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IAB-KURZBERICHT Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 14|2021 In aller Kürze Die regionalen Arbeitsmarkteffekte der Covid-19-Pandemie Pandemiebedingt kam es zwi- schen April und August 2020 zu Nicht nur eine Frage der Wirtschaftsstruktur einer deutlichen Erhöhung der Ar- beitslosigkeit: Aus Übergängen von Beschäftigung in Arbeitslosigkeit und fehlenden Neueinstellungen ergab sich ein Anstieg um rund von Silke Hamann, Per Kropp, Annekatrin Niebuhr, Duncan Roth und 304.000 zusätzliche Arbeitslose. Georg Sieglen Erwartungsgemäß zeigt unsere Untersuchung große Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen. Hohe Anstiege traten insbesondere in der Gastronomie, Beherbergung Die Covid-19-Pandemie hat beträchtli- uns auf den Teil des pandemiebeding- und Zeitarbeit auf. che Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, ten Anstiegs, der auf Zu- und Abgänge Dabei fiel in der Gastronomie die die jedoch nicht einheitlich ausfallen. zwischen Arbeitslosigkeit und Beschäfti- Zunahme der Arbeitslosigkeit in je- Unsere Befunde zeigen, dass Unter- gung zurückzuführen ist und der mit ei- nen Regionen höher aus, in denen schiede in der Betroffenheit vor allem nem Umfang von 304.000 Personen fast dieser Wirtschaftszweig überdurch- schnittlich stark vertreten ist. Im zwischen den Wirtschaftszweigen be- die Hälfte des Corona-Effekts ausmacht. Gegensatz dazu wirkte sich in der stehen, dass aber auch Besonderheiten Die anderen 333.000 Personen entfallen Beherbergung oder der Zeitarbeit regionaler Arbeitsmärkte, wie beispiels- auf geringere Entlastungseffekte durch ein überdurchschnittlicher regiona- weise die Arbeitslosenquote vor Beginn arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die ler Beschäftigtenanteil dämpfend auf die krisenhafte Entwicklung in der Pandemie, eine Rolle spielen. Arbeitslosigkeit unterbrechen, und sons- diesen Wirtschaftszweigen aus. tige Gründe (Bundesagentur für Arbeit Ein hoher Akademikeranteil eines Infolge der Corona-Krise ist es im ver- 2020). Wirtschaftszweigs in einer Region gangenen Jahr zu einem erheblichen An- Mehrere Studien zum Arbeitsmarkt ging mit einer günstigeren Entwick- stieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland untersuchen die unterschiedliche Betrof- lung der Arbeitslosigkeit einher, gekommen. Vor allem in den ersten Mo- fenheit verschiedener Personengruppen ein hoher Beschäftigungsanteil in Kleinstbetrieben dagegen mit einer naten der Krise ist die Arbeitslosenzahl (z. B. Falkenhain et al. 2020; Westermei- ungünstigeren. sprunghaft gestiegen und liegt auch im er 2020) sowie die Auswirkungen auf die Auch nach Berücksichtigung Sommer 2021 trotz leichter Rückgänge Wirtschaftszweige (Gehrke/Weber 2020; dieser Faktoren blieben regionale noch deutlich über dem Vorkrisenniveau. Bauer/Weber 2021). Denn die Maßnah- Unterschiede, die mit Ost-West-Un- Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit men zur Eindämmung der Pandemie terschieden oder einem höheren berechnet einen Corona-Effekt von insge- haben wirtschaftliche Aktivitäten in ei- Vorkrisenniveau der Arbeitslosigkeit in Zusammenhang stehen. samt etwa 637.000 zusätzlichen Arbeits- ner Reihe von Wirtschaftszweigen ganz losen bis einschließlich August 2020. In erheblich eingeschränkt, während an- unserer Untersuchung beschränken wir dere Branchen kaum oder nur indirekt
von der Krise betroffen waren oder sogar von ihr klärt (Martin et al. 2016). Eine wesentliche Bedeu- profitierten. tung der Wirtschaftszweigstruktur ist vor allem Schon die Analyseergebnisse von Böhme et al. dann zu erwarten, wenn die Krise – wie im Fall (2020) zeigen, dass der coronabedingte Anstieg der Covid-19-Pandemie – überwiegend durch bran- der Arbeitslosigkeit stark zwischen regionalen Ar- chenspezifische Schocks ausgelöst wird, das heißt beitsmärkten variiert und die Branchenstruktur bestimmte Wirtschaftszweige sehr hart betroffen der Regionen dabei eine zentrale Determinante sind, andere dagegen kaum beeinträchtigt werden ist. Ein ausgeprägter Anstieg der Arbeitslosigkeit oder sogar profitieren. ist vor allem in jenen Regionen zu beobachten, Neben der regionalen Wirtschaftszweigstruktur in denen solche Wirtschaftszweige überdurch- werden im Kontext von Krisenbetroffenheit und schnittlich vertreten sind, die zu einer erhebli- Resilienz weitere Merkmale regionaler Arbeits- chen Einschränkung ihrer Geschäftstätigkeit ge- märkte diskutiert. Thematisiert werden vor allem zwungen waren (z. B. die Gastronomie oder die sogenannte Agglomerationseffekte (Di Caro/Fra- Beherbergung). tesi 2018). Sie können zum einen auf der Größe Die vorliegende Studie untersucht, ob die Ar- des regionalen Arbeitsmarkts basieren (Urbanisie- beitsmarkteffekte der Krise tatsächlich vorwie- rungseffekte) oder zum anderen auf der räumli- gend auf die Betroffenheit der Wirtschaftszweige chen Ballung eines bestimmten Wirtschaftszweigs zurückzuführen sind, oder ob nach Berücksich- (Lokalisierungseffekte). tigung der Wirtschaftszweigstruktur auch andere Urbanisierungseffekte entstehen unter anderem Faktoren – darunter regionale Merkmale jenseits dann, wenn das Zueinanderfinden (Matching) von der Branchenstruktur – einen spürbaren Einfluss Arbeitsuchenden und offenen Stellen auf einem auf die Höhe des pandemiebedingten Anstiegs der großen regionalen Arbeitsmarkt grundsätzlich Arbeitslosigkeit haben. besser funktioniert als in kleinen Regionen (Du- Erkenntnisse darüber, welche Faktoren mit dem ranton/Puga 2004). Sie können daher dazu führen, Anstieg der Arbeitslosigkeit in der ersten Welle dass die Kriseneffekte in großen städtischen Ar- der Corona-Krise zusammenhängen, ermögli- beitsmärkten anders ausfallen als in ländlichen chen eine Einschätzung der Resilienz regionaler Regionen. Arbeitsmärkte. Dazu gehört, wie stark eine Regi- Lokalisierungsvorteile können darauf beruhen, on von einem ökonomischen Schock betroffen ist dass sich aufgrund der räumlichen Konzentrati- und wie schnell sie sich wieder von diesem erholt. on eines Wirtschaftszweigs eine entsprechende Diese Erkenntnisse eröffnen Hinweise für die Infrastrukturausstattung oder ein spezialisierter Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, wie Folgen Arbeitsmarkt herausgebildet haben. Wegen dieser der anhaltenden Corona-Krise abgefedert werden Standortvorteile können Betriebe des betreffenden können. Wirtschaftszweigs in dieser Region produktiver und damit wettbewerbsfähiger sein als an ande- ren Standorten (McCann 2001). In wirtschaftlichen Warum können sich Krisen Krisenzeiten führt dies möglicherweise dazu, dass unterschiedlich auf regionale die Arbeitsmarkteffekte eines Schocks in diesen Arbeitsmärkte auswirken? Regionen weniger schwerwiegend ausfallen. Auch Eine umfangreiche Literatur zur regionalen Resi- können Arbeitslose, die in einem Bereich eine Be- lienz beschäftigt sich mit den Auswirkungen gro- schäftigung suchen, auf den die Region speziali- ßer Krisen auf regionale Arbeitsmärkte. Viele Un- siert ist, schneller einen passenden Arbeitsplatz tersuchungen zeigen, dass Regionen in der Regel finden. Zum Nachteil wird eine ausgeprägte Spezi- recht unterschiedlich von starken wirtschaftlichen alisierung auf einen bestimmten Wirtschaftszweig, Schocks betroffen sind und auch die anschließen- wenn spezialisierte regionale Arbeitsmärkte von de Erholung ganz erheblich variiert. Die regiona- branchenspezifischen Schocks getroffen werden. le Wirtschaftszweigstruktur wird in zahlreichen Zudem wird mit Blick auf die aktuelle Krise dis- Studien als ein zentraler Faktor identifiziert, der kutiert, inwieweit sich die Betriebsgrößenstruktur einen bedeutenden Teil dieser Unterschiede er- auf die Stärke der Arbeitsmarkteffekte auswirkt. 2 IAB-Kurzbericht 14|2021
Begrenzte finanzielle Rücklagen dürften wesent- Ermittlung des Corona-Effekts lich dazu beitragen, dass vor allem Kleinstbetriebe – Auswirkungen der Krise nach mit Entlassungen auf unvorhergesehene Krisen re- Wirtschaftszweigen und Regionen agieren müssen (Bossler et al. 2020). Großbetriebe dagegen können von einem besseren Zugang zu Um das Ausmaß der Betroffenheit durch die Covid- Krediten und höheren finanziellen Rücklagen pro- 19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt zu bestimmen, fitieren (Bartik et al. 2020; Dorn et al. 2020). Außer- berechnen wir ähnlich wie Böhme et al. (2020) dem sind kleinere Betriebe seltener tarifgebunden einen sogenannten Corona-Effekt. Er beruht auf als mittlere und größere Betriebe, und für ihre Be- einem Vergleich der Zu- und Abgänge zwischen legschaften greift der tarifliche Kündigungsschutz Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im Zeitraum in geringerem Maße (Gürtzgen et al. 2020). Die Kri- April bis August 2020 mit der entsprechenden seneffekte in einem bestimmten Wirtschaftszweig Entwicklung im Vorjahr. Im Gegensatz zur Studie könnten dementsprechend vor allem in jenen Re- von 2020 bildet der hier verwendete Corona-Effekt gionen relativ stark ausfallen, in denen dieser eher nicht nur die regionalen Unterschiede ab, sondern kleinbetrieblich strukturiert ist. differenziert nach Arbeitsmarktregionen und Wirt- Schließlich kann ein hohes Qualifikationsniveau schaftszweigen (vgl. Infobox 1 auf Seite 4). Diese der Belegschaft dazu beitragen, dass Betriebe sich Differenzierung ermöglicht es uns, zu untersu- besser und schneller an veränderte Rahmenbedin- chen, in welchem Maß der Corona-Effekt auf Un- gungen anpassen und Kriseneffekte daher geringer terschiede in der regionalen oder in der branchen- ausfallen (z. B. Nitt-Drießelmann et al. 2020). Des spezifischen Betroffenheit zurückzuführen ist. Weiteren zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass Eine solche Analyse ist bislang nur für den ersten Betriebe von Lerneffekten profitieren, wenn die Lockdown und die anschließende Erholungsphase Arbeitskräfte vor Ort ein hohes Qualifikationsni- möglich, weil Daten dazu, in welchen Wirtschafts- veau besitzen (Moretti 2004). Der Austausch von zweigen und Regionen Arbeitslose einen neuen Ar- Wissen kann dabei überwiegend innerhalb einer beitsplatz finden, erst mit zeitlicher Verzögerung bestimmten Branche stattfinden oder auch über zur Verfügung stehen. Branchengrenzen hinweg. In der ersten Phase der Pandemie fällt der kri- Die vorliegende Analyse untersucht, inwieweit senbedingte Anstieg der Netto-Zugänge in Arbeits- sich die genannten Faktoren darauf auswirken, wie losigkeit besonders hoch aus. Im Zeitraum April bis stark die Arbeitsmarkteffekte der Corona-Krise in August 2020 beträgt der bundesweite Corona-Effekt einem Wirtschaftszweig in einer bestimmten Regi- 8,2. Das bedeutet, dass die Zahl der Netto-Zugänge on ausfallen. Wir berücksichtigen in unserer Ana- in Arbeitslosigkeit – also der Saldo aus den Über- lyse, dass die Wirtschaftszweige in unterschiedli- gängen aus Beschäftigung in Arbeitslosigkeit und chem Maße durch die Krise beeinträchtigt wurden, den Abgängen aus Arbeitslosigkeit in Beschäfti- aber darüber hinaus auch, ob sich eine Speziali- gung – gegenüber dem Vorjahr um rund 8 Personen sierung einer Region auf eine Branche auf den pro 1.000 Beschäftigte beziehungsweise 304.000 Ar- Kriseneffekt auswirkt. Zudem wird der Einfluss beitslose höher ausgefallen ist. der Betriebsgrößen- und der Qualifikationsstruk- Dieser Corona-Effekt variiert sowohl nach Wirt- tur des Wirtschaftszweigs in der jeweiligen Region schaftsabteilungen als auch nach Arbeitsmarktre- betrachtet. Auch nach Berücksichtigung all dieser gionen deutlich. Besonders stark betroffen waren Faktoren können sich die Arbeitsmarkteffekte der die Zeitarbeit, also die Vermittlung und Überlas- Krise regional unterscheiden. Daher untersuchen sung von Arbeitskräften (Corona-Effekt: 50,6), die wir weiterhin, ob Regionen, deren Arbeitsmärkte Gastronomie (42,6), das Beherbergungsgewerbe bereits vor der Krise durch höhere Arbeitslosigkeit (41,7) und die Reisebranche (38,5). In einzelnen gekennzeichnet waren, sich womöglich als weniger Wirtschaftszweigen wie dem Kohlenbergbau (–2,6) krisenresilient erweisen. Darüber hinaus können oder der Öffentlichen Verwaltung (–0,2) gab es da- die oben angeführten Urbanisierungseffekte zu gegen weniger Netto-Zugänge in Arbeitslosigkeit unterschiedlichen Kriseneffekten in städtischen als im Vorjahr. Auf regionaler Ebene zeigt sich und ländlichen Arbeitsmärkten führen. hingegen überall ein positiver (und somit ungüns- IAB-Kurzbericht 14|2021 3
