Hochwasser an Rhein und Mosel - Bundesanstalt für ...
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Bundesanstalt für Hochwasser an Rhein und Mosel Gewässerkunde Am Mainzer Tor 1 56068 Koblenz Über Tage hinweg trafen großflächige, intensive Regenfälle auf bereits stark feuchtigkeits- Postfach 20 02 53 gesättigte Böden. In der Folge entwickelten sich regional besonders ausgeprägte Hoch- 56002 Koblenz wassersituationen mit zum Teil katastrophalen Ausmaßen. Mit Ausnahme des Rheins und Tel.: 0261/1306-0 Fax: 0261/1306-5302 der Mosel sind die großen Bundeswasserstraßen davon jedoch bislang weniger betroffen. Jörg Uwe Belz Wilfried Wiechmann Die Entwicklung in den nächsten Tagen und die aktuelle Warnsituation zeigt das länder- Referat M1 Hydrometrie und Gewäs- übergreifende Hochwasserportal (https://www.hochwasserzentralen.de/). serkundliche Begutachtung Peter Krahe Dr. Enno Nilson Dr. Anna-Dorothea Ebner von Eschenbach Wetterlage Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- gen und Prognosen Langsam ziehende, feuchtwarme Luftmassen mit ergiebigen, teils gewittrig verstärkten Nie- derschlägen bestimmen bereits seit einigen Wochen unser Wettergeschehen. In diesem Kontext verantwortet das Tief „Bernd“ zusammen mit einem in etwa 5.000 m Höhe liegen- 16.7.2021 den abgeschlossenen Tiefdruckkern eine besonders unwetterträchtige Phase. Von den am Dienstag, den 13.7.21, 7:50 Uhr bis einschließlich Donnerstagmorgen (15.7.21, 7:50 Uhr) eingetroffenen außergewöhnlich hohen Niederschlägen war ein Gebiet von der Eifel mit den Ardennen bis hin zum Ruhrgebiet und Sauerland besonders betroffen (Bild 1). Schließlich verlagerte sich das maßgebliche Bodentief und das damit verbundene Niederschlagsgesche- hen in südöstliche Richtung, so dass bis zum heutigen Freitagmorgen (16.7.) im französi- schen Moselgebiet, im Saar- und Oberrheingebiet, im Schwarzwald, in der Schweiz und im westlichen Voralpenland nochmals Dauerregen vorherrschte. Besonders hoch (mehr als 50 mm in 24 Stunden) fielen die Niederschläge dabei im Alpenrhein- und Illergebiet aus. Bild 1: Über 24 Stunden aufsummierte Radarniederschläge vom 14. bis 15.7.2021 (5:50 UTC = 7:50 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, Datenquelle: Deutscher Wetterdienst) 1
Wasserstände und Abflüsse: Die Lage Bundesanstalt für Gewässerkunde Die intensiven Niederschläge im Westen Deutschlands führten zuvorderst bei kleineren Am Mainzer Tor 1 Fließgewässern zu äußerst raschem Anschwellen der Abflüsse, örtlich traten auch Sturzflu- 56068 Koblenz ten auf. Hier kam es teilweise zu katastrophalen Situationen und dem Verlust von Men- Postfach 20 02 53 schenleben. 56002 Koblenz 1200 Tel.: 0261/1306-0 Fax: 0261/1306-5302 Jörg Uwe Belz Wilfried Wiechmann 1000 Wasserstandsganglinien ab 01.04.2020 Referat M1 Hydrometrie und Gewäs- serkundliche Begutachtung 800 Peter Krahe Dr. Enno Nilson W [cm] Dr. Anna-Dorothea Ebner von Eschenbach 600 Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- gen und Prognosen 400 16.7.2021 200 0 01.04 01.05 01.06 01.07 01.08 01.09 01.10 01.11 01.12 01.01 01.02 01.03 01.05 01.06 01.07 01.08 01.04 Dresden Vlotho Hofkirchen Ruhrort Maxau HSW-Dresden HSW-Vlotho HSW Hofk. HSW-R'ort HSW-Maxau Bild 2: Ganglinien der täglichen Wasserstände (W) an repräsentativen Bundeswasserstraßenpegeln (Maxau/(Ober-)Rhein, Duisburg-Ruhrort/(Nieder-)Rhein, Hofkirchen/Donau, Vlotho/Weser sowie Magdeburg/Elbe) vor dem Hintergrund der Überschreitung der jeweiligen höchsten schiffbaren Was- serstände (HSW) (Stand 16.7.2021). Demgegenüber