Jürgen Neff: Don Quijote aus der Mancha

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Jürgen Neff: Don Quijote aus der Mancha
Jürgen Neff: Don Quijote aus der Mancha
nach Motiven von Miguel de Cervantes, 1 D – 6 H, ab 8 Jahren, UA: frei

                                Jürgen Neff wurde 1972 geboren. Nach dem Studium der
                                Philosophie und der Germanistik arbeitet er seit 1997 in
                                zahlreichen Projekten und war zurzeit als Regieassistent
                                am Theater Celle und am Theater Bielefeld tätig. Seit
                                2003 schreibt er eigene Stücke. „Don Quijote“ ist sein
                                erstes Stück für junges Publikum.

Don Quijote liest für sein Leben gern alte Ritterromane. Und weil er ein sehr
phantasievoller Leser ist, taucht er ganz in die Abenteuer der Helden ein. Don Quijote
erkennt in den Rittern, für die er schwärmt, was ihm in seiner Gegenwart so fehlt: Seine
Nachbarn hüten lieber Schafe, als sich auf „aventiure“ zu begeben. Nirgends gibt es
mehr Mut und wahre Liebe. Niemand will sich mehr auf einer Fahrt ins Ungewisse
bewähren, sucht noch das Unwägbare oder will die Welt nach den eigenen
Vorstellungen gestalten. Don Quijote sieht seine Aufgabe genau vor sich: Er will
fahrender Ritter werden! Um die Welt der Bücher zu neuem Leben zu erwecken – damit
die Realität um ein Ideal reicher wird. Es ist die Naivität seiner Phantasie, die vor allen
Zeugen letztlich das Recht verteidigt, das Leben nicht nur nach den Maximen der Logik,
der Nützlichkeit und der Tüchtigkeit führen zu müssen.
So vermischt sich in dieser originellen Bearbeitung des berühmten Stoffes nicht nur die
Wirklichkeit mit der Fiktion, sondern es dürfen – wie im Kinderspiel – beide Prinzipien als
legitimer Zugang zur Welt nebeneinander bestehen bleiben. Die Kraft eines subjektiven
Traumes vom richtigen Leben können die Gegner, Zauberer und Nachbarn weder dem
Ritter noch dem Hirten Quijote nehmen. Schafe wird er am Ende wohl nur so lange
hüten, wie es ihm belieben wird.

Alle Rechte beim
Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH,
Max-Brauer-Allee 34
22765 Hamburg
Tel.: 0049 (0)40 607909916
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www.kindertheater.de

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3. Szene
Ein Wirtshaus mit einem Brunnen davor, eine kleine Mauer, hinter der DON QUIJOTE und SANCHO
PANSA daher geritten kommen.
DON QUIJOTE          Endlich, Sancho. Wir kommen zu unserem ersten Abenteuer.
SANCHO               Wo, Herr Quijote? Wo?
DON QUIJOTE          Du sollst mich ‚edler Ritter Don Quijote’ nennen, oder ‚mein hoher
                     Herr’, oder ‚Euer Gnaden’.
SANCHO               Also gut, edler Ritter. Aber ich habe seit Stunden nichts mehr gegessen
                     und mir wäre lieber, wenn ich einen saftigen Hirschbraten zwischen
                     die Zähne bekäme als irgendein trockenes Abenteuer zwischen die
                     Finger. Wir könnten hier in dem Wirtshaus doch etwas essen. Soll ich
                     euren Gaul anbinden?
DON QUIJOTE          Du Dummkopf. Das ist die edle Stute Rosinante. Und das, was du da
                     siehst, ist kein Wirtshaus, sondern eine Burg.
SANCHO               Das kann ich kaum glauben. Nach allem, was Ihr mir über
                     Ritterburgen erzählt habt und was ich über Wirtshäuser weiß, ist das
                     hier zweifellos ein Wirtshaus. Seht doch den großen Topf und dort auf
                     dem Tisch stehen noch Zinnkrüge für Bier.
DON QUIJOTE          gestelzt Das sind silberne Kelche, die bereit stehen, um fahrende Ritter
                     mit edlem Wein zu stärken. Wir werden nun den Burgherrn um eine
                     Audienz bitten. Er wird mir eine überaus große Ehre erweisen. Denn
                     während wir heute den ganzen Mittag in der Sonne durch die Mancha
                     geritten sind, ist mir ein sehr betrüblicher Gedanke nicht aus dem Kopf
                     gegangen. Ich bin nämlich noch gar kein Ritter.
SANCHO               Das habe ich euch ja gleich gesagt.
DON QUIJOTE          unsicher Nein. Ich bin schon ein Ritter. Ich habe den Helm des
                     Mambrin und mein Schwert und ich habe Schild und Lanze. Auch
                     habe ich mir schon eine Prinzessin ausgesucht, für die ich kämpfen
                     will. Ihr werde ich alle meine wundervollen und unglaublichen Taten
                     widmen.
SANCHO               Ja? Wem denn?
DON QUIJOTE          Der unvergleichlichen Dulcinea von Tomboso, deren Schönheit die der
                     Helena übertrifft.
SANCHO               Ich kenne eine Dulcinea aus Tomboso, aber das kann nicht die sein, die
                     Ihr meint, denn diese ist fett und hat einige Zahnlücken.

