Hochwasser 2013 - Ein Erfahrungsbericht aus Bayern

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Hochwasser 2013 - Ein Erfahrungsbericht aus Bayern
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
                                                                                                      21. Jahrestagung 2014 - Berichtsband, S. 16–23

     Hochwasser 2013 – Ein Erfahrungsbericht aus Bayern
     Uwe Kleber-Lerchbaumer

     Zusammenfassung                                                   before the year 2000 would certainly causing higher values
                                                                       of damages.
     Das Hochwasser 2013 war hinsichtlich der beobachteten
     Niederschlags- und Abflusswerte sowie in Anbetracht der           Nevertheless the experiences gained in 2013 illustrates,
     aufgetretenen Schäden an wasserbaulichen Anlagen, öf-             that beside regular normative standards based on design
     fentlichen und privaten Infrastrukturen das schadensträch-        discharge volumes measures to assure systemical security
     tigste der Hochwasserereignisse der letzten Jahrzehnte. Da-       of flood protection structures or systems in case of over-
     bei wurden an einigen Pegeln im Donaugebiet die höchsten          load charges are required desperately. Thus, consequent
     Wasserstände seit Beginn der Aufzeichnungen registriert.          realisations of outstanding flood protection projects as
                                                                       well as development and implementation of resilient con-
     Auch in Anbetracht der Deichbrüche an der Unteren Do-             struction techniques - comprising flood polder, spillway
     nau, der Unteren Isar und der Tiroler Ache sowie den Über-        sections, erosion-resistant and overtopable cross sections
     schwemmungen in bebauten Bereichen an der Unteren                 - dominate the actual agenda in hydraulic engineering.
     Mangfall ist festzustellen, dass die seit 2000 im Rahmen
     des Aktionsprogrammes AP2020 durchgeführten Sanie-                1. Darstellung des Niederschlags- und Hochwasser-
     rungen und Neubauten erfolgreich waren und größere                geschehens
     Schäden wirksam verhindert haben. Das gleiche Ereignis
     hätte vor 2000 wesentlich höhere Schäden verursacht.              Stationäre Tiefdruckzellen bestimmten im Mai 2013 die
                                                                       Großwetterlage in Europa. Die dabei entstandene aus-
     Dabei verdeutlicht das Hochwasser 2013 die Notwendig-             gedehnte Troglage über Mitteleuropa führte durch deren
     keit, über die normierten Anforderungen an den techni-            meridionale Zirkulation polare Kaltluft nach Bayern und
     schen Hochwasserschutz hinausgehende Betrachtungen                bewirkte ausgeprägte Luftmassengrenzen zwischen der
     der systemischen Sicherheit von Hochwasserschutzanla-             nordwestlich einströmenden Kaltluft und subtropischer
     gen weiter zu entwickeln und voranzutreiben. Dies schließt        Warmluft über dem kontinentalen Ost- und Südosteuro-
     neben einer konsequenten Umsetzung der noch ausste-               pa. Entlang dieser Frontalzone kam es immer wieder zu
     henden Sanierungen und Neubauten die Berücksichtigung             ergiebigen Niederschlägen. Über Ost- und Südosteuropa
     resilienter, d.h. mindestens begrenzt überlastbarer Bau-          entstanden zudem kontinuierlich lokale Bodentiefdruck-
     weisen ein. Hierzu zählen neben Flutpoldern und Entlas-           gebiete, die sich mit mediterraner Warmluft intensivierten
     tungsstrecken auch erosionsstabile, überströmbar ausge-           und west- bzw. südwestlich zogen. Durch die Zufuhr der
     bildete Querschnitte.                                             feuchtwarmen Luft setzte ab dem 30. Mai 2013 (Tief „Fre-
                                                                       derik“) ein nahezu viertägiger Dauerregen in Südbayern ein.
     Abstract                                                          Die orographische Hebung der Warmluftmassen an der
                                                                       Alpennordseite bewirkte dabei zwischen Berchtesgadener
     In regard with precipitation, discharge volumes and values        Land und Karwendel die höchsten gemessenen Nieder-
     of damages affecting state, communal and private structu-         schlagshöhen (Aschau-Stein: 406 mm in 96h). Hierbei wur-
     res and infrastructures the 2013 flood event has to be con-       den örtlich statistische Wiederkehrzeiten zwischen 500 und
     sidered as one the most hazardous natural disaster during         1000 Jahren erreicht. Aber auch unmittelbar südlich einer
     the last decades. Some river gauges in the Danube basin           etwa über Landshut und Würzburg verlaufenden Frontalzo-
     reached highest water levels ever been recorded.                  ne bildeten sich massive Niederschlagszellen (vgl. Abb. 1).

