JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern

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JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
JONNY
     SPIELT AUF

  Oper von
Ernst Křenek

     www.theater-vorpommern.de
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
JONNY
SPIELT AUF

   Oper von
 Ernst Křenek

   Besetzung
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
Jonny spielt auf
       Oper in zwei Teilen von Ernst Křenek

      Der Komponist Max        Roman Payer
       Die Sängerin Anita      Elena Fink
 Jonny, Jazzband-Geigerin      Pihla Terttunen
Der Violinvirtuose Daniello    Thomas Rettensteiner
Das Stubenmädchen Yvonne Katarzyna Rabczuk
             Der Manager       Jovan Koščica
      Der Hoteldirektor /
     ein Bahnangestellter      Semjon Bulinsky
 1. Polizist Bernd Roth* /
		 Maxim Vinogradov*
 2. Polizist Yuji Natsume* /
		 Alexej Trochin*
                 3. Polizist   Seung Sik Moon*

        Opernchor des Theaters Vorpommern
       Philharmonisches Orchester Vorpommern

     Musikalische Leitung      Alexander Mayer
              Inszenierung     Wolfgang Berthold
         Bühne und Video       Eva Humburg
                  Kostüme      Julia Klug
                      Licht    Roland Kienow
              Dramaturgie      Katja Pfeifer
                      Chor     Csaba Grünfelder
       Regieassistenz und
        Abendspielleitung      Geraldine Schramm
Musikalische Assistenz David Behnke,
		 David Grant
                 Inspizienz    Malu Gurgel
                 Soufflage     Lisa Henningsohn
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
Aufführungsdauer:
ca. 2 1/2 Stunden, Pause nach dem ersten Teil

Premiere in Stralsund am 17. September 2021
Premiere in Greifswald am 15. Oktober 2021

Aufführungsrechte:
Universal Edition AG Wien

Ein besonderer Dank gilt dem Ernst Krenek Institut in Wien
für die sehr konstruktive Zusammenarbeit.

Ausstattungsleiterin: Eva Humburg / Technischer Direktor:
Christof Schaaf / Beleuchtungseinrichtung: Roland Kienow
Bühnentechnische Einrichtung: Andreas Flemming, Robert
Nicolaus / Toneinrichtung: Hagen Währ, Samuel Zinnecker
Leitung Bühnentechnik: Robert Nicolaus, Michael Schmidt
Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann / Leitung Ton: Daniel
Kelm / Leitung Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian
Porm / Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva
Humburg / Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann
Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister / Malsaal:
Ulrich Diezmann (Leiter), Anja Miranowitsch (Stv.), Sven
Greiner / Dekoration: Mary Kulikowski, Frank Metzner-
Kostüm & Werkstätten: Leiter der Kostümabteilung: Peter
Plaschek / Gewandmeisterinnen: Ramona Jahl, Annegret
Päßler, Tatjana Tarwitz / Modisterei: Elke Kricheldorf
Kostümfundus: Angelika Birkhan / Ankleiderinnen: Ute
Schröder, Petra Westphal / Leiterin der Maskenabteilung:
Carolina Barwitzki, Bea Ortlieb (Stv.)

Es wird darauf hingewiesen, dass Ton- und / oder Bildauf-
nahmen der Aufführung durch jede Art elektronischer Geräte
strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem
Urheberrechtsgesetz strafbar.

*Mitglied des Opernchors des Theaters Vorpommern

Das Theater Vorpommern wird getragen durch die             Es wird gefördert durch das Ministerium
­Hansestadt Stralsund, die ­Universitäts- und Hansestadt   für Bildung, Wissenschaft und Kultur des ­
 Greifswald und den Landkreis Vorpommern-Rügen.            Landes Mecklenburg-Vorpommern.
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Jonny spielt auf
             Was passiert?
                        Gletscher

Komponist Max lebt und arbeitet in sich zurückgezogen.
Da begegnet ihm Sängerin Anita. Beide werden ein Paar.
Doch während Max die Gesellschaft Anitas genügt,
zieht es die Sängerin hinaus auf die Bühnen der Welt.
                 Paris, Stadt der Liebe

