Influenzaepidemie 2017/2018: Auswertung für Sachsen
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gesundheitspolitik Influenzaepidemie 2017/2018: Auswertung für Sachsen Die Influenza-Saison 2017/2018 ist in vieler Hinsicht bemerkenswert: Seit Einführung des Infektionsschutzgeset- zes (IfSG) im Jahr 2001 kam in Sachsen wie deutschlandweit noch nie eine so hohe Anzahl an Influenza-Erkrankun- gen zur Meldung. Die gemeldete Fall- zahl war in Sachsen mit annähernd 48.000 Erkrankungen fast dreimal so hoch wie in der Vorsaison 2016/2017, in der bereits bezüglich der Meldezahlen ein Höchstwert seit 2001 registriert worden war. In Deutschland wurden insgesamt annähernd 350.000 Erkran- Abb. 1: Influenza 2017/2018 in Sachsen, gemeldete Influenza-Nachweise nach IfSG, 40. Kalenderwoche 2017 bis 17. Kalenderwoche 2018, Quelle: LUA Sachsen kungen erfasst. Auch die Zahl der nachweislich an Influenza Verstorbe- nen erreichte ein nie dagewesenes Niveau. Dies unterstreicht wieder ein- mal die Bedeutung der Influenza als Infektionskrankheit, zumal bei weitem nicht alle Erkrankungs- und Todesfälle gemeldet werden und eine hohe Dun- kelziffer anzunehmen ist. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil der Laboruntersuchungen und damit auch der Meldungen in den letz- ten Jahren zugenommen haben und dies zu den hohen Fallzahlen beigetra- gen hat. Möglicherweise hat gerade in dieser Saison auch eine gesteigerte Surveillance – sprich erhöhte Aufmerk- samkeit – mit zum Anstieg der Fallmel- dungen beigetragen. Nichtsdestotrotz liegt eine Saison mit außergewöhnlich hoher Krankheitslast hinter uns. Die Influenzawelle 2017/2018 begann in Sachsen in der 2. Kalenderwoche 2018 und endete erst nach der 15. Kalenderwoche 2018. Im Vergleich zu Vorjahren dauerte die saisonale Influenzawelle also sehr lange an. Die in der Saison 2017/2018 von den säch- sischen Gesundheitsämtern übermit- telten 47.765 Influenza-Nachweise glie- dern sich auf in 11.421 Influenza A- Ärzteblatt Sachsen 09|2018 401
gesundheitspolitik nur sehr vereinzelt identifiziert. Der Anteil der nachgewiesenen Influenza- typen hat sich während der Saison ver- ändert: Die Zahl der Influenza A-Virus- nachweise nahm stetig zu und zum Ende der Saison wurden mehr Influ- enza A- als Influenza B-Viren detek- tiert. Demzufolge wurde eine sehr aus- geprägte Influenza B-Welle noch durch eine Influenza A-Welle verstärkt. Verglichen mit den Vorjahren erkrank- ten in der Saison 2017/2018 wie schon in der Vorsaison 2016/2017 verhältnis- mäßig viele, vor allem ältere Erwach- sene. 43 Prozent aller gemeldeten Fälle Abb. 2: Influenza 2017/2018 in Sachsen, Altersverteilung (Meldedaten nach IfSG, 40. Kalenderwoche 2017 bis 17. Kalenderwoche 2018), Quelle: LUA Sachsen betrafen Patienten, die älter als 44 Jahre waren. Die am meisten betroffe- (davon wiederum 2.663 x als Influenza derwoche kamen sogar 7.418 Erkran- nen Altersgruppen bildeten mit 29 Pro- A(H1N1)pdm09 und 30 x als Influenza kungen zur Meldung (Abb. 1). zent aller insgesamt Erkrankten die A(H3N2) diagnostiziert sowie 8.728 In der Saison 2017/2018 dominierten in älteren Erwachsenen (45 bis 64 Jahre), nicht typisierte Influenza A), 36.143 Sachsen wie auch bundesweit Influ- gefolgt von den 25- bis 44-Jährigen mit Influenza B- sowie 201 nicht typisierte enza B-Viren deutlich mit 76 Prozent 22 Prozent und den über 64-jährigen Influenzavirus-Nachweise. Mit jeweils vor Influenza A-Viren. Die Influenza