     Despite of grave damages caused by dyke failures on               Die seit Anfang Mai 2013 anhaltenden Niederschläge hat-
     Lower Danube, Lower Isar and Tyrolian Ache as well as             ten landesweit eine nahezu vollständige Sättigung der
     flooded urban sections on Lower Mangfall, rehabilitation          Böden und eine mindestens partielle Beaufschlagung von
     measures and newly constructed floodprotection structu-           Hochwasserrückhalteräumen in Stauanlagen bewirkt. So
     res yet finished within the framework of Action Program           konnten auch die insgesamt geringeren Niederschläge in
     AP2020 yet mitigated more grave monetary an non-mo-               Schwaben, Franken und der Oberpfalz regionale und lo-
     netary hazards effectively. The 2013 flood event occurring        kale Überschwemmungen verursachen. Erste kritische

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Abb.1:		            Infrarot-Satellitenbilder vom 31.05.2013 20:00 Uhr (links) und 02.06.2013 11:00 Uhr (rechts, beide
		                  Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013)

Hochwasserscheitel traten ab 31. Mai im Maingebiet und                           ohne ausgeprägten Hochwasserscheitel bis zum 08.06.
an den nördlichen Donauzuflüssen auf. Der Schwerpunkt                            über Meldestufe 4. Eine in der Donau am 9. und 10. Juni
des Hochwassers 2013 lag aber eindeutig in den südost-                           ablaufende zweite Hochwasserwelle hatte nicht mehr die
bayerischen Flussgebieten zwischen der Paar bzw. Ilm im                          befürchtete bzw. vorhergesagte Intensität (vgl. Abb. 7).
Westen und der Salzach im Osten. Hier wurden an einigen                          An Paar (ab Schrobenhausen), Ilm (ab Pfaffenhofen), Isar
Pegeln die höchsten jemals gemessenen Wasserstände                               (ab Volkmannsdorf), Donau (ab Deggendorf), Salzach,
und Abflüsse registriert. Mit Ausnahme der Amper und der                         Saalach, Tiroler Ache, Alz und Mangfall (ab Weyarn) wur-
Isar zwischen Sylvensteinspeicher und Ampermündung                               den bezogen auf die Scheitelabflüsse statistische Wie-
wurde an allen Flussgebieten die höchste Meldestufe 4                            derkehrzeiten von 100 Jahren erreicht oder überschritten.
erreicht (vgl. Abb. 2 und Abb. 3). Der Hochwasserscheitel                        Hier wurden trotz optimaler Aktivierung der verfügbaren
in Passau (03.06., 16:00 Uhr) wurde durch die der Donau                          Hochwasserrückhalteräume in Talsperren und Hochwas-
etwa eineinhalb Tage vorauslaufende Hochwasserwelle des                          serrückhaltebecken (vgl. Abb. 4 und Abb. 5) sowie einem
Inn-Salzach-Flussgebietes bewirkt. Die infolge der Deich-                        hochwasserangepassten Betrieb der Staustufen und der
brüche gekappte Hochwasserwelle der Donau überlagerte                            Retentionswirkung natürlicher Seen die Bemessungs-
die ablaufende Innwelle und hielt den Pegel Passau-Donau                         wasserspiegellagen der technischen Hochwasserschutz-

Abb. 2 (links):      Meldestufen, die während des Hochwassers vom 31.05. bis 13.06.2013 erreicht oder überschritten wur-
		                   den. Grüne Punktsymbole kennzeichnen Pegel, an denen die Wasserstände unterhalb der Meldestufe 1
		                   blieben (Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013)
Abb. 3 (rechts):     Jährlichkeiten der Scheitelabflüsse an ausgewählten Gewässern beim Hochwasser im Mai und Juni 2013
		                   (vorläufige Auswertung, Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013).

