Jetzt stehen die Schlosstore offen - Schloss Burgdorf
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LIFESTYLE
KULTUR
Jetzt stehen die
Schlosstore offen
Wo einst Drachen getötet und Gefangene verurteilt
und eingesperrt wurden, logieren nun Jugi-Gäste. Schloss Burgdorf
wird zum Museum, zur Herberge und zum Restaurant.
TEXT THOMAS COMPAGNO FOTOS PETER MOSIMANN
88 Coopzeitung Nr. 25 vom 16. Juni 2020
Im Schloss
Burgdorf trifft
an jeder Ecke
Geschichte auf
Moderne.
«Die Fürsten haben
Das Schloss liegt am höchsten Punkt von Burgdorf BE (links). gesammelt, was ihnen rar
Entsprechend weit ist die Aussicht vom neuen Restaurant in
historischen Gemäuern (Bild oben). und kurios erschienen ist.»
Zimmern findet man historische Gegen- wunderschönes und einmaliges Gesamt-
stände, die als kleine Installationen ei- erlebnis», meint Furter.
nen Schuss Historie in die Zimmer brin-
Daniel Furter (45), gen. Alte Apothekerdosen funktionieren Der Ursprung der Museen
Museumsleiter als Duftapotheke, eine alte Wäschesta- Im Schloss Burgdorf kann man sich dem
Schloss Burgdorf tion mit Waschkrug und Waschbecken Reiz des Museums kaum entziehen. So
erinnert daran, wie man sich früher ge- modern die Anlage nun ist, im Museums-
Das Schloss Burgdorf, das am letzten waschen hat, und alte Skis und ein bereich geht es zum Ursprünglichen zu-
Wochenende nach einem langen Umbau Schulthek erzählen von langen Schulwe- rück. «Ab dem 14. Jahrhundert haben
neu eröffnet wurde, hat eine wechsel- gen. Museum, Hotelbetrieb und Restau- Fürsten gesammelt, was ihnen rar und
volle Geschichte hinter sich. Viele haben rant gehen im Schloss Burgdorf nahtlos kurios erschienen ist und ihre Neugier
dort gewohnt: Zuerst die Herrschaften, ineinander über. Und alles läuft beim geweckt hat», erklärt der Museumslei-
die Herzöge von Zähringen, die Kyburger einzigen Eingang zusammen, der Rezep- ter. Entstanden sind daraus eigentliche
und später die Statthalter von Bern, tion für die Jugendherberge, Kasse fürs Wunderkammern, thematisch hetero-
dann war das Schloss vor allem Korn- Museum und Empfang fürs Restaurant gen, aber mit dem Ziel, die Besucher zu
speicher und zuletzt – bis 2012 – wohn- ist. Synergienutzung, nennt man das mo- beeindrucken. Mit der Zeit kamen
ten Strafgefangene im Schloss, es war dern. Kunstobjekte dazu und die Sammlungen
ein Gefängnis. Nur fürs gemeine Volk Synergien haben im Schloss Burgdorf dienten vermehrt Lehrzwecken.
war nie Platz. Es mussten rund 800 seit jeher Tradition. Bis vor wenigen Jah- Aus solchen Wunderkammern ent-
Jahre vergehen – die Zähringer bauten ren waren nicht nur Gefängniszellen in standen später die Museen, die man
das Schloss um 1200 –, bis auch wir, also den Schlossgebäuden untergebracht, thematisch unterschieden hat: Kunst-
Sie und ich, dort nächtigen dürfen. Aber sondern auch mehrere Gerichtssäle. museen, Naturhistorische Museen, tech-
jetzt geht das: Im Schloss Burgdorf bie- Straffällige wurden hier verurteilt und nische Museen. Das Museum Schloss
tet die Jugendherberge über 100 Betten gleichenorts eingesperrt. Heute fokus- Burgdorf setzt bewusst wieder auf das
in Doppel- und grösseren Zimmern an. siert man sich auf sympathischere Wunderkammer-Konzept. Dabei scheut
Synergien. Museum, Restaurant und Ju- es sich nicht, Dinge zum Beispiel nach
Ein Schuss Geschichte gendherberge bieten ein Hochzeitspaket Farbe auszustellen. Oder einfach Figu-
«Und die haben durchaus ihren Reiz», an: In einem historischen Zeremonie- ren zusammenzustellen – chronolo-
erklärt Daniel Furter (45), der Museums- lokal können sich Paare trauen lassen. gisch, geografisch oder kulturell völlig
leiter von Schloss Burgdorf. «In einzel- Vor dem Apéro im Turmgarten kann die losgelöst von jeglicher Einordnung, aber
nen Zimmern erkennt man sogar noch Hochzeitsgesellschaft einen Rundgang immer mit einem Schuss Humor! So
das Gefängnis: eingeritzte Namen und durchs Museum machen, am Abend im prangt in der Sammlung «Rot» unter an-
Zeichen sind zu sehen.» Sonst aber soll Bankettsaal die Hochzeit feiern und im derem ein Bobbycar an der Wand. Der ist
die Schloss-Atmosphäre vorherrschen, Hotelbetrieb der Jugendherberge gleich weder historisch noch sonst wie beson-
nicht die Gefängnisstimmung. In allen auch noch den Rausch ausschlafen. «Ein ders und dürfte in so Seite 91
Coopzeitung Nr. 25 vom 16. Juni 2020 89
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FOTOS PETER MOSIMANN
KULTUR REPORTAGE
manchem Kinderzimmer zu finden
sein. «Aber er ist rot, wie alles in dieser
Wunderkammer», sagt Furter.
Ein Teil der Sammlungen in Burgdorf
geht übrigens auf den Burgdorfer Käse-
händlerssohn Henri Schiffmann (1872–
1904) zurück, der von seinen Weltreisen
allerhand Exotisches und Skurriles zu-
rückgebracht hat. So findet man zahlrei- Im humorvoll gestalteten Museum findet sich vom Bobbycar bis zum
che Waffen aus Japan inklusive Samurai- grössten ägyptischen Sarg der Schweiz alles.
figur. Aber auch der grösste ägyptische
Sarg, den es in der Schweiz gibt, steht im
Schloss Burgdorf. Auf dem Torturm hohle Rohre, sondern Volleisenzylinder, erste Rennen für Fahrzeuge mit Solaran-
thront zudem eine Maritzkanone, eine die er danach mit der von ihm entwickel- trieb). Und Burgdorf war auch Wegberei-
vorindustrielle Erfindung aus Burgdorf. ten Geschützbohrmaschine ausbohrte. terin der Begegnungszone und führte
Der Handwerker Johann Maritz (1680– Die neuen Ausstellungen erlauben es diese vor fast einem Vierteljahrhundert
1743) produzierte zu Beginn des 18. Jahr- Burgdorf, sich zu zeigen und selber zu als Verkehrsexperiment erstmals ein. ○
hunderts Kanonenrohre nach einem feiern. Es haben nicht unwichtige Dinge
Infos zum Schlossbesuch und zu den
neuen Prinzip, die im Vergleich mit den in der Kleinstadt im Mittelland das Licht
Eintrittsregelungen infolge Covid-19 unter
damaligen Kanonen Hochpräzisions- der Welt erblickt: etwa der e-Bike-Pio-
rohre waren. Maritz goss nicht mehr nier «Flyer» oder die «Tour de Sol» (das www.schloss-burgdorf.ch
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