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DON QUIJOTE             Zügle deine Zunge, Knappe, sonst werde ich dich auspeitschen oder
                        dir drei Tage nichts zu essen geben.
SANCHO                  Oh, dann lieber auspeitschen, mein edler edler Herr und Ritter. Aber
                        was fehlt Euch denn dann eigentlich noch?
DON QUIJOTE             Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht, dass ich noch nicht
                        zum Ritter geschlagen wurde. Aber nun, da der weise Zauberer mein
                        stilles Flehen erhört hat, hat er uns zu dieser Burg geführt, wo ich
                        meine Ritterwürde durch eine prächtige Zeremonie erlangen werde.
SANCHO                  Und wird es bei dieser Zeremonie auch etwas zu verzehren geben?
DON QUIJOTE             Die anschließende Feier wird natürlich auch ein berauschendes Mahl
                        beinhalten.
SANCHO                  Das wollte ich nur hören. Dann bin ich beruhigt. Er steigt von seinem
                        Esel.
Der WIRT tritt aus der Tür. Es ist ein rundlicher, lustiger Kauz mit viel Sinn für Humor, allerdings
den der groberen Sorte. Er will gerade Wasser am Brunnen holen.
DON QUIJOTE             Gib acht, da kommt der Burgherr. Melde ihm, dass der edle Don
                        Quijote aus der Mancha bei ihm vorzusprechen begehrt.
SANCHO                  Also für mich sieht das wie ein ganz gewöhnlicher Wirt aus und die
                        Burg erscheint mir nach wie vor als eine Gaststätte. Aber Ihr werdet es
                        wohl besser wissen.
DON QUIJOTE             Natürlich, mein einfältiger Knappe. Es mag ja auch sein, dass es für
                        dich so aussieht. Aber dann muss es daran liegen, dass der böse
                        schwarze Zauberer, der uns unsere Abenteuer nicht gönnt, dich
                        verzaubert hat und es dir einfach alles ganz falsch erscheint. Er hat es
                        wohl nicht geschafft, mich auch zu verzaubern und deshalb kann ich
                        zum Glück noch erkennen, wie es sich tatsächlich verhält. Und nun
                        mach endlich.
SANCHO geht zum WIRT.
SANCHO                  Ich grüße Sie herzlich. Mein Herr Don Quijote möchte bei Ihnen
                        einkehren und bittet sie freundlich um Erlaubnis.
WIRT                    Dies ist ein Gasthaus, da erlaubt sich das von selbst. Was hat denn dein
                        Herr da auf dem Kopf?
SANCHO                  Das ist sein Helm. Er ist ein fahrender Ritter.
WIRT                    Ein fahrender Ritter? Aber die gibt es doch schon lange nicht mehr.

