DEMOGRAFIE 2020 Wie deutsche Unternehmen dem demografisch bedingten Führungskräftemangel begegnen - Odgers Berndtson

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DEMOGRAFIE 2020 Wie deutsche Unternehmen dem demografisch bedingten Führungskräftemangel begegnen - Odgers Berndtson
DEMOGRAFIE 2020
Wie deutsche Unternehmen dem demografisch
bedingten Führungskräftemangel begegnen

Claudia Scheuvens
VORWORT                                 INHALT

                                              Kommentar                  4
                                              Dr. Ursula von der Leyen
                                              Bundesministerin für
                                              Arbeit und Soziales

                                        1.    Anlass und Zielsetzung     5
                                              der Studie

                                        1.1   Zielsetzung                5

Der seit langem absehbare demo-
grafische Wandel ist nun Realität       1.2   Hinweise zur Methodik      5
geworden: Die deutschen Unterneh-
men sehen sich mit dramatischen
Veränderungen in der Verfügbarkeit      1.3   Statistik der befragten
von Führungskräften konfrontiert.             Unternehmen                6
Offene Positionen können häufig
nicht mehr adäquat besetzt werden.
Durch Hochschulabsolventen alleine      1.4   Management Summary         8
lässt sich die Nachfrage längst nicht
mehr decken, vielmehr sind zusätz-
liche Maßnahmen unverzichtbar.

Nachdem wir bereits im Jahr 2006
eine Befragung in deutschen Un-
ternehmen durchgeführt hatten,
war Zielsetzung unserer aktuellen
Befragung zu erfahren, wie die
Unternehmen sich auf diese Ver-
änderungen eingestellt haben.
Gleichzeitig wollen wir Praxisbei-
spiele vorstellen, von denen andere
Unternehmen nutznießen können.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass
die Verantwortlichen in den Unter-
nehmen zwar begonnen haben, sich
mit dem demografisch bedingten
Führungskräftemangel zu beschäf-
tigen. Die bisher ergriffenen Maß-
nahmen erscheinen allerdings weder
konsequent noch umfassend genug,
um ihm wirkungsvoll zu begegnen.

Claudia Scheuvens
Partner
2.    Demografischer                    10   3.2   Rekrutierung, Förderung           23
      Wandel bei                                   und längere Beschäftigung
                                                   älterer Führungskräfte
      Führungskräften
                                                   Experteninterview:
                                                   «Flexibilität und Belastbarkeit
2.1   Entwicklung des Führungskräfte-   10         sind keine Frage des Alters»
      potenzials in Deutschland                    Dr. Karl-Heinz Schrödl
                                                   Senior Vice President
                                                   Corporate Human
2.2   Situation und Problembewusst-     12         Resources Management,
      sein in den Unternehmen                      Robert Bosch GmbH

      Experteninterview:
      «Sprengsatz für den                    3.3   Ausbau des Anteils                28
      deutschen Arbeitsmarkt»                      weiblicher Führungskräfte
      PD Dr. Hilmar Schneider
      Direktor Arbeitsmarktpolitik,                Experteninterview:
      IZA Forschungsinstitut                       «Mehr Frauen in
      zur Zukunft der Arbeit GmbH                  Leuchtturmpositionen»
                                                   Kathrin Menges
                                                   Mitglied des Vorstands,
3.    Maßnahmen zur Lösung              19         Henkel AG & Co. KGaA
      des demografisch
      bedingten Führungs-                    3.4   Rekrutierung und Förderung        34
      kräftemangels                                ausländischer Führungskräfte

                                                   Experteninterview:
3.1   Rekrutierung und                  19         «Über den nationalen
      Förderung von                                Tellerrand hinausblicken und
      Nachwuchsführungskräften                     ungewöhnliche Wege gehen»
                                                   Alexandra Michels
      Experteninterview:                           Senior Vice President
      «Brüche zu Brücken machen»                   Global Human Resources,
      Mechthilde Maier                             Fresenius Kabi AG
      Senior Vice President
      Group Diversity Management,
      Deutsche Telekom AG                    4.    Fazit                             38

                                                                                          3
Kommentar
                                            Dr. Ursula von der Leyen
                                            Bundesministerin
                                            für Arbeit und Soziales