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     anlagen zum Teil deutlich überschritten. Aber auch an al-       durchgeführten Sanierungen und Neubauten eindrucksvoll
     len anderen südbayerischen Donauzuflüssen östlich des           bewährten, konnten noch nicht sanierte, abschnittsweise
     Lechs traten kritische Beaufschlagungen der technischen         bordvoll bzw. über Deichkrone beaufschlagte Deiche nur
     Hochwasserschutzanlagen auf. Während sich die seit 2000         mit immensem technischem und logistischem Aufwand ver-

     Abb. 4:		       Beaufschlagung der staatlichen Wasserspeicher und des Forggensee beim Hochwasser 2013
     		              (Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013).

     Abb. 5:		       Speicherbewirtschaftung Sylvenstein (Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013)

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teidigt werden. Dies betraf vor allem die Donauausbaustre-                       größere Schäden an privaten und öffentlichen Infrastruktu-
cke zwischen Straubing und Vilshofen. An der Unteren Isar                        ren verursacht. Einige Beispiele für erfolgreich umgesetz-
(Fischerdorf) sowie an der Donau (Auterwörth, Mülhamer                           te Schutzkonzepte sind die Maßnahmen zum Schutz des
Schleife) konnte ein Versagen der auf HQ30 bemessenen,                           Kloster Weltenburg (vgl. Abb. 6) und der Städte Freising
breitflächig überströmten Altdeiche nicht verhindert wer-                        und Moosburg. Diese Brennpunkte bei den Hochwasser-
den. Letztlich bewirkten diese Deichbrüche eine Entlas-                          ereignissen 1999, 2002 und 2005 haben das Hochwasser
tung für die weiteren kritisch belasteten Deichstrecken. Ein                     2013 unbeschadet und sicher überstanden.
weiterer Deichbruch ereignete sich an der Tiroler Ache bei
Grabenstätt. Die Überschwemmungen bebauter Bereiche                              2. Hochwasserschäden an staatlichen Hochwasser-
an der Mangfall in Bad Aibling, Kolbermoor und Rosenheim                         schutzanlagen
basierten auf einem Ausufern im Bereich nicht bedeichter,
durch Notdämme gesicherter Abschnitte und dem Über-                              Die nachfolgenden Darstellungen beschreiben die drei we-
strömen noch nicht sanierter Altdeiche. Ein Deichversagen                        sentlichen Schadensbilder durch das Versagen von Hoch-
mit einer vermutlich katastrophalen Auswirkung auf die Ro-                       wasserschutzanlagen während des Hochwassers 2013. Sie
senheimer Innenstadt konnte verhindert werden.                                   sind exemplarisch zu verstehen. Daneben hat es weitere,
                                                                                 hinsichtlich der Auswirkungen deutlich weniger gravierende
Das Hochwasserereignis 2013 verursachte alleine in Bay-                          Deichbrüche (z. B. Saalach bei Piding) und vielfältige Schä-
ern Schäden von rund 1,3 Milliarden EUR. Damit ist dieses                        den an staatlichen wie nichtstaatlichen Bauwerken gegeben.
Ereignis im Kalenderjahr 2013 aus Sicht der Haupt- und
Rückversicherer weltweit als eine der schadensträchtigs-                         2.1 Donau Straubing-Vilshofen
ten Naturkatastrophen einzustufen. Allein an staatlichen
Gewässern und Anlagen entstand ein Bedarf von mehr als                           An der Donau kam es ab dem Bereich der Isarmündung bis
100 Millionen EUR für Sofortmaßnahmen zur Beseitigung                            Jochenstein zu einem HQ100 erreichenden bzw. überschrei-
akuter Hochwasserschäden. Dabei muss in Anbetracht                               tenden Scheitelabfluss. Dabei wurden die maßgebenden
des Ausmaßes des Hochwasserereignisses im Vergleich                              Bemessungswasserstände der Hochwasserschutzanlagen
zu den Hochwasserereignissen 1999, 2002 und 2005 die                             erreicht oder überschritten (vgl. Abb. 7 und Abb. 8).
Wirksamkeit und Effizienz bisher durchgeführter Sanierun-
gen und Neubauten an staatlichen Hochwasserschutzan-                             Während die sanierten und neuerrichteten Hochwasser-
lagen sowie an staatlichen und nichtstaatlichen Stauanla-                        schutzanlagen das Hochwasser 2013 unbeschadet über-
gen hervorgehoben werden. Hochwasserereignisse lassen                            standen und die hoch vulnerablen Kernstädte z. B. von
sich auf Grund der differenzierten meteorologischen und                          Deggendorf und Straubing wirkungsvoll schützten, wurden
hydrologischen Randbedingungen im Allgemeinen zwar                               die noch nicht sanierten, auf etwa HQ30 dimensionierten
nicht miteinander vergleichen, das Hochwasser 2013 hätte                         Altdeiche der Donauausbaustrecke Straubing – Vilshofen
bei Zustand der Hochwasserschutzanlagen vor Einleitung                           einschließlich der umfangreichen Rückstaudeiche kritisch
des Aktionsprogrammes 2020 aber unbestritten erheblich                           bis überkritisch belastet. Der Scheitelwasserstand lag hier
                                                                                 im Bereich der Deichkronen, auf längeren Deichstrecken
                                                                                 kam es zu breitflächigen Überströmungen. Die Sicherung
                                                                                 dieser gefährdeten Abschnitte erforderte eine sehr intensi-
                                                                                 ve, langwierige Verteidigung (vgl. Abb. 9).