In dem Hotel, das Anita während einer Tournee be-
wohnt, treffen weitere illustre Persönlichkeiten ein. So
auch Stargeiger Daniello, der meist von einem Schwarm
schwärmender Weiblichkeit umlagert wird. Als er Anita
sieht, ist das Ziel seines nächsten Eroberungsfeldzuges
ausgemacht. Auch Zimmermädchen Yvonne würde die
Nacht gerne in einem fremden Bett verbringen. Daniello
wäre ihr recht, ist aber nicht die einzige Option, denn
da gibt es ja auch noch
                         Jonny,

ein musikalisches Multitalent und Jazzbandleaderin.
Ihr Ausdruck ist überraschend, ihr Auftreten souverän,
ihr Akzent amerikanisch, ihr Ziel klar: Sie will Daniellos
Geige stehlen.
                      Eroberungen

Während Daniello des Nachts mit Anita auf ihrem Zim-
mer verschwindet, verschwindet aus Daniellos Zimmer
die Geige. Jonny schmuggelt sie in Anitas Banjokoffer.
Der Diebstahl wirkt sich empfi ndlich auf den Hotel-
frieden aus. Alle wollen abreisen. Der Hoteldirektor ist
verzweifelt. Um sich zu beruhigen, muss er jemanden
entlassen: am besten Yvonne. Doch Anita hat ein großes
Herz, engagiert Yvonne und beide verlassen das Hotel;
im Gepäck eine wertvolle Violine.
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
Überraschung

Max wartet quälend lange Takte auf die Rückkehr Anitas.
Endlich kommt sie und bringt jede Menge Neuigkeiten
ins Haus. Sie wird schon bald nach Amerika reisen.
Außerdem hat sie ein neues Hausmädchen, Yvonne.
Diese hält eine Überraschung für Max bereit: Sie über-
gibt ihm einen Ring, den sie von Daniello bekommen
hatte. Was sie nicht weiß: Der Ring gehört Anita und
zeigt Max nun unmissverständlich, dass Anita eine Af-
färe mit Daniello hatte. Zu viele Neuigkeiten für Max.
Er flieht zum
                      Gletscher.

Yvonne bleibt allein zurück – beinahe allein, denn eben
klettert Jonny zum Fenster herein, um sich die Geige
aus Anitas Banjokoffer zu holen.

      „Mir gehört alles, was gut ist in der Welt!“

verkündet Jonny weihevoll, läutet eine neue musikalische
Ära ein und verschwindet mit der Geige.
                      Filmmusik

Anitas Gesang holt den verzweifelten Max wieder zu-
rück ins Leben. Ihre Stimme kommt aus einem Kinolaut-
sprecher. Es folgt eine Jazznummer, gespielt von Jonnys
Band. Eine Geige ist zu hören, eine Amati. Daniello
erkennt den Klang. Er weiß jetzt, wo er seine Violine
findet und stürzt los.

               Folgen Sie dieser Geige!

Das Tempo zieht an. Daniello eilt zum Bahnhof, um
seine Geige wiederzubekommen. Max eilt zum Bahn-
hof, um Anita zu treffen. Anita eilt zum Bahnhof, um
nach Amerika zu fahren und Max zu treffen. Yvonne eilt
zum Bahnhof, um Anita zu begleiten. Anitas Manager
eilt zum Bahnhof, um sicher zu gehen, dass Anita nach
Amerika fährt. Jonny eilt zum Bahnhof, um mit der Gei-
ge nach Amerika zu fahren. Am Ende landet einer im
Gefängnis, einer kommt unter die Räder und eine zieht
die Strippen, oder die Saiten?
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
Das Jahr 1927
• Ernst Křeneks Oper „Jonny spielt auf“ wird am
  10. Februar im Neuen Theater zu Leipzig uraufgeführt.
  Allein in diesem Jahr wird die Oper in 421 Vorstellungen
  an 45 deutschen Bühnen gespielt werden. Die Presse
  prägt den Begriff „Zeitoper“. „Jonny spielt auf“ wird
  die erfolgreichste Vertreterin dieser Gattung werden.

• In Berlin feiert das „Mahagonny-Songspiel“ von Kurt
  Weill und Bertolt Brecht Premiere, in New York kommt
  das Musical „Funny face“ von George Gershwin auf
  die Bühne.