    Woher kommen die Führungskräfte         Eine neue Offenheit ist auch da      Entschiedeneres Handeln ist über-
    von morgen? Die Antwort auf diese       nötig, wo wir hochqualifizierten     fällig: Es darf keine gläserne Decke
    Frage wird mit darüber entscheiden,     Zuwanderern gleichermaßen            mehr geben, die dazu führt, dass
    ob es gelingt, unsere älter werdende    den Weg in unsere Betriebe und       die deutsche Wirtschaft unter ihren
    Gesellschaft fit zu machen für die      in unsere Gesellschaft ebnen         Möglichkeiten bleibt, während top-
    Zukunft. Denn der Demografische         müssen. Dafür arbeite ich in der     qualifizierte und motivierte Frauen
    Wandel führt zu dramatischen            Bundesregierung Tag für Tag.         ins Ausland abwandern.
    Veränderungen am Arbeitsmarkt:
    Bis 2025 werden wir über sechs          Doch nicht nur die Politik ist ge-   Auch das Bild des Alters ist inzwi-
    Millionen Menschen im erwerbs-          fordert. Die Unternehmen selbst      schen im Wandel. Angebote zur
    fähigen Alter weniger haben. Bereits    stehen in der Verantwortung,         Stärkung der physischen und psychi-
    jetzt spüren die Unternehmen den        tatkräftig anzupacken, um bisher     schen Gesundheit gewinnen für die
    zunehmenden Fachkräftemangel            ungenutzte Potenziale zu heben.      Personaler an Bedeutung, gerade
    in bestimmten Branchen. Und wo          Die Studie «Demografie 2020»         vor dem Hintergrund der verlänger-
    heute der Nachwuchs fehlt, können       liefert spannende Antworten auf      ten Lebensarbeitszeit. Mit altersge-
    morgen auch die Chefetagen nicht        die Frage, wie die 500 größten       mischten Teams wird der Wissens-
    mehr kompetent besetzt werden.          deutschen Unternehmen dem            transfer verbessert. Noch immer
                                            drohenden Führungskräfteman-         unterstellen viele Konzerne ihren
    Die gute Nachricht ist: Wir können      gel begegnen.                        älteren Führungskräften aber eine
    gegensteuern und unser Arbeits-                                              geringere Flexibilität und mentale
    kräftepotenzial deutlich steigern.      Demnach ist der Anteil an weib-      Belastbarkeit. Diese Vorurteile ge-
    Mit einer besseren Vereinbarkeit        lichen Führungskräften in den        hören endlich über Bord geworfen.
    von Familie und Beruf erleichtern       befragten Unternehmen in den
    wir den (Wieder-)Einstieg in den        vergangenen Jahren gestiegen.        Nachholbedarf offenbart die Studie
    Job insbesondere für Männer und         Manche Unternehmen haben er-         auch beim Thema ausländische
    Frauen, die beides wollen: Kinder       kannt: Gemischte Führungsteams       Führungskräfte. Derzeit bemühen
    und Karriere.                           erhöhen den Unternehmenserfolg.      sich viele Betriebe kaum, Spitzen-
                                            Flexible Arbeitszeitmodelle mit      kräfte aus dem Ausland zu gewin-
    Auch bei den älteren Beschäftigten      Karrierestrategien, Hilfe bei der    nen. Allerdings gibt es Lichtblicke:
    heißt es umdenken. Sie verfügen         Kinderbetreuung und frauenspe-       Die Unternehmen, die bereits um
    oft über enormes Fachwissen und         zifische Netzwerke sind auf dem      hochqualifizierte Zuwanderer wer-
    jahrlange Betriebserfahrung. Wenn       Vormarsch. Diese Unternehmen         ben, bieten diesen oft auch prak-
    wir sie fordern und in ihre Fort-       haben verstanden, wie sie sich       tische Unterstützung bei Umzug,
    bildung investieren, bleiben geistige   rechtzeitig positionieren und        Behördenkontakten sowie bei der
    Beweglichkeit, Innovationskraft         agieren modern, flexibel, nach-      Integration der Familien. Das ist ein
    und Kreativität bis ins hohe Alter      haltig. Das ist der richtige Weg.    erster Beitrag zu der Willkommens-
    erhalten.                               Allerdings bleibt in den meisten     kultur, die wir brauchen.
                                            Großkonzernen die oberste
                                            Managementebene weiter ein           Ich wünsche Ihnen interessante
                                            abgeschotteter Zirkel. Hier fehlen   Einblicke und Anregungen beim
                                            die Frauen nach wie vor. Ver-        Lesen. Ergreifen Sie die Chancen
                                            schiedene, unabhängige Studien       für eine zukunftsfeste Einstellungs-
                                            zeigen, dass solche Monokulturen     und Personalpolitik.
                                            dem Unternehmen schaden.
4
1.    ANLASS UND ZIELSETZUNG
      DER STUDIE

1.1   ZIELSETZUNG
      Bis zum Jahr 2020 wird sich              Diesen und weiteren Fragen sind
      der Anteil der über 50-jährigen          wir mit der vorliegenden Studie auf
      Führungskräfte drastisch erhöhen.        den Grund gegangen und haben die
      Während heute nur ein Viertel aller      500 größten deutschen Unterneh-
      Führungskräfte älter als 50 Jahre ist,   men zum demografisch bedingten
      wird in acht bis zehn Jahren bereits     Führungskräftemangel befragt.
      ein Drittel dieser Alterskategorie
      angehören. Gleichzeitig wird sich        Nachdem wir bereits im Jahr  
      aufgrund des geringeren Angebots         2006 zusammen mit dem IZA,
      der «War for Talent» bei den Jünge-      Forschungsinstitut zur Zukunft der
      ren erheblich verschärfen. Die Unter-    Arbeit, die erste Befragung und
      nehmen in Deutschland stehen             Bestandsaufnahme in deutschen
      damit vor einer ernsthaften Heraus-      Unternehmen durchgeführt hatten,
      forderung, ihre Innovations- und         war es Ziel dieser Studie, die Ent-
      Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.        wicklung der vergangenen Jahre
                                               zu dokumentieren sowie konkrete
      Wie sind die Unternehmen in              Handlungsempfehlungen und
      Deutschland auf diese Entwicklung        Best-Practice-Beispiele aufzuzeigen,
      vorbereitet? Welche Maßnahmen            um möglichst viele Unternehmen
      haben sie ergriffen, welche planen       in Deutschland zur Umsetzung ge-
      sie? Welche Strategien haben sich        eigneter Lösungen zu animieren.
      als gut erwiesen, welche nicht?

1.2   HINWEISE ZUR METHODIK
      Befragt wurden die obersten              Den Angaben der Unternehmen
      Verantwortlichen für den Bereich         zu ihren Führungskräften (siehe
      Personal der – nach der Anzahl ihrer     Kapitel 2.2) wurden die Ergebnisse
      Mitarbeiter – 500 größten deutschen      unserer ersten Befragung aus
      Unternehmen. Als Datengrundlage          dem Jahr 2006 soweit möglich
      wurde die Hoppenstedt Firmen-            gegenüber gestellt.
      datenbank herangezogen.
                                               Die vorliegende Befragung
      Den strukturierten Online-Frage-         wurde anonym im Sommer 2011
      bogen mit einer Kombination aus          von der GfK SE im Auftrag von
      Multiple-Choice-, Single-Choice-         Odgers Berndtson durchgeführt.
      sowie offenen und halboffenen
      Fragen haben 62 Unternehmen
      schriftlich oder telefonisch be-
      antwortet. Dies entspricht einer
      Responsequote von rund 13 %.

