Selbstbestimmung - freiheitsentziehende Maßnahmen vermeiden - André Hennig - lzg-rlp
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„Selbstbestimmung – freiheitsentziehende Maßnahmen vermeiden “ André Hennig
• Selbstbestimmung - Selbstbestimmungsrecht Was versteht man darunter? • Selbstbestimmung in der Altenpflege Selbstbestimmung, Konzessionen, Fremdbestimmung, Gewalt Übersicht • Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) Was versteht man darunter? • Hinter den Fassaden „Wahre“ Gründe für Fixierungen • Nicht alles ist vermeidbar Differenzierung der „Erlöserfantasien“ • Halten Fixierungen was sie versprechen? Folgen von freiheitsentziehenden Maßnahmen • Neues und Bewährtes Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
Selbstbestimmung • Selbstbestimmung bedeutet nach freiem Willen über sein Leben entscheiden zu können. Selbstbestimmung wird häufig auch Entscheidungsfreiheit, Autonomie, Entscheidungs-Autonomie oder Ungebundenheit, bzw. Unabhängigkeit genannt. • Das Selbstbestimmungsrecht ist ein zentrales Recht für alle Wesen auf der Erde, insbesondere für alle mündigen Menschen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Religion, usw. Es kann u.a. direkt von der Grundlage des Seins abgeleitet werden. Selbstbestimmung ist letztendlich das Gegenteil von Manipulation, Fremdbestimmung bzw. Unterdrückung. • Das Selbstbestimmungsrecht darf aber nicht mit Willkür oder einem Freipass zu reinem Ich-bezogenen Denken oder Handeln verstanden werden. Denn die Freiheit des Einzelnen endet da, wo die Freiheit des anderen Menschen beginnt. Anders ausgedrückt: Die Ausübung meines persönlichen Selbstbestimmungsrechts darf nicht dazu führen, dass ich andere Personen in deren Selbstbestimmungsrecht einschränke!
Selbstbestimmung in der Altenpflege Selbstbestimmung, Konzessionen, Fremdbestimmung, Gewalt
Freiheitsentziehende Maßnahmen Was versteht man darunter?
Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)? • Geschlossene Türen • Bettgitter • Gurte (Rumpf, Fuß/Arm) • Leibchen, Bandagen • festgestellte Rollstuhlbremse, etc. • Medikamente 6
Bürgerliches Gesetzbuch - § 1906 (BGB) Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung (1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
Definition Fixierung (Physical Restraint) • Vorrichtungen, Materialien oder Gegenstände, die am oder in der Nähe des Körpers der Person angebracht werden und • sich von dieser nicht leicht entfernen oder kontrollieren lassen • und die körperliche Bewegungsfreiheit einschränken oder in der Absicht verwendet werden, willkürliche Positionswechsel und/oder den Zugriff auf den eigenen Körper zu verhindern. (Def. Nach The Joanna Briggs Institute, 2002, Sydney) 8
Wie lange wird fixiert ? 45 40 38,1 34,5 35 32,8 29,6 30 Prozent 25 22,6 20,2 20 15 11,8 10 4,8 5 4,2 1,5 0 im Bett im Stuhl (Klie/Pfundstein, 2004, S. 107) 9
Hinter den Fassaden „Wahre“ Gründe für Fixierungen