• Während im Berliner UFA-Palast Luis Trenker und
  Leni Riefenstahl in dem Ski- und Bergfilm „Der gro-
  ße Sprung“ zu sehen sind, flimmert und tönt in den
  USA der erste Tonfilm über die Kinoleinwand: „The
  Jazz-Singer“.

• Das Saxophon avanciert zur akustischen Ikone der
  Moderne: Es prägt die Bilder von Otto Dix und steht
  als Sinnbild gleichermaßen für den Jazz wie für eine
  neue Lautstärke in der Popularmusik.

• Marlene Dietrich spielt ihre erste Hauptrolle in dem
  Stummfilmdrama „Café Elektric“.

• Der Drang nach Bewegungsfreiheit und Berufstätigkeit
  bestimmt mehr und mehr die Damenmode der Zeit:
  Der Bubikopf und eine gerade Silhouette, die durch Ja-
  ckenkleider oder Hosenanzüge betont werden, drückt
  das Fortschreiten der Emanzipation auch optisch aus.

• Fritz Langs „Metropolis“ und Walter Ruttmanns Film
  „Berlin: Die Sinfonie der Großstadt“ werden urauf-
  geführt; zwei Filme, die sich mit der zunehmenden
  Technisierung der Welt auseinandersetzen.

• Fortschritte in der Mikrofon- und Lautsprechertech-
  nik erlauben die Verstärkung politischer Reden im
  öffentlichen Raum.
JONNY SPIELT AUF Oper von Ernst Křenek - Theater Vorpommern
• 1925 wird das Dezibel (dB) als Messeinheit für die
  Lautstärke des Schalls eingeführt.

• Ebenfalls seit 1925 wird bei Rundfunkaufnahmen dem
  Beamten der Reichspost, der den Mikrophon-Verstärker
  regelt, ein musikverständiger „elektrischer Kapell-
  meister“ zur Seite gestellt, um anhand der Partitur Zei-
  chen zum Anheben und Senken des Pegels zu geben.

• Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ erscheint.
  In diesem beschreibt Hesse Radio und Grammophon
  als Untergang der abendländischen Kultur: „Achten Sie
  darauf, wie diese irrsinnige Schallröhre scheinbar das
  Dümmste, Unnützeste und Verbotenste von der Welt
  tut und eine irgendwo gespielte Musik wahllos, dumm
  und roh, dazu jämmerlich entstellt, in einen fremden,
  nicht zu ihr gehörigen Raum hinein schmeißt …“

• Die Reichsbahn führt die 24-Stunden-Zeitangabe ein.
„Wegen ungünstiger
        Witterung fand die
    deutsche Revolution in der
          Musik statt.“
                   Kurt Tucholsky, 1930

Mit einem Paukenschlag – oder vielmehr mit einer „Jazz“-
Geige – hatte Ernst Křenek 1927 die Opernbühne für
sich erobert. Nicht dass er der Musikwelt bis dahin ein
Unbekannter gewesen wäre. Křenek hatte sich schon
früh einen Namen als Avantgarde-Komponist gemacht,
war bereits 1921, im Gründungsjahr der Donaueschinger
Musiktage, beim Eröffnungskonzert mit einer eigenen