                                                                                      5
1.3                  STATISTIK DER
                         BEFRAGTEN UNTERNEHMEN

                         Die teilnehmenden Unternehmen        Unter «Führungskräften» sind
                         der Studie sind hinsichtlich der     Mitarbeiter mit Budget- und
                         Anzahl ihrer Beschäftigten breit     Personalverantwortung zu verstehen.
                         gestreut und kommen aus allen
                         Branchen der privaten Wirtschaft
                         sowie aus öffentlichen Verwaltun-
                         gen und Not-for-Profit-Organisa-
                         tionen. Die statistischen Angaben
                         stammen von den Unternehmen
                         selbst und beziehen sich auf ihren
                         Geschäftsbereich in Deutschland.

                         Abbildung 1

                         Befragte Unternehmen
                         nach Mitarbeiterzahl

    > 10.000                                                                       26

    5.001 bis 10.000                                                     24

    2.500 bis 5.000                                                                      29

    < 2.500                                                      21

    in % der Befragten            5        10         15       20             25              30        35

                         Abbildung 2

                         Befragte Unternehmen
                         nach Branchen

                                                                      Consumer Products & Services     27 %

                                                                      Financial Services               18 %

                                                                      Industrial                       18 %

                                                                      Automotive                       10 %

                                                                      Business & Professional Services 10 %

                                                                      Health Care                       5%

                                                                      Technology                        5%

                                                                      Media & Entertainment             3%

                                                                      Public Sector & Not for Profit    3%

                                                                      Energy & Utility                  1%

                                                                      in % der Befragten

6
Abbildung 3

                     Anzahl der Führungskräfte
                     in den Unternehmen

> 5.000                   5

1.001 bis 5.000               6

501 bis 1.000                                   18

201 bis 500                                                               39

101 bis 200                                14

50 bis 100                        8

< 50                                  10

in % der Befragten                    10             20   30                40      50

                     Abbildung 4

                     Führungskräfte nach
                     Geschlecht

                                                               männlich             78 %

                                                               weiblich             22 %

                                                               in % der Befragten

                                                                                           7
1.4   MANAGEMENT SUMMARY

          Situation und Entwicklung
          der Führungskräfte
          in Deutschland

          Nach den Berechnungen des IZA,
                                                 Das Demografieproblem
          Forschungsinstitut zur Zukunft
          der Arbeit, tritt die demografische
                                                 wird zur Chefsache
          Lücke bei Führungskräften spätes-
          tens ab dem Jahr 2020 deutlich
          zutage. Werden keine kurzfristigen     Das Thema «Demografie» ist über-
          Gegenmaßnahmen ergriffen, stehen       wiegend im Zuständigkeitsbereich
          den deutschen Unternehmen dann         von Human Resources (HR) an-
          20 % weniger Führungskräfte unter      gesiedelt, bei 40 % der Befragten
          50 Jahren zur Verfügung als heute.     jedoch bereits auch direkt auf der
                                                 Ebene der Unternehmensführung.
          Gleichzeitig geht die überwiegende
          Mehrheit der befragten Unterneh-       Die Unternehmen sind bereits
          men in den nächsten zehn Jahren        aktiv (61 %), wenn es um die ver-
          von einem steigenden oder gleich-      stärkte Anwerbung und Förderung
          bleibenden Bedarf an Führungskräf-     von Nachwuchsführungskräften
          ten aus. Im Befragungsjahr 2006        zur Lösung des demografisch
          rechneten noch mehr als ein Drittel    bedingten Führungskräftemangels
          der Befragten mit einem sinkenden      geht. Auch den Anteil weiblicher
          Bedarf.                                Führungskräfte bauen zunehmend
                                                 mehr Unternehmen (34 %) mit
                                                 Blick auf ihr Demografieproblem
          Deutliche Verschiebung der
                                                 systematisch aus.
          Altersstruktur bei Führungskräften
                                                 Nachwuchsführungskräfte und
          9 % der Führungskräfte in den be-
                                                 Frauen im Fokus – geringe Aktivi-
          fragten Unternehmen sind derzeit
          älter als 60 Jahre. Die Unternehmen
                                                 täten für Ältere und Ausländer
          erwarten, dass diese Zahl bis zum
          Jahr 2020 deutlich steigen wird:
          40 % der Befragten rechnen damit,      Ausländische Führungskräfte sind
          dass der Anteil der über 60-Jährigen   für die Mehrheit der deutschen
          bis zum Jahr 2020 zwischen 11 %        Unternehmen jedoch noch ein Zu-
          und 20 % liegen wird, 18 % gehen       kunftsthema, nur 5 % der Unterneh-
          sogar von einem Anteil von bis zu      men haben bisher entsprechende
          30 % aus.                              Maßnahmen etabliert. Auch bei der
                                                 Frage der längeren Beschäftigung
          70 % der Unternehmen sehen auf-        älterer Führungskräfte sind
          grund des demografischen Wandels       die Unternehmen äußerst zurück-
          Probleme auf sich zukommen. 7 %        haltend. Lediglich 10 % der Befrag-
          sehen sogar sehr große Probleme.       ten sind hier aktiv. Rund ein Fünftel
          Als Hauptauswirkung wird der Man-      der Unternehmen sieht in den bei-
          gel an Führungskräften – sowohl in     den Maßnahmenfeldern überhaupt
          quantitativer als auch in qualitati-   keine Option für die Zukunft.
          ver Hinsicht – genannt. Zusätzlich
          wird von vielen Unternehmen eine
          höhere Fluktuation erwartet.