Senioren mit 14 Prozent. Nur insge- über 4.200 gemeldeten Influenza-Fäl- B-Viren wiederum waren zu 99 Prozent samt 35 Prozent der Erkrankungen tra- len erreichte die diesjährige Influenza- der Yamagata-Linie zuzuordnen, einem ten bei Kindern und Jugendlichen auf welle von der 8. bis zur 12. Kalender- Virusstamm, der nur im Vierfach-Impf- (Abb. 2). In den meisten Influenzasai- woche 2018 ihren Höhepunkt, wäh- stoff enthalten war. Die Influenza sons tragen Kinder und Jugendliche renddessen die epidemische Schwelle A-Viren gehörten vor allem dem Subtyp mehr als die Hälfte bis zu zwei Drittel überschritten wurde. In der 10. Kalen- A(H1N1) an, der Subtyp A(H3N2) wurde der Erkrankungslast. Eine Aussage zu Impfdurchbrüchen ist nur eingeschränkt möglich. Bei zum 100% Teil über 4.000, zum Höhepunkt in der 90% 10. Kalenderwoche sogar 7.400 neuen Influenza-Erkrankungen in der Woche, 80% waren die sächsischen Gesundheits- 70% ämter außer Stande, entsprechende Einzelfallermittlungen zum Impfstatus 60% 81 87 89 82 82 85 durchzuführen. Laut Dateneingabe im 93 94 91 92 90 50% 99 Mindestabstand von 14 Tagen vor Ungeimpfte Erkrankungsbeginn gegen Influenza 40% Geimpfte geimpft waren insgesamt 2.015 der in 30% Sachsen während der Saison 2017/2018 an Influenza Erkrankten, was einem 20% Prozentsatz von 4,2 Prozent der Be 10% 18 18 19 15 troffenen entspricht. Allerdings könnte 13 11 9 10 7 1 6 8 diesbezüglich eine Untererfassung auf 0% Grund der erwähnten lückenhaften Ermittlung und Dateneingabe vorlie - Abb. 3: Relation geimpfter und ungeimpfter Personen mit Influenzavirus-Nachweis, gen. Interessant obgleich nicht überra- (Saison 2006/2007 bis 2017/2018, Sächsisches ARE-/Influenza-Sentinel), Quelle: LUA Sachsen schend stellt sich die Altersgruppen- 402 Ärzteblatt Sachsen 09|2018
gesundheitspolitik 2017/2018* 2009/2010 2012/2013 2011/2012 2014/2015 2013/2014 2015/2016 2010/2011 2016/2017 Abb. 4: Influenza-Impfungen und Impfquoten in Sachsen, Saison 2009/2010 bis 2017/2018 (*2017/2018: vorläufiger Datenstand bis 31. Dezember 2017) Quelle: LUA Sachsen verteilung dar. Während bei den 65 nachweislich an Influenza. Dies stellt Frauen und 91 Männer im Alter zwi- Jahre und älteren Senioren 10,3 Prozent einen weiteren, traurigen Rekord dar. schen 37 und 97 Jahre sowie einen ein- Impfdurchbrüche registriert wurden, Hierbei ist zwingend zu beachten, dass jährigen Jungen, der an einer komple- gefolgt von den älteren Erwachsenen unter dieser Zahl nur die Patienten xen Herzfehlbildung litt. Der Altersme- (44 bis 64 Jahre) mit 6,5 Prozent, waren erfasst sind, bei denen als Todesursa- dian der Verstorbenen lag bei 82 Jahren in den anderen Altersgruppen nur je che (auch) „Influenza“ angegeben war. und war damit ähnlich hoch wie in der weils zwischen 0,9 und 2,5 Prozent Nicht subsumiert ist darunter die ver- Vorsaison 2016/2017 (86 Jahre), wäh- Impfdurchbrüche zu verzeichnen. mutlich weit größere Anzahl von Pati- rend er in der Saison 2015/2016 58 Innerhalb des Sächsischen ARE-/Influ- enten, bei denen als Todesursache zum Jahre betragen hatte. Einer Influenza B enza-Sentinels betrug der Anteil ge Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankung, erlagen 158, einer Influenza A 17 Pati- impfter Personen an allen mit Influ- Atemwegs- oder Stoffwechselerkran- enten. Ein Betroffener verstarb an enza-Positiven der Saison 2017/2018 kung etc. angegeben war, bei denen nicht typisierter Influenza. Bei 19 der