Verstehen wir einander? Kultursensibilität und standardisierte Pflegefachsprache - kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost

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Verstehen wir einander? Kultursensibilität und standardisierte Pflegefachsprache - kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost
Verstehen wir einander?
Kultursensibilität und
standardisierte Pflegefachsprache

1. Transkultureller Pflegetag: Pflege vielfältig und bunt
Kbo-Isar-Amper-Klinikum, München, 21. Juni 2018

Mag. Kurt Schalek

 Mag. Kurt Schalek                                  1. Transkultureller Pflegetag, München 21.06.2018   1
Sprachliche Fallstricke
Frühstück in Berlin
 „Könnten wir bitte noch Gebäck haben?“
 „Ja … , das wäre dann bitte was?“
 „Nun, wie heißt das bei Ihnen … Schrippen oder so?“
 „Ah ja, Sie meinen Brötchen. Kommen sofort“

Berufliches Gespräch Norddeutschland - Wien
 „Schaffen Sie das bis Dienstag?“
 „Wir werden schau‘n, wie sich das ausgeht.“
 „??? - Was jetzt, ja oder nein?“

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Rolle der (Fach)Sprache
Sprache kodiert Informationen und macht sie verfügbar
für:
• Kommunikation
• Entscheidungen (Denken, Diskutieren)
• Dokumentation, Archivierung, Forschung

Sprache schafft Grundlagen für Aktionen
         Interpretieren – Entscheiden – Handeln

Sprache repräsentiert getroffene Unterscheidungen, sie gibt
uns aber auch Unterscheidungen vor.

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Diagnostizieren und Diagnose
Diagnostizieren ist beschreiben und bewerten von
     Pflegebedarf
     Lebenssituationen von Menschen
Entscheiden, ob Pflege tätig wird:
     Ja, es gibt Pflegebedarf, weil …
              ○ … die Alltagsbewältigung eingeschränkt ist
              ○ … pflegerische Expertise gefragt ist
     Nein, es liegt kein Pflegebedarf vor

Eine Pflegediagnose beschreibt die zuvor getroffene
fachliche Entscheidung über den individuellen
Handlungsauftrag der Pflege mit Hilfe von definierten
Begrifflichkeiten.
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Pflegediagnostischer Prozess

                                     Erfahrung, „Intuition“
� Interpretation

                                                                Einbeziehen der
                                                                Perspektive der
                                                                Betroffenen
                                                                Bewusste,
                                                                begründbare
                                                                Entscheidungen

                                         In welchen Lebensbereichen
                                         besteht welcher
                                         Unterstützungsbedarf –
                                         subjektiv und fachlich?
                                    (Grafik aus Schalek 2007, basierend auf Bräutigam 2003)
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Individualität umfasst Kultur
These 1
Individuell abgestimmte Pflege ist auch kulturell
abgestimmte Pflege.

Wenn das zutrifft, dann:
●
  müssen Pflegeklassifikationen nicht speziell
  kulturspezifisch ausgelegt sein
●
  braucht es Freiraum in den Fachsprachen, damit die
  individuell/kulturell spezifischen Anforderungen gut
  verständlich abgebildet werden können.
●
  können Pflegende auf Basis von Fachsprache
  kultursensibel handeln
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Der Nutzen von Fachbegriffen:
             Apollo 13-Mission
Crew:
James Lovell; John Swigert, Jr.; Fred Haise, Jr.

Am 14. April 1970:

Swigert: Okay, Houston, we've had a problem here.
Houston: This is Houston. Say again please.
Lovell:  Houston, we've had a problem. We've had a
         main B bus undervolt.
Houston: Roger, MAIN BP undervolt. Okay, stand by Thirteen,
         we're looking at it.
             Eine Information wird praxisrelevant, wenn sie eine
                        Handlungsoption aufzeigt.
                                          Bildquelle: NASA, http://spaceflight.nasa.gov/gallery/images/apollo/apollo13/html/s69-60662.html

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Nutzen von Pflegeklassifikationen
These 2: Fachsprache bietet Handlungsoptionen für
Pflegende.
                 – klare Kommunikation unter Pflegenden
                 – koordiniertes Vorgehen im Team (fachliche
                   Handlungsoptionen kommunizieren)
                 – Zielorientiertes, koordiniertes Handeln
Aber: Pflege ist Ko-Produktion mit den unterstützten
Menschen
                 – Erfolg braucht gemeinsames Agieren
                 – Menschen mit Pflegebedarf kommunizieren nicht in
                   Fachsprache
                 – Übersetzungsleistung erforderlich

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Zwei Kommunikationssysteme
System Fachkommunikation
  ●
      relativ statisch, geschlossenes System
  ●
      Referenz auf Fachwissen
  ●
      Hohe Anforderungen an Klassifikationen
  ●
      Vermittlung in der Ausbildung

System Alltagskommunikation
  ●
      Dynamisch und anpassungsfähig
  ●
      Situationsabhängig, viele Variationen
  ●
      Referenz auf soziale Beziehungen
  ●
      Vermittlung im sozialen Milieu

 Sind die Kommunikationssysteme gleichberechtigt?

