Mama MENSCH - Trennungsambulanz

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Mama MENSCH - Trennungsambulanz
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          MENSCH
             Mama
          Selbst wenn wir längst erwachsen sind und
          vielleicht sogar selbst schon Kinder haben:
       Die Beziehung zu unserer Mutter bestimmt unser
        Leben. Wir haben zwei starke Töchter und eine
          Expertin gefragt, wie uns die erste Frau im
        Leben prägt, wenn das Verhältnis schwierig ist.
                     VON Janina Lebiszczak

                                                          Foto: Stocksy/Ali Lanenga

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Mama MENSCH - Trennungsambulanz
I
                                            n der Trennungsambulanz von
                                            Coachin Sabrina Limbeck geht es
                                            – wie der Name bereits erahnen
                                            lässt – in erster Linie um Partner-
                                     schaften oder deren Ende. Gleichzeitig
                                     allerdings auch oft um die Beziehung
                                     zur eigenen Mutter. Die nämlich sei aus-
                                     schlaggebend fürs spätere Lebensglück.
                                     „Frauen, die unter der Lieblosigkeit der
                                     Mutter gelitten haben oder noch leiden,
                                     haben hohe Erwartungen an die Liebes-
                                     fähigkeit des Partners und überfordern
                                     diesen damit. Oder sie suchen unbe-
                                                                                                 A       us heutiger Sicht ähnelt die
                                                                                                         Beziehung zu meiner Mut-
                                                                                                 ter einem Wellengang, Ebbe und
                                                                                                                                        Doris Haitzer, 52
                                                                                                                                        VIELE HÖHEN
                                                                                                                                        UND TIEFEN
                                     wusst einen Partner, der sie genauso ver-                   Flut, viel Auf und Ab. Für uns
                                     nachlässigt“, erzählt sie.                                  Kinder hat sie immer ihr Mög-
                                                                                                 lichstes getan, hat auf vieles ver-    ich mein Leben nach meinen ei-
                                     TOXISCH ODER TOLL?                                          zichtet, damit es uns gut geht,        genen Vorstellungen gelebt, was
                                     Warum eine Trennungsexper-                                  vor allem finanziell. Doch auf-        sie egoistisch fand. In dieser Zeit
                                     tin so gut über Gift und Gaben                              grund der fehlenden Zeit wurde         habe ich ihr Verhalten mir ge-
                                     der Mutter-Tochter-Beziehung                                das familiäre Miteinander in den       genüber als Kritik und manch-
                                     Bescheid weiß? „Frauen, aber                                ­Hintergrund gerückt. Bis zum          mal auch als Zeichen von Eifer-
                                     auch Männer, die grob erzo- Expertin.                        Teenager-Alter war meine Oma          sucht empfunden. Egal was ich
                                     gen worden sind, leiden häufig Sabrina Limbeck               die weibliche Hauptbezugsper-         tat, ich konnte es ihr nicht recht
                                     unter Verlustängsten. Sie glau- ist Coachin und              son, da sie immer Zeit für mich       machen. Der Kontakt brach ab
                                                                           ­Leiterin der Tren-
                                     ben, dass sie nicht liebenswert nungsambulanz                und ich mit ihr eine tiefe emotio-    – obwohl ich sie liebte.
                                     sind und dass ihr Partner sie (www.trennungs                 nale Bindung hatte. Aber meine           Als ich selbst Mutter wurde,
                                     verlassen wird. Sie klammern, ambulanz.at)                   Mutter wusste es nicht besser. Sie    wollte ich das ändern, denn jede
                                     er fühlt sich eingeengt und be-                              ­hatte – wie ich aus Erzählungen      Tochter soll eine gute Beziehung
                                     freit sich. Der Verlust ist eingetreten und                   weiß – auch selbst nie eine liebe-   zur Omi haben dürfen. Wir be-
                                     bestätigt die Angst. Hier hilft es, nach                      volle Familie erleben dürfen.        gannen mit professioneller Hilfe
                                     der Trennung die negativen Überzeu-                                                                an unserer Beziehung zu arbei-
                                     gungen aufzuspüren und zu ändern.“                            MUTTER WERDEN                        ten. Mit Erfolg: Wir haben wie-
                                     Kann man aber auch noch als Erwachse-                       IST NICHT SCHWER,                      der regelmäßigen Kontakt und
                                     ne eine gesunde Beziehung zur Mutter                              MUTTER SEIN                      ich kann meine Mutter so ak-
                                     etablieren? „Meine Tipps, komprimiert:                                                             zeptieren, wie sie ist, da ich vieles
                                                                                                     DAGEGEN SEHR.
                                     Verlassen Sie die Opferrolle und ver­                                                              nicht mehr so persönlich nehme
                                     geben Sie. Das heißt nicht, dass Sie das,                        Mit 20 Jahren war ich mit         und erkennen durfte, dass sie so
                                     was Ihre Mutter Ihnen vielleicht ange-                        meiner Mutter ein einziges Mal       wie jede Mutter stets das in ­ihren
                                     tan hat, entschuldigen. Es heißt, dass                        alleine eine Woche auf Urlaub.       Augen Beste für mich wollte. Es
                                     man die Dinge in der Vergangenheit                            Diese Zeit war die wundervolls-      herrscht nun ein liebevoller Um-
                                     lässt, die nicht mehr zu ändern sind,                       te Zeit mit ihr, wir waren wie         gang, „Ausrutscher“ werden ge-
                                     und dadurch der Mutter nicht länger                         Freundinnen. Ich durfte sie da-        meinsam gelöst. Heute bin ich
Fotos: beigestellt, Daniel Schaler