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SANCHO                Mein Herr ist der lebende Beweis dafür, dass es sie noch gibt. Er sagt,
                      er sei der mutigste und bald auch der bekannteste unter den fahrenden
                      Rittern.
WIRT                  Und warum habe ich noch nie etwas über Ihn gelesen?
SANCHO                Wahrscheinlich, weil ihn bisher noch keiner zum Ritter geschlagen hat.
                      Aber ansonsten ist er ein waschechter Ritter.
WIRT                  lacht Na, dann hol ihn mal her, deinen waschechten Ritter.
SANCHO                Jawohl. Edler Ritter Don Quijote!
SANCHO geht zu QUIJOTE und hilft ihm vom Pferd.
WIRT                  apart Das kann ja lustig werden. Die beiden sind zu drollige Narren.
                      Das ist eine Gelegenheit für ein paar wunderbare Scherze.
SANCHO                Der Hausherr will Euch begrüßen.
DON QUIJOTE           Er gewährt mir Zutritt? Ich wusste es. Ich danke dir, weiser Zauberer.
                      Seit mir gegrüßt, edler Burgherr.
WIRT                  Mein, äh, großherziger Rittersmann, es freut mich außerordentlich,
                      dass Ihr mein bescheidenes Wirts- äh, meine Burg mit Eurer
                      Anwesenheit beehrt.
DON QUIJOTE wirft sich auf die Knie.
DON QUIJOTE           An dieser Stelle möchte ich im Staub verweilen, tapferer Ritter, bis
                      Eure edle Sitte mir eine Gunst gewährt, die ich von Euch erbitten will
                      und die zu Eurem Preise und zum Frommen des Menschengeschlechts
                      gereichen wird.
WIRT                  schüttelt den Kopf und grinst ins Publikum Was, äh, was begehrt Ihr,
                      mein fahrender Ritterkollege? Er sieht Sancho fragend an, der mit den
                      Achseln zuckt.
DON QUIJOTE           Gewährt mir die Gunst, oh Edelmütiger, mich morgen zum Ritter zu
                      schlagen.
SANCHO                Erst morgen!? Dann findet die Feier und das große Fressen auch erst
                      morgen statt? Das können Sie nicht ernst meinen. Mein Magen brüllt
                      wie drei feuerspeiende Drachen.
DON QUIJOTE           Sei still, nichtsnutziger Knappe. Wie kannst du in einem solch hehren
                      Moment ans Essen denken?!
SANCHO                Das bin nicht ich, der an’s Essen denkt, sondern mein Magen. Und der
                      ist nun einmal dazu da, Essen zu bekommen, und hat den ganzen Tag
                      noch nichts außer ein paar Dörrpflaumen gesehen.

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WIRT                 Dort drüben ist der Topf mit Suppe und ein Laib Brot. Nimm dir
                     davon.
SANCHO               Vielen Dank. Seht Ihr, der Burgherr weiß, was sich gehört. Er geht zum
                     Kochtopf.
DON QUIJOTE          Nun geh endlich und stille deine niederen Gelüste.
WIRT                 Und Ihr, wollt Ihr nicht auch etwas zu Euch nehmen?
DON QUIJOTE          Wie Ihr sicher wisst, ist es dem Ritter nicht gestattet, vor seiner
                     Ritterschlagung zu essen. Wie es sich geziemt, werde ich ohne Essen
                     und Trinken die ganze Nacht in der Kapelle eurer Burg Waffenwacht
                     halten. Und morgen werde ich, wie es der weise Zauberer
                     vorherbestimmt hat, von Euch zum Ritter geschlagen werden, damit
                     ich durch alle fünf Weltteile ziehen kann, Abenteuer suchend zur
                     Stütze der Hilfsbedürftigen.
WIRT                 apart Meine Güte, das ist ja ein verwirrter Bursche. Zu DON QUIJOTE
                     Es wird mir eine große Ehre sein, Euch diesen Wunsch zu erfüllen.
                     Aber leider hat meine Burg momentan keine Kapelle. Sie wurde
                     eingerissen, um sie neu aufzubauen. Aber im Notfall kann man, das
                     habe ich in einigen Ritterromanen gelesen, die Wacht dort halten, wo
                     man will. Ihr könnt also heute Nacht einfach hier im Hof meiner Burg
                     Wache halten. Und morgen werde ich Euch, so Gott will, feierlich zum
                     Ritter schlagen.
SANCHO               Und es wird ein großes Essen geben und Wein und Bier und …
WIRT                 Wie viel Geld habt Ihr denn, um eine solche Feier auszurichten?
DON QUIJOTE          Geld? Ich habe keinen Pfennig in meiner Tasche. Ich habe noch nie
                     gelesen, dass irgendein fahrender Ritter Geld bei sich gehabt hätte.
WIRT                 Natürlich nicht. Aber nicht weil sie keines gehabt hätten, sondern weil
                     die Verfasser dieser Geschichten es nicht für nötig hielten, so
                     selbstverständliche Dinge wie Geld und frische Unterwäsche auch nur
                     zu erwähnen.
SANCHO will sich gerade nochmals Nachschlag holen, da nimmt ihm der Wirt den Teller aus der
Hand.
WIRT                 Nun denn, es wird schon Nacht. Beginnt mit eurer Wache und wir
                     sehen uns morgen früh.
SANCHO               Und ich? Soll ich etwa auch die ganze Nacht hier herumlungern?