8
Maßnahmen
in den Unternehmen

Bei der Rekrutierung des Füh-            Die Mehrheit der Unternehmen
rungsnachwuchses kommen vor              sieht Nachteile bei der Beschäfti-
allem klassische Methoden, wie           gung von älteren Führungskräf-
die Präsenz auf Messen, das Ange-        ten. Dabei gelten eine geringere
bot von Praktika oder die Unter-         Flexibilität und Belastbarkeit
stützung akademischer Arbeiten           Älterer als die größten Barrieren.
zum Einsatz. Modernere Methoden
wie Talent Management oder die
                                         Vielfältige Hindernisse bei
Nutzung von Internet und
Social Media befinden sich eher
                                         internationaler Rekrutierung
noch der Planungsphase.

                                         Die Erhöhung des Anteils ausländi-
Keine Sonderbehandlung
                                         scher Führungskräfte soll durch eine
                                         stärkere internationale Rekrutierung
für weibliche Führungskräfte
                                         und einen Austausch im Unterneh-
                                         mensverbund sowie die praktische
Statt auf frauenspezifische För-         Starthilfe bei Umzug und Behörden
derungen wie Mentoring, Coaching         etc. erreicht werden.
oder Netzwerke für Frauen setzen
die Unternehmen zum Ausbau des           Die große Mehrheit der befragten
Anteils ihrer weiblichen Führungs-       Unternehmen sieht dabei jedoch
kräfte mehr auf praktische Unter-        Hindernisse. Vor allem sprachliche
stützungsmaßnahmen wie flexible          Probleme, steuer- und sozialrecht-
Arbeitszeitmodelle, Hilfe bei der        liche Barrieren, Unterschiede in der
Haushalts- und Kinderbetreuung           Arbeits- und Unternehmenskultur
sowie Home-Office-Regelungen.            sowie die mangelnde Anerkennung
Zusätzlich soll die gezielte Rekrutie-   von Ausbildungs- und akademischen
rung von Frauen für Top-Führungs-        Abschlüssen werden hier genannt.
positionen verstärkt werden.
                                         Nur kombinierte
Ältere bieten noch
                                         Lösungswege wirkungsvoll
großes Potenzial
                                         Die Projektionen des IZA zeigen,
Maßnahmen für ältere Führungs-           dass der Lösungsweg «Ausbau
kräfte werden derzeit kaum prakti-       des Anteils weiblicher Führungs-
ziert. Für die Zukunft sind insbe-       kräfte» rein rechnerisch das größte
sondere Angebote zur gesundheit-         Potenzial hat, der demografisch
lichen und mentalen Prävention           bedingten Verknappung im Mana-
sowie ein stärkerer Wissenstransfer      gement entgegenzuwirken. Jedoch
zwischen Alt und Jung geplant.           nur durch die Kombination mit dem
                                         Lösungsweg «Längere Beschäftigung
                                         Älterer» kann die Zahl der Führungs-
                                         kräfte bis zum Jahr 2045 auf dem
                                         heutigen Niveau gehalten werden.

                                                                                9
2.                   Demografischer Wandel
                          BEI FÜHRUNGSKRÄFTEN

     2.1                  Entwicklung des
                          Führungskräftepotenzials
                          in Deutschland
                          Die folgenden Ausführungen                             Als Datenbasis für die Altersvertei-
                          basieren auf der aktuellsten Unter-                    lung von Fach- und Führungskräften
                          suchung des IZA Forschungsinsti-                       dient das Sozioökonomische Panel,
                          tut zur Zukunft der Arbeit, das die                    eine jährlich durchgeführte und
                          Verteilung von Fach- und Führungs-                     repräsentative Haushaltsbefragung
                          kräften in den jeweiligen Altersgrup-                  mit insgesamt über 21.000 Befrag-
                          pen mit den Jahrgangsstärken auf                       ten. Die 12. koordinierte Bevölke-
                          der Grundlage der 12. koordinierten                    rungsvorausberechnung des Statis-
                          Bevölkerungsvorausberechnung bis                       tischen Bundesamtes ist die derzeit
                          zum Jahr 2050 verknüpft hat.                           aktuellste Schätzung zur Bevölke-
                                                                                 rungsentwicklung in Deutschland.

                          Abbildung 5

                          Fach- und Führungskräfte in Deutschland:
                          Wenig Frauen und Ältere
     Bevölkerungsanteil

     25 %

     20 %

     15 %

     10 %

     5%

     0%
                                   5

                                           0

                                                   5

                                                           0

                                                                                   5

                                                                                           0

                                                                                                                   5

                                                                                                                           0
                                                                                                   5

                                                                                                           0
                                                                           0
                                                                   5
                                 -2

                                         -3

                                                 -3

                                                         -4

                                                                                 -5

                                                                                         -6

                                                                                                                 -7

                                                                                                                         -8
                          20

                                                                                                 -6

                                                                                                                                0
                                                                                                         -7
                                                                         -5
                                                                 -4

     Altersgruppe
                                                                                                                               >8
                               21

                                       26

                                               31

                                                       36

                                                                               51

                                                                                       56

                                                                                                               71

                                                                                                                       76
                                                                                               61

                                                                                                       66
                                                                       46
                                                               41
                          <

                                 Männer

                                 Frauen

                          Quelle
                          IZA Forschungsinstitut zur
                          Zukunft der Arbeit GmbH, Bonn, 2011

10
Die heutige Altersverteilung von          Die Aufstiegschancen für jüngere
                Fach- und Führungskräften zeigt           Führungskräfte scheinen sich dem-
                eine nach wie vor hohe Dominanz           nach bereits deutlich verbessert zu
                der Männer sowie eine äußerst ge-         haben. Davon profitieren bislang
                ringe Erwerbstätigkeit der Alters-        allerdings in erster Linie die Männer.
                gruppe über 65 Jahren. Im Durch-          Ab einem Alter von 55 Jahren geht
                schnitt ist der Anteil von Fach- und      der Anteil der aktiven Fach- und Füh-
                Führungskräften in der Gruppe der         rungskräfte merklich zurück. In der
                31- bis 40-jährigen am höchsten.          Altersgruppe der 66- bis 70-jährigen
                                                          sind nicht einmal mehr 2 % in einer
                                                          Fach- und Führungsposition tätig.

