KFW-MITTELSTANDSPANEL 2020 CORONA-PANDEMIE TRÜBT ERWARTUNGEN FÜR 2020 - MITTELSTAND VOR DER KRISE AUF SOLIDEM FUNDAMENT - KFW RESEARCH
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KfW Research KfW-Mittelstandspanel 2020 Corona-Pandemie trübt Erwartungen für 2020 – Mittelstand vor der Krise auf solidem Fundament
Jährliche Analyse zur Struktur und Entwicklung des Mittelstands in Deutschland Impressum Herausgeber KfW Bankengruppe Abteilung Volkswirtschaft Palmengartenstraße 5-9 60325 Frankfurt am Main Telefon 069 7431-0, Telefax 069 7431-2944 www.kfw.de Redaktion KfW Bankengruppe Abteilung Volkswirtschaft research@kfw.de Dr. Juliane Gerstenberger Telefon 069 7431-4420 Dr. Michael Schwartz Telefon 069 7431-8695 ISSN 1867-1470 Copyright Titelbild Quelle: Getty Images / Fotograf: YouraPechkin
Corona-Pandemie trübt Erwartungen für 2020 – Mittelstand vor der Krise auf solidem Fundament Kurzüberblick der aktuellen Corona-Situation: Kurzüberblick der Entwicklung im Jahr 2019: Anfang März erreichte die Covid-19-Pandemie Die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre Deutschland und führte zu einem historischen Ein- haben es den KMU ermöglicht, ihre Krisenfestigkeit bruch der Wirtschaftsleistung, der einzigartig war in deutlich zu stärken. Auch im Jahr 2019 legten Be- der Schnelligkeit seiner Ausbreitung, seiner Tiefe schäftigung, Umsätze und Investitionen abermals zu. und seines globalen Ausmaßes. Mit der schrittwei- Die Dynamik hat sich im Vergleich zu den Vorjahren sen Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen folgte aber bereits abgeschwächt. Denn das gesamtwirt- zwar ein kräftiger Erholungskurs. Die Corona-Betrof- schaftliche Wachstum in Deutschland hat bereits vor fenheit der kleinen und mittleren Unternehmen der Corona-Krise merklich an Schwung verloren. (KMU) in Deutschland bleibt dennoch hoch und der weitere Verlauf der Krise ungewiss. Das KfW-Mittelstandspanel 2020 zeigt im Detail: Der Beschäftigungsaufbau der KMU setzte sich 2019 fort Dementsprechend gedämpft sind die Erwartungen – wenn auch zögerlicher als in den Vorjahren. Der der Mittelständler für das Jahr 2020. Dies zeigt die Mittelstand konnte seine Bedeutung als Arbeitgeber dritte repräsentative Sonderbefragung von KfW Re- ungeachtet dessen weiter ausbauen. Die kräftige search von Anfang September 2020. Mehr als jedes Binnennachfrage ließ auch die Umsätze der KMU zweite KMU – rund 2 Mio. Unternehmen – gehen wieder steigen. Aber die schwächelnde Außen- demnach von sinkenden Umsätzen im laufenden wirtschaft setzte insbesondere dem Verarbeitenden Geschäftsjahr aus. Die erwarteten Rückgänge be- Gewerbe zu. Seit der Finanzkrise gab es in diesem laufen sich insgesamt auf etwa 12 % der Vorjahres- Segment kein so niedriges Umsatzwachstum. umsätze – dies entspricht rund 545 Mrd. EUR. Dennoch konnte der Mittelstand auch 2019 seine Die hohen Umsatzverluste belasten weiterhin die Li- Profitabilität steigern und sein finanzielles Polster quidität der Unternehmen, auch wenn sich die Lage noch einmal ausbauen – die Eigenkapitalquote stieg im Vergleich zum Frühjahr entspannt hat. Der Kos- auf einen neuen Rekordwert. Die finanzielle Situati- teneinsparungsdruck dürfte bei vielen Unternehmen on der KMU war vor dem Ausbruch der Corona- dennoch entsprechend hoch sein. Dies hat auch Krise in der Breite somit komfortabel. Folgen für die Beschäftigung; 16 % der KMU planen diese im Jahr 2020 zu reduzieren. Insgesamt könnte Auch der Investitionsaufschwung hielt an. Das die Anzahl der Erwerbstätigen im Mittelstand um sechste Jahr in Folge stiegen die Neuinvestitionen. rund 3,3 % abnehmen. Dies entspricht einem Verlust Die Zahl investierender KMU ging dennoch zurück. von fast 1,1 Mio. Arbeitsplätzen. Dies zeigt: Je investierendem Unternehmen wurde deutlich mehr Volumen eingesetzt. Treiber dieser Viele mittelständische Unternehmen haben verstärkt Entwicklung waren einmal mehr die Dienstleistun- mit Innovationen auf die Corona-Krise reagiert. Die gen. Merklich zurückhaltender war dagegen das hohe Unsicherheit dämpft dennoch die Investitions- Verarbeitende Gewerbe. laune des Mittelstands. Noch nie haben so viele KMU geplante Investitionsprojekte abgebrochen, Stärker als im Vorjahr setzten KMU 2019 zur Finan- verschoben oder in geringerem Umfang umgesetzt zierung ihrer Investitionen auf Kredite. Das einge- wie im laufenden Geschäftsjahr. setzte Volumen war so hoch wie noch nie. Insbe- sondere kurzfristige Kredite waren gefragt. Das ge- Auch der seit Jahren anhaltende Positivtrend bei den stiegene Volumen verteilt sich jedoch auf deutlich Eigenkapitalquoten dürfte sich 2020 aufgrund von weniger Kreditnehmer. Die Ticketgröße nahm ent- Verlusten und einer gestiegenen Kreditaufnahme sprechend stark zu. Die KMU profitierten dabei von seitens der Unternehmen nicht fortsetzen. Die Ge- einem weitestgehend guten Kreditzugang. Auch die fahr einer Überschuldung in der Breite des Mittel- Eigenmittelnutzung zog wieder an. Fördermittel wur- stands ist dennoch überschaubar. Denn die KMU den dagegen so wenig eingesetzt wie noch nie. standen vor der Krise auf einem soliden Fundament.
