INTER* BASICS AUS MENSCHENRECHTSPERSPEKTIVE - EV BLAINE GRÜNDER_IN IVIM/OII-DEUTSCHLAND, TRIQ-MITGLIED INS A KROMMINGA SPRECHER_IN ...
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Inter* Basics aus Menschenrechtsperspektive Ev Blaine (Gründer_in IVIM/OII-Deutschland, TrIQ-Mitglied) Ins A Kromminga (Sprecher_in IVIM/OII-Deutschland, TrIQ-Gründungsmitglied)
Intersex (oder inter*) bezieht sich auf Menschen, die genetische, hormonelle oder körperliche Merkmale haben, die weder ausschließlich männlich noch ausschließlich weiblich sind, sondern gleichzeitig typisch für beide oder nicht eindeutig als eins von beiden definiert sind. Diese Merkmale können sich in den sekundären Geschlechtsmerkmalen wie Muskelmasse, Haarverteilung, Brüsten und Statur zeigen; in den primären Geschlechtsorganen wie den Fortpflanzungsorganen und Genitalien, und/oder in chromosomalen Strukturen und Hormonen.
Intersex (oder inter*) kann sich in verschiedenen Lebensphasen zeigen: - bei der Geburt - während der Kindheit - als Jugendliche / während der Pubertät - im Erwachsenenalter Inter*sein kann durch Zufall entdeckt werden (zum Beispiel bei einem Fruchtbarkeitstest oder während der Trans*ition) Heute wird durch pränatales Screening direkt nach Inter*Embrionen gesucht um sie der medizinischen Behandlung auszusetzen oder sie abzutreiben.
TrIQ sowie OII verstehen Inter* nicht als Krankheit. Wir verstehen unter Inter* all jene, die mit einem Körper geboren wurden, der im Rahmen der Geschlechter- normen als nicht-typisch verstanden wird. Wir setzen uns für die Entpathologisierung und für die Menschenrechte von Inter* ein, insbesondere für das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Selbstbestimmung.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Inter*sein kein medizinisches Problem ist. Es ist wie Mann oder Frau sein. Es ist eine Tatsache, das Geschlecht beim Menschen in mehr als nur zwei binären Ausprägungen (männlich/ weiblich) existiert
Eine der primären Menschenrechtsverletzungen an Inter* ist die Leugnung unserer Existenz jenseits des Zweigeschlechtersystems.
Aus diesem Grunde sind Inter*Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene ,normalisierenden‘ chirurgischen, hormonellen und anderen medizinischen Eingriffen ausgesetzt, die zum Ziel haben die Fortpflanzungsorgane und Genitalien an eine mehr weibliche oder männliche Erscheinung anzupassen. In unseren westlichen Kulturen geschieht dies ohne die adäquate aufgeklärte Einwilligung von Inter*.
Es existieren immer noch zu wenig Studien zur Lebenssituation von Inter* In Deutschland wurden bisher drei empirische Studien durchgeführt: Hamburg 2007 Lübeck 2008 Deutscher Ethikrat 2012 Die Hamburger und Lübecker Studien wurden beide von einem Team von Psycholog_innen und Mediziner_innen durchgeführt. Alle drei Fragebögen wurden ohne Beteiligung von Inter* entwickelt.
Die deutsche Bundesregierung beauftragte 2010 eine Stellungnahme zur Lebenssituation von Inter*. Die Stellungnahme wurde aufgrund folgender Inputs entwickelt: ‣ Öffentliche Anhörung mit Expert_innen und betroffenen Personen (Juni 2010 und Juni 2011) ‣ ein Online-Fragebogen zur Situation von Inter* (Juni 2011); und ‣ eine Online-Konsultation (Forum/Blog) (Juni-Juli 2011); Wie schon gesagt waren keine Inter* an der Entwicklung dieser Fragestellungen beteiligt, daher bestanden nur eingeschränkte Möglichkeiten, Fragen aufgrund tatsächlicher Lebenserfahrungen einzubringen.
