Investment & Actuarial Consulting, Controlling and Research. www.ppcmetrics.ch
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
22 | AKZENT Stiftungsräte / Conseils de fondation Coronakrise Beeinflusst eine Pandemie die Lebenserwartung? Im Zuge der zweiten Welle der Coronakrise wurden in der Schweiz deutlich mehr Todesfälle beobachtet als statistisch erwartet. Dies mag Anlass zur Vermutung geben, dass Veränderungen bei der Sterblichkeit Entlastungen für die Pensionskassen bringen könnten. Doch welche Schlüsse lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt ziehen? IN KÜRZE Seit der Grippewelle 2015 publiziert das –– Die Annahme, dass das Jahr 2020 als Bundesamt für Gesundheit (BAG) wö- Beginn einer Veränderung der Sterb- Aus den Beobachtungen chentlich die gemeldeten Todesfälle. Da- lichkeit zu sehen ist und inskünftig eines Jahrs kann nicht auf die bei wird aktuell nicht unterschieden, ob tiefere Lebenserwartungen gelten, zukünftige Entwicklung der jemand mit/an Corona oder aus ganz wäre ziemlich gewagt. Denn dabei anderen Gründen verstorben ist. Die in würde der wichtige Aspekt des «Survi- Sterblichkeit geschlossen werden. Grafik 1 dargestellten Zahlen zeigen aber val Bias», also einer möglichen Verän- klar, dass 2020 zwei Wellen mit sehr derung der Grundgesamtheit nach deutlicher Übersterblichkeit bei den einer Krise, ignoriert. über 65-Jährigen eingetreten sind. –– Besteht nämlich die Vermutung, dass Kumuliert über das ganze Jahr 2020 im Jahr 2020 durch das Virus selbst sind 12 % mehr Personen über 65 ver- oder auch weitere Effekte (z. B. Auf- storben, als erwartet wurde. Der normale schub eines Arztbesuchs) vornehmlich Schwankungsbereich der jährlichen To- Personen verstorben sind, die gesund- desfälle für diesen Bestand liegt selbst bei heitlich angeschlagen waren, dann wäre sehr hohen Sicherheitsniveaus nur bei der nach 2020 verbliebene Bestand der +/‒1 %. Es ist also extrem unwahrschein- Rentenbezüger eher robuster als der lich, dass sich die im Jahr 2020 beobach- Durchschnittsbestand, für den die tete Übersterblichkeit allein aufgrund technischen Grundlagen berechnet zufälliger Schwankungen wiederholen worden sind. Das wiederum bedeutet, könnte. dass wir mit den aktuellen technischen Grundlagen die Lebenserwartung der Einfluss auf Überlebenden eher unterschätzen. die technischen Grundlagen Ob und wie sich die Beobachtung aus Lehren aus der Geschichte dem vergangenen Jahr in den zukünfti- Natürlich wissen wir heute nicht, wie gen Grundlagen der Pensionskassen stark eine solche Korrektur sein könnte. Marco Jost widerspiegeln, hängt davon ab, wie sich Historisch war der Effekt aber immer Dr. sc. math., Pensionskassen-Experte die Sterblichkeit weiterentwickelt. Dazu wieder zu beobachten. Beispielsweise ha- SKPE, können lediglich Hypothesen formuliert ben sich die kumulierten Todesfälle nach Partner, PPCmetrics werden. der ersten Welle im Frühjahr 2020 schon –– Wenn die gehäuften Todesfälle absolut kurzfristig normalisiert (siehe kumu- zufällig eintreten und die Pandemie lierte Fälle in Grafik 1). Auch auf die keinen Einfluss auf das Verhalten der Übersterblichkeit im Jahr 2015 (Grippe- Giorgio Barozzi Überlebenden und die Gesellschaft welle, +3.8 %) folgte eine zahlenmässig MSc ETH Math., insgesamt hat, wäre davon auszugehen, ähnliche Untersterblichkeit im Jahr Pensionskassen-Experte SKPE, dass die zukünftigen Beobachtungen 2016 (–3.0 %). Senior Actuarial Consultant, wieder auf «normalem» Niveau weiter- Als extremes Stressszenario kann auch PPCmetrics laufen. das Beispiel der Spanischen Grippe im Schweizer Personalvorsorge | Prévoyance Professionnelle Suisse | 03·21