tiger) Corona-Effekt – die Spanne reicht dabei von diesen Einflussfaktoren gehört ein Maß für Loka- 1,2 (Donau-Ries) bis 16,2 (Oberhavel) Personen pro lisierungseffekte, das angibt, wie stark ein Wirt- 1.000 Beschäftigte. schaftszweig in einer Region (im Vergleich zum In der empirischen Analyse verwenden wir eine entsprechenden Bundeswert) vertreten ist. Darü- Shift-Share-Regression (vgl. Infobox 2 auf Seite 10), ber hinaus betrachten wir die Qualifikationsstruk- in welcher der über die Monate April bis August tur der in einem Wirtschaftszweig in einer Region 2020 kumulierte Corona-Effekt die zu erklärende Beschäftigten sowie die Betriebsgrößenstruktur Größe darstellt. Dieser Ansatz liefert zunächst Er- der Beschäftigung. Abschließend untersuchen wir, kenntnisse darüber, wie hoch die coronabedingte ob nach Berücksichtigung dieser Faktoren regio- Veränderung der Netto-Zugänge in Arbeitslosigkeit nale Unterschiede des Corona-Effekts verbleiben in den einzelnen Wirtschaftszweigen ausfällt, die und auf welche regionalen Eigenheiten sich diese nicht auf andere Faktoren zurückzuführen ist. Zu zurückführen lassen. Höhe der Corona-Effekte variiert sehr 1 stark zwischen den Wirtschaftszweigen Berechnung des Corona-Effekts und Datengrundlage Für die Bestimmung des Corona-Effekts verwenden wir Daten der Statistik der Bun- Wir unterscheiden mit Blick auf den besonderen desagentur für Arbeit zu den monatlichen Zu- und Abgängen zwischen sozialversiche- Einfluss der Wirtschaftsstruktur auf den Corona- rungspflichtiger Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit. Diese Daten Effekt zwischen zwei Komponenten. Die erste werden für jede vorhandene Kombination aus den 141 Arbeitsmarktregionen gemäß Kosfeld und Werner (2012) sowie den 88 Abteilungen der Klassifikation der Wirtschafts- Komponente (Wirtschaftszweigeffekt) stellt die zweige aus dem Jahr 2008 differenziert. Da Arbeitslosigkeit am Wohnort, Beschäftigung durchschnittliche Höhe des Corona-Effekts in ei- dagegen typischerweise am Arbeitsort gemessen wird, verwenden wir die räumliche nem Wirtschaftszweig dar. Mit der zweiten Kompo- Einheit der Arbeitsmarktregionen. Auf dieser Ebene fallen die aufgrund von Pendelbe- ziehungen induzierten Unterschiede zwischen Wohn- und Arbeitsort deutlich niedriger nente (Spezialisierungseffekt) berücksichtigen wir aus als bei administrativen Einheiten, wie beispielsweise den Stadt- und Landkreisen. Da zusätzlich, dass die Höhe des Corona-Effekts in ei- jedoch nicht alle Wirtschaftszweige in jeder Arbeitsmarktregion vorhanden sind, umfasst nem Wirtschaftszweig davon abhängen kann, wie der Datensatz lediglich 11.388 statt der maximal möglichen 12.408 Beobachtungen. stark dieser in einer Region vertreten ist. Damit Um den Corona-Effekt für jede dieser Kombinationen aus Wirtschaftszweigen und Regi- onen zu bestimmen, berechnen wir im ersten Schritt für jeden Monat im Zeitraum April berücksichtigen wir die Bedeutung der in der Lite- bis August 2020 die Nettozugangsrate in Arbeitslosigkeit. Diese ergibt sich aus der Diffe- ratur häufig thematisierten Lokalisierungseffekte. renz zwischen der Anzahl an Zugängen aus Beschäftigung in einer bestimmten Arbeits- Berechnet man die Corona-Effekte für die ein- marktregion und einem bestimmten Wirtschaftszweig in Arbeitslosigkeit und der Anzahl zelnen Wirtschaftszweige unter Berücksichtigung der Abgänge aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig und dieser Region. Um Größenunterschiede zwischen diesen Region-Wirtschaftszweig-Zellen zu aller anderen Faktoren im Modell (erste Kompo- berücksichtigen, teilen wir diese Differenz anschließend durch die Zahl der Personen, nente), ergeben sich etwas andere Werte zum pan- die im Juni 2019 in diesem Wirtschaftszweig in dieser Arbeitsmarktregion sozialversi- demiebedingten Anstieg der Arbeitslosigkeit als cherungspflichtig beschäftigt waren, und multiplizieren diesen Wert mit 1.000 (Böhme et al. 2020). Nimmt die Nettozugangsrate beispielsweise den Wert 5 an, bedeutet das, die oben aufgeführten. Die wesentlichen Unter- dass in einer bestimmten Kombination aus Wirtschaftszweig und Arbeitsmarktregion schiede zwischen den Wirtschaftszweigen bleiben die Zugänge in Arbeitslosigkeit pro 1.000 Beschäftigte um 5 Personen höher ausgefallen aber bestehen. Diese Befunde belegen, dass es ge- sind als die Abgänge aus Arbeitslosigkeit. nuine Unterschiede in der Betroffenheit der Wirt- Im zweiten Schritt berechnen wir den monatlichen Corona-Effekt als Differenz der Net- tozugangsraten der Jahre 2020 und 2019 für jede Kombination aus Arbeitsmarktregion schaftszweige durch die Covid-19-Pandemie gibt, und Wirtschaftszweig. Nimmt diese Größe einen positiven Wert an, hat es im Jahr 2020 die nicht auf die anderen im Modell enthaltenen mehr Netto-Zugänge in Arbeitslosigkeit gegeben als 2019. Bei negativem Vorzeichen ist Faktoren, wie zum Beispiel die Qualifikations- oder es umgekehrt. Diesem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, dass die Nettozugangsraten des Jahres 2020 ohne die Covid-19-Pandemie einen ähnlichen Wert wie im Jahr 2019 an- Betriebsgrößenstruktur, zurückzuführen sind. Be- genommen hätten und dass größere Abweichungen auf die Pandemie zurückzuführen sonders hoch ist dieser bereinigte Corona-Effekt sind. Böhme et al. (2020) zeigen, dass diese Annahme auf Bundesebene gerechtfertigt im Bereich der Zeitarbeit. Denn in der Vermitt- ist, da die Corona-Effekte zwischen Januar und März 2020 nahe null liegen, im April und Mai 2020 jedoch deutlich ansteigen. lung und Überlassung von Arbeitskräften ergeben Im letzten Schritt berechnen wir einen kumulierten Corona-Effekt, indem wir für jede sich etwa 46 Netto-Zugänge in Arbeitslosigkeit pro Kombination aus Arbeitsmarktregion und Wirtschaftszweig die monatlichen Corona- 1.000 Beschäftigte mehr als im Vorjahreszeitraum Effekte addieren. Diese Größe gibt an, um wie viel die Zahl der Netto-Zugänge in Ar- (vgl. Abbildung A1). Ähnlich wie während der Fi- beitslosigkeit im Zeitraum zwischen April und August 2020 in einer bestimmten Region- Wirtschaftszweig-Zelle höher oder niedriger ausgefallen ist als im Vorjahreszeitraum. nanzkrise 2008/2009 dürfte die Zeitarbeit auch in der gegenwärtigen Krise wie ein Puffer für die 4 IAB-Kurzbericht 14|2021