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Alltags- und Fachkommunikation
Entscheidungsgrundlagen                                                       Ebene des
Was gibt es? Welche relevanten Faktoren, Umstände gibt es?                   Fachwissens
                                                                      Fachkommunikation

Kulturelle und
individuelle                                                         Ebene des Einzelfalls
Gegebenheiten                                                     Alltagskommunikation
                        Übersetzung

                                      Fachwissen   Verstehen

                                                                 Übersetzung
                                                                   Rück-
                                                                              Ebene des
                                                                             Fachwissens
                                                                      Fachkommunikation
Pflegerische Aussagen/Entscheidungen
Worum geht‘s? Welcher Pflegebedarf? Was ist das Ziel? Was ist zu tun? Entspricht das
Ergebnis dem Ziel?
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Beitrag von Klassifikationen
●
    Klassifikationen können nicht auf spezifische Situationen
    des Einzelfalls eingehen.
●
    Sie müssen aber den konkreten (auch kulturell
    bedingten) pflegerischen Handlungsbedarf korrekt
    abbilden können, damit das Pflegeteam koordiniert
    arbeiten kann.

Die Frage lautet: Können Klassifikationen das?
Was bietet die PraxisOrientierte Pflegediagnostik dazu an?

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Kultur in der POP-Klassifikation
Stuhlausscheidung
RF: Spezielle kultur- und familienbedingte Einstellungen / Ansichten zum
  Thema Gesundheit
R: Verfügt über ein kultursensibles soziales Umfeld
Soziale Interaktion
RF: Kulturelle Faktoren (spezifizieren)
Ä: Beeinträchtigte transkulturelle Anpassungsfähigkeit
R: Verfügt über transkulturelle Anpassungsfähigkeit
Einsamkeit: RF, Ä: Wechselt in einen anderen Kulturkreis
Sexualität: RF, Ä: Wertekonflikte (soziale, kulturelle oder religiöse Normen)
Körperbild; Kommunikation; Wissen; Periphere neurovask. Versorgung
RF, Ä: Kulturelle Faktoren (spezifizieren)
Familienprozess: R, RF, Ä: konstruktive Konfliktkultur

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POP und Kultursensibilität
POP-Pflegephänomene sind Bestandteile des
Alltagserlebens im Umgang mit Gesundheit und Krankheit
Problem: Unterschiedliches Verständnis von Konzepten, wie
z.B. Haushaltsführung, Schmerzen, Hoffnung, soziale Rollen
Ist eine Übersetzung der Situation in ein
handlungsrelevantes Pflegephänomen möglich?
●
  Ja: Auswahl eines POP-Konzepts und Freitextergänzungen
  in PÄSR, PRFR, PR
●
  Nein: eventuell Verwendung breiter Konzepte:
     ●
       PD Behandlungsempfehlungen, Entwicklung der
       Ressourcen
     ●
       PD Gesundheitsverhalten, Entwicklung der Ressourcen
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Kulturspezifisches Beschreiben
These 3
Interkulturell herausfordernde Handlungsaufträge an die
Pflege können fachlich nachvollziehbar beschrieben werden:
   ●
     mit professioneller pflegerischer
     Entscheidungsfindung
   ●
     mit bewusstem Einsatz unterschiedlicher Fokus-
     ebenen (Granularität) von pflegediagnostischen
     Konzepten und
   ●
     entsprechenden Freitextergänzungen bei Ätiologien,
     Symptomen, Risikofaktoren und Ressourcen
Dies erfordert gut qualifizierte Pflegepersonen.
  Der Nutzen von Pflegeklassifikationen ist abhängig von der
  Kompetenz der anwendenden Pflegepersonen.
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Vielen Dank!

 Kontakt zum AutorInnenteam der POP-Klassifikation:

                     pop@infact.at

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Literatur

MAYER Michael (2016): Muss die Pflege diagnostizieren? Ein Plädoyer für die Alltagssprache in der psychiatrischen
   Pflege; in: sozialpsychiatrische informationen, Jg. 46(4), S. 36-38
OEVERMANN Ulrich (1997): Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns; in: COMBE
   Arno, HELSPER Werner (Hg.): Pädagogische Professionalität; Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2. Auflage, S. 70-
   182
SCHEICHENBERGER Sonja (2009): Ressourcenorientierte Interaktion in der Pflege. Schau auf die Flügel, die dich
   tragen; Wien, facultas.wuv
SCHREMS Berta (2003): Der Prozess des Diagnostizierens in der Pflege; Wien, facultas UTB
SCHREMS Berta (2008): Verstehende Pflegediagnostik; Wien ,facultas.wuv
SPENCER-BROWN G. (1997): Laws of form. Gesetze der Form; Lübeck, Bohmeier
STEFAN Harald, ALLMER Franz, SCHALEK Kurt et al. (2013): PraxisOrientierte Pflegediagnostik – POP; Wien,
   Springer

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