                                                                                 Am 03.05. kam es erst zum Versagen des Donauhauptdei-
                                                                                 ches unterhalb des Schöpfwerkes Auterwörth, unmittelbar
                                                                                 danach brach der Isarhauptdeich im Bereich der Isarmün-
                                                                                 dung oberhalb der BAB A3 Regensburg-Passau. In beiden
                                                                                 Fällen wurde das Versagen durch Erosion der landseitigen
                                                                                 Böschungen infolge lang anhaltendem Überströmen der
                                                                                 Deichkronen verursacht.

                                                                                 Der Deichbruch an dem Schöpfwerk Auterwörth (vgl.
                                                                                 Abb. 10) verursachte eine rückwärtige Flutung des Pol-
                                                                                 ders Auterwörth (Mülhamer Schleife). Der Rückstau
                                                                                 reichte bis in die Ortschaft Niederalteich. Insgesamt wur-
Abb. 6:		           Kloster Weltenburg an der Donau ge-                          de etwa 19 Millionen m³ Speichervolumen aktiviert, die
		                  schützt durch das mobile Hochwasser-                         2 bis 2,5 m hoch überflutete Fläche lag zwischen 8 bis 9
		                  schutzsystem (Hajo Dietz Fotografie,                         km². Die schlagartig freigegebene Breschenbreite betrug
		                  Bunzlauer Straße 63, D-907473 Nürnberg)                      220 m. Der Deichquerschnitt wurde bis zum Deichlager

                                                                                                                                                19
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     Abb. 7 (links):		   Wellenablauf an der Donau (Rohdaten, Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2013)
     Abb. 8 (rechts): 		 Wellenablauf an der Isar (Rohdaten, Modellsimulation für Plattling, Bayerisches Landesamt für
     			Umwelt, 2013)

     Abb. 9: 		     Ruckasing, Gde. Osterhofen, Deichverteidigung durch Erhöhung der Deichkrone beziehungsweise
     		             Auflastschüttungen (Bayerisches Landesamt für Umwelt und WWA Deggendorf, 2013)

     Abb. 10:       Deichbruch Auterwörth, Bruchstelle und Schadensbeseitigung nach dem Hochwasser 2013
     		             (Bayerisches Landesamt für Umwelt und WWA Deggendorf, 2013)

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Hochwasser 2013 - Ein Erfahrungsbericht aus Bayern
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
21. Jahrestagung 2014 - Berichtsband, S. 16–23

