In die Pilze! Ein deutsch-beninisches Team untersucht die Pilzwelt Westafrikas - Forschung Frankfurt
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Klima, Erde, Umwelt Die Frankfurter Mykologie-Professorin Meike Piepenbring erforscht zusammen mit der Gruppe von Professor Nourou S. Yorou (Université de Parakou) die Pilzwelt von Benin. Das Ziel ist nicht nur, neue Arten im weitgehend unerforschten Reich der Fungi zu entdecken. Auch neue Zuchtverfahren will das Wissenschaftsteam entwickeln. P ilze gibt es überall, im Waldboden, auf der menschlichen Haut, in der Tiefsee und womöglich sogar im Weltraum; als Sporen, als fädige Geflechte, als Hutpilze. Sie zersetzen alle Arten organischen Materials, wachsen als Parasiten in oder auf Lebewesen oder gehen Lebenspartnerschaften mit Pflanzen oder – in Flechten – mit Algen und/oder Cyanobakterien ein. Nach dem Reich der Tiere hat das Reich der Pilze wohl die zweitgrößte Artenvielfalt auf unse- rem Planeten, schätzten Pilzforscher aus Lon- don und Berlin 2017 in der Zeitschrift Microbio- logy Spectrum. Zwischen 2,2 und 3,8 Millionen Pilzarten könnte es demnach geben, von denen bis heute nur rund 140 000 bekannt und wissen- schaftlich beschrieben sind. Dass die meisten Pilzarten noch zu ent decken sind, gilt insbesondere für die Tropen Afrikas. Dies weiß die Mykologin Meike Piepen- bring: »Wir haben in meiner Arbeitsgruppe an der Goethe-Universität vor zwei Jahren eine Liste aller für Westafrika bekannten Pilze zusammengestellt und veröffentlicht. Darin sind Namen von mehr als 4800 Pilzarten verzeich- net. Wir gehen davon aus, dass diese Aufstellung 1 Der essbare Pilz nicht einmal 15 Prozent der tatsächlich existie- Lactifluus gymnocarpus wächst in den Baumsavannen renden Arten enthält.« Zusammen mit ihrem der afrikanischen Tropen. Sein Kooperationspartner Nourou Yorou von der Trivialname Kpayenkping-gbèka Université de Parakou im westafrikanischen deutet darauf hin, wo man ihn Benin sucht Piepenbring nach unbekannten findet: »Pilze, die unter dem Uapaca-Baum wachsen«. Pilzarten. Die Chancen der deutsch-beninischen Foto: Felix Hampe & Cathrin Manz Arbeitsgruppe stehen nicht schlecht, dort Pilz arten erstmals nachzuweisen – und unbekannte Arten oder gar Gattungen als neu für die Wissen- schaft zu beschreiben. Nahrungsmittel und Heilpilze In einem ersten Schritt erfasst das Wissenschafts team Pilze, die den Menschen vor Ort bereits bekannt sind. Pilze werden in Benin von der Forschung Frankfurt | 1.2022 99
Klima, Erde, Umwelt Foto: Felix Hampe & Cathrin Manz Foto: Meike Piepenbring 3 2 2 Unterwegs zur Pilzbestimmung: Nourou S. Yorou von der AUF DEN PUNKT GEBRACHT Université de Parakou. • Pilze können als Fleischersatz eine 3 Eine neue Pilzart Foto: Daouda Dongnima aus Benin, ein bislang wichtige Rolle in der Ernährung spielen, unbekannter Röhrling, von zudem werden einige Arten zur dem selbst mit modernsten Behandlung von Krankheiten genutzt. molekulargenetischen Methoden bisher weder Art • Schätzungen zufolge sind nur knapp noch Gattung bestimmt fünf Prozent aller Pilzarten wissen- werden konnten. schaftlich beschrieben. 4 4 Meike Piepenbring • Forscher der Goethe-Universität und unterwegs im Wald mit der der Université de Parakou klassifizieren fragen, welche Pilze die Menschen sammeln Doktorandin Affoussatou Tabé, in Benin lokal bekannte und neue und welche Namen sie ihnen geben. Die Ergeb- Université de Parakou, Pilzarten und entwickeln Techniken, nisse dieser als »Ethnomykologie« bezeichneten und dem venezolanischen Doktoranden Miguel um Speisepilze kultivieren zu können. Forschung gleichen sie mit der mykologischen Bermúdez. Klassifikation ab: Zu welcher Gattung, welcher Art gehört ein bestimmter, traditionell genutzter Bevölkerung hochgeschätzt und leisten einen Pilz? Existieren für ihn in verschiedenen Landes- wichtigen Beitrag zur Ernährung der Bevölke- teilen möglicherweise unterschiedliche Namen? rung. »Pilze enthalten viel Eiweiß, außerdem Sind sich die Volksgruppen über die Eigenschaf- D-Vitamine, Mineralien und Spurenelemente«, ten einer bestimmten Pilzart einig, oder gilt erläutert die Wissenschaftlerin. »Sie sind deswe- mancher Pilz im ersten Dorf als essbar und gen ein möglicher Fleischersatz und eine wert- wohlschmeckend, im zweiten Dorf als unge- volle Ergänzung zu Hirse, Maniok und Yams, nießbar und im dritten Dorf gar als giftig? vor allem, wenn gegen Ende der Trockenzeit die Vorräte verbraucht sind und zu Beginn der Analyse von Erbgut und Inhaltsstoffen Regenzeit die neuen Pflanzen noch nicht geern- Finanziert wird das Ende 2020 gestartete Pro- Die Autorin tet werden können.