Beschäftigten in anderen Wirtschaftszweigen wir- Spezialisierung einer Region auf einen ken (Jahn/Weber 2016). Sehr ungünstige Effekte Wirtschaftszweig kann den Kriseneffekt zeigen sich zudem für das Beherbergungsgewerbe weiter verstärken oder aber abmildern (+32,0), den Bereich der Reisebüros und Reisever- anstaltung (+29,3), die Gastronomie (+27,3) und die Für die Stärke des Corona-Effekts einzelner Wirt- Schifffahrt (+24,3). schaftszweige können auch die eingangs erwähn- Während die Effekte im primären Sektor und in ten Lokalisierungseffekte eine Rolle spielen (zweite weiten Teilen des Produzierenden Gewerbes meist Komponente des Einflusses der Wirtschaftsstruk- niedriger ausfallen, sind vor allem einige Wirt- tur). Daher wird im Folgenden berücksichtigt, ob schaftszweige aus dem Dienstleistungsbereich und wie stark der Corona-Effekt eines Wirtschafts- durch einen sehr starken krisenbedingten Anstieg zweigs in einer Region davon beeinflusst wird, ob der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Daneben gibt sich eine Region auf diesen Wirtschaftszweig spe- es allerdings auch Dienstleistungen, die sich in der zialisiert hat und daher über einen – im Vergleich Krise deutlich besser als der Durchschnitt aller zum Bund – hohen Beschäftigungsanteil verfügt. Wirtschaftszweige entwickelt haben. Hierzu zäh- Insgesamt sind Spezialisierungseffekte für acht len das Veterinärwesen (–10,3), die Rechts-, Steu- der 88 Wirtschaftszweige bedeutend (vgl. Abbil- erberatung und Wirtschaftsprüfung (–5,6) sowie dung A2 auf Seite 6): Für diese Wirtschaftszweige die Post-, Kurier- und Expressdienste (–7,9). Dazu führt ein vom Bundesdurchschnitt divergierender dürfte auch – etwa wie bei den Kurier- und Ex- Beschäftigungsanteil zu signifikanten Abweichun- pressdiensten – eine durch die Krise angestoßene gen vom zuvor dargestellten durchschnittlichen zusätzliche Arbeitsnachfrage beigetragen haben. Corona-Effekt in diesem Wirtschaftszweig. A1 Ausgewählte Wirtschaftszweigeffekte des Shift-Share-Modells April bis August 2020 78 Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften 46,0 55 Beherbergung 32,0 79 Reisebüros, - veranst. und son. Reservierungs-DL 29,3 56 Gastronomie 27,3 50 Schifffahrt 24,3 93 DL d. Sports, d. Unterhaltg. und d. Erholung 14,1 77 Vermietung von beweglichen Sachen 12,7 59 Film, TV, Kino und Tonstudio 10,1 90 Kreative künstler. und unterhalt. Tätigkeiten 8,2 73 Werbung und Marktforschung 7,5 –4,1 20 Herstellung von chemischen Erzeugnissen –5,0 86 Gesundheitswesen –5,6 69 Rechts-, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung –7,4 17 Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus –7,5 64 Erbringung von Finanzdienstleistungen –7,6 43 Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonst. Ausbaugewerbe –7,8 36 Wasserversorgung –7,9 53 Post-, Kurier- und Expressdienste –8,7 08 Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau –10,3 75 Veterinärwesen –10,5 01 Landwirtschaft, Jagd und damit verbundene Tätigkeiten Anmerkung: Ausgewählte Wirtschaftszweigeffekte nach Wirtschaftsabteilungen (WZ 2008) mit statistischer Signifikanz auf dem 1 %-Niveau. Lesehilfe: Wenn der Beschäftigungsanteil der Zeitarbeit (Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften) in einer Region dem Anteil im Bund entspricht (erste Komponente), fällt der Corona-Effekt in der Zeitarbeit im Durchschnitt um 46 Personen pro 1.000 Beschäftigte höher aus als im Mittel aller Wirtschaftszweige. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen. © IAB IAB-Kurzbericht 14|2021 5
A2 übersteigt, nimmt der Corona-Effekt um weitere Signifikante Spezialisierungseffekte 8,9 Personen pro 1.000 Beschäftigte zu (Speziali- April bis August 2020 sierungseffekt bzw. zweite Komponente, vgl. Ab- bildung A2). Liegt also in einer Region der Beschäf- 15 Herstellung v. Leder, Lederwaren u. Schuhen 17,6 tigungsanteil in der Gastronomie bei 3,4 Prozent 56 Gastronomie 8,9 (und somit um einen Prozentpunkt höher als auf 69 Rechts-, Steuerberatung, Wirtsch.-prüfung 2,4 -0,8 21 Herstellung v. pharmazeut. Erzeugnissen Bundesebene), ergibt sich daraus als Kombination -3,7 55 Beherbergung von Wirtschaftszweig- und Spezialisierungseffekt -11,9 73 Werbung und Marktforschung ein Anstieg der Netto-Zugänge in Arbeitslosigkeit -17,1 78 Vermittl. u. Überlassung v. Arbeitskräften in der Gastronomie von 36,2 (= 27,3 + 8,9) in dieser -41,8 79 Reisebüros, -veranst. u. son. Reservier.-DL Region. Die von unserem Modell vorhergesagte regionale Anmerkung: Spezialisierungseffekte nach Wirtschaftsabteilungen (WZ 2008) mit statistischer Signifikanz auf dem 1 %-Niveau. Variation dieses kombinierten Wirtschaftszweig- Lesehilfe: Liegt der Beschäftigungsanteil in der Gastronomie in einer Region um einen Prozentpunkt über dem entsprechenden Bundesanteil, fällt der Corona-Effekt in der Gastronomie im Durchschnitt um knapp 9 weitere Spezialisierungs-Effekts ist in Abbildung A3 für die Personen pro 1.000 Beschäftigte höher aus als in Abbildung A1 dargestellt. Gastronomie und alle anderen Wirtschaftszweige Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen. © IAB mit signifikanten Spezialisierungseffekten darge- stellt. Dabei gibt die hellblaue Box den Bereich an, Auffällig sind insbesondere die gegenläufigen in den die mittleren 50 Prozent der Modell-Effekte Spezialisierungseffekte für die Gastronomie (+8,9) entfallen – demnach bewegt sich in der Gastrono- und die Beherbergung (–3,7). Im Fall der Gastrono- mie der so berechnete Corona-Effekt in der Hälf- mie erhöht ein überdurchschnittlicher Beschäfti- te der Regionen zwischen 22 und 28 zusätzlichen gungsanteil in einer Region den coronabedingten Arbeitslosen je 1.000 Beschäftigten. Die Beobach- Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Gastronomie an tungen außerhalb der „Antennen“ kennzeichnen diesem Standort, im Fall der Beherbergung führt Ausreißer, also Regionen mit ungewöhnlich gro- die Spezialisierung dagegen zu einem geringeren ßen oder kleinen Effekten. Im Fall der Gastrono- Corona-Effekt in spezialisierten Regionen. mie weisen alle Ausreißer sehr große Effekte auf. Für diejenigen Wirtschaftszweige, deren regio- Demzufolge ergibt sich für besonders stark auf die nale Spezialisierung den Corona-Effekt signifikant Gastronomie spezialisierte Regionen ein beson- verändert, betrachten wir die mit den Speziali- ders starker Arbeitsmarktschock in diesem Wirt- sierungseffekten verbundene regionale Variation schaftszweig. der Kriseneffekte. Dafür bestimmen wir die ge- Einen entgegengesetzten Spezialisierungseffekt meinsame Wirkung von Wirtschaftszweig- und finden wir für die Beherbergung. Der hohe Wirt- Spezialisierungseffekten unter Berücksichtigung schaftszweigeffekt (+32, vgl. Abbildung A1) zeigt, der jeweiligen regionalen Beschäftigungsantei- dass sich die Krise in allen Regionen ganz erheblich le der Wirtschaftszweige. Dieses Vorgehen lässt auf das Beherbergungsgewerbe ausgewirkt hat. Der sich am folgenden Beispiel verdeutlichen: Der negative Spezialisierungseffekt (–3,7, vgl. Abbil- Wirtschaftszweigeffekt der Gastronomie beträgt dung A2) hat in der ersten Phase der Pandemie al- 27,3 (vgl. Abbildung A1), das heißt der coronabe- lerdings den damit verbundenen krisenbedingten dingte Anstieg der Arbeitslosigkeit fällt in diesem Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Beherbergung Wirtschaftszweig in einer Region mit einem dem gerade in den Regionen verringert, die ein über- Bundesdurchschnitt entsprechenden Beschäfti- durchschnittliches Gewicht dieses Wirtschafts- gungsanteil um 27,3 Personen je 1.000 Beschäftig- zweigs aufweisen. Diese Unterschiede könnten te höher aus als im Mittel aller Wirtschaftszweige darauf beruhen, dass das Beherbergungsgewerbe (erste Komponente). Eine regionale Spezialisie- nach dem Ende des Lockdowns im Mai 2020 eine rung auf die Gastronomie führt dazu, dass der vergleichsweise starke Erholung vor allem in den coronabedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit in der klassischen Tourismusregionen erfahren hat, denn Gastronomie in dieser Region höher ausfällt: Je Urlaubsziele in Deutschland waren wegen der Pan- Prozentpunkt, den der regionale Beschäftigungs- demie und noch bestehender Reisebeschränkun- anteil den bundesweiten Wert von 2,4 Prozent gen besonders nachgefragt. 