insgesamt 15 Prozent (Anteil Unge- aber eine Influenza-Erkrankung zumin- Verstorbenen war eine zeitgerechte impfter: 85 Prozent). Damit war er dest (wenn nicht überwiegend) zum saisonale Influenza-Impfung dokumen niedriger als in den Saisons 2016/2017, tödlichen Ausgang beigetragen hat. Die tiert, in zwei dieser Fälle war tetrava- 2014/2015 sowie 2011/2012, in denen bisher meisten Todesfälle waren mit 83 lenter Impfstoff verabreicht worden. der Influenza-Subtyp A(H3N2) domi- Betroffenen in der Vorsaison 2016/2017 Bedauerlicherweise nehmen die Influ- niert hatte, aber höher als bei bisheri- registriert worden, was schon damals enza-Impfraten stetig ab, wie Auswer- gen Saisons, in denen Influenza B-Nach einen Höchstwert dargestellt hatte. tungen der Sächsischen Impfdatenbank weise überwogen, wie zum Beispiel Die während der Saison 2017/2018 (nach Abrechnungsdaten der Kassen- 2007/2008 und 2015/2016 (Abb. 3). gemeldeten Todesfälle betrafen 84 ärztlichen Vereinigung Sachsen, es feh- Dies lässt sich auch durch die überwie- gende Verwendung des Dreifach-Impf- stoffes in der Saison 2017/2018 erklä- ren, in dem die bei den Influenza B-Viren zu 99 Prozent zirkulierende Yamagata- Linie nicht enthalten war (s. o.). In Sachsen verstarben in der Saison 2017/2018 insgesamt 176 Patienten Ärzteblatt Sachsen 09|2018 403
gesundheitspolitik len die Privatversicherten) belegen. Da aber vor allem die Ungeimpften, zumal pdm09) auch Antigene von Influenza bisher nur Datenmaterial bis zum Jah- selbst der nicht ideal passende Impf- B-Virusstämmen beider Linien (Victoria resende 2017 vorliegt, ist eine Gesamt- stoff durch Kreuzimmunität für einen und Yamagata) enthalten. Als Vertreter beurteilung für die Impfquoten der gewissen Schutz sorgte. Die unklare der B-Yamagata-Linie wurde durch die Saison 2017/2018 noch nicht möglich. Situation und Diskussion um die Emp- WHO wie bereits in der Vorsaison B/ Nach den Abrechnungsdaten bis zum fehlung sowie Kostenübernahme des Phuket/3073/2013-like virus ausge- 31. Dezember 2017 ließen sich für die tetravalenten Impfstoffs während der wählt. Voraussichtlich vier tetravalente Saison 2017/2018 973.620 Personen in Saison 2017/2018 haben jedoch sicher- Influenza-Impfstoffe werden in der Sachsen gegen Influenza impfen. Dies lich keine positive Auswirkung auf die kommenden Saison 2018/2019 in entspricht einer Impfquote von 26,5 Impffreudigkeit der Ärzteschaft sowie Deutschland verfügbar sein. Prozent (Zum Vergleich: In der Saison der Patienten gehabt. Bereits zum 1. Januar 2017 nahm die 2016/2017 waren zu diesem Zeitpunkt Gerade für medizinisches Personal soll Sächsische Impfkommission (SIKO) fol- 26,7 Prozent der Sachsen gegen Influ- te die Schutzimpfung gegen Influenza gende Ergänzung in ihren Impfempfeh- enza immunisiert worden). In den Vor- eine Selbstverständlichkeit sein, geht es lungen (E1) vor: „Aufgrund der breiteren saisons wurden noch 1 bis 5 Prozent doch bei dieser Personengruppe (also Stammabdeckung bei Influenza B soll- der Impfungen in den Monaten Januar bei uns selbst!) nicht nur um ihren eige- ten tetravalente Impfstoffe bevorzugt und Februar des Folgejahres verimpft. nen Schutz (arbeitsmedizinische Indika- angewendet werden“. Am 11. Januar In wieweit die öffentlich geführte Dis- tion) vor Infektion und Erkrankung, son- 2018 präzisierte die Ständige Impfkom- kussion über die Wahl des zu applizie- dern auch und vor allem darum, die mission (STIKO) am Robert