« Das Wissen über die Nut- jekt »FunTrAf« (»Diversity and uses of fungi zung von Pilzen, zum Beispiel als Nahrungsmit- in tropical Africa« – Diversität und Nutzung Dr. Stefanie Hense, 51, ist freie Wissenschafts tel und als Heilpilze, hat in den verschiedenen von Pilzen im tropischen Afrika) vom Bundes- journalistin. Nach ihrem Volksgruppen von Benin eine lange Tradition forschungsministerium, und für die Ausstattung Physikstudium und ihrer und wird vor allem auf dem Land mündlich der Laborräume in Parakou ging im Sommer Promotion absolvierte sie von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben. 2021 ein Container auf die Reise durch die zunächst ein Volontariat bei der FAZ und arbeitete dort als »Indem wir dieses Wissen dokumentieren, wol- Nordsee und den Atlantischen Ozean. Darin: Redakteurin der politischen len wir es zugleich konservieren. Das ist umso eine Steril-Werkbank, Kühlschränke, Gefrier- Nachrichtenredaktion. Heute wichtiger, als immer mehr junge Leute in die truhen, PCR-Geräte zur Vervielfältigung von schreibt sie für die Goethe- Städte ziehen, so dass das Wissen verloren Erbsubstanz, außerdem Computerausstattung, Universitätsmedien UniReport und GoetheSpektrum. geht«, kommentiert Piepenbring. Glasgeräte und Verbrauchsmaterialien im Wert Die Arbeitskreismitglieder von Yorou sind von 45 000 Euro. Die Université de Parakou stefanie_hense@web.de deshalb in den Dörfern Benins unterwegs und habe Yorou zuvor Räume zur Verfügung gestellt, 100 1.2022 | Forschung Frankfurt
Klima, Erde, Umwelt miert«, fährt er fort. »Aus Pilzen aus dem Wald 5 Im Pilzlabor der Université haben wir Zellen in Reinkultur isoliert.« Es folg- de Parakou sieht der Doktorand Azize Boukary ten eine Reihe von Analysen um herauszu nach seinen Pilzkulturen im finden, unter welchen Bedingungen sich ein Kühlschrank. Der war kurz bestimmter Pilz am besten vermehrt: bei wel- zuvor per Container aus cher Temperatur, bei welchem pH-Wert, bei Frankfurt geliefert worden. welcher Luftfeuchtigkeit, möglicherweise unter 6 Dieser grüngelbe Pilz wurde Zugabe spezieller Mineralien. Außerdem testen 2018 erstmals von Nourou Yorou und seinem Team die Forscherinnen und Forscher, ob die Pilze wissenschaftlich beschrieben. Foto: Meike Piepenbring statt auf künstlichen Nährmedien mit Zucker Sie gaben ihm den Namen auch auf zerkleinerten Feldfrüchten und Ernte- Pulveroboletus sokponianus abfällen wachsen: Hirsespelzen, Kartoffeln, ande- nach dem beninischen Ökologen Nestor Sokpon. ren stärkehaltige Knollen oder dem Inneren von Maiskolben. 5 und durch die Ankunft der Laborausstattung sei ihr klar geworden, dass sie auch die Stromver- sorgung der Labors verbessern müsse, berichtet 6 Piepenbring. »Nourou hat mir erzählt, dass bei ihnen regelmäßig die Sicherung herausgeflogen ist, sobald jemand bei ihnen den Dampfsterilisa- tor eingeschaltet hat!« Zur »Geländearbeit«, sprich zum Pilzesam- meln im Wald, in der Savanne oder am Straßen- rand sind die Mykologinnen und Mykologen aus Frankfurt und Parakou gern gemeinsam unterwegs und profitieren dabei voneinander: vom technischen Equipment und dem wissen- schaftlichen Hintergrund der einen genauso wie von der Kenntnis der Pilze, Pflanzen, des Klimas und anderer lokaler Bedingungen der anderen. Und nicht zuletzt: von den Sammel- und Exportgenehmigungen, die die Beniner bei lokalen Behörden einholen. Das Team trägt Exemplare für die Herbarien in Parakou und Frankfurt zusammen und beginnt gemeinsam direkt vor Ort, die Morphologie der Pilze zu untersuchen und zu dokumentieren – nicht zuletzt mithilfe der »gespendeten« Binokulare und Mikroskope. Künftig wollen die Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler in Benin auch das Erbgut der Pilze sequenzieren, während die Inhaltsstoffe der gesammelten Pilze