besteht jedoch unter den großen freifließenden Bundeswasserstraßen der- zeit nur im Falle der Mosel und Teilen von Ober- und Mittelrhein Hochwasser mit Sperrung für die Schifffahrt. In der Rheinstrecke zum Beispiel bei Maxau lag der registrierte Wasser- stand am 16.7.2021 um 6:00 Uhr bei 841 cm über Pegelnullpunkt (PNP) und somit über dem höchsten schiffbaren Wasserstand (HSW) von 750 cm über PNP. Am Rheinpegel Koblenz wurde HSW am 16.07. um 12 Uhr überschritten. Von der Neckarmündung an ist die Lage im weiteren Verlauf des Rheinstroms weniger ange- spannt; allerdings sind auch hier die vieljährig gemittelten Hochwasserstände (MHW) derzeit (Stand 16.7.2021 10:00 Uhr) verbreitet überschritten. Zu beobachten ist, dass sich die Ober- rheinwelle in Richtung Mittelrhein allmählich verkleinert, dessen Wasserführung mit dem Zustrom der Mosel aber wieder Auffüllung erfährt. Einen Überblick anhand repräsentativer Pegel unter Einschluss anderer freifließender Bundeswasserstraßen bietet Bild 2. Wasserstände und Abflüsse: Einordnung und Ursachen Sommerhochwasser an Ober- und Mittelrhein sind nichts Ungewöhnliches. Nichtsdestotrotz liegt der Abfluss des Oberrheins bei Karlsruhe-Maxau aktuell nach den starken Regenfällen 2
im Einzugsgebiet um 45 % über dem vieljährigen saisonalen Durchschnitt der letzten 120 Bundesanstalt für Jahre (Q = 3880 m³/s am 16.7.2021 um 10:00 Uhr). Dieses Abflussniveau ist hier im Durch- Gewässerkunde schnitt alle fünf bis zehn Jahre zu erwarten. Es gab im aktuellen Vergleich am Pegel Maxau in Am Mainzer Tor 1 56068 Koblenz diesem Zeitraum nur neun höhere Sommerhochwasser als in 2021 (Bild 2). Im Mittelrhein bei Kaub bewegt sich der Abfluss momentan um knapp 30 % über dem Niveau der vieljähri- Postfach 20 02 53 56002 Koblenz gen Mittels der Sommerhochwasser-Ereignisse seit dem Jahr 1900. HQ-Sommer (Mai-Okt) am Pegel Maxau/Rhein Tel.: 0261/1306-0 5000 Fax: 0261/1306-5302 Jörg Uwe Belz 4500 SoMHQ [m³/s] Wilfried Wiechmann Referat M1 Hydrometrie und Gewäs- 4000 serkundliche Begutachtung Peter Krahe 3500 Dr. Enno Nilson Dr. Anna-Dorothea HQ Sommer [m³/s] Ebner von Eschenbach 3000 Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- 2500 gen und Prognosen 2000 16.7.2021 1500 1000 500 0 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Bild 2: Oberrhein: Sommerliche Abflussmaxima der Jahre 1900 bis 2021 (Wert am 16.7.2021 in rot) am Pegel Maxau (SoMHQ1901/2021 = sommerhalbjährliches Hochwasser-Abflussmittel der Bezugsperio- de 1901 bis 2021) Im Allgemeinen ist wesentliche Ursache für Sommerhochwasser des Oberrheins sein nivales (schneeschmelzgeprägtes) Abflussregime. Mit der Schneeschmelze in den Alpen fließen bis in den Juni hinein große Wassermengen ab, welche nicht nur die dortigen Fließgewässer, sondern auch die großen Seen, wie den Bodensee und die Schweizer Voralpenseen, füllen. Für alle diese ist letztlich der Rhein der Vorfluter; entsprechend liegt das innerjährliche Ab- flussmaximum des Oberrheins im Juni. Ergiebige Regenphasen, zumal wenn sie mit Warmluft und zusätzlichem Schmelzwasseranfall verbunden sind, führen dann angesichts der gegebe- nen Vorfüllung der Gewässer schneller zu Ausuferungen. Mit dem Zustrom der vielen Nebenflüsse im weiteren Rheinverlauf ändert sich das innerjähr- liche Abflussverhalten allmählich. Der Grund ist, dass deren Abflussmaxima dann – aufgrund von typischerweise hohen Niederschlägen und zeitigerer Schneeschmelze – eher in den Spätwinter- und Frühjahrsmonaten auftreten (pluviales Abflussregime). Im Ergebnis liegt im Niederrhein deshalb die abflussstärkste Zeit im Spätwinter und Frühjahr. Der Mittelrhein nimmt hierbei eine vermittelnde Stellung ein. Wenngleich die momentan teilweise extrem hohe Wasserführung mancher kleinerer Fließ- gewässer mit historischen Extremwerten Ausnahmecharakter aufweist, ist doch das aktuelle, bislang eher moderate Hochwasser des Rheinstromes in den Sommermonaten etwas durch- aus Normales. Zuletzt gab es im südwestlichen Rheingebiet an Mittelrhein und Mosel im Jahre 2016 ein kleines Sommerhochwasser. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts waren auch 3
mehrere deutlich markantere sommerliche Hochwasserereignisse, z.B. in 2013, 2007 und Bundesanstalt für (maßgeblich am Oberrhein) in 1999 zu verzeichnen. Gewässerkunde HQ-Sommer (Mai-Okt) am Pegel Trier UP/Mosel Am Mainzer Tor 1 3500 56068 Koblenz Postfach 20 02 53 3000 SoMHQ 1900/2020 [m³/s] 56002 Koblenz Tel.: 0261/1306-0 Fax: 0261/1306-5302 2500 Jörg Uwe Belz Wilfried Wiechmann Referat M1 HQ Sommer [m³/s] Hydrometrie und Gewäs- 2000 serkundliche Begutachtung Peter Krahe Dr. Enno Nilson 1500 Dr. Anna-Dorothea Ebner von Eschenbach Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- 1000 gen und Prognosen 500 16.7.2021 0 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Bild 3: Mosel: Sommerliche Abflussmaxima der Jahre 1901 bis 2021 (Wert am 15.7.2021 in rot) am Pegel Trier (SoMHQ1900/2021 = sommerhalbjährliches Hochwasser-Abflussmittel der Bezugsperiode 1900 bis 2021) Das Hochwasser im Einzugsgebiet der Mosel erreichte seine katastrophalen Ausmaße in den Tallagen der Nebeneinzugsgebiete insbesondere in der Eifel. Die intensiven Regenfälle auf gesättigte Böden führten in dem stark reliefierten Gebiet zu rasant beschleunigter Abfluss- bildung und hohen Fließgeschwindigkeiten. Ungeachtet der schweren Überflutungen in zahl- reichen ihrer Nebengewässer ist dennoch die Wasserführung der Mosel gegenwärtig nur bedingt als extrem zu bezeichnen. Der Hochwasserscheitel hat den Bereich Trier inzwischen durchlaufen; er erreichte am 15.7.2021 um 16:00 Uhr in der Spitze mit W = 934 cm über PNP bzw. Q = 2.590 m³/s eine Größenordnung, wie sie durchschnittlich alle fünf Jahre eintritt. Diese für das Gesamtjahr gültige Einstufung ist allerdings zu differenzieren: An der Mosel sind, im Gegensatz zum Oberrhein, die Sommermonate normalerweise abflussschwach, die Hochwasserereignisse in dieser Jahreszeit bleiben moderat und ufern seltener aus als die Winterhochwässer. In der Rangliste der zehn größten Hochwasserereignisse der letzten 120 Jahre gab es nur eines im Sommerhalbjahr. Insofern ist weniger die Größenordnung an sich, sondern vor allem der Zeitpunkt eines Moselhochwassers auf solchem Niveau unge- wöhnlich: Das aktuelle Hochwasser der Mosel liegt mit seinem Abflussscheitel von 2590 m³/s am Pegel Trier um rund 240 % über dem vieljährlichen Mittel der Sommerhochwasserereig- nisse. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es am Pegel Trier lediglich im Jahre 1983 ein grö- ßeres Hochwasser in der warmen Jahreszeit (Bild 3). 4