6 IAB-Kurzbericht 14|2021
Fällt der Beschäftigungsanteil der Beherbergung höherer Anstieg der Arbeitslosigkeit zu beobach- in einer Region um einen Prozentpunkt höher aus ten war als in Regionen ohne Spezialisierung in als im bundesdeutschen Durchschnitt, steigt den diesem Bereich. Dieser ungünstige Effekt der Spe- Modellberechnungen zufolge die Arbeitslosigkeit zialisierung zeigt sich dagegen nicht in gleichem coronabedingt in der Beherbergung dort „nur“ um Maße für Regionen mit einem überdurchschnitt- 28,3 zusätzliche Arbeitslose (= 32,0 – 3,7). Für die lichen Beschäftigungsanteil in der Beherbergung. Beherbergung variiert der kombinierte Effekt aus Zudem beobachten wir für die Beherbergung in Wirtschaftszweig und Spezialisierung aufgrund spezialisierten Regionen eine schnellere Erholung, der jeweiligen regionalen Beschäftigungsanteile die bereits ab Juni einsetzt und auch stärker aus- der Beherbergung zwischen 5,2 und 34,8 zusätzli- fällt als im Fall der Gastronomie. Insgesamt war chen Arbeitslosen. Noch deutlich günstigere Spe- der Corona-Effekt für beide Branchen über die Re- zialisierungseffekte ergeben sich für den Bereich gionen hinweg also weitaus stärker als in anderen Werbung und Marktforschung (–11,9), die Zeitar- Branchen. Dabei wirkt sich allerdings eine regio- beit (–17,1) und den Bereich Reisebüros und Reise- nale Spezialisierung im Bereich der Beherbergung veranstaltung (–41,8) (vgl. Abbildung A2). über den gesamten Zeitraum dämpfend und im Be- Die unterschiedlichen Befunde für die Gastro- reich der Gastronomie verstärkend auf den Anstieg nomie und die Beherbergung sind möglicherweise der Arbeitslosigkeit aus. darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaftszwei- Für die Zeitarbeit haben vertiefende Analysen ge während des ersten Lockdowns je nach Standort ergeben, dass der günstige Effekt der Spezialisie- in unterschiedlichem Maße ihre Arbeitsnachfrage rung, der sich hemmend auf die krisenhafte Ent- reduziert und zudem nicht gleichermaßen von ei- wicklung auswirkt, in den ersten beiden Monaten ner Erholung nach der Aufhebung des Lockdowns des Corona-Schocks und weiterhin bis einschließ- im Sommer 2020 profitiert haben (vgl. dazu auch lich Juli zu beobachten ist. Es ist denkbar, dass die die Ergebnisse in Böhme et al. 2020). So zeigen er- Zeitarbeitsfirmen an den spezialisierten Standor- gänzende Analysen, dass in der ersten Phase des ten vor allem an Wirtschaftszweige verleihen, die Schocks insbesondere in Regionen mit einer Spe- von der Krise nicht negativ betroffen sind oder so- zialisierung auf die Gastronomie ein signifikant gar von ihr profitieren (z. B. das Verarbeitende Ge- A3 Zusammenwirken von Wirtschaftszweig- und Spezialisierungseffekten April bis August 2020 15 Herstellung v. Leder, Lederwaren u. Schuhen 21 Herstellung v. pharmazeut. Erzeugnissen 55 Beherbergung 56 Gastronomie 69 Rechts-, Steuerberatung, Wirtsch.-prüfung 73 Werbung und Marktforschung 78 Vermittl. u. Überlassung v. Arbeitskräften 79 Reisebüros, -veranst. u. son. Reservier.-DL -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Kombinierter Wirtschaftszweig- und Spezialisierungseffekt Anmerkung: Dargestellt werden die Ergebnisse für solche Wirtschaftsabteilungen, für die der Spezialisierungseffekt mindestens auf dem 1 %-Niveau statistisch signifikant ist. Lesehilfe: Die Abbildung zeigt den kombinierten Wirtschaftszweig- und Spezialisierungseffekt (erste plus zweite Komponente). Dieser kombinierte Effekt hängt von der Höhe des Beschäftigungsanteils eines Wirtschaftszweigs in einer Region ab. Die Boxen umfassen die mittleren 50 Prozent dieser kombinierten Effekte (das zweite und dritte Quartil), während der vertikale Strich den Median wiedergibt. Die Punkte verdeutlichen Werte außerhalb der „Antennen“ und stellen Ausreißer, das heißt außergewöhnlich kleine oder große Effekte, dar. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen. © IAB IAB-Kurzbericht 14|2021 7
werbe, die Lagerwirtschaft, Post- und Kurierdiens- entlassenen Arbeitskräfte in der ersten Krisen- te). Dazu passt, dass in stärker auf die Zeitarbeit phase bei Kleinstbetrieben höher ausfällt als in spezialisierten Regionen die Berufsstruktur dieser anderen Betriebsgrößenklassen. Die Unterschie- Branche stark durch Fertigungs-, Verkehrs- und Lo- de können – wie oben schon angeführt – darauf gistikberufe geprägt ist. zurückzuführen sein, dass in größeren Betrieben mehr Kapital zur Verfügung steht und der Kündi- gungsschutz stärker greift als in Kleinstbetrieben. Auswirkungen der Betriebsgrößen- und Letztere müssten daher möglicherweise schneller der Qualifikationsstruktur mit einem Beschäftigungsabbau auf die Krise re- Die genannten Ergebnisse zeigen, dass die Coro- agieren (Böhme et al. 2020; Gürtzgen et al. 2020; na-Effekte sehr deutlich mit den Unterschieden in Bossler et al. 2020). Dagegen kommen Untersu- der Wirtschaftszweigstruktur und dem regionalen chungen wie beispielsweise von Runst et al. (2021) Spezialisierungsgrad der Wirtschaftszweige zu- zu dem Ergebnis, dass sich ländliche Regionen, die sammenhängen. Darüber hinaus belegen unsere durch Handwerksbetriebe und kleinbetriebliche Analysen, dass die Pandemie an Standorten, in de- Strukturen geprägt sind, durch eine vergleichswei- nen die Wirtschaftszweige überproportional durch se ausgeprägte Resilienz auszeichnen. Kleinstbetriebe geprägt sind, zu höherer Arbeitslo- Auch die Qualifikationsstruktur innerhalb der sigkeit geführt hat als in Regionen, in denen mittel- Wirtschaftszweige in den Regionen spielt eine große und