Koch-Insti- renden Impfstoffes (Dreifach- vs. Vier- Erreger nicht auf Patienten zu übertra- tut ihre Influenza-Impfempfehlung und fach-Impfstoff) zu Beginn des Jahres gen. In diesem Zusammenhang sei auch empfahl für die Impfung gegen saiso- 2018 und der Verlauf der Influenza verwiesen auf den einschlägigen Beitrag nale Influenza einen tetravalenten diese Quote beeinflusst hat, wird sich „Impfempfehlungen für Personal im Influenzaimpfstoff mit aktueller, von in der nächsten Auswertung zeigen. In Gesundheitswesen“ von Dr. med. Giudo der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Abbildung 4 sind die absoluten Prodehl, Facharzt für Arbeitsmedizin, empfohlener Antigenkombination. Der Zahlen der in der entsprechenden Sai- Mitglied der Sächsischen Impfkommis- Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) son durchgeführten Influenza-Impfun- sion, im „Ärzteblatt Sachsen“, Heft hat am 5. April 2018 den Vierfach- gen sowie die jeweiligen Impfraten dar- 10/2016, S. 415 – 417. Impfstoff als künftige Kassenleistung gestellt. Die Saison 2009/2010 mit Die WHO hat für die Nordhalbkugel im beschlossen. Damit kann in der Saison erstmaligem Auftreten der neuen Vari- kommenden Winter (Saison 2018/2019) 2018/2019 die Schutzimpfung mit dem ante Influenza A(H1N1)pdm09 stellte die folgende Impfstoffzusammenset- entsprechenden Impfstoff erfolgen. eine Sondersituation dar, da zusätzlich zung empfohlen: A/Michigan/45/2015 Abschließend sei darauf hingewiesen, zum saisonalen Impfstoff ein pandemi- (H1N1)pdm09-like virus, A/Singapore/ dass die Sächsische Impfkommission scher Impfstoff verabreicht wurde. INFIMH-16-0019/2016 (H3N2)-like virus, die Influenza-Impfung als Standard Auch nach Abzug der Impfungen mit B/Colorado/06/2017-like virus aus der impfung für alle Personen ab dem 7. pandemischem Impfstoff wurde in der Victoria-Linie. Die Zusammensetzung Lebensmonat empfiehlt. Gerade durch Saison 2009/2010 mit 35,6 Prozent des Influenza-Impfstoffes für die Impfung immunkompetenter Kinder, (41,8 Prozent mit pandemischem Impf- nächs te Saison unterscheidet sich Jugendlicher und junger Erwachsener stoff) die höchste Impfquote erzielt, somit von der des bei uns in der Saison werden Infektketten unterbrochen und diese sank bis zur Saison 2017/2018 2017/2018 verwendeten Impfstoffes in Senioren sowie immungeschwächte auf 26,5 Prozent. der A(H3N2)- sowie in der B-Kompo- Patienten, bei denen oftmals nicht der Warum sinkt die Bereitschaft, sich mit nente. Seit 2001/2002 ist eine Kozirku- gewünschte Impferfolg erzielt wird, vor einer Impfung gegen eine lebens lation der beiden Influenza B-Linien Ansteckung geschützt. bedrohliche Erkrankung zu schützen? Victoria und Yamagata zu beobachten. Der Influenza B-Stamm, der sich in die- In Konsequenz dieser Situation hat die Interessenkonflikte: keine sem Jahr in Sachsen wie bundesweit WHO neben den trivalenten erstmals Dr. med. Sophie-Susann Merbecks durchgesetzt hat, war im trivalenten, seit 2013/2014 auch tetravalente Influ- Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen von den gesetzlichen Krankenkassen enza-Impfstoffe empfohlen, die neben Zschopauer Straße 87, 09111 Chemnitz grundsätzlich erstatteten Impfstoff, Antigenen der beiden Influenza E-Mail: sophie-susann.merbecks@ nicht vertreten. Trotzdem erkrankten A-Virus-Subtypen (H3N2 und (H1N1) lua.sms.sachsen.de 404 Ärzteblatt Sachsen 09|2018
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