Abb. 11:            Deichbruch Isar, Bau eines Notdeiches zum Schutz vor der zweiten Hochwasserwelle (Bayerisches
		                  Landesamt für Umwelt und WWA Deggendorf 2013)

erodiert, auf der Binnenfläche entstanden im Bereich                             schluss der Durchführung durch den Autobahndamm
der Initialbresche größere Auskolkungen. Die auf einen                           konnte die Flutung der bebauten Bereiche in Natternberg
deutlich tieferen Vorflutpunkt ausgelegten Ableiterdei-                          und Fischerdorf verzögert aber nicht verhindert werden.
che an der Hengersberger Ohe wurden nach dem Bruch                               Immerhin gelang es, Zeit für Evakuierungen und nachge-
des Hauptdeiches breitflächig überströmt und brachen                             lagerte Objektschutzmaßnahmen zu gewinnen. Gleich-
beidseitig. Der Markt Winzer und der Markt Hengersberg                           wohl entstanden beim Bruch des Isardeiches im Ver-
konnten durch den Bau von Notdeichen entlang der                                 gleich zum vorab beschriebenen Deichbruch Auterwörth
Staatsstraße St2125 vor Überschwemmungen geschützt                               wesentlich höhere Schäden an privaten und öffentlichen
werden.                                                                          Infrastrukturen.

Zu beachten ist, dass der Polder Auterwörth (Mülhamer                            Zu beachten ist, dass die bereits bestehenden Do-
Schleife) auch im Endausbau des Hochwasserschutz-                                nau-Hauptdeiche zwischen Mettenufer und Fischerdorf
systems Straubing-Vilshofen als Rückhalteraum erhalten                           das Hochwasserereignis unbeschadet überstanden.
und bei Überschreiten des HQ30-Abflusses zu Aufrecht-                            Ein letztlich verheerender oberstromiger Deichbruch im
erhaltung der Gebietsretention geflutet werden soll. Im                          Bereich Steinkirchen mit einer dann erfolgenden Durch-
Bereich der Bruchstelle ist hierzu ein Flutungsbauwerk                           strömung des Polders Steinkirchen-Fischerdorf konnte
vorgesehen. Problematisch war, dass die hierfür not-                             letztlich verhindert werden. Hierbei half, dass die Be-
wendigen Binnensicherungen (zweite Deichlinien) noch                             aufschlagung der Deiche oberhalb der Isarmündung et-
nicht existierten. Gleichwohl gilt, dass ein Versagen der                        was geringer ausfiel. Die Bruchstelle soll aufgrund der
Donauhauptdeiche etwa im Flussabschnitt Halbmeile                                geschilderten örtlichen Verhältnisse, insbesondere der
– Niederalteich wesentlich gravierendere Hochwasser-                             Querung mit der Isarflutrinne im Endausbau des Hoch-
schäden bewirkt hätte. Die in diesen Abschnitten inten-                          wasserschutzkonzeptes großräumig zurück verlegt wer-
sivierte, letztlich erfolgreiche Verteidigung der Deiche hat                     den.
die Ortschaften Winzer, Niederalteich und Hengersberg
vor schwersten Hochwasserschäden bewahrt.                                        2.2     Mangfall

Der Deichbruch an der Isarmündung (vgl. Abb. 11) ver-                            Die historischen HQ30-Hochwasserschutzanlagen an der
ursachte eine rückwärtige Flutung des Polders Steinkir-                          Mangfall werden derzeit im Zuge des weit fortgeschrit-
chen-Fischerdorf. Der Rückstau betraf den gesamten                               tenen Hochwasserschutzkonzeptes Mangfalltal saniert
unteren Polder mit den Ortschaften Fischerdorf und Nat-                          oder neu errichtet. Sie wurden während des Hochwas-
ternberg. Insgesamt wurde etwa 51 Millionen m³ Spei-                             sers 2013 unterhalb von Weyarn mit HQ50 bis HQ100 be-
chervolumen aktiviert. Auch hier bildete sich schlagartig                        aufschlagt. Der Bemessungswasserspiegel der sanierten
eine etwa 320 m breite Bresche. Die Bruchstelle befand                           oder neuerrichteten Hochwasserschutzanlagen wurde
sich in einem schwer zugänglichen Bereich unmittelbar                            dabei in einigen Abschnitten erreicht oder überschritten,
oberhalb der Trassierung des Deiches quer durch eine                             die noch nicht sanierten Altanlagen entsprechend über-
historische Isar-Flutrinne. Mit dem Aufbau eines Notdei-                         lastet. An den Pegeln Bad Aibling und Rosenheim wurden
ches entlang der BAB A3 und dem provisorischen Ver-                              dabei die bisher größten Wasserstände registriert.