Großbetriebe ein größeres Gewicht be- Rolle: Wir finden bei einem vergleichsweise ho- sitzen (vgl. Tabelle T1). So ist in Wirtschaftszweigen hen Anteil an hochqualifizierten Arbeitskräften einer Region, in denen der Beschäftigungsanteil in der Region einen im Durchschnitt niedrigeren in Kleinstbetrieben um zehn Prozentpunkte höher Corona-Effekt (vgl. Tabelle T1). Dieses Ergebnis und in Großbetrieben entsprechend kleiner aus- ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass fällt als im Bundesdurchschnitt, pandemiebedingt Betriebe auch in der Krise versuchen, Spezialisten mit 1,13 (= 0,64 – (–0,53)) zusätzlichen Arbeitslosen und Experten zu halten, sodass Wirtschaftszweige je 1.000 Beschäftigte zu rechnen. Die Größe der Ef- und Regionen mit einem überdurchschnittlichen fekte der Betriebsgrößenstruktur ist verglichen mit Anteil solcher Beschäftigter insgesamt entspre- den Wirtschaftszweig- und Spezialisierungseffek- chend weniger Entlassungen erleben. ten jedoch als eher moderat zu bewerten. Unser Ergebnis steht im Einklang mit Befunden Auch regionale Besonderheiten anderer Studien, die zeigen, dass der Anteil der beeinflussen die Höhe des Corona- Effekts T1 Wie aus den vorangehenden Ergebnissen hervor- Effekte der Betriebsgrößen- und Qualifikationsstruktur geht, stehen die Unterschiede in der Höhe des Betriebsgrößenstruktur Corona-Effekts in engem Zusammenhang mit den Kleinstbetriebe (1–9 Beschäftigte) 0,064*** Wirtschaftszweigen, ihrer regionalen Spezialisie- Kleinbetriebe (10–49 Beschäftigte) 0,012 rung sowie der Qualifikations- und Betriebsgrö- Mittelgroße Betriebe (50–249 Beschäftigte) –0,023** ßenstruktur. Es stellt sich die Frage, ob regionale Großbetriebe (250 und mehr Beschäftigte) –0,053*** Qualifikationsstruktur Unterschiede in der Höhe des Corona-Effekts auf Helfer 0,004 diese Faktoren zurückzuführen sind oder ob sich Fachkraft 0,019 auch weiterhin Unterschiede zwischen den Regi- Spezialist –0,015 onen zeigen, wenn diese Einflüsse berücksichtigt Experte –0,063*** werden. Wie Abbildung A4 zeigt, ist Letzteres der Anmerkung: Statistische Signifikanz auf dem 1 %- / 5 %- / 10 %-Niveau wird durch *** / ** / * gekennzeichnet. Im Fall der Qualifikationsstruktur wird der entsprechende Wert für die Kategorie „keine Angabe“ nicht ausgewiesen. Fall. Die Spannbreite der Regionseffekte reicht Bei den dargestellten Werten handelt es sich um die Effekte von Abweichungen vom entsprechenden Bundes- von –7,8 für die Arbeitsmarktregion Kronach bis anteil, die sich über alle Kategorien auf null summieren. Lesebeispiel: Liegt der Beschäftigungsanteil der Kleinstbetriebe in einer bestimmten Region und Branche um hin zu 7,2 in der Arbeitsmarktregion Oberhavel. einen Prozentpunkt über dem entsprechenden Bundesanteil und ist der Beschäftigungsanteil der Großbetrie- be entsprechend geringer, fällt der Corona-Effekt in dieser Region und Branche im Durchschnitt um 0,113 (= Für letztgenannte Region im Berliner Umland fällt 0,064 – (–0,053)) höher aus. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen. © IAB somit der Anstieg der Arbeitslosigkeit unter Be- 8 IAB-Kurzbericht 14|2021
A4 Regionseffekte Flensburg Nordvor- Dithmar- Lübeck pommern schen Kiel Südvor- pommern Rostock Bremer- Wilhelms- haven Hamburg Schwerin Mecklenburgische haven Stade Emden Seenplatte Uckermark Prignitz Ost- Oldenburg Bremen prignitz- Uelzen Ruppin Ober- Vechta Lüchow- havel Celle Märkisch- Danne- Stendal Havelland Oderland Emsland berg Hannover Wolfsburg Potsdam- Frankfurt Osna- (Oder) brück Minden Mittelmark Teltow- Braunschweig Magdeburg Fläming Borken Hameln Berlin Bielefeld Münster Goslar Dessau-Roßlau Kleven Cottbus Essen Boch- Dort- Höxter Elbe-Elster um mund Göttingen Soest Leipzig Bautzen Nordhausen Halle Hagen Düsseldorf Wuppertal Unstrut- Waldeck- Kassel Hainach Frankenberg Dresden Olpe Erfurt Köln Siegen Eisen- Jena Gera ach Chemnitz Aachen Bonn Altenkirchen Gießen Saalfeld- Fulda Rudolstadt Suhl Vogtland- Lim- kreis burg- Kronach Vulkan- Koblenz Weil- Frankfurt Schweinfurt –7,8 bis unter –2,5 eifel burg am Main Coburg Hof Bitburg –2,5 bis unter –1,2 Aschaffen- Bamberg Bayreuth Darm- –1,2 bis unter +1,2 Trier burg Bad stadt Würzburg Kreuznach Mainz +1,2 bis unter +2,5 Amberg Erlangen +2,5 bis unter +7,3 Saar- Kaiserslau- brücken tern Ludwigs-Heidel- hafen berg Heilbronn Nürnberg Cham Pirma- sens Landau SchwäbischWeißenburg- Deggendorf Hall Gunzen- Regensburg Pforzheim hausen Freyung- Stuttgart Heiden- Donau- Grafenau Karlsruhe heim Ingolstadt Ries Passau Böblingen Göppingen Landshut Ortenau- Reutlingen Zoller- Augsburg Altötting kreis Ulm nalb- kreis Sig- Mem- München Freiburg Rottweil marin- mingen gen Traunstein Kons- Weil- Lör- Wald- tanz Ravensburg Kempten heim- rach hut Schon gau Anmerkung: Es handelt sich um geschätzte Regionseffekte, die sich aus der Shift-Share-Regression ergeben (siehe Infobox 2). Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; GeoBasis-DE/BKG 2019; eigene Berechnungen. © IAB IAB-Kurzbericht 14|2021 9
2 rücksichtigung der anderen Einflussfaktoren um Shift-Share-Regression und Dekomposition des Erklärungsgehalts 7,2 Personen je 1.000 Beschäftigte höher aus als Die Shift-Share-Regression ist ein gebräuchlicher Ansatz in der empirischen Regional im Bundesdurchschnitt. Für die Arbeitsmarktregi- ökonomie, um beispielsweise Unterschiede im regionalen Beschäftigungswachstum auf on Kronach wirkt sich der Regionseffekt dagegen verschiedene Faktoren zurückzuführen. Dabei wird typischerweise der Zusammenhang stark dämpfend auf die krisenhafte Entwicklung zwischen dem Beschäftigungswachstum auf der einen Seite und Indikatorvariablen für die verschiedenen Regionen und Wirtschaftszweige sowie, bei Bedarf, weiteren Kontroll- aus, sodass sich in der Summe ein vergleichsweise variablen auf der anderen Seite ermittelt. geringer pandemiebedingter Anstieg der Arbeits- Wir wenden diesen Ansatz hier (statt auf das Beschäftigungswachstum) auf den Corona- losigkeit ergibt. Effekt (vgl. Infobox 1) an. Die Koeffizienten der Wirtschaftszweige messen den Struktur- Abbildung A4 verdeutlicht weiterhin, dass auch effekt und geben an, ob der Corona-Effekt in einem bestimmten Wirtschaftszweig im Durchschnitt über alle Regionen stärker oder schwächer ausgefallen ist als für die Ge- unter Berücksichtigung der regionalen Wirt- samtwirtschaft. Die Koeffizienten der Regionen stellen dagegen den Standortfaktor dar schaftszweig-, Qualifikations- und Betriebsgrößen- und messen, inwieweit es im Durchschnitt aller Wirtschaftszweige