„Wahre“ Ursachen von Fixierungen: • Haftungsmythen • Ängste – „es könnte doch …“ • Stabile Haltungen/Überzeugungen (Tradition) • Stabiles Verhalten (Tradition) Bisweilen • Dominanter innerer Richter (Schuld) waren für diese • Unkenntnis über Alternativen Probleme auch Fixierungen • Unkenntnis über Folgen von FEM (Sicherheit) die Lösungs- • Herunterspielen der Wirkung von FEM strategie bei Angehörigen, Betreuern, Ärzten, …
58% 4%
Nicht alles ist möglich Differenzierung der „Erlöserfantasien“
Herausforderndes Verhalten • Weglaufen / Hinlaufen Wirkungsvolle und evaluierte Ansätze • Sturzgefährdung (z.B. ReduFix) • Enthemmtes Verhalten Fragmentarisches Wissen und hoch individuelle • Autoaggression Lösungen • Unwillkürliche Selbstverletzungen • Fremdaggression • Sachaggression
Halten Fixierungen was sie versprechen? Folgen von freiheitsentziehenden Maßnahmen
Folgen von Fixierungsmaßnahmen
Quelle: faz.net
Aktuelle Stellungnahme des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
Quelle:fokus.de Folgen von FEM Fixierungsmaßnahmen haben erhebliche negative Auswirkungen. Psychosozial gehen sie einher mit: dem Verlust von Kontrolle, Freiheit, Autonomie und sozialen Bezügen erhöhtem Stress Direkte mechanische Verletzungen können sein: Quetschungen, Nervenverletzungen und Ischämien Einzelne Todesfälle durch Herzversagen oder Ersticken sind bekannt Indirekte Gefahren können sein: Medizinische Komplikationen wie Pneumonie, Dekubitus, Infektionen oder Thrombosen sowie Zunahme von Stuhl- und Urininkontinenz Muskelatrophie und Verlust der Balance
Wiss. Erkenntnisse: Negativspirale bei Fixierung Sturzbedingte Verletzungsgefahr Fordernde Verhaltensweisen Angehörige, Personal: Schuldgefühle ↑ Arbeitszufriedenheit ↓ Fixierung Es tritt der Zustand durch eine Fixierung ein, der durch die Fixierung verhindert werden sollte: ein erheblicher Allgemeinzustand ↓ Psychischer Stress, gesundheitlicher Schaden Lebensqualität ↓ Gegenwehr → Direkte Verletzungen Mobilität ↓ Verhaltensauffälligkeiten ↑ Sturzgefährdung↑ Nahrungs-,Flüssigkeitsaufnahme ↓ Medizin. Psychopharmaka werden Komplikationen, wie gegeben bzw. erhöht Kontrakturen, Dekubitus, Pneumonie Quellen: Hantikainen, 2001; Hamers/Huizing, 2005; Haut et al., 2004 - Review; Kirkevold et al. 2004; Klie et al. 2004; Koch, 2006; Mammun et al., 2005; Moore et al. 2007; Werner, 2002
Expertenstandard Sturzprophylaxe 2013
Neues und Bewährtes Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen • Medikation in Alter (PRISCUS-Liste) • Hilfsmittel • Technische Assistenzsysteme (AAL) • pflegerische Maßnahmen
Interventionen 2 Umgebung Suche nach Gründen für die Sturzgefährdung bzw. Ehrenamtliches für das herausfordernde 5 Engagement / Verhalten: Angehörigenarbeit 1 - Medikation Person mit Demenz und Sturzgefährdung/ fordernden Verhaltensweisen 3 Hilfsmittel 4 Pflegende 24
Medikation im Alter
Fehlmedikation im Alter Häufig zu wenig, zu viel, falsche Indikation, zu lange, Typische Nebenwirkungen: altersuntaugliche - Neurologisch (Schlucken↓, Medikamente Stürze) - Herz-Kreislauf (RR↓, Kollaps, Arrythmie) - Kognitiv-zerbral (Sedation, Ver- wirrtheit, Unruhe, Halluzination) Wechselwirkungen↑ Nebenwirkungen ↑ Schlüsselposition: Pflegefachkräfte, aber durch veränderte auch: Betreuer, Angehörige ! Pharmakodynamik im Alter Zu fordern: Ärztliche Überprüfung der Medikation durch gerontopsychiatrisch erfahrenen Arzt ! Bildquelle: www.apotheken.de/graphics/arzneimittel-hand-abda.jpg 26