                                                                                                                                             21
Hochwasser 2013 - Ein Erfahrungsbericht aus Bayern
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
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     Das Hochwasserregime der Mangfall wird durch die                   2.3 Tiroler Ache
     Rückhaltewirkung des Tegernsees und Schliersees we-
     sentlich beeinflusst. Die gezielte Deichöffnung zur teilwei-       Die durchgehend auf HQ100 bemessenen Hochwasser-
     sen Polderflutung im Bereich des geplanten Flutpolders             schutzanlagen an der Tiroler Ache wurden bei Hochwasser
     Weidachwiesen zur Entlastung der kritisch beaufschlag-             2013 deutlich über HQ100 beaufschlagt. Dabei kann unter
     ten Unteren Mangfall hatte wegen des derzeit nur gerin-            Berücksichtigung des nicht quantifizierbaren Abschlages
     gen verfügbaren Hochwasserrückhaltevolumens nur sehr               zum Rothgraben infolge des Deichbruches oberstrom der
     begrenzte Auswirkungen.                                            A94 Inntaldreick-Rosenheim bei Staudach für den Unter-
                                                                        lauf ein Scheitelabfluss im Bereich eines HQ300 unterstellt
                                                                        werden. Dieser Deichbruch wurde nach Augenschein
                                                                        vorrangig durch wasserseitige Auskolkungen bedingt
                                                                        durch strömungsbedingte Turbulenzen im Umfeld was-
                                                                        serseitiger Großgehölze ausgelöst. Der so geschwäch-
                                                                        te Deichquerschnitt erodierte bis in die Deichkrone und
                                                                        brach schließlich nach Ausbildung einer Initialbresche
                                                                        infolge lokaler Überströmung. Die sich herausbildende
                                                                        Breschenbreite lag bei rund 80 m.

     Abb. 12:         Rosenheimer Ortsteil Schwaig an der
     		               Mangfall (Hajo Dietz Fotografie, Bunzlauer
     		               Straße 63, D-907473 Nürnberg)

     In der Folge kam es zu erheblichen Schäden in Rosen-
     heim, Kolbermoor und Bad Aibling. Während die sanier-
     ten Hochwasserschutzanlagen das Hochwasserereignis
     abgesehen von einzelnen, wegen der erosionsstabilen
     Innendichtungssysteme unproblematischen Erosions-                  Abb. 13: Überflutung der Bundesautobahn A8, An-
     schäden auf wasserseitigen Böschungen schadlos über-               		       schlussstelle Grabenstätt (Hajo Dietz Foto-
     standen, wurden sowohl die Altanlagen als auch die nicht           		       grafie, Bunzlauer Straße 63, D-907473
     mit Hochwasserschutzanlagen gesicherten Uferbereiche               		Nürnberg)
     (z. B. Straßendämme) kritisch bis überkritisch belastet.
     Trotz Überströmung und massiver Erosionsschäden hat
     der linksseitige Altdeich im Bereich Kolbermoor standge-           Der Abschlag erfolgte in Richtung Rothgraben zum
     halten. Hierdurch konnte eine verheerende Flutung der              Chiemsee (Hirschauer Bucht). Der Rothgraben-Durchlass
     Kernstadt Rosenheim abgewendet werden. In den süd-                 an der BAB A8 wurde dabei deutlich überlastet. Dies be-
     lich der Mangfall gelegenen Ortsteilen von Kolbermoor              wirkte eine mehrstündige Überströmung der BAB A8 im
     und Rosenheim, konnten Überflutungen bebauter Berei-               Bereich der Anschlussstelle Grabenstätt (vgl. Abb. 13).
     che trotz massiver und umfangreicher Verteidigungs- und            Bebaute Bereiche waren nicht gefährdet. Die gefährdeten
     Notfallmaßnahmen nicht verhindert werden. Dabei kam                linksseitig gelegenen Ortschaften Grassau und Übersee
     es sowohl zur Überströmung von Hochwasserschutzan-                 wurden durch das Deichversagen entlastet.
     lagen als auch durch Ausuferungen in nicht durch Hoch-
     wasserschutzanlagen gesicherten Gewässerabschnitten                3. Zusammenfassung und Ausblick
     (vgl. Abb. 12).
                                                                        Diese Zusammenstellung verdeutlicht, dass im Zuge des
     Nach Abschluss des Hochwasserschutzkonzeptes                       Aktionsprogrammes 2020 durchgeführte Maßnahmen
     Mangfall einschließlich des Flutpolders Feldolling werden          einen wirksamen Beitrag zum Hochwasserschutz dar-
     die beim Hochwasser 2013 noch erkennbaren Schwach-                 stellen. Das Hochwasserereignis 2013 verdeutlicht aber
     stellen einem durchgehenden, auf HQ100 konzipierten                auch, dass selbst ein allen Anforderungen genügender
     Schutzsystem gewichen sein.                                        Hochwasserschutz stets limitiert ist. Dabei darf beim