AKZENT | 23 Jahr 1918 herangezogen werden: In den Grafik 1: Todesfälle 2020 bei Personen ab 65 Jahre 5 bis 10 Jahren nach dieser Pandemie 2000 9000 sind weniger Personen verstorben, als der langfristige Trend dies erwarten liess 1800 2000 8000 9000 (siehe Grafik 2). 1600 1800 7000 8000 Um dem Aspekt Rechnung zu tragen, Todesfälle 1400 6000 Abweichung 1600 7000 wäre denkbar, nach Corona (zumindest 1200 5000 Todesfälle 1400 6000 Abweichung kurzfristig) gewisse Zuschläge bei der Be- Wöchentliche 1000 4000 1200 5000 Kumulierte wertung laufender Renten einzurechnen. 800 3000 Wöchentliche 1000 4000 Allerdings wären das Ausmass und die Kumulierte 600 2000 800 3000 Dauer für eine solche Sonderkorrektur 400 1000 600 2000 ziemlich willkürlich. Selbst rückbli- 200 0 400 1000 ckend kann eine allfällige überdurch- 0 –1000 200 0 schnittliche Robustheit der Pandemie- 1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 überlebenden oftmals nicht von anderen 0 –1000 Kalenderwoche 1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 Gründen isoliert werden. So könnten bei Erwartet wöchentlich mit Schwankungsbereich Kalenderwoche der Spanischen Grippe auch der Wegfall Eingetroffen wöchentlich Erwartet wöchentlich mit Schwankungsbereich Kumulierte Abweichung der vorangegangenen Entbehrungen Eingetroffen wöchentlich (Erster Weltkrieg, Landesstreik) für den Quelle: BFS, bit.ly/36jGMhS Kumulierte Abweichung Rückgang der Sterblichkeit verantwort- lich sein. Männer Frauen Beobachteter Trend vor 1918 Grafi 6 % k 2: Beobachtete Sterberaten in der Schweiz ab 1890 Männer Frauen Beobachteter Trend vor 1918 Zukunftsszenarien? 6% Die Erfahrungen mit Corona zeigen 5% Alter 65 aber auch, dass die verwendeten Modelle 5% Grenzen haben. Sensitivitätsanalysen, 4% Alter 65 also z. B. die Untersuchung des Einflus- 4% ses einer Untersterblichkeit von 5 % über 3% eine gewisse Zeit, können ein wertvolles 3% Alter 55 2% Instrument darstellen, damit das oberste Alter 55 Organ ein Gespür für die Unsicherheit 2% Alter 45 1% bekommt. Alter 45 Alter 25 Natürlich darf auch diskutiert wer- 1% 0% den, ob so etwas Unvorstellbares, wie es Alter 251895 1890 1900 1905 1910 1915 1920 1925 1930 1935 Corona im Januar 2020 noch war, wie- 0% Männer 1890 1895 1900 Frauen 1905 1910Beobachteter 1915 Trend vor 1918 1925 1920 1930 1935 der eintreten könnte. Aber das Auftreten eines neuen Erregers als Szenario wäre Männer Frauen Beobachteter Trend vor 1918 eine enge Sichtweise: Eine Übersterb- Die Spanische Grippe hat die Sterblichkeit in den Jahren 1918–1919 deutlich erhöht. In den folgenden Jahren lichkeit aufgrund eines anderen globalen (Schattierung) lag die Sterblichkeit bei höherem Alter unter dem langjährigen Trend vor der Pandemie. Bei den Szenarios wie eine Hitzewelle, zuneh- Jungen, die die Spanische Grippe als Kinder durchgestanden hatten, war der Effekt nicht/kaum vorhanden. mender Nahrungsmittelknappheit oder Quelle: BFS, bit.ly/3r2Ny3h eines Krieges wäre genauso möglich. Erst mit einer Weitung des Horizonts wird deutlich, dass grosse Ereignisse oft glo- bale Folgen haben. Eine nachhallende oder neue Pandemie würde sicherlich nicht nur die Sterblichkeit und die Be- temporären Bewertungszuschlägen wertung der Passiven betreffen, sondern nach einer Pandemie wäre sachlich be- Sonderausgabe auch weitreichende Auswirkungen auf gründbar, scheint uns aber insofern red. In der Sonderausgabe «Erste Erkennt- der Aktivseite haben, denen Rechnung schwierig, als deren Höhe und Dauer nisse aus der Krise» beleuchten wir die Fol- zu tragen wären. kaum objektiv bestimmbar sind. Die gen der Coronakrise für unterschiedliche Erkenntnis, dass Pandemien und andere Anlagekategorien und zeigen auf, wie sich Pensionskassen auf kommende Krisen vor- Erkenntnisse Extremereignisse nicht standardmässig bereiten können. Ergänzt wird die Sonderaus- Die Umstellung auf eine weniger in unser Denken einfliessen, schadet gabe durch Artikel aus den regulären Aus- vorsichtige Bilanzierung der Verpflich- aber nicht. Dem kann Rechnung getra- gaben der «Schweizer Personalvorsorge», die tungen (allein) mit dem Argument der gen werden, indem ganz allgemein vor- auf der vps.epas Website als Download zur Pandemie wäre unserer Ansicht nach sichtige(re) Bewertungsgrundlagen ge- Verfügung stehen: bit.ly/3oyOzyN nicht fundiert. Die Verwendung von wählt werden. 03·21 | Prévoyance Professionnelle Suisse | Schweizer Personalvorsorge
Jährlich publizieren wir mehr als 40 Artikel / Fachartikel zu Beiträge unterschiedlichen Fragestellungen. Unsere Fachleute teilen ihr Wissen und Videos ihre Meinungen mit der Öffentlichkeit. Erleben Sie uns live an den diversen Tagungen, die wir Tagungen mehrmals jährlich organisieren. PPCmetrics AG Investment & Actuarial Consulting, Webseite Controlling and Research. Mehr
Sie können auch lesen