT-Entwicklerin“. So hat für die Formulierung in Kundenformu- Nicht zuletzt kann die Stellenbezeichnung in laren der Bundesgerichtshof am 13. März genderbewusster Sprache formuliert werden, 2018 – VI ZR 143/17 zugunsten der Einfach- z. B. IT-Entwickler_in gesucht. Zur Klarstel- heit und Klarheit der Sprache entschieden, lung kann hierbei zusätzlich in einer Fußnote dass die Verwendung des generischen Mas- angemerkt werden, dass der Gender_Gap o- kulinums allgemeiner Sprachgebrauch und der das Gender-Sternchen die Vielfalt der Ge- keine Herabsetzung der Person sei. Abschlie- schlechter abbilden soll. ßend rechtssicher ist diese Annahme deshalb nicht, weil sich die klagende Kundin nunmehr Folgerichtig kann dann bei der Stellenbe- an das Bundesverfassungsgericht gewandt schreibung und dem Anforderungsprofil hat. ebenfalls darauf geachtet werden, alle Ge- schlechter anzusprechen. Diesbezüglich bie- tet es sich an, eine Fokussierung auf die Funktion und das Profil anstatt auf die Person Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 2
vorzunehmen. Eine vom Geschlecht losge- möglich. Legt die Sanktionsnorm das be- löste Profilbeschreibung ist beispielsweise: wehrte Verhalten, wie hier § 9 Abs. 1 Nr. 3 Ar- bStättV, nicht selbst fest, sondern verweist sie Ihr Profil: auf eine verwaltungsrechtliche Vorschrift, hier - Erfolgreich abgeschlossenes Studium der ... auf § 3a Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Anhang Nr. 4.1 - Fundierte Kenntnisse in … Abs. 1 ArbStättV, müssen beide Vorschriften in ihrer Gesamtheit sowie ihre Auslegung und Entsprechend können Anreden in Bewer- Anwendung im Einzelfall den verfassungs- bungstools und Kontaktformularen angepasst rechtlichen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG werden – entweder durch eine erweiterte Op- genügen. tion oder das Streichen von Pflichtfeldern der Anrede. Die Gleichbehandlung aller Geschlechter stößt an die baulichen Grenzen der bestehen- 3. Sanitär- und Umkleideräume | Arbeits- den Betriebsgebäude. Eine etwaige Neurege- stättenverordnung lung muss demzufolge die bautechnische Enge und den wirtschaftlichen Aufwand im Die Regelung zu Toiletten in der Arbeitsstät- Blick haben. tenverordnung verlangt, dass Toilettenräume „für Männer und Frauen [entweder] getrennt Unter Berücksichtigung dieser Gesichts- einzurichten“ sind (Anhang Nr. 4.1 Abs. 1 punkte ist die gesonderte Einrichtung von Sa- Satz 2 Alt. 1 ArbStättV) oder aber alternativ nitär- und Umkleideräume für Menschen des eine ,,getrennte Nutzung zu ermöglichen“ ist dritten Geschlechts als vorbeugende Maß- (Anhang Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 Ar- nahme zum Schutz vor Benachteiligungen im bStättV). Entsprechende Regelungen finden Sinne des § 12 Abs. 1 AGG jedenfalls nicht sich für Waschräume in Absatz 2 und Umklei- geboten. deräume in Absatz 3 der Regelung. Sofern sich derzeit intersexuelle Beschäftigte Die gesetzliche Wahlmöglichkeit des Arbeit- auf ihr Geschlecht berufen, kann allerdings gebers wird in der betrieblichen Praxis durch über eine pragmatische Lösung im Betrieb die Vorgaben der „Technischen Regeln für nachgedacht werden. So kann z. B. die Nutz- Arbeitsstätten A4.1 (ASR A4.1)“ stark be- barmachung nicht genutzter oder überzähli- schränkt. Nach Ziff. 4 Abs. 6 Satz 1 ASR A4.1 ger Sanitärräume oder aber eine gemein- sind grundsätzlich getrennte Sanitärräume für same Nutzung der barrierefreien und schon weibliche und männliche Beschäftigte einzu- heute unisex genutzten Sanitärräume erwo- richten. In Betrieben mit bis zu neun Beschäf- gen werden. tigten kann auf getrennt eingerichtete Toilet- ten, Wasch- und Umkleideräume verzichtet 4. Geschlechtsbezogene Wahlvorschrif- werden, wenn eine zeitlich getrennte Nutzung ten im BetrVG und in der WO sichergestellt ist. Insofern ist die Einrichtung einer „Unisex-Toilette“ als Ersatz für die ge- § 15 Abs. 2 BetrVG bestimmt, dass „das Ge- trennte Einrichtung aufgrund der gesund- schlecht, das in der Belegschaft in der Min- heitsschutzrechtlichen Anforderungen nur in derheit ist“, mindestens entsprechend seinem kleineren Betrieben möglich. zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat ver- treten sein muss, wenn der Betriebsrat aus Der Wortlaut des Gesetzes spricht eindeutig mindestens drei Mitgliedern besteht. § 5 Abs. nur von Männern und Frauen. Sanitärräume 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 WO sowie § 15 Abs. sind demnach nur für Frauen und Männer ge- 3 WO beziehen sich ebenfalls auf das „Ge- trennt einzurichten. schlecht in der Minderheit“. Die geschlechts- neutrale Formulierung dieser Vorschriften Eine Ausweitung der Norm auf intersexuelle lässt ein umfassendes Geschlechtsverständ- Menschen wäre schon wegen der Bußgeld- nis aller drei Geschlechter zu. Da das Wort bewährung und dem damit einhergehenden „Geschlecht“ im Singular verwandt wird, kann Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht es nur ein Minderheitengeschlecht geben. Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 3
Demnach könnten Personen des dritten Ge- Wählerliste neben der Eintragung des Ge- schlechts das „Geschlecht in der Minderheit“ schlechts der männlichen und weiblichen Mit- im Betrieb darstellen. arbeiter auch die Eintragung der Personen des dritten Geschlechts umfassen. Ebenso Demgegenüber wird in § 5 Abs. 1 Satz 3 WO kann der Wahlvorstand verfahren, wenn eine ausdrücklich auf die im Betrieb beschäftigten Person unter Hinweis auf ihr drittes Ge- „Frauen und Männer“ Bezug genommen. schlecht Einspruch gegen die Wählerliste Auch die Gesetzesbegründung anlässlich der gem. § 4 Abs. 1 WO erhebt und eine Berichti- Neufassung von § 15 Abs. 2 BetrVG im Jahr gung der Wählerliste beantragt. 2001 belegt, dass der Gesetzgeber von ei- nem binären Verständnis der Geschlechter Im Zuge der Feststellung des Geschlechts in (männlich und weiblich) ausgegangen ist. In der Minderheit gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 WO der Gesetzesbegründung heißt es insoweit: kann der Wahlvorstand aufgrund des eindeu- „Der Anteil der weiblichen Betriebsratsmitglie- tigen Willens des Gesetzgebers vom binären der muss künftig dem Anteil der weiblichen Verständnis der Geschlechter ausgehen. Belegschaftsmitglieder entsprechen. Dies soll Gleiches gilt für die Berechnung des Mindes- die Repräsentanz der Frauen im Betriebsrat tanteils der Betriebsratssitze für das Ge- deutlich erhöhen und die organisatorische schlecht in der Minderheit gem. § 5 Abs. 1 Voraussetzung dafür schaffen, dass Frauen- Satz 2 WO sowie das Wahlausschreiben förderung im Betrieb stärker als bisher von gem. § 3 Abs. 2 WO. den unmittelbar Betroffenen mitgestaltet wird. … Mit der Umwandlung der Soll-Vorschrift in Im Hinblick auf die Verteilung der Betriebs- eine Muss-Vorschrift soll dem Gleichberechti- ratssitze gem. § 15 WO gelten grundsätzlich gungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 2 des keine Besonderheiten. Für den seltenen Fall, Grundgesetzes Rechnung getragen werden.“ dass die Person des dritten Geschlechts die Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass niedrigste Höchstzahl erhält (d. h. die nied- es dem Gesetzgeber darum ging, die Unter- rigste Stimmenzahl derjenigen Personen, die repräsentanz von Frauen in Betriebsräten zu in den Betriebsrat gewählt werden) und sich beseitigen. die Verteilung der Betriebsratssitze nach § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO richtet, sind zwei Vorge- Die Auslegung von § 15 Abs. 2 BetrVG ergibt hensweisen denkbar: daher, dass der Gesetzgeber von einem binä- ren Verständnis der Geschlechter (männlich a) Die Person des dritten Geschlechts wird und weiblich) ausgegangen ist. Andernfalls nicht in den „Ausgleichsmechanismus“ gem. würde insbesondere der Verweis auf Art. 3 § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO einbezogen. Aus- Abs. 2 GG keinen Sinn ergeben. Ob der Ge- weislich des gesetzgeberischen Willens be- setzgeber für zukünftige Betriebsratswahlen zieht sich der Ausgleich ausschließlich auf die geschlechtsbezogenen Wahlvorschriften Personen des männlichen und weiblichen im BetrVG und in der WO neu regeln wird, ist Geschlechts. Die Person des dritten Ge- offen. Eine Pflicht zur Berücksichtigung des schlechts ist nach dieser Betrachtungsweise dritten Geschlechts im Rahmen