                Abbildung 6

                Die Zahl der Fach- und Führungskräfte
                sinkt erheblich
Tsd. Personen

4.000

3.000

2.000
                                                        18

1.000

0

Jahr              2010        2015       2020   2025   2030    2035      2040      2045         2050

                         über 50 Jahre                    Quelle
                                                          IZA Forschungsinstitut zur
                         bis 50 Jahre                     Zukunft der Arbeit GmbH, Bonn, 2011

                Nach den Berechnungen des IZA             Die Berechnungen basieren auf
                tritt die demografische Lücke beim        Angaben des Statistischen Bundes-
                Führungskräftepotenzial spätestens        amtes, welche keine Zuwanderung
                ab dem Jahr 2020 deutlich zutage.         berücksichtigt. Auch wenn die
                Bis dahin wird sich der Anteil der        Nettozuwanderung im Jahr 2011 –
                über 50-jährigen Führungskräfte in        bedingt durch die Schuldenkrise in
                Deutschland drastisch erhöhen.            Europa – erstmals seit Jahren positiv
                Gleichzeitig werden bei den unter         war, halten wir eine Nettozuwan-
                50-jährigen bis zum Jahr 2020 rund        derung von Null als Basis für die
                20 % weniger Führungskräfte vor-          Berechnungen bis 2050 weiterhin
                handen sein.                              für ein realistisches Szenario.

                                                                                                       11
2.2                   situation und
                           Problembewusstsein
                           in den Unternehmen
                           Im Folgenden werden die Ergebnisse         Unter «Führungskräften» werden
                           unserer aktuellen Unternehmens-            Mitarbeiter mit Budget- und
                           befragung vorgestellt und mit den          Personalverantwortung verstanden.
                           Ergebnissen der Befragung aus
                           2006 soweit möglich verglichen. Im
                           Zentrum steht dabei die Entwicklung
                           der Führungskräftesituation in den
                           Unternehmen.

                           Anschließend wird aufgezeigt, wie
                           die Unternehmen die Auswirkungen
                           der demografischen Entwicklung
                           einschätzen und welche Strategien
                           sie als sinnvoll erachten.

                           Abbildung 7

                           Führungskräfte nach Altersgruppen:
                           Ältere legen leicht zu

                                 9
     > 60 Jahre
                             5

                                                                                          63
     40 bis 60 Jahre
                                                                                               68

                                                        28
     < 40 Jahre
                                                       27

     %                 0         10            20           30   40        50        60         70        80

                                     % der Befragten 2011

                                     % der Befragten 2006

                           Bei der Altersverteilung der               Die Gruppe der 40- bis 60-jährigen,
                           Führungskräfte in den befragten            die unverändert den Schwerpunkt
                           Unternehmen zeigt sich eine Ver-           der Altersstruktur in den Unter-
                           schiebung zu den über 60-jährigen.         nehmen bildet, hat sich entspre-
                           Während im Jahr 2006 nur 5 % der           chend leicht verringert, während
                           ManagerInnen über 60 Jahre alt             die Gruppe der Führungskräfte
                           waren, sind es heute bereits 9 %.          unter 40 Jahren in den letzten
                                                                      sechs Jahren annähernd konstant
                                                                      geblieben ist.

12
Abbildung 8

                           Führungskräfte 60+ im Jahr 2020:
                           Deutlicher Anstieg erwartet
Führungskräfteanteil

51 bis 60 %                        7

41 bis 50 %                        7

31 bis 40 %                               11

21 bis 30 %                                          18

10 bis 20 %                                                                        40

< 10 %                                          16

keine Angaben          1

in % der Befragten     0                 10               20       30              40                50

                           Die aktuell befragten Unternehmen     Die Mehrheit der Personalver-
                           gehen davon aus, dass der Anteil      antwortlichen rechnet mit einem
                           ihrer über 60-jährigen Führungs-      Anteil zwischen 11 und 30 %
                           kräfte bis zum Jahr 2020 kräftig      (Mittelwert 27 %). Lediglich 16 %
                           steigen wird.                         der Befragten erwartet einen
                                                                 gegenüber heute unveränderten
                                                                 Anteil von bis zu 10 %.

                           Abbildung 9

                           Anteil weiblicher Führungskräfte:
                           Frauen auf dem Vormarsch

2011                                                                                    22

2006                                                                    16

in % der Befragten     0                  5               10       15              20                25

                           Der Anteil weiblicher Führungs-       Zu berücksichtigen ist jedoch,
                           kräfte ist in den betrachteten        dass der Anteil der weiblichen
                           Unternehmen deutlich gestiegen.       Führungskräfte auf der obersten
                           Im Vergleich zu 2006 haben heute      Managementebene der Unterneh-
                           6 % mehr Frauen eine Führungs-        men mit unter 3 % noch immer
                           position inne. Mit 22 % erscheint     sehr niedrig liegt.
                           die aktuelle Frauenquote von der
                           gesetzlich diskutierten Quote
                           von 30 % nicht allzu weit entfernt.

                                                                                                          13
Abbildung 10

                                Der Anteil ausländischer Führungskräfte
                                im Jahr 2011 ist erheblich ausbaufähig
     Führungskräfteanteil

     31 bis 40 %            2

     21 bis 30 %                 5

     10 bis 20 %                      8

     < 10 %                                                                                  79

     keine Angaben                6

     in % der Befragten     0                     20             40          60              80           100

                                Der Anteil ausländischer Füh-
                                rungskräfte ist in den Unternehmen
                                aktuell relativ gering. Die große
                                Mehrheit, rund 80 % der Befragten,
                                gibt an, dass derzeit lediglich bis
                                zu 10 % der Führungspositionen in
                                ihrem deutschen Geschäftsbereich
                                mit Ausländern besetzt sind.