zu Unterschieden in struktur der Corona-Effekt in den meisten ostdeut- der Höhe des Corona-Effekts zwischen den Regionen kommt. schen Arbeitsmarktregionen überdurchschnittlich In der empirischen Analyse verwenden wir das folgende Regressionsmodell: hoch ist. Dies trifft besonders auf den Nordosten c rj=η r+μ j+βX rj+є rj zu. Aber auch einzelne Regionen in der Mitte oder Die abhängige Variable crj stellt den Corona-Effekt dar, der in einer bestimmten Arbeits- marktregion r und einem Wirtschaftszweig j gemessen wird. Die erklärenden Variablen im Westen Deutschlands weisen ungünstige Regi- umfassen zunächst Indikatorvariablen für die 141 Arbeitsmarktregionen sowie die onseffekte auf. Darüber hinaus fällt auf, dass sich 88 Wirtschaftszweige, deren Effekt auf den Corona-Effekt durch die Koeffizienten ηr bzw. Regionen mit ähnlicher Betroffenheit räumlich μj wiedergegeben wird. Die Schätzung dieser Koeffizienten erfolgt unter der Nebenbe- dingung, dass sich diese über alle Regionen bzw. Wirtschaftszweige auf null addieren ballen. Diese Clusterstruktur weicht signifikant lassen. Ein positiver geschätzter Koeffizient lässt sich dann so interpretieren, dass der von einer zufälligen räumlichen Verteilung der Corona-Effekt in der jeweiligen Region bzw. im jeweiligen Wirtschaftszweig im Durch- Effekte ab. So finden sich Gruppen benachbarter schnitt höher ausfällt als für die Gesamtwirtschaft. Arbeitsmarktregionen mit besonders günstigen Der Vektor Xrj beinhaltet neben einer Konstanten weitere Kontrollvariablen: die Be- schäftigungsanteile, die in Region r und Wirtschaftszweig j auf Helfer, Fachkräfte, Spe- Regionseffekten, das heißt einem vergleichsweise zialisten und Experten sowie auf Kleinstbetriebe (bis 9 Beschäftigte), Kleinbetriebe geringen krisenbedingten Anstieg der Arbeitslo- (10–49 Beschäftigte), Mittelbetriebe (50–249 Beschäftigte) und Großbetriebe (250 sigkeit, im Nordwesten (Vechta, Emsland, Müns- oder mehr Beschäftigte) entfallen. Auch für diese Variablen zur Qualifikations- und Be- triebsgrößenstruktur gilt, dass ihre Koeffizienten sich auf null summieren. Eine weitere ter, Borken und Bielefeld) sowie auffällig häufig Kontrollvariable misst, inwieweit ein Wirtschaftszweig in einer Region über- oder unter- in Bayern. Diese bayerischen Regionen mit weit durchschnittlich stark vertreten ist. Diese Spezialisierungsvariable ist als Differenz des unterdurchschnittlichen Regionseffekten grenzen Beschäftigungsanteils eines Wirtschaftszweigs in der jeweiligen Region und des Anteils desselben Wirtschaftszweigs auf Bundesebene definiert. Entspricht der Anteil in der südwestlich an die Arbeitsmarktregion Nürnberg jeweiligen Region dem Bundesanteil, nimmt die Variable den Wert null an; bei einem und nordöstlich an Bamberg. positiven Wert ist der Beschäftigungsanteil des Wirtschaftszweigs in der Region höher Dass benachbarte Regionen teilweise auch un- als auf Bundesebene (bei negativen Werten verhält es sich umgekehrt). günstige Regionseffekte in ähnlicher Höhe aufwei- Der Störterm εrj umfasst alle übrigen Einflüsse auf den Corona-Effekt. Dabei wird ange- nommen, dass der Effekt dieser Faktoren im Durchschnitt null ist. Für die Schätzung des sen, zeigt sich vor allem im Norden und Nordosten Modells wird unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen der Kleinste-Quadrate- Deutschlands: Signifikant höhere Regionseffekte Schätzer verwendet. Um die teilweise deutlichen Unterschiede in der Größe der Region- haben Nord- und Südvorpommern; aber auch die Wirtschaftszweig-Kombinationen zu berücksichtigen, wird die Schätzung mit der Zahl großen Agglomerationsräume Hamburg und Ber- der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Juni 2019 in der jeweiligen Region- Wirtschaftszweig-Kombination gewichtet. Die berechneten Standardfehler sind robust lin und die Regionen in ihrem Einzugsbereich (z. B. gegen Heteroskedastizität. Stade angrenzend an Hamburg sowie Märkisch- Um den Erklärungsgehalt eines Regressionsmodells zu bestimmen, gibt es verschiedene Oderland und Oberhavel nahe Berlin). Auch für statistische Maße. Am gebräuchlichsten ist das sogenannte Bestimmtheitsmaß R2. Ange- wendet auf diesen Fall gibt das R2 den Anteil der Variation im Corona-Effekt wieder, der einzelne Regionen wie Altenkirchen oder Goslar in durch die im Modell enthaltenen Variablen erklärt werden kann. Dabei handelt es sich der Mitte Deutschlands und weiter südlich Frank- um das R2 einer gewichteten Regression. Im Anschluss an die Shift-Share-Regression furt a. M. treten sehr ungünstige Regionseffekte auf. führen wir eine sogenannte Dominanzanalyse durch (vgl. Luchman 2015), um zu ermit- Mit welchen regionalen Merkmalen gehen die teln, auf welche Gruppe der erklärenden Variablen (z. B. die Wirtschaftszweigeffekte, die Regionseffekte oder die Spezialisierungsvariablen) der größte Erklärungsgehalt entfällt. Unterschiede in der Höhe der Regionseffekte ein- Bei diesem Verfahren wird ein gewichteter Durchschnitt aller Bestimmtheitsmaße für her? Um diese Frage zu beantworten, untersuchen alle möglichen Kombinationen von Gruppen von erklärenden Variablen berechnet und wir in einer zusätzlichen Auswertung den Zusam- dann untersucht, wie stark das R2 der gewichteten Regression im Mittel sinkt, wenn eine Gruppe an Erklärungsvariablen aus dem Modell entfernt wird. Je höher der Rückgang menhang zwischen den Regionseffekten auf der des R2 ausfällt, desto größer ist die Bedeutung dieser Faktoren einzuschätzen. einen sowie der Arbeitslosenquote und der Größe der Arbeitsmarktregionen vor Beginn der Pande- 10 IAB-Kurzbericht 14|2021