Teil 1: Corona-Update – trotz sommerlicher Erholung bleiben Erwartungen für das Gesamtjahr 2020 gedämpft Covid-19-Pandemie hat Wirtschaft in Schockstarre Tiefpunkt der Finanzkrise im Jahr 2009. 5 Insbesondere versetzt die Geschäftserwartungen waren im Frühjahr so pes- Nach einem für den deutschen Mittelstand weitestge- simistisch wie noch nie zuvor (-57,6 Saldenpunkte). So hend glänzenden Jahrzehnt, in welchem die Unter- schnell wie es abwärts ging, so schnell ging die Stim- nehmen Beschäftigung und Umsätze kräftig ausweiten mung im Mittelstand mit Beginn der Lockerungen je- konnten (siehe dazu Teil 2), folgte im Frühjahr 2020 doch wieder aufwärts. Bereits im Mai konnte gut ein der Schock. Anfang März erreichte die Covid-19-Pan- Fünftel der Stimmungseinbrüche von März und April demie Deutschland und führte zu einem historischen wieder wettgemacht werden.6 Das mittelständische Einbruch der Wirtschaftsleistung, der in Geschwindig- Geschäftsklima hat sich zwar im Verlauf des Sommers keit, Tiefe und Breite einzigartig war. weiter aufgehellt und lag im September bei -6,8 Sal- denpunkte, der Schwung hat aber merklich nachgelas- Um eine weitere Ausbreitung des Virus zu minimieren sen. Das Vorkrisenniveau vom Februar (0,9 Salden- und so eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu punkte) bleibt weiterhin ein gutes Stück entfernt.7 verhindern, wurden im Lauf des März entsprechende Eindämmungsmaßnahmen umgesetzt. Diese haben Grafik 1: Geschäftsklima Mittelstand sowohl das öffentliche Leben als auch viele Wirt- Angaben jeweils in Saldenpunkten schaftsaktivitäten teilweise zum Stillstand gebracht. Es 30 wird geschätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung während des vom 23. März bis 19. April andauernden 20 Lockdowns etwa 20 % unter dem Vorkrisenniveau lag. 1 10 Die Geschäftsschließungen betrafen insbesondere den 0 stationären Einzelhandel, das Hotel- und Gastgewerbe -10 aber auch viele persönliche Dienstleistungen. Das Ver- arbeitende Gewerbe stand aufgrund unterbrochener -20 Lieferketten teilweise still. Die Folge war ein histori- -30 scher Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) im zweiten Quartal um 9,7 % – dem Tiefpunkt der Krise.2 -40 -50 Seitdem geht es wieder aufwärts. Auf den starken Ein- bruch im Frühjahr folgte mit der schrittweisen Aufhe- -60 2016 2017 2018 2019 2020 bung der Eindämmungsmaßnahmen ein kräftiger Erho- lungskurs, der über den Sommer anhielt. Unterstützend Geschäftsklima Lage Erwartungen wirkten dabei auch die politischen Stabilisierungsmaß- Quellen: KfW-ifo-Mittelstandsbarometer, KfW Research, ifo Institut. nahmen. Für das dritte Quartal wird mit einem kräftigen Wiederanstieg des BIP gerechnet. Die Dynamik der Corona-Betroffenheit geht langsam zurück Erholung hat allerdings bereits nachgelassen und die Die beträchtliche wirtschaftliche Aufholjagd spiegelt Rückkehr auf das Vorkrisenniveau dürfte eher zäh sich auch in einem Rückgang der Corona-Betroffenheit verlaufen. Zudem bleibt der weitere Verlauf der Krise der mittelständischen Unternehmen wider (Grafik 2). im Herbst und Winter ungewiss. Insgesamt rechnet Dies zeigt die dritte Sondererhebung im Rahmen des KfW Research für 2020 mit einem Rückgang des jah- KfW-Mittelstandspanels von Anfang September 2020 resdurchschnittlichen BIP um rund 6 %. 3 deutlich. Im April – dem bisherigen Tiefpunkt der Krise – hatten rund 80 % der KMU mit einer oder mehreren Stimmung hellt sich im Mittelstand auf, aber Folgen der Pandemie zu kämpfen.8 Bis Juni sank die- Unsicherheit bleibt hoch ser Anteil auf 72 %.9 Anfang September waren es nur Die Corona-Krise hat auch den Mittelstand schwer ge- noch 63 %. Trotz des deutlichen Rückgangs ist damit troffen. Das mittelständische Geschäftsklima verzeich- aber weiterhin ein Großteil der KMU in Deutschland nete im März und April – über alle Branche hinweg – – rund 2,4 Mio. Unternehmen – von der Corona-Krise einen historischen Absturz (Grafik 1).4 Mit -45,4 Sal- betroffen. denpunkten war die Stimmung noch schlechter als am Seite 3
KfW Research Grafik 2: Aktuelle Betroffenheit im Mittelstand durch Corona-Krise (Stand: 14. September 2020) Anteil der Unternehmen in Prozent 50 Nachfragerückgang führt zu Umsatzeinbußen 61 58 31 Reduzierte Liquidität 33 44 Störungen im Geschäftsbetrieb aufgrund des Ausfalls von 9 14 Mitarbeitern 25 12 Reduktion des Absatzgebietes 18 18 9 Störungen in der Lieferkette beeinflussen Produktion 13 17 10 Schwierigkeiten, Gehälter zu zahlen 10 15 6 Geschäftstätigkeit derzeit vollständig eingestellt 4 14 4 Miete für Geschäftsräume kann nicht mehr bezahlt werden 2 7 4 Kreditrückzahlung eingestellt / nicht mehr möglich 3 5 4 Lieferanten können nicht mehr bezahlt werden 4 5 2 Leasingraten können nicht mehr bezahlt werden 1 4 Schwierigkeiten, Hygienevorschriften / Abstandsregeln 10 10 umzusetzen September Juni April Quellen: 1. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (2.–14. April 2020), 2. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (2.–12. Juni 2020) und 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). Wie schon im April und Juni machen Nachfragerück- Weiterhin sieht sich aber etwa jedes zehnte Unterneh- gänge unter allen möglichen Folgen den Unternehmen men mit Schwierigkeiten konfrontiert, die geltenden am häufigsten zu schaffen. Rund 1,9 Mio. Mittelständ- Hygienevorschriften bzw. Abstandsregeln umzusetzen. ler hatten noch Anfang September Umsatzverluste Den Geschäftsbetrieb komplett einstellen mussten rund aufgrund der Corona-Krise zu beklagen. Im Vergleich 6 % der KMU – etwas mehr als im Juni (+ 2 PP), aber zum Juni ist dies immerhin jedoch ein Rückgang von immer noch deutlich weniger als während des Lock- rund 400.000 KMU. Neben Umsatzeinbußen klagt auch downs im April (-9 PP). Nach wie vor spielen etwaige weiterhin eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen Zahlungsschwierigkeiten von Leasingraten (+1 PP auf vor allem über eine Belastung ihrer Liquidität. Aller- 2 %), Lieferanten (+/-0 PP auf 4 %), Krediten (+1 PP dings ist der Anteil betroffener KMU im Vergleich zum auf 4 %), Geschäftsraummieten (+2 PP auf 4 %) und Frühjahr gesunken und liegt mit 31 % niedriger als im Gehältern (+/-0 PP auf 10 %) zwar eine eher unterge- Juni (33 %) und deutlich unter dem Aprilwert (44 %). ordnete Rolle im Spektrum der Corona-Folgen – im Vergleich zum Juni ist der Anteil der davon betroffenen Ebenfalls positiv: Störungen im Geschäftsbetrieb auf- Unternehmen jedoch zum Teil gestiegen. Die Umsatz- grund des Ausfalls von Mitarbeitern treten mittlerweile rückgänge der letzten Monate scheinen die Zahlungs- merklich seltener auf als noch im Frühjahr (-5 Prozent- fähigkeit einiger KMU immer stärker zu belasten. punkte auf 9 %). Die Rückkehr zum Normalbetrieb in Deutschlands Kindertagesstätten und Schulen dürfte Corona-Krise trifft Branchen sehr unterschiedlich hier eine entscheidende Rolle gespielt haben. Proble- Was die Corona-Krise von vielen anderen Krisen der me bei Absatz und Beschaffung sind ebenfalls rückläu- Vergangenheit unterscheidet, ist u. a. die Breite der fig. Nur noch 12 % der Mittelständler berichten über ein Betroffenheit. Keine Branche blieb von den Auswirkun- verkleinertes Absatzgebiet (-6 Prozentpunkte im Ver- gen verschont (Grafik 3). Lediglich Unternehmen im gleich zum Juni). Produktionsprobleme aufgrund ge- Baugewerbe melden im Vergleich zum restlichen Mit- störter Lieferketten melden lediglich noch 9 % der KMU telstand etwas seltener Probleme durch die Pandemie (-4 Prozentpunkte). (44 versus 63 % im gesamten Mittelstand). Die Seg- mentbetrachtung zeigt aber auch: Die Probleme sind je nach Branche unterschiedlich. Seite 4