Die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats vom Februar 2012 ist zwar fortschrittlich hinsichtlich einiger Empfehlungen wie ‣ die Umsetzung einer rechtlichen Sichtbarmachung der Tatsache, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt (Vorschlag „Anderes“) ‣ den Bedarf an staatlicher finanzieller Unsterstützung für Inter*Organisationen und peer-to-peer-councelling für Inter* und Angehörige zu decken. (Deutscher Ethikrat 2012, 86-89)
Unglücklicherweise stellt das Ethikratpapier einen Rückschritt dar in Bezug auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Selbstbestimmung von Inter*Babies, Kindern und Jugendlichen. Obwohl der Ethikrat zuerst zugesteht, dass „alle Therapieformen mehr oder minder einschneidende Wirkungen auf den Kernbereich der personalen Identität und auf die körperliche Unversehrtheit [zeigen]“, Deutscher Ethikrat 2012, 30) wird widerum Abstand davon genommen, vor medizinischen Eingriffen zu warnen, wenn es um die Gruppe von Inter* mit sogenanntem CAH/AGS geht, trotz der Tatsache, dass diese Inter* am häufigsten den chirurgischen und hormonellen Eingriffen, pränatal und als Säugling, ausgesetzt werden.
Der Grund dieser Zurückhaltung sei, laut Ethikrat, dass diese Gruppe Inter* sich angeblich meist weiblich identifiziert und daher durch die feminisierenden Eingriffe profitiere. Unerwarteterweise folgt hier der Ethikrat dem medizinischen Diskurs und dem der Eltern - obwohl die Onlinebefragung gezeigt hat, dass 20% der Inter* „mit CAH/AGS“ sich gegen die geschlechtszuweisenden Operationen in einem nicht einwilligungsfähigen Alter ausgesprochen haben. 14% identifizierten sich weder männlich noch weiblich.
Schweiz, November 2012: Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE) In dieser Stellungnahme wird Inter* zwar nicht nach „Syndromgruppen“ separiert und medizinische Interventionen unterschiedlich gewertet, jedoch weiterhin als Störung verstanden (DSD - Disorder of Sex Development) „Die Diagnose DSD bedeutet versicherungsrechtlich ein Geburtsgebrechen, beinhaltet aber nicht, dass die betreffende Person deshalb schon medizinisch behandelt werden muss.“ (NEK 2012, S. 7) -> Handouts
Zweites Internationales Intersex Forum in Stockholm, Dez. 2012
Wir teilen die Forderungen der weltweiten Inter*Initiativen Formuliert auf dem zweiten Internationalen Intersex Forum in Stockholm, Dez. 2012 1.Beendigung der verstümmelnden und “normalisierenden” Eingriffe wie Genitaloperationen, psychologischer und anderer medizinischer Behandlungen sowie der Praxis der Kindstötung und selektive Abtreibung (aufgrund von Intergeschlechtlichkeit). 2.Die Gewährleistung der persönlichen, freien, vorherig und vollständig informierten Einwilligung des_der Betroffenen als verpflichtende Voraussetzung aller medizinischen Verfahren und Behandlungsrichtlinien. 3.Schaffung und Förderung von unterstützenden, sicheren und würdigen Orten für Inter*, ihre Familien und in ihrem Umfeld. 4.Hinsichtlich der Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit des intergeschlechtlichen Kindes müssen psycho-soziale Unterstützung und nicht-pathologisierende Peer-Beratung für Eltern und/oder Erziehungsberechtigte und engsten Angehörigen bereitgestellt sein, und operative und andere medizinische Behandlungen dürfen allein für lebensrettende Maßnahmen angewandt werden. 5.Die Sicherstellung aller Menschenrechte und Bürgerrechte für intergeschlechtliche Menschen. 6.Zugang zu den eigenen medizinischen und allen weiteren Unterlagen, und die Zuerkennung des Rechts der Inter*-Person auf Wahrheit. 7.Die Anerkennung und Entschädigung für in der Vergangenheit zugefügtem Leid und Ungerechtigkeit.
Wir teilen die Forderungen der weltweiten Inter*Initiativen Formuliert auf dem zweiten Internationalen Intersex Forum in Stockholm, Dez. 2012 1.Die Einbeziehung von Inter* Rechte in der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen. 2.Andere regionale und nationale Menschenrechtsinstitutionen mögen sich in ihrer Arbeit für die Menschenrechte von Inter* einsetzen und dies in ihren entsprechenden Regierungen und Institutionen einbringen. 3.Menschenrechts- und LGBTI-spezifische Organisationen mögen Inter* und ihre Menschenrechtsbelange einbeziehen und sich für mehr Sichtbarkeit einzetzen. 4.Inter* mögen sich mit der Inter*Bewegung in Verbindung setzen und mithelfen, für mehr Sichtbarkeit zu sorgen.
Gruppenarbeit ★ Was sind gemeinsame Ziele und Erfahrungen? ★ Welche Bedürfnisse und Grundvoraussetzungen gibt es um sich für Inter*Belange einzusetzen? ★ Wie können Menschenrechte für Inter* Belange nutzbar gemacht werden? ★ Was können wir schon jetzt konkret tun?
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