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DON QUIJOTE           Du fauler Nichtsnutz. Ich brauche dich hier nicht. Lass dir von
                      unserem großmütigen Gastgeber dein Gemach zeigen.
SANCHO                Mein Gemach?
DON QUIJOTE           Ein Zimmer, du Dummkopf. Jetzt geh und lass mir meine Ruhe. Ich
                      beginne nun meine Wacht.
DON QUIJOTE lehnt seine Waffen gegen den Brunnenrand, stellt sich kerzengerade hin und macht
ein wichtiges Gesicht. Der WIRT will kopfschüttelnd in die Wirtschaft gehen, doch SANCHO hält
ihn auf.
SANCHO                Herr Großmut, wo ist denn ein Gezimmer mit einem gemütlichen Bett
                      für mich? Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und muss
                      dringend mindestens elf Stunden schlafen.
WIRT                  sarkastisch Ein Gezimmer? Aha. Ohne Geld?! - Du kannst hinter dem
                      Wirtshaus im Schweinestall übernachten!
SANCHO                Meinetwegen. Das bin ich gewöhnt. pikiert Auch wenn das weit unter
                      der Würde eines fahrenden Schildknappen ist.

Der WIRT geht kopfschüttelnd ab und SANCHO folgt ihm. Das Licht zieht ein, es wird dämmrig.
Der Mond geht auf. Nur noch DON QUIJOTE bleibt ihm Mondschein. Erhellt, starr steht er vor dem
Brunnen. Während der folgenden Worte erscheint hinter der Mauer CARRASCO. Das DON-
QUIJOTE-Thema erklingt leise.

DON QUIJOTE
                      Schon sinkst du nieder, holde Nacht,
                      Und forderst Lieder, selbsterdacht,
                      Von süßen Küssen schöner Fraun
                      Den Liebsten missend im Vertraun.

                      Von treuen Helden, tugendhaft,
                      die gerufen sind zur Ritterschaft,
                      dem Feind sich stellend, voller Kraft,
                      die Welt erhellend, machtentfacht.

                      Oh Dulcinea, schön und gut,
                      Oh weiser Zaubrer, gebt mir Mut.
                      Euch beiden schenk ich meine Werke
                      Meine Leiden, meine Stärke.

                                                                                                6
Einsam wachend in der Nacht,
                     Friedlich lachend, ehrbedacht.
                     Träumet süß, solang ich wache,
                     Ich begrüß die edle Sache.

                     Morgen früh, bei Sonnaufgang,
                     Erhält die Müh den edlen Rang.
                     Denn an dem ersten großen Tag,
                     erhalte ich den Ritterschlag.