„Beers“-Kriterien und Priscus Liste Tendenziell ungeeignete Psychopharmaka für ältere Menschen (65 + ) Flurazepam Dosisabhängig : Librium® Lorazepam Dalmadorm® Promethazin Tavor® >3mg, Amitryptilin Atosil® Oxazepam Saroten® Adumbran® >60 mg, Thioridazin Alprazolam Doxepin Melleril® Tafil® >2mg, Aponal® Diazepam Temazepam Fluoxetin tgl. Planum® >15mg, Valium® TriazolamHalcion® >0,25mg Fluctin® u.a. langwirksame Diphenhydramin Chlordiazepoxid Benzodiazepin Betadorm®, Amphetamine Modif. N. Update von Fick et al (2003) Arch Intern Med 163 27
www.priscus.net Google: Schlagworte „Priscus“ „AOK“
Hilfsmittel
Pflegebody z.B. Pflegebody von suprima® mit Bein, geknöpft – kurzer Arm (Art. 4 695) Quelle: pflegeoverall24.de Bildquelle: www.suprima-herzlieb.de 30
Pflegeoveralls - „normales Aussehen“ Quelle: pflegeoverall24.de
Pflegeoveralls - reißfest - Schließsystem Quelle: pflegeoverall24.de
Selbstverletzungen vermeiden
Posey-Bett (Achtung FEM)
Handschutz / Fäustlinge - Autoaggression (ggf. Fremdaggression) Quelle: biocare.de Quelle: pflegeoverall24.de
Quelle: pflegeoverall24.de Hüftprotektoren Bildquelle: dutchblue.com z. Bsp. Suprima Suprima® Protektor Slips, z. Bsp. Safehip® Gürtel von Roelke-Pharma von Suprima GmbH Bildquelle: www.roelke.de Bildquelle: www.suprima www.suprima-gmbh.de 36
Helm, Knie- und Armschoner rehadat.de Bildquelle: ReduFix Praxis Kampagne trendsport.ch mrfloorball.de
Adäquates Schuhwerk Verbands- und Rehaschuhe z.B. Verbands- und Rehaschuhe von promed sanicabrio DXL Bildquelle: www.promed.de 38
„Anti-Rutsch“ - Socken können Ausrutschen verhindern Bildquelle: Vitaness, GehSicher Strumpf warme Füße – Wohlbefinden „Angehörigenmaßnahme“ Quelle: pflegeoverall24.de 39
Sportprotektor
Aufstehhilfe Bildquelle:http://src.discounto.de/pics/Angebot/58479/79451_Bett /pics/Angebot/58479/79451_Bett-Aufstehhilfe-58479_xxl.jpg http://www.reha-stage.com/index.php?id=86
Niedrigbett z. Bsp. Völker Niedrigbett 5380 / 5380 K, Bildquelle: Völkerworld
Sturzmatten http://www.stiegelmeyer-gruppe.de Bildquelle: ladurner.com http://www.artu-biologicals.de Bildquelle: pro-silicon.de
Sturzmatten Bildquelle: dutchblue.com
Safebag und Safe http://safebag-statt-fixierung.de/ … und dennoch FEM!
„Gehfrei“-- Hilfen „Gehfrei“ z. Bsp. Dynamico für Innen- und Außenbereich (Fa.Ormesa®) Bildquelle: www.ormesa.com/de z. Bsp. RCN-Walker (Fa. RCN), Bildquelle: www.rcn-medizin.de 46
Gehhilfen Bilder: thomashilfen.de
THEVO-CHAIR BEWEGUNGSSESSEL www.thevo-shop.de/thevochair-bewegungssessel.html
AAL „AMBIENT ASSISTED LIVING" Unter „Ambient Assisted Living" (AAL) werden Konzepte, Produkte und Dienstleistungen verstanden, die neue Technologien und soziales Umfeld miteinander verbinden und verbessern mit dem Ziel, die Lebensqualität für Menschen in allen Lebensabschnitten, vor allem im Alter, zu erhöhen.