                                Abbildung 11

                                Der Führungskräftebedarf
                                wird in den kommenden zehn Jahren …

                                                                                        45
     … steigen
                                                                                   40

                                                                                                  50
     … gleich bleiben
                                                                 23

                                      5
     … sinken
                                                                              37

     %                      0                10             20        30           40             50       60

                                          % der Befragten 2011

                                          % der Befragten 2006

                                Die Mehrheit der befragten HR-             Im Jahr 2006 wurde diese Entwick-
                                Verantwortlichen geht bis zum Jahr         lung noch ganz anders eingeschätzt:
                                2020 von einem gleich bleibenden           Damals rechneten rund 37 % mit ei-
                                oder steigenden Führungskräfte-            nem sinkenden Bedarf an Führungs-
                                bedarf aus. Kaum ein Unternehmen           kräften in den nächsten fünf Jahren.
                                rechnet heute mit einer sinkenden
                                Nachfrage nach Führungskräften.
14
Abbildung 12

                                   Großes Problembewusstsein für die
                                   Auswirkungen des demografischen Wandels

                                                                                     ja, ich sehe sogar             7%
                                                                                     sehr große Probleme

                                                                                     ja, ich sehe Probleme         69 %

                                                                                     ja, ich sehe Probleme,        16 %
                                                                                     aber eher kleine

                                                                                     nein, ich sehe                 8%
                                                                                     keine Probleme

                                                                                     in % der Befragten

                                   Die befragten Unternehmen sind
                                   sich des demografisch bedingten
                                   Führungskräftemangels sehr wohl
                                   bewusst. Drei Viertel der Personal-
                                   verantwortlichen sehen Probleme
                                   bezüglich ihrer Führungskräftesitua-
                                   tion auf sich zukommen, 7 % sogar
                                   erhebliche Engpässe. Lediglich 8 %
                                   der Unternehmen erwarten keine
                                   Schwierigkeiten im Zusammenhang
                                   mit der demografischen Entwicklung.

                                   Abbildung 13

                                   Der demografischer Wandel wird zur Chefsache

Human Resources (HR)                                                                                          71

Vorstand/Geschäftsführung                                              40

Spezialbeauftragte(r) von HR                                      37

Eigener Arbeitskreis                          15

in % der Befragten,
Mehrfachnennungen möglich      0         10        20      30          40       50            60             70    80

                                   Die Hauptverantwortung, die Unter-       Bei 40 % der Unternehmen ist das
                                   nehmen auf den demografischen            Thema jedoch auch bereits auf der
                                   Wandel vorzubereiten, liegt bei den      Ebene der Unternehmensführung
                                   HR-Bereichen. In 71 % der Unterneh-      angesiedelt. Dies zeigt, dass die
                                   men ist dies ein Teil des normalen       Lösung des demografisch bedingten
                                   Aufgabenspektrums der HR-Verant-         Führungskräftemangels zunehmend
                                   wortlichen.                              zur Chefsache wird.

                                                                                                                          15
Abbildung 14

                                           Auswirkungen des demografischen Wandels

     Mangel an                                                                  44 %                                       45 % 5 % 6 %
     Nachwuchsführungskräften

     Genereller Mangel an gut                                   27 %                                                   58 %    7%    8%
     qualifizierten Führungskräften

     Stärkere Fluktuation                    8%                                              52 %                          29 %     11 %

     Höherer Krankenstand             3%                           27 %                                                53 %         15 %

     in % der Befragten                0       10         20        30         40      50     60        70        80          90    100

                                                    Trifft ganz sicher zu                           Trifft eher nicht zu

                                                    Trifft wahrscheinlich zu                        Trifft bestimmt nicht zu

                                           Die befragten Unternehmen befürch-               Mit dem verbreiteten Vorurteil eines
                                           ten mit Blick auf die demografische              höheren Krankenstandes von Älte-
                                           Entwicklung vor allem einen Mangel               ren rechnen die Personalverantwort-
                                           an Führungskräften – sowohl in                   lichen jedoch mehrheitlich nicht.
                                           quantitativer (44 %) als auch in qua-
                                           litativer Hinsicht (27 %). Eine stär-
                                           kere Fluktuation und damit größere
                                           Herausforderungen bei der Mitarbei-
                                           terbindung erwarten zwar nur 8 %
                                           der Befragten, 52 % halten sie aber
                                           immerhin noch für wahrscheinlich.

                                           Im Anschluss an die Bestandsauf-                 Dabei wurden die folgenden vier
                                           nahme der Führungskräftesituation                Lösungswege betrachtet.
                                           und des Problembewusstseins zur
                                           demografischen Entwicklung wur-
                                           den die Unternehmen gebeten, die                 1. Rekrutierung und Förderung
                                           möglichen Handlungsalternativen                     ausländischer Führungskräfte
                                           nach der Wichtigkeit sowie nach
                                           dem Umsetzungsstand zu beurtei-
                                           len.                                             2. Ausbau des Anteils weiblicher
                                                                                                Führungskräfte

                                                                                            3. Rekrutierung und Förderung
                                                                                               von Nachwuchsführungskräften

                                                                                            4. Rekrutierung, Förderung
                                                                                               und längere Beschäftigung
                                                                                               älterer Führungskräfte

                                                                                            Den aktuellen Bewertungen der
                                                                                            Unternehmen wurde die Einschät-
                                                                                            zung aus dem Jahr 2006 gegenüber
                                                                                            gestellt.
16
Abbildung 15

                                     Wichtigkeit und Umsetzung der Lösungswege
                                     2006 und 2011 im Vergleich

Rekrutierung
und Förderung ausländischer
Führungskräfte

Ausbau des Anteils
weiblicher Führungskräfte

Rekrutierung und
Förderung von
Nachwuchsführungskräften

Rekrutierung, Förderung
und längere Beschäftigung
älterer Führungskräfte

                                                                                           t
                                                                                   en g/
                                                                                         er