Entwicklung in den nächsten Tagen Bundesanstalt für Gewässerkunde Das länderübergreifende Hochwasserportal (https://www.hochwasserzentralen.de/) gibt detaillierte Auskunft über aktuelle Pegelstände und deren kurz- bis mittelfristige Entwick- Am Mainzer Tor 1 56068 Koblenz lung sowie Warnsituationen. Postfach 20 02 53 56002 Koblenz Entwicklung bis 2100 (Klimawandel) Tel.: 0261/1306-0 Fax: 0261/1306-5302 In der Bundesanstalt für Gewässerkunde forscht man, eingebunden in große Forschungs- verbünde, daran, Erkenntnisse über das voraussichtliche Abflussverhalten unserer Flüsse in Jörg Uwe Belz Wilfried Wiechmann der Zukunft zu gewinnen. Grundlagen sind dabei Daten und Annahmen über die Änderungen Referat M1 Hydrometrie und Gewäs- der Erdatmosphäre durch den Menschen, also der anthropogen verstärkte Klimawandel, serkundliche Begutachtung Beobachtungsdaten und Computermodelle. Diese berechnen, wie sich Abflüsse ändern Peter Krahe Dr. Enno Nilson könnten und ob Hoch- oder Niedrigwasserereignisse häufiger und intensiver werden. Dr. Anna-Dorothea Ebner von Eschenbach Generell passt die Zunahme von Hochwasserabflüssen in das aktuelle Bild, das wir derzeit Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- vom Klimawandel haben. Unter Annahme eines geringen Erfolges von Klimaschutzbemü- gen und Prognosen hungen zeigen unsere Zukunftssimulationen eine generelle Tendenz ansteigender Hochwas- sergefahren. Bereits in den nächsten Jahrzehnten ergeben sich vielerorts (z. B. am Mittel- 16.7.2021 rhein) durchschnittliche Anstiege der jährlichen Hochwasserabflüsse im zweitstelligen Pro- zentbereich. Danach flacht die Tendenz ab, setzt sich aber im Grundsatz fort, so dass gegen Ende des 21. Jahrhunderts an vielen Rheinpegeln durchschnittliche Zunahmen von ca. 20 % abgeschätzt werden. Die Ursachen dieser Tendenzen sind vielfältig. Vielerorts ergeben sich relevante Zunahmen vor allem in den Wintermonaten. Zum einen, da der Winter an vielen Pegeln ausserhalb des Einflussbereichs der Alpen die typische Hochwassersaison ist und zum anderen da vor allem für den Winter systematisch zunahmende Abflüsse simuliert werden (aufgrund höherer Nie- derschlage und abnehmender Schneespeicherung). Aber auch sommerliche Extremsituationen wie die aktuelle Situation passen ins Bild. Wärme- re Luftmassen können besonders viel Wasser transportieren und abregnen lassen wenn sie zum Aufstieg gezwungen werden. Steigende Lufttemperaturen gehören bekanntlich zu den am besten belegten Hinweisen auf den Klimawandel. Ausserdem steht die hohe Andauer (Persistenz) von Wetterlagen mit den Folgen des Klimawandels im Einklang. Durch die relativ starke Erwärmung der arktischen Breiten werden die Luftdruckunterschiede zwischen Pol- und Äquator geringer. Damit wird auch der sogenannte Jetstream geschwächt, ein Windsys- tem, das diese Druckunterschiede ausgleicht und dabei durch die Erdrotation in eine West- Ost-Richtung abgelenkt wird. Dieses Windsystem ist bestimmend für die Geschwindigkeit, in der sich Hoch- und Tiefdruckgebiete über Europa hinwegbewegen. Seine Schwächung führt zu persistenteren Wetterlagen, sowohl feuchte als auch trockene. Weitere Informationsquellen Allgemein Pegelstände: www.pegelportal.de Hochwasserelevante Informationen für ganz Deutschland: www.hochwasserzentralen.de Schifffahrtsrelevante Wasserstände und Vorhersagen: https://www.elwis.de/DE/Service/Wasserstaende/Wasserstaende-node.html 5
Aktuelle Wasserstände und Durchflüsse an Pegeln, Informationen zur Wasserbeschaffenheit Bundesanstalt für und zu historischen Ereignissen: Gewässerkunde https://www.bafg.de/DE/05_Wissen/01_InfoSys/Undine/Undine.html?nn=179552 Am Mainzer Tor 1 56068 Koblenz Postfach 20 02 53 56002 Koblenz Tel.: 0261/1306-0 Fax: 0261/1306-5302 Jörg Uwe Belz Wilfried Wiechmann Referat M1 Hydrometrie und Gewäs- serkundliche Begutachtung Peter Krahe Dr. Enno Nilson Dr. Anna-Dorothea Ebner von Eschenbach Referat M2 Wasserhaushalt, Vorhersa- gen und Prognosen 16.7.2021 6
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