Betriebsrats- kein von § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO „betroffe- wahlen besteht demnach nicht. Eine freiwil- nes“ Geschlecht. Folge der Nicht-Einbezie- lige Berücksichtigung des dritten Geschlechts hung des dritten Geschlechts in den „Aus- kommt ohnehin nur in Betracht, wenn der Ar- gleichsmechanismus“ ist, dass eine Person beitgeber Kenntnis davon hat, dass es im Be- des dritten Geschlechts, die die niedrigste trieb Personen des dritten Geschlechts gibt. Höchstzahl erhält, nicht gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO gestrichen wird, so dass die Person Hat eine Person dem Arbeitgeber angezeigt, ihren Betriebsratssitz behält. dass sie dem dritten Geschlecht angehört, kann der Arbeitgeber dies dem Wahlvorstand Diese Vorgehensweise lässt sich an folgen- im Rahmen seiner Mitwirkung bei der Aufstel- dem Beispiel illustrieren: lung der Wählerliste (vgl. § 2 Abs. 2 WO) ent- sprechend mitteilen. In diesem Fall kann die Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 4
Beispiel 1: die Person des dritten Geschlechts in den „Ausgleichsmechanismus“ gem. § 15 Abs. 5 • Der Betriebsrat besteht aus elf Mitglie- Nr. 1 - 3 WO aufzunehmen. Personen des dern. dritten Geschlechts müssen dann ebenso wie • Eine Vorschlagsliste enthält eine Person männliche Beschäftigte hinnehmen, dass ihr des dritten Geschlechts. Sitz im Betriebsrat aufgrund der Förderung • Die weiblichen Beschäftigten sind von ih- der weiblichen Beschäftigten gestrichen wird. rem zahlenmäßigen Verhältnis im Betrieb Folglich könnte eine Person des dritten Ge- in der Minderheit. Der Mindestanteil der schlechts, die die niedrigste Höchstzahl er- Betriebsratssitze für die weiblichen Be- hält, gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO gestrichen schäftigten beträgt fünf. werden, so dass die Person ihren Betriebs- • Nach dem Wahlergebnis sind sechs Män- ratssitz verliert. ner, vier Frauen und die Person des drit- ten Geschlechts gewählt. Auch diese Vorgehensweise lässt sich an- • Die Person des dritten Geschlechts ist die hand eines Beispiels illustrieren: Person mit der niedrigsten Höchstzahl, d. h. die niedrigste Stimmenzahl derjenigen Beispiel 2: Personen, die in den Betriebsrat gewählt werden. • Ausgangslage wie im Beispiel 1. • Wird die Person des dritten Geschlechts • Wird jetzt die Person des dritten Ge- nicht in den „Ausgleichsmechanismus“ schlechts in den „Ausgleichsmechanis- gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO einbezo- mus“ gem. § 15 Abs. 5 Nr. 1 - 3 WO ein- gen, müsste der männliche Bewerber mit bezogen, verliert die Person des dritten der niedrigsten Stimmenzahl (= der Geschlechts (die die niedrigste Stimmen- sechste Mann) seinen Betriebsratssitz an zahl hat) ihr Mandat zugunsten einer eine weibliche Bewerberin abgeben. Die Frau. Person des dritten Geschlechts hätte • Der Betriebsrat setzt sich dann wie folgt dann ebenfalls einen Sitz im Betriebsrat. zusammen: Sechs Männer, fünf Frauen. • Der Betriebsrat würde sich dann wie folgt zusammensetzen: Fünf Männer, fünf 5. Geschlechtsbezogene Regelungen im Frauen, eine Person des dritten Ge- AktG schlechts. § 96 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) bestimmt, b) Gegen dieses Vorgehen spricht, dass es dass sich der Aufsichtsrat von Gesellschaf- zu einer „Beeinträchtigung“ des Mehrheitsge- ten, die börsennotiert sind und der Mitbestim- schlechts führt. Ggf. müsste eine Person des mung des MitbestG unterliegen, zu mindes- Mehrheitsgeschlechts nicht nur zugunsten ei- tens 30 Prozent aus Frauen und zu 30 Pro- ner Person des Minderheitengeschlechts, zent aus Männern zusammensetzt. sondern auch zugunsten der Person des drit- ten Geschlechts auf seinen Betriebsratssitz Im Hinblick auf die Festlegung von Zielgrößen verzichten. Im Fall der weiblichen Beschäftig- bestimmt § 111 Abs. 5 AktG, dass der Auf- ten wird diese „Beeinträchtigung“ der männli- sichtsrat von Gesellschaften, die börsenno- chen Beschäftigten vom Gesetzgeber akzep- tiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, tiert, um die Repräsentanz von Frauen im Be- für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im triebsrat