                                                                                                                  t
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                                                                                      ti
                                                                                 em ti
                                er

                                                                                                          em g/
                                                                                                               ti
                           en /

                                                                               pl ich
                        em tig

                                                                                                            en
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                                                           er

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                                                                                                      im c
                                                   em g/
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                                                                           ig er

                                                                                                     t wi
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                                                     en
                                                 pl hti

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                                                                                                   ch t
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                                                                       w en
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                 =

                                               =

                                                                        =

                                                                                                  =
               1

                                             2

                                                                      3

                                                                                                4
                                                 Wichtigkeit 2011

                                                 Umsetzung 2011

                                                 Wichtigkeit 2006

                                                 Umsetzung 2006

                                     Mit Ausnahme der längeren Beschäf-       Bei der Umsetzung der vier Lösungs-
                                     tigung von älteren Führungskräften       wege zur Bekämpfung des demo-
                                     hat die Bedeutung aller Lösungs-         grafischen Führungskräftemangels
                                     wege für die Unternehmen deutlich        sind die Unternehmen auf dem Ge-
                                     zugenommen. Die größte Wichtig-          biet der Nachwuchsführungskräfte
                                     keit besitzt in den Unternehmen          nach wie vor am aktivsten. Ihre Maß-
                                     unverändert die Rekrutierung und         nahmen zum Ausbau des Anteils
                                     Förderung des Führungskräftenach-        weiblicher Führungskräfte haben die
                                     wuchses. Der Ausbau des Anteils          Unternehmen in den letzten Jahren
                                     weiblicher Führungskräfte hat stark      erheblich verstärkt, während sie
                                     an Bedeutung gewonnen und ran-           bezüglich älterer und ausländischer
                                     giert jetzt dicht dahinter auf Platz     Führungskräfte auch heute kaum
                                     zwei. Die längere Beschäftigung          Aktivitäten umsetzen.
                                     Älterer sowie die Rekrutierung und
                                     Förderung von ausländischen Füh-         Welche Maßnahmen im Rahmen der
                                     rungskräften werden gemeinsam            vier Lösungswege von den befrag-
                                     erst an dritter Stelle genannt. Hier-    ten Unternehmen bereits konkret
                                     bei ist jedoch zu konstatieren, dass     ergriffen oder geplant sind, wird
                                     die Unternehmen die Rekrutierung         innerhalb des folgenden Kapitels 3
                                     und Förderung von ausländischen          dargestellt.
                                     Führungskräften im Vergleich zu
                                     2006 heute als wichtiger einstufen,
                                     während die Bedeutung der län-
                                     geren Beschäftigung Älterer sogar
                                     leicht abgenommen hat.
                                                                                                                       17
Experteninterview
                                             PD Dr. Hilmar Schneider
                                             Direktor Arbeitsmarktpolitik des IZA
                                             Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit

                                             «Sprengsatz für den deutschen Arbeitsmarkt»

                                             Wir sind inzwischen das kinderärms-       Folge zu dramatischen Jobverlus-
     Herr Dr. Schneider, wie beurteilen      te Land Europas. Die Ursachen dafür       ten kommen, die den Kostendruck
     Sie die demografische Entwick-          liegen vor allem in der nach wie vor      durch das Alterssicherungssystem
     lung in Deutschland aktuell?            völlig unzureichenden Kinderbetreu-       noch verstärken und es damit zum
     Was hat sich seit der letzten           ungsinfrastruktur, die Frauen wie         Kollabieren bringen.
     Odgers-Berndtson-Studie im Jahr         in kaum einem anderen Land dazu
     2006 getan?                             zwingt, sich entweder für Beruf oder
                                             für Familie und Kinder zu entschei-       Wie beurteilen Sie das Problem-
                                             den. Unser Steuer- und Transfersys-       bewusstsein der Politik? Welche
     Die Erwartungen aus der Studie von      tem tut sein Übriges, um Frauen, die      Ansätze der Problembegegnung
     2006 waren im Vergleich zu dem,         sich für Kinder entschieden haben,        halten Sie für zielführend?
     was inzwischen Realität geworden        davon abzuhalten, ihr Leistungspo-
     ist, eher noch zu harmlos. Wir waren    tenzial am Arbeitsmarkt zur Entfal-
     auf die damals aktuelle Bevölke-        tung zu bringen. In Skandinavien,         Wenn man sich anschaut, wie hoch
     rungsvorausberechnung von 2003          aber auch in Ländern wie Frankreich       der Handlungsbedarf hier ist und
     angewiesen. Diese ging beispiels-       ist die Vereinbarkeit von Familie und     wie zögerlich die Politik darauf
     weise für die Gruppe der 15-24-Jäh-     Beruf sehr viel besser gelöst. Ein flä-   reagiert, kann einen schon mal der
     rigen von 9,3 Mio. Personen im          chendeckendes Angebot von Ganz-           Mut verlassen. Wir brauchen drin-
     Jahr 2011 aus. Tatsächlich umfasst      tagsschulen und -betreuungseinrich-       gend eine aktiv gesteuerte Zuwan-
     diese Altersgruppe nach aktuellem       tungen sowie ein kinderfreundliches       derung. Die Politik müsste sich
     Stand knapp 400.000 Personen            Steuersystem haben beispielsweise         außerdem ernsthaft um die Abschaf-
     weniger als damals prognostiziert.      in Frankreich dafür gesorgt, dass         fung von Fehlanreizen durch das
     Das liegt insbesondere daran, dass      dieses Land fast gar nicht vom de-        Ehegattensplitting, die beitragsfreie
     sich die optimistischen Erwartungen     mografischen Wandel betroffen ist.        Mitversicherung von Ehepartnern in
     hinsichtlich der Zuwanderung nicht                                                der gesetzlichen Krankenversiche-
     erfüllt haben. Moderate Prognosen                                                 rung und das Minijob-Privileg küm-
     gehen von einer jährlichen Nettozu-     Welche Brisanz für den Arbeits-           mern, damit sich eine Ausweitung
     wanderung in der Größenordnung          markt sehen Sie in der weiteren           der Erwerbsarbeit für Zweitverdiener
     von 100.000 Personen aus, von der       demografischen Entwicklung?               im Haushalt lohnt. Aber damit las-
     wir in den letzten Jahren jedoch weit                                             sen sich leider keine Wählerstimmen
     entfernt waren. Nur in 2011 hatten                                                gewinnen. Die Bildungspolitik, die
     wir – bedingt durch die Eurokrise –     Wenn die Politik nicht rechtzeitig        einen maßgeblichen Beitrag dazu
     eine positive Nettozuwanderung in       gegensteuert, wird sich die Verknap-      leisten könnte, die Ausschöpfung
     Deutschland.                            pung qualifizierter Arbeitskräfte in      des vorhandenen Potenzials zu ver-
                                             Verbindung mit der Art der Finan-         bessern, verheddert sich hoffnungs-
                                             zierung unseres Alterssicherungs-         los im föderalen Kleinklein, obwohl
     Wie ist unsere demografische            systems zu einem gefährlichen             sich eine breite Mehrheit der Bevöl-
     Situation im Vergleich zum              Sprengsatz für den Arbeitsmarkt           kerung eine einheitliche Bundes-
     europäischen Ausland? Welche            entwickeln. Beide Faktoren treiben        zuständigkeit in Bildungsangelegen-
     geeigneten Ansätze gibt es dort?        die Arbeitskosten in die Höhe. Die        heiten wünscht. Am Ende dürfte
                                             im globalen Wettbewerb stehenden          die Problemlösung weitgehend bei
                                             Unternehmen werden dem nicht ta-          den Unternehmen hängen bleiben.
                                             tenlos zuschauen. Es könnte in der
18
3.                       MaSSnahmen zur Lösung
                         des demografisch bedingten
                         Führungskräftemangels
                         Wesentliches Ziel der Befragung              Die Befragten wurden zunächst
                         war es, aus dem Kreis der beteiligten        gebeten, die vier ausgewählten
                         Unternehmen zu erfahren, welche              Lösungswege zu priorisieren. Je
                         Maßnahmen zur Lösung des demo-               nach Umsetzungs- oder Planungs-
                         grafisch bedingten Führungskräfte-           stand wurden die Unternehmen
                         mangels bereits konkret ergriffen            anschließend nach den für sie
                         worden sind, welche Aktivitäten ge-          relevanten Einzelmaßnahmen
                         plant sind und wo die Unternehmen            befragt.
                         ggf. Hindernisse bei der Umsetzung
                         sehen.