KfW-Mittelstandspanel 2020 Grafik 3: Corona-Betroffenheit nach Branche Anteil der Unternehmen in Prozent 65 Von Corona-Krise betroffen 63 62 44 52 Nachfragerückgang führt zu Umsatzeinbußen 49 53 33 32 Reduzierte Liquidität 28 29 24 8 Störungen im Geschäftsbetrieb aufgrund des Ausfalls von 13 Mitarbeitern 12 10 10 Reduktion des Absatzgebietes 16 17 15 5 Störungen in der Lieferkette beeinflussen Produktion 23 21 16 Dienstleistungen Verarbeitendes Gewerbe Handel Bau Quelle: 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). So berichten KMU des Verarbeitenden Gewerbes deut- Hohe Umsatzeinbrüche im Jahr 2020 erwartet lich häufiger über Störungen der Lieferkette als Dienst- Trotz der Aufholjagd in den Sommermonaten lassen leistungsunternehmen (23 versus 5 %). Ursache dafür sich die hohen Lockdown-bedingten Umsatzverluste ist die deutlich stärkere Verzahnung des Verarbeiten- der Monate März bis Mai für die kleinen und mittleren den Gewerbes mit internationalen Lieferketten. Zwar ist Unternehmen nicht so leicht wieder aufholen. Auch die der freie Warenverkehr in der EU mittlerweile wieder weiterhin bestehenden Hygieneauflagen lassen in vie- weitestgehend hergestellt. Außerhalb Europas gibt es len Unternehmen noch immer keinen Normalbetrieb zu jedoch aufgrund des weiterhin hohen Infektionsge- und dämpfen daher die Umsatzentwicklung. Hinzu schehens zum Teil noch immer restriktive Maßnahmen kommt die hohe Unsicherheit über die weitere Entwick- wie Grenzschließungen. Dies könnte auch ein Grund lung der Pandemie im Herbst und Winter. Die im Sep- dafür sein, warum mehr KMU des Verarbeitenden Ge- tember geäußerten Umsatzerwartungen der Mittel- werbes im Vergleich zu anderen Branchen eine Ver- ständler für das Gesamtjahr 2020 sind daher eher pes- kleinerung ihres Absatzgebietes melden (16 versus simistisch – auch im Vergleich zu den gesamtwirt- 12 % im gesamten Mittelstand). Auch Handelsunter- schaftlichen Prognosen. nehmen und Unternehmen des Baugewerbes melden häufiger Probleme beim Absatz (17 und 15 % versus Mehr als jedes zweite mittelständische Unternehmen 9 %) bzw. Beschaffung (21 und 16 % versus 9 %). geht davon aus, dass seine Umsätze im laufenden Ge- schäftsjahr unter dem Vorjahresniveau liegen werden. Ebenfalls problematischer als für den Rest des Mittel- Im Durchschnitt erwarten diese Unternehmen einen stands scheint für das Verarbeitende Gewerbe der Umsatzrückgang von rund einem Viertel – dies ent- Ausfall von Mitarbeitern zu sein (13 versus 9 %). Dies spricht im Mittel etwa 400.000 EUR. (Grafik 4). Jedes ist vermutlich auf eine geringere Homeoffice-Fähigkeit vierte KMU erwartet dagegen, dass seine Umsätze im in der Produktion zurück zu führen. Ähnliches trifft auch Jahr 2020 stabil bleiben. Nur 6 % gehen von steigen- auf Handelsunternehmen zu (12 versus 9 %). den Umsätzen aus. Alles in allem könnten die Gesamt- umsätze des deutschen Mittelstands im laufenden Ge- In der Baubranche berichtet dagegen nur jedes dritte schäftsjahr um rund 12 % einbrechen – etwa doppelt Unternehmen von Umsatzeinbußen – im Vergleich zu so viel wie in der Finanzkrise (-6,2 %). Dies würde ei- jedem zweiten im gesamten Mittelstand. Im Handel und nem Rückgang von rund 545 Mrd. EUR entsprechen. im Dienstleistungssektor klagt darüber mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 und 52 %). Seite 5
KfW Research Grafik 4: Umsatzerwartungen für das Jahr 2020 nach Segmenten Anteil Unternehmen Durchschnittlicher Durchschnittlicher Erwartete mit erwartetem Umsatzrückgang in Prozent Umsatzrückgang in Tsd. EUR Umsatzentwicklung in Prozent Umsatzrückgang in Prozent (wenn Rückgang erwartet) (wenn Rückgang erwartet) (alle Unternehmen) FuE VG 53 -16 -2.800 -11 Sonst VG 57 -17 -1.000 -9 Bau 33 -19 -170 -4 Handel 56 -32 -800 -14 Wiss DL 61 -31 -225 -13 Sonst DL 54 -28 -590 -14 Weniger als 10 Beschäftigte 55 -32 -160 -21 10 bis 49 51 -26 -1.000 -10 50 und mehr Beschäftigte 56 -21 -5.100 -9 Mittelstand gesamt 55 -25 -400 -12 Hinweis: Abgebildet ist der erwartete Rückgang des Umsatzes im Gesamtjahr 2020 im Vergleich zum Umsatz im Jahr 2019. Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2020 in Verbindung mit 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). Ein Großteil davon dürfte auf die Dienstleistungsunter- von insgesamt etwa 4 % hin. Zwar haben im Vergleich nehmen entfallen – die mit einem Anteil von 76 % die merklich weniger KMU in der Baubranche negative Er- Mehrzahl der Unternehmen im Mittelstand stellen. Im wartungen geäußert (33 versus 55 %) – die von diesen Segment der Wissensintensiven Dienstleistungen Unternehmen erwarteten prozentualen Rückgänge lie- rechnen sechs von zehn KMU mit sinkenden Umsätzen gen mit rund 19 % dennoch auf einem vergleichsweise im Gesamtjahr 2020. Die betroffenen Unternehmen hohen Niveau. gehen von Einbußen von fast einem Drittel ihrer Vor- jahresumsätze aus (-31 %). Dies entspricht im Schnitt Auch mittelfristig schwache Umsatzerwartungen rund 225.000 EUR. Die Gesamtumsätze dieses Seg- Die Corona-Krise wird die Umsätze der KMU auch mit- ments könnten 2020 um etwa 13 % zurückgehen. Ähn- telfristig belasten (Grafik 5). Demnach geht rund jeder lich pessimistische Erwartungen haben auch Unter- vierte Mittelständler (26 %) davon aus, dass seine Um- nehmen der sonstigen Dienstleistungen und des Han- sätze in den kommenden drei Jahren (2020–2022) un- dels. ter dem Niveau von 2019 liegen werden. Nur 27 % er- warten steigende Umsätze. Dies ist das Ergebnis der In beiden Teilbranchen des Verarbeitenden Gewerbes im Frühjahr 2020 durchgeführten KfW-Mittelstands- (FuE-intensives Verarbeitendes Gewerbe, Sonstiges panel Hauptbefragung. Verarbeitendes Gewerbe) melden ebenfalls die Mehr- heit der KMU negative Umsatzerwartungen (53 und Noch nie haben so viele Unternehmen im KfW-Mittel- 57 %). Die davon betroffenen Unternehmen gehen standspanel negative (mittelfristige) Umsatzerwartun- aber durchschnittlich von niedrigeren prozentualen gen geäußert wie im aktuellen Erhebungsjahr. Der An- Umsatzeinbußen aus, als dies in anderen Branchen teil der KMU mit pessimistischen Erwartungen lag im der Fall ist (-16 und -17 %). Die Absolutwerte liegen je- Durchschnitt der letzten zehn Jahre bei 17 %. Auch der doch deutlich über dem Wert der anderen Mittelstands- Saldo aus positiven abzüglich negativen Umsatzerwar- segmente. Im Schnitt könnten die Umsatzrückgänge je tungen war mit 1 Punkt noch nie so gering (Durch- Unternehmen rund 2,8 Mio. bzw. 1,0 Mio. EUR betra- schnitt der letzten zehn Jahre: 19 Saldenpunkte). gen. Im Aggregat dürften in diesen Mittelstandsseg- menten die Umsätze im Jahresvergleich um etwas Die Einschätzungen der KMU variieren dabei deutlich mehr als ein Zehntel zurückgehen (-11 und -9 %). in Abhängigkeit vom Befragungszeitpunkt: Von den im Februar befragten Unternehmen erwarteten nur rund Trotz der grundsätzlich geringen Betroffenheit der 21 % mittelfristig sinkende Umsätze. Im April – dem Baubranche werden vermutlich auch hier für das Ge- Höhepunkt der Krise – waren es mit 32 % spürbar samtjahr Umsatzverluste anstehen. Die im September mehr. geäußerten Umsatzerwartungen deuten auf ein Minus Seite 6