zu erhöhen. Dies ist Ausfluss der ge- Vorstand Zielgrößen festlegt. Ergänzend be- setzgeberischen Entscheidung, Art. 3 Abs. 2 stimmt § 76 Abs. 4 AktG, dass der Vorstand GG Vorrang vor Art. 3 Abs. 3 GG einzuräu- für den Frauenanteil in den beiden Führungs- men. Im Fall der Person des dritten Ge- ebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen schlechts findet sich dagegen kein Anhalts- festlegt. punkt dafür, dass der Gesetzgeber die Prä- senz von Angehörigen des dritten Ge- Im Gegensatz zum BetrVG ist der Wortlaut schlechts im Betriebsrat fördern will. Vor die- des AktG eindeutig: Der Gesetzgeber geht er- sem Hintergrund erscheint es konsequent, Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 5
sichtlich vom binären Verständnis der Ge- Geschlechts“ vornimmt. Ausdrücklich heißt es schlechter (männlich und weiblich) aus. Es außerdem in der Gesetzesbegründung zum bleibt somit im AktG kein Spielraum für eine Begriff „Geschlecht“ des § 21 Abs. 2 Entg- ergänzende Auslegung im Sinne eines um- TranspG: Beschäftigt der Arbeitgeber Men- fassenden Verständnisses der Geschlechter. schen mit einem anderen Geschlechterstatus Solange der Gesetzgeber keine ausdrückli- als dem weiblichen oder dem männlichen, che Regelung im AktG trifft, sind daher Per- werden sie nicht gesondert ausgewiesen. Aus sonen des dritten Geschlechts bei der Umset- alledem folgt das Verständnis eines binären zung der Quote sowie bei der Festlegung von Geschlechtsbegriffs des Gesetzgebers für Zielgrößen nicht zu berücksichtigen. dieses Gesetz. 6. Entgelttransparenzgesetz Neben der rechtlich nicht gebotenen Erweite- rung des Anwendungsbereiches dürfte die Werden die Vorstellung, der Wille und die Mo- Vergleichsgruppenbildung bereits praktisch tive des Gesetzgebers ermittelt und die im an der von § 12 Abs. 3 Satz 2 geforderten Rahmen der Gesetzgebung stattgefundenen Mindestanzahl von 6 intersexuellen Personen Diskussionen berücksichtigt, so ist der Einbe- scheitern. Nicht mehr umfasst von Wortlaut zug intergeschlechtlicher Menschen in die ge- sowie Sinn und Zweck des Gesetzes dürfte setzliche Regelung nicht zwingend. der Vergleich mit zwei Geschlechtern als Ge- schlechtergruppe sein. Bereits der vollständige Titel des Gesetzes, der kurz vor Verabschiedung des Gesetzes Eine Analogie verbietet sich, weil die Geset- noch von „Gesetz zur Förderung der Trans- zesbegründung bezeugt, dass eine unge- parenz von Entgeltstrukturen“ in „Gesetz zur plante Regelungslücke nicht besteht. Eine Er- Förderung der Entgelttransparenz zwischen weiterung des Anwendungsbereiches ist nicht Frauen und Männern“ geändert wurde, legt gewollt – insbesondere, wenn mitgedacht nahe, dass vom Anwendungsbereich aus- wird, dass das dritte Geschlecht auch schon schließlich dem weiblichen oder männlichen vor der Entscheidung des Bundesverfas- Geschlecht zuzuordnende Personen umfasst sungsgerichts vom Diskriminierungsverbot sind. des AGG umfasst war. Nichtsdestotrotz verwendet der Gesetzgeber Ansprechpartner: den Begriff Geschlecht ähnlich häufig wie die Begriffe „Männer und Frauen“ oder „weibliche BDA | DIE ARBEITGEBER und männliche Beschäftigte“. Der allein unter Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- grammatischen Aspekten zu ermittelnde verbände Wortsinn lässt demnach verschiedene Deu- tungsmöglichkeiten offen. Arbeits- und Tarifrecht arbeitsrecht@arbeitgeber.de T +49 30 2033-1200 Das Gesetz soll einen Beitrag zur Beseitigung F +49 30 2033-1205 der vermeintlichen Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen leisten. Der Gesetzge- ber fand sich in der Pflicht, gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf die Durchsetzung des Gebots der Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen hinzuwirken. Die Durchsetzung des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger ist das in aller Deutlichkeit in § 1 des Gesetzes erklärte Ziel. Der Auskunftsanspruch aus § 11 antizipiert das insofern, als er eine Beschränkung auf die Angabe des Entgelts „des jeweils anderen Folgen der Anerkennung des dritten Geschlechts für das Arbeitsrecht 12. Februar 2019 6
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