Komposition vertreten und erhielt in Folge mit Anfang
20 schon einen Eintrag in das namhafte Riemann Mu-
siklexikon. Auf dem Gebiet der Oper hatte Křenek mit
drei eigenen Werken bereits erste Erfahrungen gesam-
melt, als er „Jonny spielt auf“ 1925 in Angriff nahm.
Während sich diese ersten musikdramatischen Werke
in Ausrichtung, Libretto und musikalischer Herangehens-
weise durchaus voneinander unterscheiden, tragen sie
alle dieselbe Grundidee im Kern, wie Křenek in seinen
Memoiren selbst betont: Es geht dabei immer um den
Begriff der Freiheit. In „Jonny spielt auf“ manifestiert sich
dieser Gedanke in der Titelfigur einerseits, aber auch
im Umgang mit musikalischen Mitteln und Versatzstü-
cken, denn es geht nicht nur um moralische Freiheiten
und die damit verbundenen Grenzüberschreitungen,
sondern auch um die in dieser Oper zentrale Frage der
musikalischen Wegfindung. Der Komponist Max – trotz
anders lautenden Werktitels Hauptcharakter der Oper
– ist an die Grenzen seiner musikalischen Ausdrucks-
möglichkeiten gekommen. Festgefroren in rückwärts ge-
wandten Denkmustern, eifert er überkommenen Idealen
nach, lebt das Leben eines romantischen Genies: In der
Einsamkeit seiner unverstandenen Seele komponiert
er mit spätromantischem Ausdruckskanon und symbo-
Ich bin ein passendes Visual
listisch-dekadenter Verswelt. Ein Gletscher ist Ausdruck
seiner inneren Erstarrung und Ausganspunkt der Oper.
Křenek pflegt einen liebevollen, bisweilen ironisch dis-
tanzierten Blick auf die Figur des Max, die durchaus
autobiografische Züge trägt. Doch es geht um mehr
in dieser Oper als um eine Komponistenbiografie. Be-
wegung, Entwicklung und Fortschritt spielen in „Jonny
spielt auf“ eine ebenso entscheidende Rolle. So bricht
über Max’ erstarrte Gletscherwelt die Zukunft herein. Und
diese Zukunft ist weiblich. Zunächst ist es Opernsängerin
Anita, die die Einsamkeit aus Max’ Leben vertreibt, der
es aber nicht gelingt, ihn am gesellschaftlichen Leben
teilhaben zu lassen, das mit dem rasenden Tempo des
technischen Fortschritts an ihm vorbeirauscht. Während
der Komponist Sicherheit am Flügel und in seiner Musik
sucht, ist es Anita, die Max’ Kompositionen in die Welt
hinaussingt und der eigenen aufkeimenden Einsamkeit
mit einem gewissen Pragmatismus in Form von verein-
zelten Liebesnächten im Hotel begegnet. Anita gelingt
es im Verlauf der Oper, Max’ inneren Gletscher so weit
abzuschmelzen, dass er das Leben wählt in einem Mo-
ment, wo der Tod ihm die Lösung aller Probleme zu
sein scheint.

Die eigentliche Zukunft – in jeglicher Hinsicht – ver-
körpert Jonny. Und der Auftritt Jonnys ist es auch, der
aus dem Künstlerdrama, das die Oper bis dahin war,
eine „Jazz-Oper“ macht. Doch was ist das für ein Jazz?
Es ist eine noch recht junge Musikrichtung, die auch für
Křenek Neuland bedeutet. So mag der später geprägte
Begriff „Jazz-Oper“ zunächst irreführen, denn tatsäch-
lich findet viel weniger Jazz in der Partitur statt, als der
Titel verheißt. Und doch ist ein neuer Ton, der mit Jonny
einhergeht, unverkennbar: Ragtime, Blues, Blue notes,
all das ist zu hören – wenn auch wohldosiert. Und ein
frischer Wind weht dem Publikum ab jetzt um die Nase.
Das Tempo der Oper steigert sich, filmische Elemente
wie Simultanszenen, Zeitsprünge und Verfolgungsjag-
den finden hier ebenso Eingang wie das Spiel mit den
seinerzeit neuesten technischen Errungenschaften: Es
wird telefoniert, Tonaufnahmen werden gehört, und wo
könnte ein Finale, das in die weite Welt hinausweist,
besser enden als an einem Bahnhof? Wohl gemerkt
1927! Der direkte Zeitbezug zum Entstehungsjahr brachte
„Jonny spielt auf“ nicht nur die Bezeichnung „Zeitoper“
ein, sondern reduzierte sie leider auch darauf. Im „Dritten
Reich“ als „entartet“ verfemt und von den Bühnen ver-
schwunden, schaffte die Erfolgsoper von damals nach
1945 nicht mehr den Sprung ins Heute. Und dabei ist
ihre Aussage so zeitlos, die Figur des „Jonny“ nach wie
vor aufregend schillernd.