KfW-Mittelstandspanel 2020 Grafik 5: Mittelfristige Umsatzerwartungen im Mittelstand bis 2022 Angaben in Prozent Umsatzentwicklung 2020–2022 26 46 27 3 Jahres-Umsatzerwartungen 17 47 36 Durchschnitt 2010–2019 Sinken Gleich bleiben Steigen Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2010–2020. Liquiditätslage entspannt sich teren 23 % bis zu zwei Monaten. Die hohen Umsatzverluste belasten insbesondere die Liquidität vieler Unternehmen. Denn durch das Weg- Die Liquiditätslage im Mittelstand hat sich in den ver- brechen bzw. den Rückgang von Umsatzerlösen kön- gangenen Monaten somit etwas entspannt. Dazu bei- nen viele KMU ihre Liquiditätsreserven nicht mehr in getragen haben zum einen die sich nach der Locke- ausreichender Menge auffüllen. Stehen den Unter- rung der Pandemieeindämmungsmaßnahmen erholen- nehmen nicht mehr hinreichend liquide Mittel (z. B. den Umsatzzahlen. Zum anderen zeigen auch die zahl- Bargeld, Bankguthaben, Schecks etc.) zur Verfügung, reichen auf Bund- und Länderebene erfassten Maß- um laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukom- nahmen zur Unterstützung der Unternehmen in men, droht die Zahlungsunfähigkeit und letztendlich die Deutschland Wirkung. Diese umfassen z. B. ein erwei- Insolvenz. tertes Kurzarbeitergeld sowie die Möglichkeiten der Stundung von Gewerbemieten, Sozialversicherungs- Grafik 6: Liquidität bis Einstellung Geschäfts- beiträgen oder Steuern. Auch das KfW-Sonderpro- tätigkeit gramm sowie Zuschüsse für Selbstständige und kleine Gerechnet jeweils ab dem 1. des Befragungsmonats, Anteile Unter- Unternehmen haben geholfen, Liquiditätsengpässe zu nehmen in Prozent) überbrücken.10 31 Ausreichend Reserven 25 19 Mittlerweile verfügt wieder rund jeder dritte Mittelständ- 6 ler nach eigener Auskunft generell über ausreichend Bis zu 12 Monate 6 7 Liquiditätsreserven – dies bedeutet einen Anstieg um 22 6 Prozentpunkte im Vergleich zur Vorerhebung und Bis zu sechs Monate 24 22 12 Prozentpunkte im Vergleich zu Anfang April. Weite- 23 re 22 % der Unternehmen können zumindest auf liqui- Bis zu zwei Monate 24 33 de Mittel für bis zu sechs Monate zurückgreifen (-2 PP 12 im Vergleich zum Juni), und rund 6 % haben Liquidi- 3–4 Wochen 16 14 tätsreserven von bis zu einem Jahr, bevor die Einstel- 5 lung des Geschäftsbetriebs droht (+/-0 PP im Vergleich 1–2 Wochen 5 4 zum Juni). Stichtag 01.09.2020 Stichtag 01.06.2020 Stichtag 01.04.2020 Umsatzverluste erhöhen aber den Kostendruck Quelle: 1. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 Die erwarteten hohen Umsatzeinbrüche im Jahr 2020 (2.–14. April 2020), 2. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstands- dürften die Gewinne der Unternehmen spürbar schmä- panel 2020 (2.–12. Juni 2020) und 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). lern. Zahlreiche Mittelständler könnten sogar in die Ver- lustzone rutschen. In welchem Ausmaß die Umsatz- Im Vergleich zu den Befragungen Anfang April und An- einbußen die Gewinne der KMU belasten werden, fang Juni ist der Anteil an KMU mit kurzfristigen Liquidi- hängt letztendlich stark davon ab, wie gut es den Un- tätsproblemen inzwischen merklich gesunken (Gra- ternehmen gelingt ihre Kostenstruktur an die schwache fik 6). Die Septemberbefragung zeigt: Käme es zu ei- Umsatzentwicklung anzupassen. nem erneuten Lockdown mit vergleichbaren Maßnah- men wie zuletzt, verfügten lediglich rund 5 % aller KMU Der Mittelstand hat bereits in der letzten Krise bewie- über Liquiditätsreserven, die maximal 1–2 Wochen sen, dass er trotz hoher Umsatzeinbußen weiterhin ausreichen, bevor die Einstellung bzw. Aufgabe der profitabel agieren und Gewinne erzielen kann. So gin- Geschäftstätigkeit droht. Bei 12 % der Unternehmen gen 2009 die Umsätze der kleinen und mittleren Unter- reichen die liquiden Mittel bis zu vier Wochen, bei wei- nehmen zwar um 6,2 % zurück, die Umsatzrendite Seite 7
KfW Research sank jedoch nur leicht von 5,6 auf 5,1 % und der Anteil anhaltende Beschäftigungsaufbau im Mittelstand ein an KMU mit Verlusten war sogar rückläufig (2008: Ende finden. 15 %, 2009: 13 %). Damals erwies sich insbesondere die Dienstleistungsbranche als wichtiger Stabilisator für Ein Grund dafür, warum sich die Corona-Krise deutlich die Ertragslage im Mittelstand. negativer auf die Beschäftigung im gesamten Mittel- stand auswirkt als dies in der Finanzkrise der Fall war, Die aktuelle Krise ist gemessen an der Höhe der erwar- ist die aktuell hohe Betroffenheit von Dienstleistungs- teten Umsatzeinbrüche und der Breite der betroffenen unternehmen. Im Jahr 2009 waren es insbesondere Branchen jedoch gravierender. Die Profitabilität der KMU des Verarbeitenden Gewerbes, die Beschäftigung KMU war vor der Krise in der Gesamtsicht zwar äu- reduziert haben. Unternehmen der Wissensintensiven ßerst solide – die durchschnittliche Umsatzrendite lag Dienstleistungen haben damals ihre Beschäftigung bei 7,5 % (siehe Teil 2) – und auch die politischen Sta- ausgebaut und sorgten so für einen positiven Beschäf- bilisierungsmaßnahmen helfen aktuell noch vielen Un- tigungssaldo im gesamten Mittelstand. Insgesamt ternehmen Umsatzverluste auszugleichen. Dennoch 400.000 neue Stellen (inklusive Inhaber) wurden von dürften insbesondere KMU, die vor der Krise eine nied- KMU 2009 geschaffen. rige Umsatzrendite aufwiesen, unter einem erhöhten Kostensenkungsdruck stehen – sollen am Ende des Möglicher Stellenabbau insbesondere bei den Jahres noch Gewinne zu Buche stehen. Dies kann sich Dienstleistern sehr hoch auch negativ auf die Beschäftigung im Mittelstand In der aktuellen Krise sind es jedoch gerade Unter- auswirken. nehmen der Wissensintensiven Dienstleistungen, die überdurchschnittlich häufig planen ihre Mitarbeiterzahl 1,1 Mio. Beschäftigte im Mittelstand gefährdet zu reduzieren. Rund jedes fünfte KMU in dieser Bran- Die von den KMU Anfang September geäußerten Be- che plant einen Abbau (versus 16 % im gesamten Mit- schäftigungserwartungen deuten für das Jahr 2020 be- telstand) – und diesen sogar umfangreicher als in an- reits stark auf einen Beschäftigungsabbau hin. Dem- deren Mittelstandssegmenten (-31 versus -21 %). Nur nach gehen 16 % der KMU davon aus, dass sie ihre im FuE-intensiven Verarbeitenden Gewerbe wollen mit Beschäftigung im Vergleich zum Jahr 2019 reduzieren 21 % anteilig noch mehr KMU ihre Beschäftigtenzahl werden (Grafik 7). Im Durchschnitt könnte bei diesen im laufenden Geschäftsjahr reduzieren. Bei diesen fällt Unternehmen etwa jeder fünfte Arbeitsplatz abgebaut der geplante Abbau im Umfang jedoch geringer aus werden (-21 %). Rund zwei Drittel der Mittelständler (-9 %). planen, die Anzahl der Beschäftigten stabil zu halten. Lediglich 5 % der KMU wollen im aktuellen Geschäfts- Erfüllen sich die im September geäußerten Erwartun- jahr Beschäftigung aufbauen. gen der KMU könnten im gesamten Verarbeitenden Gewerbe im Geschäftsjahr 2020 rund 150 Tsd. Arbeits- Pläne, die Beschäftigung zu reduzieren, wurden