                                     die Macht gibt, über das eigene Leben                       mals erstmals als den Menschen         dankbar, auch wenn das Lernen
                                     zu bestimmen. Ist das – und das Ge-                         erleben, der sie wirklich war          manchmal weh getan hat. Als
                                     spräch – nicht möglich, bleibt nur die                      und ist: voller Lebensfreude und       Mutter einer 16-­jährigen Toch-
                                     Distanz. Hilfreich ist so oder so immer                     ­Ideen, abenteuerlustig, offen,        ter kann ich außerdem nur sa-
                                     die Einsicht: Sie ist meine Mutter und                       ­eine starke, herzliche Powerfrau,    gen: Mutter werden ist meist
                                     sie bedeutet mir etwas, aber ich kann sie                     also eine Mutter, wie eine Toch-     nicht schwer, Mutter sein dage-
                                     nicht ändern. Sie ist, wie sie ist.“                          ter sie sich wünscht. Später habe    gen sehr.                               ❯

                                                                                                                                                                         maxima     71
Mama MENSCH - Trennungsambulanz
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                                            tung aufgab, um mich diesem         meine Mutter so sein musste.
       Pilar Aguilera, 50
                                            Gefühl der wahren Liebe hin­        Also tat ich alles, damit ich ihrer
       DER BRUCH                            zugeben. Keine Liebe ohne           Liebe trotzdem wert war. Einige
       ALS RETTUNG                          Schmerz. Keine Leidenschaft         Male gelang mir das sogar gut.
                                            ohne Leid und keine Hingabe         Vor ­allem dann, wenn sie im

       E    s war ein kalter Februar-
            morgen vor 15 Jahren. Ich
       stand auf der Straße, unter mei-
                                            ohne Aufgabe. So hatte ich es ge-
                                            lernt. So hatte ich es bei meinen
                                            Eltern gesehen und so hatte es
                                                                                Beisein von anderen Menschen
                                                                                darüber sprach, wie stolz sie auf
                                                                                mich war. Ich war auch stolz auf
       nem Mantel hatte ich nur mei-        meine Mutter von mir verlangt.      mich, ich konnte lieben. Trotz
       nen Pyjama an. Wie hatte mir so      Langsam sammelten sich in der       allem. Von diesem Gefühl war
       was passieren können? Ich bin        Therapie die Bilder von Grenz­      an jenem Februarmorgen aller-
       doch emanzipiert und keine die-      überschreitungen, Manipulatio-      dings nicht mehr viel übrig.
       ser Frauen, die zu schwach sind,     nen, emotionaler Erpressung,           In meinem Gesundungspro-

                                                                                                                      Fotos: beigestellt, Unsplash/Caroline Hernandez
       sich zu wehren. Dachte ich.          Vernachlässigung, Schuldzuwei-      zess, der viele Jahre dauerte und
          Später kam die Angst in Form      sungen und körperlicher Züch-       den ich unbegleitet so nicht voll-
       von Panikattacken. Da sie nicht      tigung, die ich seit der Kindheit   zogen hätte, taten sich Abgrün-
       nachließen, suchte ich eine The-     kannte. Ich dachte damals, dass     de auf. Aber ich geriet auch auf
       rapeutin auf. Dabei kam einiges      ich die Ursache dafür war, dass     einmal an Menschen, die mich
       ans Licht. Männer, die mich
       schlecht behandelten, die liebte
       ich schon seit der Pubertät. Sie
                                            KEINE LIEBE OHNE SCHMERZ UND
       hatten es geschafft, dass ich auch   KEINE HINGABE OHNE AUFGABE. SO HATTE
       den letzten Rest der Selbstach-      ICH ES VON MEINER MUTTER GELERNT.
Mama MENSCH - Trennungsambulanz
mochten, ohne dass ich mich           leben, dass selbst das kein Grund
aufgab. Es gab auch Gespräche         ist, sich kleinhalten und ver­
mit meiner Mutter, die leider         giften zu lassen. In Zeiten einer
stets damit endeten, dass es mir      horrenden Zahl von gewalttäti-
wochenlang schlecht ging und         gen Beziehungen empfinde ich
ich alle Schuld bei mir suchte.      es als Hohn, dieses Thema zu
Sie hat nie mit den Manipulatio-     ­tabuisieren. Seit einigen Jahren
nen aufgehört. Den Kontakt­           bin ich als psychologische Be­
abbruch habe ich dann durch           raterin tätig und sitze oft Frauen
meinen eigenen Kinderwunsch           gegenüber, deren Not groß ist,
geschafft. Ich wollte meinem          weil sie sich vor dem Bruch
Kind zeigen, dass man niemals         fürchten. Manchmal ist er auch
bei ­jemandem bleiben muss, der       nicht das beste Mittel. Es gibt
­einem nachhaltig schlechttut.        wunderbare Beispiele, in denen
 Auch wenn diese Person bluts-        eine schwierige Mutter-Tochter-­
 verwandt ist. Auch wenn du           Beziehung erfüllend wurde. Wo
 Mutter und Vater ehren sollst.       es die Bereitschaft gab, die Wun-
 Auch wenn es die meisten Men-        den gemeinsam zu verarzten
 schen nicht nachvollziehen kön-      und die verbleibende Zeit wert-
 nen. Schließlich ist es ja deine     voll zu gestalten. Manchmal ist
 Mutter und irgendwann ist sie        aber ein Bruch die einzige, zwin-
 tot und dann tut es dir leid. Ich    gende Form der Rettung – für
 aber muss meinem Kind vor­           beide Seiten.                   ❙
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