Ernst Křenek hatte mit Jonny einen schwarzen amerika-
nischen Jazzmusiker auf die Opernbühne gebracht. 1927
war das ein Novum, skandlös und ein Dorn im Auge
der erstarkenden Nationalsozialisten, die anlässlich
der Wiener „Jonny“-Premiere im Dezember 1927 gegen
die „frech jüdisch-negerische Besudelung“ der Oper
demonstrierten und das Titelbild der Partitur wenig
später als Basis für das Plakatmotiv der Ausstellung
„Entartete Kunst“ verwenden sollten. Im Grunde zeigen
diese Reaktionen nur, dass Křenek mit seinem Jonny den
Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Denn Jonny war und
ist eine durchaus provokante Figur: überraschend und
unvorhersehbar wie die Zukunft, die sie repräsentiert.
Doch ist die Zeit nicht spurlos an Jonny vorbeigegangen.
Was 1927 noch neu, überraschend und skandalös war,
kann sich heute einer gewissen Klischeehaftigkeit nicht
entziehen und ist stellenweise politisch inkorrekt. Zeit
also, sich Gedanken über die Figur zu machen, die die
Zukunft auf der Bühne repräsentiert. Denn der Saxophon
spielende schwarze Jazzer vom Titelbild der Partitur hat
sich heute – knapp 100 Jahre später – überlebt. Aber
Jonny muss überraschen, muss anders sein, die Dinge
neu betrachten. Jonny repräsentiert das Weitergeben der
Flamme, nicht das Bewahren der Asche. Das Unerwartete
muss also hier auf die Bühne und in Richtung Zukunft
weisen. Sicher gibt es viele Wege, die beschritten werden
können, aber Jonnys Weg am Theater Vorpommern ist
ein weiblicher. Jonny ist eine Jazzmusikerin und Band-
leaderin in einer Zeit und Welt, in der Frauen immer noch
auffallen, weil sie in „Männerdomänen“ Einzug halten.
Und tatsächlich verschiebt sich durch weibliches Agieren
so manches – auch in der Oper. Das sorgt bisweilen für
Überraschungen. Und das ist gut so.
„Hört auf, euch mit Männern zu
vergleichen, um zu wissen, was
        ihr nicht seid!“
                         Mina Loy, 1914

Um ein dadaistisches Gedicht zu machen

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von der Länge aus,
die Ihr Eurem Gedicht zu geben beabsichtigt.
Schneidet den Artikel aus.
Schneidet dann sorgfältig jedes Wort
dieses Artikels aus
und gebt sie in eine Tüte.
Schüttelt leicht.
Nehmt dann einen Schnipsel nach dem Z
anderen heraus.                        T
Schreibt gewissenhaft ab
                                                                 U
                                    F Tüte
in der Reihenfolge, in der sie aus der
gekommen sind.                                                   K
Das Gedicht wird Euch ähneln.
                                       N
                                           U
Und damit seid Ihr ein unendlich
origineller Schriftsteller
mit einer charmanten, wenn auch von den
Leuten unverstandenen Sensibilität.

Tristan Tsara

Anmerkung der Redaktion: Auch Programmhefte können die Basis einer
schöpferischen Auseinandersetzung mit der Oper, der Welt, mit sich
selbst sein. Probieren Sie es aus. Reißen Sie Grenzen ein und schneiden
Sie Worte aus. Werden Sie kreativ!
Impressum
Herausgeber:                          Texte und Redaktion:
Theater Vorpommern GmbH,              Katja Pfeifer
Greifswald –Stralsund – Putbus,       Gestaltung:
Spielzeit 2021/22                     giraffentoast
Geschäftsführung:                     Druck:
Ralf Dörnen, Intendant;               Rügendruck Putbus
Peter van Slooten, Verwaltungs-
direktor

Textnachweise: Bei den Texten handelt es sich – sofern nicht anders
vermerkt – um Originalbeiträge von Katja Pfeifer für dieses Heft. Das
Gedicht von Tristan Tzara entstammt dem Dada-Almanach. Vom Aberwitz
ästhetischer Contradiction – Textbilder, Lautgedichte, Manifeste. Hg. v.
Andreas Puff-Trojan und H. M. Compagnon. Zürich 2016
Bildquellen: Die Collagen entstanden unter Verwendung gemeinfreier
Bilder auf Unsplash und Pexels von Kayla Koss, Roberto Delfanti, Peter
Burdon, Darius Cotoi, Adriana Lorena Benavides Estrada, Cassie Matias,
Walter Lee Olivares de la Cruz Roa, Suzy Hazelwood, Adam Jang, Photo
Boards, Lauris Rozentals, William Krause, Jan Huber und Aleza van der
Werff; Titelfoto: Peter van Heesen
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