insbe- plätze verloren gehen, im Dienstleistungssektor sogar sondere von KMU mit negativen Umsatzerwartungen fast 750 Tsd. Weitere 125 Tsd. Stellen stehen im Han- für 2020 geäußert. In dieser Gruppe meldet rund jedes del auf der Kippe. Dagegen erscheint der mögliche Ab- vierte Unternehmen einen geplanten Stellenabbau im bau von rund 28 Tsd. Beschäftigten im Baugewerbe laufenden Geschäftsjahr (23 %). Werden steigende fast moderat. Umsätze erwartet, sind es weniger als halb so viele (10 %). Dass der Beschäftigungsabbau insbesondere Die von den KMU geäußerten Beschäftigungserwar- Unternehmen trifft, die krisenbedingt unter einem höhe- tungen erscheinen in Anbetracht des aktuellen ge- rem Kostendruck stehen, zeigt auch ein Blick auf die samtwirtschaftlichen Beschäftigungsstands (August: Umsatzrenditen. KMU mit Stellenabbauplänen hatten -670.000 im Vergleich zum Jahresbeginn) zwar sehr vor der Krise mit 5,3 % eine deutlich niedrigere Um- pessimistisch. Allerdings befinden sich nach aktuellen satzrendite als solche die im Jahr 2020 ihr Beschäfti- Schätzungen immer noch über 4 Mio. Beschäftigte in gung stabil halten (7,5 %) oder erhöhen wollen (10 %). Kurzarbeit. Diese hohe Zahl zeigt, dass die Unterneh- men zwar grundsätzlich bestrebt sind, Beschäftigte zu Auf Basis der von den KMU gemeldeten Erwartungen halten. Es ist dennoch keineswegs sicher, dass alle könnte die Beschäftigung im Mittelstand im Jahr 2020 von Kurzarbeit Betroffenen später tatsächlich an ihren um rund 3,3 % abnehmen. Dies entspräche einem Ver- angestammten Arbeitsplatz zurückkehren können. lust von fast 1,1 Mio. Arbeitsplätzen – etwa so viel, wie in den letzten drei Jahren im Mittelstand aufgebaut wurde. Damit würde der seit 2006 fast ungebrochen Seite 8
KfW-Mittelstandspanel 2020 Grafik 7: Erwartungen zur Beschäftigungsentwicklung im Jahr 2020 nach Segmenten Angaben in Prozent Anteil Unternehmen Durchschnittlicher Erwartete mit erwartetem Beschäftigungsabbau Beschäftigungsentwicklung Beschäftigungsabbau (wenn Abbau geplant) (alle Unternehmen) FuE VG 21 -9 -2 Sonst VG 13 -12 -3 Bau 12 -17 -1 Handel 14 -17 -3 Wiss DL 19 -31 -3 Sonst DL 14 -23 -4 Unter 10 Beschäftigte 16 -43 -7 10–49 19 -21 -4 50 und mehr Beschäftigte 24 -12 -1 Mittelstand gesamt 16 -21 -3 Hinweis: Abgebildet ist der erwartete Rückgang der Beschäftigung im Gesamtjahr 2020 im Vergleich zur Beschäftigung im Jahr 2019. Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2020 in Verbindung mit 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). E-Commerce als Rettungsanker? sitivtrend bei den Eigenkapitalquoten dürfte sich im lau- Doch die Krise macht die Unternehmen auch erfinde- fenden Geschäftsjahr wohl nicht fortsetzen. Denn die risch. Eine Sonderbefragung von Anfang April hat ge- zu erwartenden Verluste zehren am Eigenmittelpolster zeigt, dass insgesamt 43 % der mittelständischen Un- der Unternehmen. Zusätzlich mussten nicht wenige ternehmen aufgrund der Corona-Krise Anpassungen KMU im Laufe der Krise Kredite aufnehmen, um etwai- am Produkt- / Dienstleistungsangebot, am Geschäfts- ge Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Durch das in modell sowie insbesondere an ihrem Vertrieb vorge- der Folge steigende Verhältnis von Fremd- zu Eigen- nommen haben.11 Letzteres wurde von zahlreichen kapital wird die Eigenkapitalquote der Unternehmen KMU auf Telefon oder Internet umgestellt. Hochge- weiter unter Druck gesetzt. Auf die Dauer erhöht dies rechnet auf alle mittelständischen Unternehmen haben die Gefahr einer Überschuldung und Insolvenz. 13 % der Unternehmen ihren Vertrieb zum größten Teil umgestellt, bei weiteren 20 % erfolgte die Umstellung Grafik 8: Art und Umfang der aufgrund der Corona- zumindest teilweise; 9 % planten zum Befragungszeit- Krise vorgenommenen Anpassungen punkt noch, ihren Vertreib entsprechend anzupassen Anteile in Prozent (Grafik 8). Vertrieb über Telefon / 13 20 9 E-Commerce-Aktivitäten12 könnten vielen KMU helfen Internet Umsätze zu generieren, die auf herkömmlichen Ver- triebswegen (beispielsweise stationärer Handel, Au- Neue Dienstleistungen 3 14 15 ßendienst, Messeauftritte) aufgrund der noch immer bestehenden Beschränkungen nicht zu Stande kom- 1 men. Dies trifft auch auf Dienstleistungsunternehmen Neue Produkte 8 8 zu, die digitale Vertriebskanäle bisher vergleichsweise selten nutzen (siehe Teil 2). 1 Neues Geschäftsmodell 6 9 Eigenkapitalquoten der KMU – die Rekordjagd geht Größtenteils Zum Teil Geplant zu Ende Die Corona-Krise hat nicht nur dem seit Jahren anhal- Quelle: 1. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (2.–14. April 2020). tenden Beschäftigungsboom ein Ende gesetzt. Auch der seit der Jahrtausendwende fast ungebrochene Po- Seite 9
KfW Research Der hohe Bestand an Eigenkapital, den die KMU seit sich somit größtenteils aus einem Rückgang von Un- der Jahrtausendwende aufgebaut haben – 2019 er- ternehmen mit noch unklaren Erwartungen. Während reichte die durchschnittliche Eigenkapitalquote einen im Juni 27 % der KMU noch nicht einschätzen konnten, neuen Rekordwert von 31,8 % (siehe Teil 2) – hat ihre wie sich ihre Eigenkapitalquote im laufenden Ge- Resilienz gegenüber Krisen jedoch deutlich gestärkt schäftsjahr entwickelt, waren es im September nur und könnte den Unternehmen helfen, in der aktuellen 15 %. Situation Verluste über eine längere Zeit bilanziell zu verkraften. Zudem schont der damit spiegelbildlich ein- Wie stark Umsatzerwartungen und Erwartungen zur hergehende niedrigere Schuldenstand die Liquidität der Entwicklung der Eigenkapitalquote zusammenhängen Unternehmen, denn zusätzliche Belastungen durch verdeutlicht Grafik 10. Mehr als die Hälfte der KMU mit Zins- und Tilgungszahlungen werden reduziert. Eine pessimistischen Umsatzerwartungen für 2020 geht von hohe Eigenkapitalquote und die damit verbundene hö- einer sinkenden Eigenkapitalquote aus. Unternehmen, here Bonität könnten den KMU in der aktuellen Situati- die im laufenden Jahr steigende Umsätze erwarten, on gleichzeitig auch helfen, leichter an Fremdkapital zu glauben dagegen mehrheitlich, dass ihre Eigenkapital- kommen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. quote steigen wird (60 %). Daher ist es auch nicht überraschend, dass vor allem Unternehmen des Sons- Auch wenn die Gefahr einer Überschuldung für die tigen Verarbeitenden Gewerbes sowie der Wissensin- Breite des Mittelstands überschaubar ist – mit einer tensiven Dienstleistungen überdurchschnittlich pessi- Zunahme des Verschuldungsgrads bzw. einem Rück- mistisch bei der Einschätzung zur diesjährigen Ent- gang der Eigenkapitalquoten kann dennoch gerechnet wicklung ihrer Eigenkapitalquoten sind. Insbesondere werden. Darauf deuten auch die Erwartungen der mit- erstere haben sich in der Vergangenheit jedoch ein telständischen Unternehmen hin. äußerst komfortables Eigenkapitalpolster aufgebaut. Ih- re Eigenkapitalquote lag zuletzt bei 41,1 %. Grafik 9: Erwartete Entwicklung der Eigenkapital- quote im Jahr 2020 Grafik 10: EKQ-Erwartungen je Umsatzerwartung Anteile in Prozent Anteile in Prozent 2 9% Umsätze sinken Steigt 51 6% 40 % 15 Bleibt gleich Umsätze bleiben gleich 39 % 16 36 % Sinkt 60 29 % Umsätze steigen 0 15 % Noch unklar 27 % EKQ steigt EKQ sinkt September Juni Quelle: 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020). Quelle: 2. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (2.–12. Juni 2020) und 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittel- standspanel 2020 (1.–14. September 2020). Corona-Krise lässt Investitionspläne platzen und könnte auch langfristig hemmend wirken Etwa 36 % der KMU gehen davon aus, dass ihre Ei- Aufgrund der Krise scheinen viele KMU ihre Investiti- genkapitalquote im laufenden Geschäftsjahr sinken onsprojekte für dieses Jahr auf Eis zu legen. Bis Sep- wird (Grafik 9). Im Vergleich zur Befragung Anfang Juni tember wurden deutlich seltener als in den Vorjahren – hier lag der Anteil der KMU mit negativen Erwartun- Investitionsvorhaben planmäßig umgesetzt. Ursache gen noch bei 29 % – scheinen die Unternehmen beim dafür ist nicht nur die hohe Unsicherheit über die weite- Blick auf ihre Eigenkapitalausstattung mittlerweile so- re wirtschaftliche Entwicklung.13 Zahlreiche Unterneh- gar pessimistischer. Weiterhin rechnen aber noch im- men haben zur Deckung ihrer Liquiditätslücke – insbe- mer 40 % der Mittelständler mit einer stabil bleibenden sondere im Frühjahr – auch auf Mittel zurückgegriffen, Eigenkapitalquote (+1 PP im Vergleich zum Juni) und die eigentlich für Investitionen eingeplant waren. immerhin 9 % der KMU gehen von einer steigenden Eigenkapitalquote für 2020 aus (+3 PP). Die Zunahme Von den 56 % der KMU, die für das Jahr 2020 Investi- von Unternehmen mit negativen Erwartungen erklärt tionen angedacht hatten, haben nur 47 % diese wie Seite 10
KfW-Mittelstandspanel 2020 geplant durchgeführt (Grafik 11). Zum Vergleich: Zwi- Zudem besteht die Gefahr, dass sich ihre Folgen noch schen 2012 und 2019 lag dieser Anteil bei 75 %. Etwa länger als hemmend für Investitionen und Innovationen dreimal so viele KMU wie in den vergangenen Jahren erweisen können. Denn viele Unternehmen werden üblich, haben mindestens ein Investitionsvorhaben post-Corona einem Zielkonflikt gegenüberstehen: Stär- komplett aufgegeben (18 versus 6 % in 2019). Mindes- kung der finanziellen Resilienz durch Wiederauffüllen tens ein Investitionsvorhaben auf einen späteren Zeit- der (liquiden) Reserven und der Eigenkapitalausstat- punkt verschoben haben 30 % der KMU mit Investiti- tung sowie Rückführung der Verschuldung versus onsplänen. Rund 6 % haben mindestens ein Investiti- Stärkung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit onsvorhaben in geringerem Umfang umgesetzt. durch Investitionen, Innovationen und Digitalisierung. Durch die Krisenerfahrung könnte kurz- bis mittelfristig Für 2020 muss daher mit einem merklichen Rückgang ersteres zunächst präferiert werden und es so zu einer der Investitionsausgaben im Mittelstand und auch in (temporären) Zurückhaltung bei Investitionen kommen. der Gesamtwirtschaft gerechnet werden. Ob die Aus- wirkungen der Corona-Krise ähnlich stark ausfallen wie Daher gilt: Unsicherheit reduzieren und Impulse die der Finanzkrise 2009 ist noch unklar. Damals sind setzen die Investitionen im Mittelstand gegenüber dem Vorjahr Trotz der komfortablen Ausgangslage der meisten mit- um 16,1 % (34 Mrd. EUR) zurückgegangen. Fällt der telständischen Unternehmen in Deutschland wird die prozentuale Einbruch 2020 im selben Maß aus, beliefe Corona-Krise tiefe Spuren hinterlassen. Nicht nur in sich der Rückgang der Investitionsausgaben im Mittel- den Bilanzen der Unternehmen, auch in den Köpfen stand auf rund 36 Mrd. EUR. der Unternehmerinnen und Unternehmer. Vorsicht und Zurückhaltung könnten das Handeln vieler in der kom- Die mittelständischen Unternehmen haben nach der menden Zeit bestimmen. Dies auch vor dem Hinter- Finanzkrise etwa zwei Jahre gebraucht, um den Ein- grund, dass die Covid-19-Pandemie noch immer nicht bruch wieder aufzuholen und ähnlich viel zu investieren überstanden und die Gefahr erneut restriktiver Maß- wie vor der Krise – auch wenn sich die Investitionstä- nahmen nicht aus der Welt ist. tigkeit nach 2011 nur schleppend weiterentwickelt hat. Es ist fraglich, ob der Aufholprozess der KMU nach der Es ist wichtig dem entgegenzuwirken. Und zwar durch Corona-Krise ebenso schnell ablaufen wird. gezielte wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zum ei- nen Unsicherheit reduzieren und zum anderen auch Grafik 11: Umsetzung geplanter Investitionsvorha- Impulse setzen, um die in der Krise liegenden Chancen ben im Jahr 2020 zu nutzen. Denn die Corona-Krise hat auch (notge- Anteil der Unternehmen in Prozent drungen) den Erfindergeist in vielen Unternehmen ge- weckt, sie haben Geschäftsmodelle angepasst und in 7 8 10 13 7 10 6 6 9 9 7 5 6 6 digitalen Lösungen umgesetzt. Diesen unmittelbaren 18 Digitalisierungsschub aus der Krise gilt es in langfristi- 14 16 15 16 16 21 21 21 19 18 18 20 ge und tiefer greifende Veränderungen und damit in 22 20 4 5 2 5 4 Produktivitätssteigerungen und Wettbewerbsfähigkeit 5 4 5 6 5 4 3 30 zu übersetzen. 7 5 6 76 75 75 74 76 66 66 67 68 71 73 72 62 62 47 Vollständige Aufgabe Verschiebung Verminderung des Volumens Umsetzung wie Plan Quellen: 3. Corona-Sondererhebung KfW-Mittelstandspanel 2020 (1.–14. September 2020), KfW-Mittelstandspanel 2007–2020 Seite 11
Teil 2: 2019 – dank guter Performance solide Ausgangsbasis des Mittelstands vor der Corona-Krise Jobs im Mittelstand 2019: neuer Höchstwert vor Gedämpfte Entwicklung insbesondere im Verarbei- Corona tenden Gewerbe Der seit 2006 fast ungebrochen anhaltende Beschäfti- Vor der Corona-Krise zeigte sich nicht nur die Entwick- gungsaufbau in den kleinen und mittleren Unterneh- lung der Beschäftigung, sondern auch die der Vollzeit- men (KMU) in Deutschland hat sich auch im vergange- äquivalente (VZÄ)15 im Mittelstand kontinuierlich posi- nen Jahr fortgesetzt. Demnach waren vor der Corona- tiv. Dies gilt zwar auch für 2019, die starke Dynamik Krise 32,3 Mio. Personen in mittelständischen Unter- der Vorjahre konnte jedoch nicht gehalten werden: Die nehmen erwerbstätig. Das ist ein Zuwachs von Wachstumsrate der VZÄ-Beschäftigten ging merklich 541.000 Erwerbstätigen bzw. 1,71 % gegenüber dem zurück auf 1,9 % (2018: 3,3 %). Dies ist der niedrigste Vorjahr (Grafik 12). Dem Plus im Mittelstand im Jahr Wert seit der Finanzkrise und liegt deutlich unter dem 2019 stand jedoch – erstmals seit 2016 – ein Beschäf- Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre von 2,6 % tigungsabbau bei den Großunternehmen und im öffent- (Grafik 14). Die nachlassende Dynamik betraf alle lichen Sektor gegenüber (Reduktion um 159.000 Be- Branchen, war aber besonders gravierend bei den Un- schäftigte). 2019 gingen in Deutschland insgesamt ternehmen im Sonstigen Verarbeitenden Gewerbe rund 45,2 Mio. Personen einer Erwerbstätigkeit nach. 14 (+0,4 %) und im FuE-intensiven Verarbeitenden Ge- Das sind 382.000 Erwerbstätige oder 0,85 % mehr als werbe16 (+1,8 %) (Grafik 13). im Vorjahr. Auch die Dienstleistungsbranchen – im Jahr 2018 noch Trotz der nachlassenden Dynamik im Jahr 2019 – die tragende Säule des Beschäftigungsaufbaus im Mittel- Beschäftigungsentwicklung der vergangenen 15 Jahre stand – blieben 2019 zwar auf Wachstumskurs, waren war mehr als beeindruckend. Auf gesamtwirtschaftli- jedoch etwas zurückhaltender als in den Vorjahren. cher Ebene wurden seit 2005 rund 5,9 Mio. zusätzliche Insbesondere die Unternehmen der sonstigen Dienst- Stellen geschaffen. Dies entspricht einem Anstieg von leistungen17 weiteten ihre Beschäftigung nur noch sehr 15 %. Davon entfielen rund 98 % – d. h. 5,8 Mio. zu- zögerlich aus (+1,5 %). Einzig die Baubranche erzielte sätzliche Beschäftigte – auf die mittelständischen Un- 2019 mit 1,9 % ein im Vergleich zu den letzten 15 Jah- ternehmen. Als Arbeitgeber hat der Mittelstand somit ren überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum.18 kontinuierlich an Bedeutung zugelegt. Der KMU-Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erreich- te 2019 mit 71,2 % sogar einen neuen Höchstwert. Im Jahr 2006 lag dieser Wert noch bei 66 %. Grafik 12: Erwerbstätigkeit im Mittelstand Erwerbstätige im Mittelstand (links) / Anteil Mittelstand an der gesamten Erwerbstätigkeit in Deutschland in Prozent (rechts) 71,3 32,3 Mio. 70,8 68,5 31,3 Mio. 67,7 67,5 67,2 67,3 67,3 29,5 Mio. 66,5 66,2 28,6 Mio. 28,1 Mio. 26,5 Mio. 27,2 Mio. 26,2 Mio. Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2002–2020. Seite 13