Sensormatten meldet das Aufstehen (Sturzgefahr) und die aus-bleibende Rückkehr (Weglaufgefahr) des Bewohners Koppelung mit Rufanlage ortsunabhängig einsetzbar z. Bsp. Safefloor ™ Fa. Roelke pharma, Bildquelle: www.roelke.de 50
Sensormatten Quelle: www.senstec.at/ Quelle: www.kuhnbieri.ch
Sensorleiste Quelle: www.kuhnbieri.ch
Optiscan und Optiseat www.daza.nl
Stiegelmeyer Out-of-bed-System - das intelligente Pflegebett http://www.stiegelmeyer-gruppe.de
Personenortungssysteme: satellitengestützte Positionsbestimmung z. Bsp. Keruve – Direkte Familienortung 55
Personenortungssysteme: satellitengestützte Positionsbestimmung Quelle: Fokus-Online (2011): GPS-Schuhe sollen Alzheimer-Patienten orten 56
Smart Baby Monitor und Baby App
Motion Detector Pro
SensFloor® Sensitiver Bodenbelag zur Unterstützung selbständigen Lebens im Alter Quelle: www.future-shape.de
Hilfsmittel 60
Milieugestaltung
Patienten-/Bewohnerzimmer: Identität und Vertrautheit ermöglichen Foto: Gareth Hoskins, Architects Summerschool Dementia & Design 2005 62
Wohnküche als Zentrum der Gemeinschaft:Transparenz und einladende Offenheit Otto-Koti & Fanny-Koti, Tampere, Finnland Foto: Damian Utton, Associate/Senior Architect Pozzoni Design Group Summerschool Dementia & Design 2005 63
Flure: Transparenz und Helligkeit, Tageslicht Denvill Hall, Northwood Foto: Acanthus LW Architects , Summerschool Dementia & Design 2005 64
Sicherheit, Orientierung und Autonomie durch Ausleuchtung und „Wegführung“ nachher vorher Dykebar Hospital; Fotos: David Denholm, Summerschool Dementia & Design 2005 65
Autonomie fördern – Freiheit maximieren „Wandern“ (24h-Protokoll, Gradmann Haus Stuttgart, 2003) 66
“Versteckte Türen” Schutz und Sicherheit gewährleisten - aber die WÜRDE wahren! Foto: Hennig – Kessler-Handorn, Kaisersautern Foto: Doris Bredthauer (2005), Iris Murdoch Building, Stirling 67
„Barrierefreiheit“ • Kontraste und Symbole sinnvoll einsetzen • Selbständigkeit fördern, • Sicherheit geben Foto: D.Bredthauer (2005) Foto: D. Bredthauer, Gradmann-Haus Stuttgart Bildquelle: Burnett Iris Murdoch Building, Stirling Associates (2005) 68
Pflegerische Maßnahmen • Kraft- und Balancetraining • Abklärung von herausforderndem Verhalten - Serial Trail Intervention (STI)
Sturz- und Verletzungsprävention: Mobilität fördern! Kraft- und Balancetraining Sichere Umgebung Inkontinenzmanagement Sehhilfen WICHTIG: Mobilität fördern! Aber: Fixierungen „unbedingt vermeiden“! Bildquelle: www.dnqp.de Bildquelle: www.fit-in-jedem-alter.de 70
Sturz- und Verletzungsprävention: Mobilität fördern! • Liegepathologie entgegen wirken • "40 bis 50 Prozent der Leute können ein Jahr nach dem Einzug ins Altenheim nicht mehr selbst gehen und stehen" • Keine direkten Transfers • „jeder Schritt ist wichtig!“
Herausforderndes Verhalten Wie kann dem begegnet werden? Sofern das aktuelle Bedürfnis nicht verstanden oder befriedigt werden kann, bietet sich an eine der häufigsten pflegerischen Interventionen durchzuführen Erinnerungsarbeit Snoezeln Studienergebnisse (wiss. Evidenzen) Massagen und Berührungen 10-min.-Aktivierung Musiktherapie
Herausforderndes Verhalten Wie kann dem begegnet werden? Erinnerungsarbeit: Positive Effekte auf: soziale Interaktion, Interessen und kognitive Fähigkeiten Positive Wirkung auf Depressionen Snoezeln: Multisensorische Stimulation: Positive Effekte auf: Apathie, Anstand, rebellisches, aggressives und depressives Verhalten und Angst Massagen und Berührungen: Positive Effekte auf herausforderndes Verhalten generell
Externe Stimulation statt Selbststimulation • Basale Stimulation • Musik • Klangbetten • Snoezeln • Wiegebetten • Massagegeräte • …
Werdenfelser Weg – richterlicher Zugang zur Reduzierung von FEM • die pflegerische Einschätzung über die Notwendigkeit von FEM hat hohes Gewicht und sowohl die Betreuer wie auch die Betreuungsrichter greifen darauf zurück • Leider ist diese pflegerische Einschätzungen häufig durch Haftungsängste, Fehlannahmen und geringem Wissen über Alternativen geprägt. • Durch den Einsatz von erfahrenen Verfahrenspflegern, zumeist mit einem pflegerischen Hintergrundwissen, wird das Ziel verfolgt FEM zu reduzieren. • Verfahrenspfleger prüfen mit Heimen die Möglichkeit der Reduzierung und beraten > Erfolg: nachweislich weniger FEM in der Anwendung 75
Und wenn es trotzdem klappt AWO Seniorenpark – Moosburg an der Isar
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 77
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