mie und dem Landesteil der Region (Ost- bzw. West- sche Maßnahmen, unterschiedliche Verhaltens- deutschland) auf der anderen Seite. Die Ergebnis- änderungen oder auch eine nach Regionen und se bestätigen den Eindruck aus Abbildung A4: Der Wirtschaftszweigen unterschiedliche Inanspruch- Regionseffekt fällt unter Berücksichtigung der ge- nahme des Kurzarbeitergeldes sein. nannten Faktoren in ostdeutschen Regionen durch- schnittlich um 1,2 höher aus. Darüber hinaus wird Fazit deutlich, dass regionale Arbeitsmärkte, die bereits vor der Pandemie eine höhere Arbeitslosenquote Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die Stärke verzeichneten, ebenfalls stärker von der Pandemie des coronabedingten Arbeitsmarktschocks maß- betroffen sind. Schließlich sind die Regionseffekte geblich beeinflussen, sind für die Ausgestaltung auch in größeren Arbeitsmärkten höher. Hinweise der wirtschaftspolitischen Stabilisierungsmaß- auf deutliche Urbanisierungsvorteile, die in städ- nahmen von erheblicher Bedeutung. Gegenwär- tischen Arbeitsmärkten die Krisenfolgen dämpfen tig überwiegen branchenspezifische Unterstüt- könnten, geben die Befunde also nicht. Im Gegen- zungsangebote, da sich starke Einschränkungen teil haben sich große urbane Arbeitsmärkte in die- der wirtschaftlichen Aktivität durch die Eindäm- ser entscheidenden Phase der Krise eher ungünsti- mungsmaßnahmen vorwiegend auf bestimmte ger entwickelt als andere Regionen. Wirtschaftszweige konzentrieren. Die vorliegen- den Befunde zeigen, dass diese Ausrichtung der Hilfsmaßnahmen angesichts der ausgeprägten Wie stark hängt die Höhe des Corona- branchenspezifischen Variation des Arbeitsmarkt- Effekts von einzelnen Faktoren ab? schocks sinnvoll erscheint. In Abbildung A5 wird die Relevanz der einzelnen Die weiteren strukturellen Einflussfaktoren und Faktoren für unsere Shift-Share-Analyse darge- Standortbesonderheiten sollten – ungeachtet ihrer stellt. Mit den Wirtschaftszweigen und Regionen, vergleichsweise geringen Bedeutung für die Erklä- dem Spezialisierungsmaß sowie den Anforde- rung der Höhe des Corona-Effekts – dennoch im rungs- und Betriebsgrößenstrukturen lässt sich Blick der Wirtschaftspolitik bleiben. Denn neben annähernd die Hälfte der Variation des Corona- den reinen Wirtschaftszweigeffekten erweisen Effekts erklären (48 %). Der mit Abstand größte Er- sich auch die Spezialisierungseffekte als recht klärungsgehalt entfällt dabei auf die Wirtschafts- bedeutend, insbesondere im Bereich der Gastro- zweigeffekte (34 %). Die Anforderungsstruktur der nomie. Eine systematische Differenzierung der Beschäftigung stellt mit 6 Prozent den zweitgröß- Förderintensität, welche die räumliche Ballung ten Erklärungsfaktor dar, während die Beiträge der der Wirtschaftszweige vor Ort berücksichtigt, se- anderen Faktoren mit 2 beziehungsweise 3 Prozent hen die Unterstützungsangebote aber bisher nicht etwas geringer ausfallen. Diese Ergebnisse zeigen, vor. Darüber hinaus scheint sich die Betriebsgrö- dass die Unterschiede in der Höhe der Corona-Ef- ßenstruktur innerhalb der Wirtschaftszweige auf fekte vor allem darauf zurückzuführen sind, dass die Wirtschaftszweige von der Pandemie sehr un- A5 terschiedlich betroffen sind. Dennoch ist die Co- Beiträge unterschiedlicher Einflussfaktoren zum Erklärungsgehalt des vid-19-Pandemie nicht ausschließlich eine Krise Shift-Share-Modells der Wirtschaftszweige. Anteile erklärter Variation Letztendlich kann über die verwendeten Varia- blen – wie in allen vergleichbaren Studien – nicht 34 die gesamte, aber immerhin knapp die Hälfte der Wirtschaftszweig 6 Anforderungsniveau Variation des Corona-Effekts erklärt werden. Be- 14 3 Spezialisierung sonderheiten in der regionalen Entwicklung der Rest 3 Betriebsgröße Wirtschaftszweige, die nicht im Zusammenhang 52 2 Region mit den von uns untersuchten Faktoren stehen, sind für etwa die Hälfte der Variation verantwort- lich. Das können beispielsweise regionalspezifi- Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen. © IAB IAB-Kurzbericht 14|2021 11
die Stärke des Arbeitsmarktschocks auszuwirken. Dorn, Florian; Fuest, Clemens; Neumeier, Florian; Dem- melhuber, Katrin; Immel, Lea; Krolage, Carla; Leiss, Fe- Insofern stellt sich die Frage, inwieweit Kleinstbe- lix; Menkhoff, Manuel; Peichl, Andreas; Sauer, Stefan; triebe eine ausreichende Förderung erhalten. Schüle, Paul; Wohlrabe, Klaus (2020): Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die bayerische Wirtschaft. Er- Des Weiteren unterstreicht der Einfluss der Qua- gebnisse einer Unternehmensbefragung. In: ifo Schnell- lifikationsstruktur die Bedeutung von Qualifizie- dienst, 73. Jg., H. 6, S. 56–61. rungsmaßnahmen im Zuge der Krise. Von bedarfs- Duranton, Gilles; Puga, Diego (2004): Micro-foundations Silke Hamann of urban agglomeration economies. In: J. V. Henderson gerechten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, ist Mitarbeiterin im and J. F. Thisse (Hrsg.), Handbook of Regional and Urban Regionalen Forschungsnetz die insbesondere auch vor den Auswirkungen Economics, Band 4, Kapitel 48, S. 2063–2117. „IAB Baden-Württemberg“. zukünftiger Krisen schützen, profitieren nicht nur Falkenhain, Mariella; Flick, Uwe; Hirseland, Andreas; silke.hamann2@iab.de Naji, Shahed; Schilling, Anna Lena; Seidelsohn, Kristi- die Arbeitskräfte. Auch für die Betriebe dürften na; Verlage, Thomas (2020): Beschäftigte mit Fluchthis- sich Investitionen in die Qualifikation ihrer Be- torie kommen in der Corona-Krise unterschiedlich gut zurecht. In: IAB-Forum, 11.11.2020. schäftigten auszahlen, wenn sie zu einer besseren Gehrke, Britta; Weber, Enzo (2020): Kurzarbeit, Entlas- Absicherung gegenüber Wirtschaftskrisen führen sungen, Neueinstellungen: Wie sich die Corona-Krise und einen Beitrag zur Deckung des zukünftigen von der Finanzkrise 2009 unterscheidet. In: IAB-Forum, 28.5.2020. Fachkräftebedarfs leisten. Gürtzgen, Nicole; Kubis, Alexander; Küfner, Benjamin Dr. Per Kropp Unsere Analysen zeigen außerdem, dass Regio- (2020): Großbetriebe haben während des Covid-19-Shut- ist Mitarbeiter im nen in Ostdeutschland und solche mit ungünstigen downs seltener als kleine Betriebe Beschäftigte entlassen Regionalen Forschungsnetz (Serie „Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt”). In: Ausgangsbedingungen wie bereits hohen Arbeits- „IAB Sachsen-Anhalt- IAB-Forum, 3.7.2020. Thüringen“. losenzahlen vor der Corona-Krise einen zusätzlich Jahn, Elke; Weber, Enzo (2016): The effect of temporary per.kropp@iab.de ungünstigen Krisenverlauf aufweisen. Es besteht help jobs on employment volatility. 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Di Caro, Paolo; Fratesi, Ugo (2018): Regional determinants Westermeier, Christian (2020): Trifft die Corona-Krise äl- of economic resilience. In: Annals of Regional Science, tere Erwerbstätige stärker als jüngere? In: IAB-Forum, 60, 235–240. 8.7.2020. Georg Sieglen Impressum | IAB-Kurzbericht Nr. 14, 12.8.2021 | Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, 90327 Nürnberg | Redaktion: Martina Dorsch | Grafik & Gestaltung: Nicola Brendel | Foto: Wolfram Murr, Fotofabrik Nürnberg, Jutta ist Mitarbeiter im Palm-Nowak und privat | Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG, Ostbevern | Rechte: Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung Regionalen Forschungsnetz des IAB | Bezug: IAB-Bestellservice, c/o wbv Media GmbH & Co. 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