CARRASCO schleicht sich an den Brunnen und steht plötzlich bei DON QUIJOTE.
CARRASCO             Da bist ja, Onkel.
DON QUIJOTE dreht sich erschrocken um, erkennt seinen Neffen im Dunkeln aber nicht.
DON QUIJOTE          O du, wer auch immer du seiest, verwegener Ritter, der du heran-
                     nahest, um die Waffen des tapferen Abenteurers zu berühren,
                     unterstehe dich, sie anzufassen, wenn du nicht dein Leben opfern
                     willst für diesen Frevel.
CARRASCO             Onkel Quijote, ich bin es. Was tust du hier?
DON QUIJOTE          Wie redet Ihr mit einem fahrenden Helden?
CARRASCO             Erkennst du mich denn nicht. Was machst du hier mitten in der Nacht
                     und was tust du mit dem Besen und dem alten Schwert hier? Er greift
                     nach dem Schwert.
DON QUIJOTE          Oh meine Herrin Dulcinea, steht mir im Geiste bei, bei diesem meinem
                     ersten Kampfe. Gewährt mir Eure Gunst und Euren Schutz. Er will die
                     heiligen Waffen des Ritters stehlen. Doch das wird ihm nicht gelingen.
DON QUIJOTE ergreift den Besen und schlägt CARRASCO damit.
CARRASCO             Au, Onkel, bist du verrückt? Au. Sieh doch hin, ich bin es, dein Neffe
                     Carrasco. Mein Gott. Aua. Aua.
DON QUIJOTE          Ha. Das ist der Beweis, dass du der dunklen Seite der Ritterschaft
                     angehörst. Mein Neffe Carrasco ist zuhause bei meiner Schwester. Also
                     kann es nur so sein, dass du ein Gesandter des schwarzen Zauberers
                     bist, der meine ruhmreichen Taten vereiteln will. Er hat deine Gestalt
                     verwandelt in die meines geliebten Neffen. Ich werde dich zur Burg
                     hinausprügeln.
CARRASCO             Aua. Nein! Nicht. Bitte, nicht. Aua, Onkel.

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DON QUIJOTE           Du wirst mir diese heilige Stätte nicht schänden, du Gesandter des
                      Bösen.
CARRASCO              Au, aua. Bitte, bitte, hör auf.
Während Don Quijote immer noch auf CARRASCO einschlägt kommt der WIRT im Nachthemd aus
seiner Wirtsstube.
WIRT                  Was ist hier los?
CARRASCO              Au. Nein. Oh Gott. Helft mir, bitte.
WIRT                  Was tust du? Warum verprügelst du meine Gäste? Na warte. Er
                      versucht, DON QUIJOTE von CARRASCO wegzuzerren, was ihm nicht gleich
                      gelingt.
DON QUIJOTE           Oh nein, jetzt erscheint auch noch das Burggespenst zu seiner Hilfe.
                      Na wartet. Der furchtlose Ritter aus der Mancha nimmt es auch mit
                      euch beiden auf.
CARRASCO              Au, aua. Nein, ich kann nicht mehr. Onkel, bitte! Sancho, hilf mir doch,
                      wo bist du?
DON QUIJOTE           Nennt mich nicht Onkel, ihr ruchloser Hochstapler. Mein Neffe ist ein
                      gütiger Junge, der ganz sicher nicht die heiligen Gerätschaften eines
                      fahrenden Ritters entweihen würde.
WIRT                  Bist du jetzt ganz verrückt! Lass Ihn los! Er stößt ihn von CARRASCO weg.
CARRASCO              Das ist zu viel. Ich verschwinde lieber. CARRASCO springt hinter die
                      Mauer in Deckung und sieht dem restlichen Kampf kopfschüttelnd zu.
DON QUIJOTE           Ja, flieh, du ehrloser Wegelagerer. Und sag deinem Herrn, dem
                      schwarzen Zauberer Merlin, er könne nicht verhindern, dass ich mit
                      meinen ruhmreichen Taten Ehre und Tugend in die Welt bringe.
Der WIRT ringt immer noch mit DON QUIJOTE.
WIRT                  Du vergraulst mir die ganzen Gäste. Du Flegel, du Wüterich.
DON QUIJOTE           Und nun zu dir, du Schreckgespenst. Du machst mir keine Angst.
                      Auch dich werde ich dahin zurückschicken, wo du herkamst. In die
                      Unterwelt.
DON QUIJOTE überwältigt ihn gekonnt, steht auf, reißt den WIRT mit hoch, der sich heftig wehrt.
WIRT                  Lass mich los, nein, oh du, was tut Ihr, lasst mich los.
DON QUIJOTE           Ganz sicher nicht, du Geisterwesen. Geh und lass dich in dieser
                      ehrvollen Burg nie wieder blicken!
Er wirft den WIRT in den Brunnen.
WIRT                  Neeeeiiiin!!