in Deutsch- land analysiert werden, unter anderem mittels Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatografie. Pilze als Fleischersatz Das Pilzprojekt dient allerdings nicht nur der Grundlagenforschung: Yorou und seine Gruppe suchen nach Wegen, Speisepilze zu kultivieren und damit die Nutzung auszubauen und zu ver- Foto: Felix Hampe & Cathrin Manz bessern. »In diesem Teilprojekt entwickeln wir lokal angepasste Techniken, um Speisepilze zu kultivieren«, erläutert Yorou. Es gebe viele ein- heimische Arten, die bei der lokalen Bevölke- rung sehr beliebt seien, und doch habe man noch nie versucht, sie anzubauen. »Also haben wir für vier heimische Arten Produktionstechniken ausgearbeitet oder opti- Forschung Frankfurt | 1.2022 101
Klima, Erde, Umwelt Literatur 1 Asperitectem restinis apiet idis desequis aut volorerum quodignim vollece ribearum re que nis ditis qui ipiciis cipsant endanduciae. Ut everes aut que estiae rerferrovit. Der Täubling Russula congoana ist häufig in halboffenen Savannenwäldern zu finden. Obwohl er relativ klein ist, wird er wegen seines milden Geschmacks gerne als Speisepilz gesammelt, zumal er zu Beginn der Regenzeit in großen Mengen Fruchtkörper bildet. Foto: Felix Hampe & Cathrin Manz ZUR PERSON Meike Piepenbring, Jahrgang 1967, Kostenfreie Lizenzen für Landwirte studierte Biologie in Köln und Clermont- Ferrand (Frankreich). Nach ihrem Diplom Die neu entwickelten Techniken sollen durch entdeckte sie die Pilze, weshalb sie Patente gegenüber ausländischen Konzernen anschließend in Tübingen sowohl geschützt werden, so Yorou. Die lokalen Land- ihre Promotion (1994) als auch ihre wirte hingegen sollen kostenfrei Lizenzen erhal- Habilitation (1999) im Fach Mykologie ten, sobald die Entwicklung abgeschlossen sei. ablegte. Den Ruf an die Goethe-Univer- »Damit wollen wir die wirtschaftliche Selbst- sität erhielt sie 2001 und widmet sich ständigkeit insbesondere von Frauen und Jugend- seither der Suche nach unentdeckten lichen fördern«, betont Yorou. »Unser Ziel ist tropischen Pilzen in Mittelamerika es, Arbeitslosigkeit, Ernährungsunsicherheit und und Afrika, der Stammesgeschichte extreme Armut in den ländlichen Gemeinden bestimmter Pilzgruppen sowie der von Benin zu verringern.« Pilzvielfalt und ihrer Bedeutung im Taunus oder im Wissenschaftsgarten Piepenbring legt auf eine Unterscheidung der Goethe-Universität am Riedberg. Wert: »Das, was wir als deutsche Forschende in Benin betreiben, ist nicht Entwicklungshilfe, piepenbring@bio.uni-frankfurt.de sondern Entwicklungszusammenarbeit.« Viele Deutsche seien der Ansicht, Menschen in afrika- Nourou S. Yorou, Jahrgang 1974, ging nischen Ländern technisch überlegen zu sein, nach seinem Studium der Agrar- was jedoch nicht stimme. Die Afrikaner ver wissenschaft in Abomey-Calavi (Benin) an die Ludwig-Maximilians-Universität fügten beispielsweise über komplexes Wissen München, um sich für seine Promotion zu Kultivierungs- und Konservierungsmetho- mit der Anatomie, Stammesgeschichte den für ihre Nutzpflanzen, ohne dass sie dafür und Evolution tropischer Pilze aus der Strom oder fossile Energiequellen brauchten, Ordnung Thelephorales zu beschäftigen. hat Piepenbring persönlich erlebt. Deswegen Nach seiner Promotion leitete er an der sei es ihr wichtig, von ihren Erfahrungen zu LMU drei Jahre eine Junior-Forschungs- berichten, immer wieder junge Leute aus ihrer gruppe für die Mykologie des tropischen Arbeitsgruppe nach Benin mitzunehmen und Afrikas. Seitdem er 2014 eine Professur ihnen ein anderes Bild von Afrika zu vermitteln. an der Université de Parakou in Benin »Außerdem verfolgen wir mit FunTrAf ein antrat, gilt sein Interesse nachhaltiger übergeordnetes Ziel«, ergänzt sie. »Wir wollen Pilzzucht, den Symbiosen von Pilzen und Pflanzen (Mykorrhizen) sowie dem unseren Partner in Benin mit Geräten und Erhalt bedrohter Pilzarten und ihrer Methodenwissen so ausstatten, dass er langfris- Partnerpflanzen. tig selbstständig gute Forschung betreiben und eigene Nachwuchskräfte ausbilden kann. Und n.s.yorou@gmail.com dann bringt er die afrikanische Mykologie aus eigener Kraft voran.« 102 1.2022 | Forschung Frankfurt
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