KfW Research Grafik 13: Jährliches Beschäftigungswachstum im Mittelstand nach Branchen seit 2010 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% 2010 2019 2010 2019 2010 2019 2010 2019 2010 2019 FuE-intensives Sonstiges Verarbeitendes Bau Wissensintensive Sonstige Dienstleistungen Verarbeitendes Gewerbe Gewerbe Dienstleistungen Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2011–2020. Nach einem Rückgang im Jahr 2018 hat die Anzahl der Wachstumsdynamik war in allen Segmenten des Mit- Teilzeitbeschäftigten im vergangenen Jahr wieder zu- telstands zu beobachten. Der Gesamtumsatz aller gelegt. Sie wuchs um 1,5 % im Jahresvergleich. Mit KMU lag 2019 bei rund 4.600 Mrd. EUR. 2,6 % noch stärker ausgeweitet wurden die Vollzeitstel- len im Mittelstand. In der langfristigen Perspektive hat Industrieller Mittelstand und große KMU bereits die Teilzeitbeschäftigung dennoch an Bedeutung zu- 2019 mit Wachstumsschwächen genommen. Diese Entwicklung ist Ausdruck genereller Die schwächelnde Außenwirtschaft hat es 2019 insbe- Trends in Deutschland: Die geleisteten Arbeitsstunden sondere der Industrie schwer gemacht. Dies spiegelt gehen langfristig zurück, trotz gleichzeitig zunehmen- sich deutlich in den Wachstumsraten der KMU des der Erwerbstätigkeit. Dies ist vor allem auf die wach- Verarbeitenden Gewerbes sowie der größeren Mittel- sende Bedeutung flexibler Arbeitszeitmodelle zurück- ständler wider (für Detailergebnisse siehe den zugehö- zuführen. Das geht auch am Mittelstand nicht vorbei. rigen Tabellenband19 – eine Übersicht gibt Grafik 15). Mit einem Umsatzplus von nur 0,7 % waren die KMU KMU auch 2019 mit Umsatzplus – aber deutlich des Sonstigen Verarbeitenden Gewerbes das Schluss- schwächer als zuvor licht im Branchenvergleich. Die rekordhohen Erwerbstätigenzahlen im Jahr 2019 und das spürbare Reallohnwachstum haben dazu ge- Grafik 14: Jährliche Wachstumsrate der führt, dass der Konsum im vergangenen Jahr abermals Beschäftigung und des Umsatzes kräftig zugelegt hat. Auch die Bauinvestitionen haben Angaben in Prozent in ihrer Dynamik nicht nachgelassen. Die solide Bin- 10,0 9,4 nennachfrage hat sich somit ein weiteres Jahr als kon- 8,1 junkturelle Stütze präsentiert. Davon konnte auch der 7,6 6,7 tendenziell inlandsorientierte Mittelstand profitieren. 5,2 4,9 Der soliden Inlandsnachfrage stand jedoch ein schwie- 4,7 3,9 4,4 riges außenwirtschaftliches Umfeld gegenüber – das 4,3 3,3 3,3 3,3 2,5 2,4 3,5 geprägt war von globaler wirtschaftspolitischer Unsi- 2,8 2,8 2,7 2,7 0,4 2,6 2,3 cherheit, Handelskonflikten und Brexit-Sorgen. Dies hat 2,1 1,9 1,9 0,8 insbesondere die exportabhängige Industrie stark be- lastet. Die alles in allem eher schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2019 (nominales BIP-Wachstum: Beschäftigungswachstum Umsatzwachstum +0,6 %) spiegelt auch die Entwicklung im Mittelstand wider. Zwar sind die Umsätze der mittelständischen Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2006–2020. Unternehmen im Jahresvergleich abermals gestiegen – das Plus von 3,5 % fiel aber merklich niedriger aus als in den Vorjahren (Grafik 14). Eine nachlassende Seite 14
KfW-Mittelstandspanel 2020 Grafik 15: Umsatz- (links) und Beschäftigungswachstum (rechts) im Mittelstand nach Segmenten Wachstumsraten in Prozent Gesamter Mittelstand 3,5 1,9 Unter 5 Beschäftigte 3,9 2,0 5 bis 9 Beschäftigte 3,3 2,0 10 bis 49 Beschäftigte 4,1 3,1 ab 50 Beschäftigte 2,9 1,2 FuE-intensives Verarbeitendes Gewerbe 2,6 1,8 Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe 0,7 0,4 Bau 4,2 1,9 Wissensintensive Dienstleistungen 3,7 3,0 Sonstige Dienstleistungen 4,3 1,5 Quelle: KfW-Mittelstandspanel 2020. Unternehmen des FuE-intensiven Verarbeitenden mer Zeit verstärkt auf Digitalisierung. So erzielten im Gewerbes erreichten zwar ein Umsatzwachstum von Jahr 2019 rund 650.000 KMU Umsätze über E-Com- 2,6 % – dieses lag jedoch merklich unter dem langjäh- merce. Dies entspricht etwa 17 % aller mittelständi- rigen Mittel von 5,6 %. In beiden Teilbranchen des schen Unternehmen. Dabei wurden über den Online- Verarbeitenden Gewerbes gab es seit der Finanzkrise Vertriebsweg rund 243 Mrd. EUR umgesetzt. Der Bei- keine so niedrigen Umsatzwachstumszahlen (Gra- trag, den E-Commerce zum Gesamtumsatz eines Un- fik 16). Auch größere Mittelständler mit 50 und mehr ternehmens beisteuert, ist zuletzt kontinuierlich gestie- Beschäftigten verzeichneten mit 2,9 % ein unterdurch- gen: Lag der entsprechende Anteil im Jahr 2015 bei schnittliches Umsatzwachstum.20 20 %, stieg er im Jahr 2018 auf 26 % und im vergan- genen Jahr auf 27 % – sofern ein Unternehmen Online- KMU aus dem Baugewerbe konnten an ihre starke Per- Umsätze generierte. Etwas mehr als ein Viertel der on- formance der letzten Jahre zwar nicht anknüpfen lineaktiven KMU erzielte sogar mehr als die Hälfte sei- – verbuchten aufgrund des anhaltenden Booms im ner Umsätze über den digitalen Vertriebsweg. Wohnungsbau dennoch ein kräftiges Umsatzplus von 4,2 %. Auch die Umsatzentwicklung im Dienstleis- Auch wenn E-Commerce nicht für jedes Unternehmen tungssektor zeigte sich 2019 im Vergleich stabil. gleichermaßen geeignet ist, so bietet es für viele KMU dennoch große Potenziale: Von der Erschließung neu- E-Commerce – Potenzial noch nicht ausgeschöpft er Kundengruppen, über eine Erhöhung der Markt- Beim Vertrieb ihrer Produkte und Dienstleistungen set- reichweite bis hin zu vielfältigen Möglichkeiten, mit dem zen auch kleine und mittlere Unternehmen seit gerau- Grafik 16: Jährliches Umsatzwachstum im Mittelstand nach Branchen seit 2010 14 % 12 % 10 % 8% 6% 4% 2% 0% 2010 2019 2010 2019 2010 2019 2010 2019 2010 2019 FuE-intensives Sonstiges Verarbeitendes Bau Wissensintensive Sonstige Dienstleistungen Verarbeitendes Gewerbe Gewerbe Dienstleistungen Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2011–2020. Seite 15