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Hochwasser 2013 - Ein Erfahrungsbericht aus Bayern
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
21. Jahrestagung 2014 - Berichtsband, S. 16–23

Überschreiten der Bemessungsansätze das Schadensri-
siko für die geschützten Bereiche – z. B. infolge schlagar-
tigen Versagens – nicht erhöht werden.

Dies erfordert angepasst bauliche Lösungen des techni-
schen Hochwasserschutzes. Mit dem sogenannten sys-
temischen Hochwasserschutz kann die Systemresilienz
entscheidend verbessert werden, damit eine Überlastung
von Hochwasserschutzanlagen nicht zu unkalkulierbaren
Schäden führt. Dazu zählen Flutpolder für eine gesteuerte
Entlastung, aber auch gezielt errichtete Überlaufstrecken
zur ungesteuerten Entlastung in geeignete natürliche
Hochwasserrückhalteräume. Schadlos überlastbare Bau-
werke, wie z. B. massive Hochwasserschutzwände und
Deiche mit statisch wirksamen Dichtungssystemen für
systemrelevante Abschnitte, ergänzen und vervollständi-
gen resiliente Schutzsysteme.

Das Deichversagen an der Tiroler Ache verdeutlicht zu-
dem, dass technischer Hochwasserschutz eine ange-
passte Nutzung und Gestaltung insbesondere durch-
strömter Vorländer beinhalten muss. Vorlandmanagement
ist demnach zur Sicherstellung der Gebrauchstauglichkeit
von Hochwasserschutzanlagen zwingend erforderlich.

Mit Fortschreibung des Aktionsprogramms 2020
(2020plus) sollen genau diese Schwerpunkte stärker be-
tont werden

Literaturverzeichnis

[1]       Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU, 2013):
          Junihochwasser 2013 – Wasserwirtschaftlicher Be-
          richt, Augsburg 2013
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          applstarter?APPL=STMUG&DIR=stmug&ACTI
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          L:artdtl.htm,KATALOG:StMUG,AKATxNAME:St
          MUG,ALLE:x)=X
[2]       Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hg.): Das Ju-
          ni-Hochwasser des Jahres 2013 in Deutschland.
          BfG Bericht Nr. 1793, Koblenz 2013
[3]       Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hg.): Lände-                          Verfasser
          rübergreifende Analyse des Juni-Hochwassers
          2013. BfG Bericht Nr. 1797, Koblenz 2013                               Uwe Kleber-Lerchbaumer
[4]       Deutscher Wetterdienst (Hg.): Das Hochwasser                           Bayerisches Landesamt für Umwelt
          an Elbe und Donau im Juni 2013. Wetterentwick-                         Referat 62 – Wasserbautechnik
          lung und Warnmanagement des DWD. Hydromete-                            Haunstetter Str. 112
          orologische Rahmenbedingungen. Offenbach                               D 86161 Augsburg
          2013                                                                   uwe.kleber-lerchbaumer@lfu.bayern.de

                                                                                                                        23
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