                                                                                              8
Stille.
DON QUIJOTE              So.
DON QUIJOTE knieht nieder. Das DON-QUIJOTE-Thema erklingt. Langsam geht die Sonne auf und
die Bühne wird heller.
DON QUIJOTE              Schönste aller Schönen. O Dulcinea. Euch widme ich diesen
                         glorreichen ersten Sieg. Zwei dunkle Gestalten, einen schwarzen Ritter,
                         gesandt vom bösesten aller Zauberer und einen schrecklichen,
                         furchterregenden Geist habe ich in dieser Nacht besiegt. Und auch
                         Euch danke ich von Herzen, weiser Zauberer, der Ihr meine Bahnen
                         lenkt und dem die Ehre zuteil werden wird, meine ruhmreichen Taten
                         niederzuschreiben. Noch bevor er zum Ritter geschlagen wurde, hat
                         Don Quijote aus der Mancha eine solche Großtat begangen. Schreibt
                         dies auf und beginnt damit die Erzählungen über Don Quijote.
CARRASCO                 schüttelt hinter der Mauer den Kopf Das werde ich ganz sicher nicht! Er
                         geht dann zur Seite ab.
DON QUIJOTE              Dreht sich irritiert um. Was, wer ruft hier? Wer war das?

Nun ist die Sonne aufgegangen und es ist ganz hell auf der Bühne.
DON QUIJOTE              Die Sonne ist aufgegangen. Nun ist es so weit. Meine Aufnahme in den
                         Ritterstand steht unmittelbar bevor. Edler Burgherr, wo seid Ihr!
                         Sancho, Sancho, wo bist du?! Sancho!
SANCHO kommt sich die Augen reibend hinter dem Wirtshaus vor. Er hat noch die Pferdedecke
dabei, die ihn die Nacht über gewärmt hat.
SANCHO                   Was ist denn, Herr Quijote, ich meine Edler Herr Ritter.
DON QUIJOTE              Du musst mich auf meine bevorstehende Ritterschlagung vorbereiten.
                         Wo warst du denn?
SANCHO                   Ich habe meinen wohlverdienten Schlaf genossen. Leider viel zu kurz.
                         Es ist ja noch früh am Morgen.
DON QUIJOTE              Du bist ein fauler Esel, Sancho.
SANCHO                   Tja, für mich hatten die Morgenstunden nie versilberte Lippen, wenn
                         Ihr wisst, was ich meine.
DON QUIJOTE              Was redest du da für wirres Zeug? Du meinst, Morgenstund hätte für
                         dich kein Gold im Mund. Tollpatsch. Während ich zwei furchtbare
                         Feinde in die Flucht geschlagen habe, träumst du süß und hold in
                         deiner Kammer.