KfW Research Wandel der Kundenbedürfnisse Schritt zu halten. Ins- deutlich höhere 21 %. besondere in der aktuellen Krise konnten viele Unter- nehmen dieses Potenzial nutzen, um Umsatzeinbrüche Die hohe Profitabilität bietet den Unternehmen in der abzudämpfen. Auch für die weitere Bewältigung bieten aktuellen Krise einen Puffer, um Umsatzverluste abzu- sich gerade für noch wenig digitalisierte Mittelständler federn, ohne in die Verlustzone zu rutschen. Chancen in den neuen Technologien. Bau und große KMU mit Renditezuwächsen Profitabilität unverändert hoch Die hohen Umsatzzuwächse der KMU aus dem Bau- Trotz nachlassender Wachstumsraten konnten die mit- gewerbe haben 2019 auch die Gewinne der Unter- telständischen Unternehmen 2019 ihre Profitabilität nehmen in dieser Branche wieder steigen lassen (Gra- noch einmal steigern: Die durchschnittliche Umsatz- fik 17, rechts): Ihre Profitabilität erreicht mit durch- rendite21 im Mittelstand nahm geringfügig um 0,1 Pro- schnittlich 9,6 % einen neuen Höchstwert (+1,6 Pro- zentpunkte auf 7,5 % zu (Grafik 17). Die Profitabilität zentpunkte ggü. Vorjahr). Auch Unternehmen der Wis- im Mittelstand tritt damit seit 2015 zwar ungefähr auf sensintensiven Dienstleistungen22 profitierten von gu- der Stelle. Allerdings ist die Entwicklung über einen ten Umsatzzahlen und konnten die Renditeeinbußen längeren Zeitraum betrachtet dennoch positiv. Im Jahr des Vorjahres z. T. wieder gut machen. Die mittlere 2006 lag die mittlere Umsatzrendite nur bei 4,4 %. Sie Umsatzrendite der KMU dieses Segments lag 2019 bei hat damit zum aktuellen Stand um zwei Drittel bzw. um 12,3 %. Die schwache Umsatzentwicklung im Verarbei- mehr als 3 Prozentpunkte zugenommen. tenden Gewerbe konnte dagegen nicht durch einen Profitabilitätsschub ausgeglichen werden. Die Umsatz- Nicht nur im Durchschnitt, auch in der Verteilung ins- renditen in beiden Teilbranchen des Verarbeitenden gesamt zeigen sich die erheblichen Verbesserungen Gewerbes gingen zurück. der vergangenen Jahre. Deutlich mehr KMU hatten 2019 eine hohe und deutlich weniger KMU eine niedri- Die mit Abstand höchste Profitabilität im Vergleich der ge Rendite. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben Größenklassen wiesen auch im vergangenem Jahr vor allem die soliden Umsätze bzw. Umsatzzugewinne Kleinstunternehmen auf (Grafik 17, links) – wenn auch des Mittelstands in den vergangenen Jahren: ein leichter Rückgang zu verzeichnen war (-0,4 Pro- zentpunkte auf 14,6 %). Große KMU konnten erstmals ‒ 2019 wiesen rund 60 % der Unternehmen eine hohe seit fünf Jahren jedoch ihre Umsatzrendite wieder leicht Profitabilität von über 10 % auf, im Jahr 2006 lag erhöhen – auf rund 4,3 % (+0,1 Prozentpunkte ggü. dieser Wert noch bei lediglich 43 %. Vorjahr). In der längerfristigen Perspektive zeigen die Unternehmen dieser Größenklasse seit 2005 dennoch ‒ Gleichzeitig sank der Anteil an KMU mit einer nega- die geringsten Profitabilitätsfortschritte. Seit 2012 findet tiven Umsatzrendite auf 9 %, im Jahr 2006 waren es nahezu nur noch eine Seitwärtsbewegung statt. Grafik 17: Umsatzrenditen im Mittelstand nach Größenklassen (links) und Branchen (rechts) Größenklassen nach Vollzeitäquivalent-Beschäftigten, Angaben in Prozent 12,8 14,6 14,6 14,6 12,8 13,8 12,3 9,9 9,7 9,2 9,6 11,4 7,9 7,3 7,2 7,5 6,6 7,1 5,6 5,1 5,4 5,7 6,0 5,4 4,8 5,3 5,5 5,4 4,9 6,1 4,6 4,4 3,6 3,9 4,3 4,9 4,1 5,2 4,7 4,2 4,5 4,2 4,3 4,0 3,8 3,3 3,1 3,9 3,2 3,0 Weniger als 10 10 bis 49 FuE-intensives Verarbeitendes Gewerbe 50 und mehr Gesamter Mittelstand Sonstiges Verarbeitendes Gewerbe Bau Wissensintensive Dienstleistungen Sonstige Dienstleistungen Handel Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2006–2020. Seite 16
KfW-Mittelstandspanel 2020 Die Kluft zwischen kleinen und großen KMU bleibt so- ten Eigenmittelausstattung waren Änderungen in der mit bestehen: Kleine Mittelständler waren im Jahr 2019 Bankenregulatorik (Basel II) zu Beginn der 2000er- rund 3,4-mal profitabler als große KMU. Dies ist aller- Jahre. Diese zwangen KMU sich stärker mit ihren ei- dings auch betriebswirtschaftlich notwendig, da kleine- genen Risiken und ihrer Bonität auseinanderzusetzen, re Unternehmen aufgrund kleinerer Losgrößen nicht wollten sie ihren Kreditzugang nicht gefährden. Neben bzw. kaum von Skalenerträgen profitieren können. Hin- strategischen Überlegungen zur Bonitätsverbesserung zu kommt, dass gerade große Mittelständler in den zu- waren in den letzten Jahren aber auch die Wahrung rückliegenden Jahren überproportional Beschäftigung der Unabhängigkeit des Unternehmens, der Wunsch aufgebaut haben (siehe Tabellenband). Dieser Auf- nach höherer Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen- wuchs an Arbeitskräften könnte mit überproportional zeiten sowie der Erhalt von Flexibilität wichtige Motive gestiegenen Personalkosten einhergegangen sein. der KMU ihre Eigenmittel aufzustocken. Die Erinnerun- gen an Kreditrestriktionen während der Finanzkrise wa- Positiver Trend bei Eigenkapitalquote setzte sich ren vielen mittelständischen Unternehmen noch lange 2019 fort präsent.24 Die stabilen Umsatzrenditen haben dazu beigetragen, dass KMU auch im Jahr 2019 ihre Eigenmittelausstat- Die Anstrengungen der letzten Jahre dürften sich in der tung weiter ausbauen konnten. Der seit Anfang der Corona-Krise auszahlen. Die hohe Eigenmittelausstat- 2000er-Jahre zu beobachtende Positivtrend setzte sich tung bietet den Unternehmen ein Polster, um Verluste somit auch im vergangenen Jahr fort. Die durchschnitt- bilanziell länger zu verkraften. liche Eigenkapitalquote23 erhöhte sich nochmals leicht und stieg auf 31,8 % (Grafik 18, links). Gleichzeitig ging Spreizung zwischen kleinen und großen KMU legte auch der Anteil von KMU mit einer niedrigen Eigenkapi- erneut zu talquote (unter 10 %) auf 28,2 % zurück (Grafik 18, Die erneut positive Entwicklung der Eigenmittelausstat- rechts). Ebenso erfreulich: Nach einem Dämpfer im tung wurde im vergangenen Jahr insbesondere von Jahr 2018 legte im vergangenen Jahr auch der Anteil großen KMU getrieben (Grafik 19, links). Die durch- sehr gut kapitalisierter KMU (Eigenkapitalquote von schnittliche Eigenkapitalquote in diesem Segment klet- 30 % und mehr) wieder zu und kletterte auf 42 %. terte auf einen Rekordwert von 37 % – ein Anstieg um 15 Prozentpunkte seit 2002. Bei den kleinen KMU setz- Die Eigenmittelausstattung der kleinen und mittleren te sich dagegen die seit 2013 anhaltende Seitwärtsbe- Unternehmen in Deutschland war vor dem Ausbruch wegung fort (22 %). Die Spreizung der Eigenkapital- der Corona-Krise in der Gesamtsicht somit äußerst quoten zwischen kleinen und großen KMU nahm somit komfortabel. Seit dem Jahr 2002 hat die durchschnittli- 2019 noch einmal zu. KMU mit 10 bis 49 Beschäftigten che Eigenkapitalquote im Mittelstand um 13 Prozent- mussten im vergangenen Jahr einen Rückgang ihrer punkte zugelegt. Auslöser für das gestiegene Bewusst- Eigenkapitalquote verkraften. Sie lag mit 31,5 % den- sein des Mittelstands für die Bedeutung einer adäqua- noch auf einem sehr hohen Niveau. Grafik 18: Grundlegende Kennzahlen zur Eigenkapitalquote im Mittelstand Angaben jeweils in Prozent 31,8 46,0 31,2 46,4 29,7 30,0 42,3 41,5 26,6 27,4 43,3 39,1 38,1 25,4 38,8 23,9 24,1 25,0 26,2 22,5 34,5 20,5 18,4 28,7 30,0 30,1 19,6 28,9 28,2 19,3 19,2 17,0 23,0 15,6 15,3 14,3 Mittelwert Median Eigenkapitalquote unter 10 % (gesamter Mittelstand) Eigenkapitalquote mindestens 30 % (gesamter Mittelstand) Quellen: KfW-Mittelstandspanel 2003–2020. Seite 17
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