                                                                                                   9
SANCHO                Von wegen Kammer, ich habe im Schweinestall übernachtet.
DON QUIJOTE           Hast du schon einmal gehört oder gelesen, dass der Knappe eines
                      großen Ritters in einem Schweinestall geschlafen hätte?
SANCHO                Gehört habe ich es, glaube ich, noch nie und gelesen ganz sicher nicht,
                      weil ich nicht lesen kann.
DON QUIJOTE           Du armer Tropf. Dann glaube einem belesenen und gebildeten Mann.
                      Das hast du nur geträumt, weil es einfach nicht sein kann.
SANCHO                Und den Gestank, den ich immer noch an meinem Leib habe, den habe
                      ich wohl auch nur geträumt.
DON QUIJOTE           Den allerdings nicht. Du stinkst wirklich, das kann ich bezeugen. Zieh
                      dir Wasser aus dem Brunnen und wasch dich ordentlich. So kannst du
                      nicht an meiner Seite stehen bei der Zeremonie meiner
                      Ritterschlagung.
SANCHO                Sehr wohl, Eure Klug- und Gebildetheit.
SANCHO geht zum Brunnen und will sich Wasser hochziehen. In dem Moment steigt der WIRT aus
dem Brunnen. SANCHO erschrickt.
SANCHO O Gott!
DON QUIJOTE           Was ist jetzt schon wieder? Was hast du?
SANCHO                Der Wirt, ich meine, der Burgherr, mein Ritter? Wie kommt Ihr denn in
                      den Brunnen?
WIRT                  Frag nicht.
DON QUIJOTE           O edler Herr. Ist es jetzt so weit? Ihr habt bereits Euer Festgewand
                      angezogen. Werde ich nun …
WIRT stinksauer Oh ja, ich werde Euch schlagen. Und dann werdet Ihr sofort mein
                      Wirtshaus verlassen. Wenn Ihr noch länger hier bleibt, dann geht mir
                      noch alles zu Bruch und Gäste kommen auch keine mehr. Mit Euren
                      Abendteuern wird für mich jeder weitere Abend teuer.
DON QUIJOTE           Ihr findet mich bereit, mein Herr und Gönner. Sancho, bring mir meine
                      Waffen.
SANCHO sammelt die Waffen des Ritters ein und bringt sie ihm. Der ist während dessen vor dem
WIRT niedergekniet und hat eine demütige Haltung eingenommen.
DON QUIJOTE           Edler Burgherr, aus Euren geheiligten Händen erflehe ich die
                      Ritterwürde zu empfangen. Erhöht mich durch die rituellen Worte der
                      ehrwürdigen Reiterschaft und nehmt mich in den Ritterorden auf.

                                                                                             10
WIRT                   Sancho, gib mir mein Zeremonienbuch. Es liegt dort auf dem Tisch.
                       Und Ihr, mein verwirrter und kampfsüchtiger Ritter, gebt mir
                       schleunigst Euer Schwert.
SANCHO reicht ihm das Schuldenbuch.
WIRT                   Du Sancho hast dich auch niederzuknien und dir dieses Gewandt
                       überzulegen.
SANCHO                 Das ist die Pferdedecke, die mich heute Nacht im kalten Schweinstall
                       gewärmt hat.
WIRT                   bestimmt Los. Leg sie über und knie dich hin. Und nach jedem Satz
                       aus meiner heiligen Schrift hast du Amen zu sagen. Verstanden?
SANCHO                 Ja.
DON QUIJOTE            Mach mir jetzt keine Fehler, Sancho. Das ist der wichtigste Moment in
                       meinem Leben.
SANCHO                 genervt Sehr wohl, edler Ritter.
WIRT                   Also aufgepasst. Ich werde nun die ehernen Worte zur Verleihung der
                       Ritterschaft sprechen. Sie sind natürlich Lateinisch. Ihr, Knappe
                       Sancho, wisst, was Ihr zu tun habt. Don Quijote, Ihr könnt kein
                       Lateinisch? Nein? Das macht nichts. Ihr müsst nicht die Worte
                       verstehen, sondern nur demütig den Ritterschlag erwarten. Nun los.
                       Seht zu Boden.
Er nimmt das Schwert in die eine Hand, das Buch hat er aufgeschlagen in der anderen, steht vor
DON QUIJOTE und liest schnell, hymnenhaft und fast unverständlich. Ganz langsam setzt die
QUIJOTE-Hymne (vgl. nächste Seite) ein und wird – mit zunehmender Ergriffenheit von DON
QUIJOTE – präsenter.
WIRT                   Am 25. Januar Don Albertus vier Silberlinge für ein Abendessen.
SANCHO                 Amen.
WIRT                   1. Februar Frau Rodriges, fünf Eier und ein Schinken sowie zwei
                       Flaschen Wein. Sechs Silberlinge.
SANCHO                 etwas irritiert Amen.
WIRT                   3. Februar Barbier Nicolas, fünf Krüge Bier und eine Bohnensuppe.
                       Zwei Silberlinge.
SANCHO                 Aber das ist ja …
WIRT                   Du sollst nach unten sehen!
SANCHO                 Amen.

                                                                                                 11
WIRT                    Ein Nachtlager für einen Verrückten, der sich für einen Ritter hält und
                        dessen Knecht sowie eine Erbsensuppe mit Brot.
SANCHO                  Also das ist doch die Höhe.
DON QUIJOTE             energisch zu SANCHO Amen!
SANCHO                  Amen.
WIRT                    Nun, da ich die heiligen lateinischen Worte gesprochen habe, werde
                        ich Euch in die Ritterschaft schlagen. Er legt ihm das Schwert auf die eine
                        und dann auf die andere Schulter.
DON QUIJOTE             ergriffen Ich bin bereit, mein Gönner. Aber Ihr habt noch die
                        lateinische Zauberformel vergessen, die zu jeder Ritterschlagung
                        notwendig dazugehört.
WIRT                    genervt Ja, sicher, da habt Ihr völlig recht. Denkt sich was aus Äh,
                        Rabulix, Rabulax.
DON QUIJOTE              total ergriffen mit glänzenden Augen Jetzt ist es so weit. Dulcinea und
                        die ganze Welt, seht her!
Die QUIJOTE-Hymne wird jetzt sehr laut, Don Quijote nimmt sie wahr und ist irritiert darüber.
Dann aber ist er in höchster Ergriffenheit.

Quijote-
Quijote-Hymne (gesungen von mehreren Jungfern)
                                        Jungfern)
Wir loben den mutigen Ritter der Mancha, wir preisen deine Tapferkeit,
und die Saftmut gegen Sancho Pansa, deine viel gerühmte Gerechtigkeit.
Wir preisen dich und deine Taten, Erneurer der heilgen Ritterschaft,
bist gut zu Guten, strafst die Bösen, bist immer mutig und ehrenhaft.
Wir loben den mutigen Ritter der Mancha, wir preisen deine Tapferkeit,
und die Saftmut gegen Sancho Pansa, deine viel gerühmte Gerechtigkeit.

Die Musik wird leiser und verliert sich.
WIRT                    Hiermit schlage ich Euch zum Ritter. Der Wirt schlägt ihm das Schwert
                        mit ein wenig Nachdruck auf den Kopf. Erhebt Euch, Ritter Don Quijote
                        aus der Mancha.
DON QUIJOTE steht mit stolzgeschwellter Brust auf.
DON QUIJOTE             ergriffen Ich danke Euch, edler Burgherr.
SANCHO                  Das ist doch alles ein Scherz.
WIRT                    Und nun, Herr Ritter, solltet Ihr schleunigst losziehen und Eure
                        Abenteuer suchen. Es ist schon Tag und die anderen Ritter und
                        Drachen und Riesen stehen früh auf.

                                                                                                12
DON QUIJOTE   Nun Sancho, was sagst du? Glaubst du mir jetzt, dass dies eine echte
              Burg ist und dass alles so eintreffen wird, wie ich es dir gesagt habe.
SANCHO        Wenn Ihr es sagt, dann wird es wohl so sein. Ich kenne mich mit
              diesen Dingen nicht aus, wie Ihr wohl wisst.
DON QUIJOTE   So ist es. Aber der Wirt, äh, der Burgherr hat ganz Recht. Ich dürste
              nach Abenteuern. Er geht hinter die Mauer und setzt sich auf sein Pferd.
              Lass uns aufbrechen. Rosinante, mein treuer Schimmel, trag mich zu
              meinem nächsten Abenteuer. Ich strotze nur so vor Kampesflust.
              Komm endlich, Sancho, sei nicht so träge. Er reitet weg.
SANCHO        Ich komme schon. Er geht auch hinter die Mauer.

                                                                                        13
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