3.1                      Rekrutierung und
                         Förderung von
                         NachwuchsFÜHRUNGSkräften
                         Die stärkere Rekrutierung und För-           Viele Unternehmen setzen die
                         derung von Nachwuchsführungs-                Rekrutierung und Förderung von
                         kräften ist für die befragten Unter-         Nachwuchsführungskräften noch
                         nehmen der wichtigste Faktor zur             nicht als strategisches Instrument
                         Bewältigung der demografischen               zur Schließung der demografisch
                         Probleme. Gleichwohl ist der Anteil          bedingten Führungskräftelücke
                         der Unternehmen, die diesbezüg-              ein.
                         lich bereits Maßnahmen umsetzen,
                         mit 61 % noch ausbaufähig.

                         Abbildung 16

                         Rekrutierung von Führungsnachwuchs:
                         Als strategisches Instrument noch ausbaufähig

                                                                        61 %            21 %        16 %    2%

in % der Befragten   0       10         20        30        40   50     60      70     80      90     100

                                  wird bereits umgesetzt

                                  ist konkret in Planung

                                  könnte eine Option sein

                                  keine Option

                                                                                                            19
Die befragten Unternehmen, die         Auch das Angebot von Praktika
                                           bereits Maßnahmen zur Nachwuchs-       (74 %), die Unterstützung von
                                           förderung einsetzen, nutzen vor        Masterarbeiten bzw. Dissertationen
                                           allem die klassischen Methoden zur     (71 %) sowie die Kooperation mit
                                           Rekrutierung. So versuchen             Schulen (71 %) und Universitäten
                                           84 % dieser Unternehmen durch ihre     (68 %) werden von der Mehrheit der
                                           Präsenz auf Berufsbildungs- und        Unternehmen eingesetzt, um den
                                           Absolventenmessen den Führungs-        Führungsnachwuchs frühzeitig an
                                           nachwuchs für sich zu gewinnen.        sich zu binden.

                                           Abbildung 17

                                           Bereits praktizierte Maßnahmen zur Rekrutierung
                                           und Förderung von Nachwuchsführungskräften:
                                           Klassiker vorne

     Präsenz auf Berufsbildungs-/
                                                                                                         84 %            13 %     3%
     Absolventen-Messen

     Angebot von Praktika                                                                       74 %                      24 %    2%

     Kooperation/Aktion mit Schulen                                                         71 %                          26 %    2%

     Unterstützung von akademischen
                                                                                            71 %                   21 %     8%
     Arbeiten und Zusatzqualifikationen

     Kooperation mit Universitäten,
                                                                                         68 %                              32 %   0%
     z.B. berufsbegleitendes Studium

     Angebote von
                                                                                  58 %                      29 %           13 %
     Trainee-Programmen

     Förderangebote an Studenten                                           50 %                                   40 %     10 %

     Vergabe von Stipendien                                                50 %                             37 %           13 %

     Talent-Management (Rotation im
                                                                    42 %                                                   58 %   0%
     Unternehmen, Excellence Teams u.ä.)

     Kommunikation über/Nutzung von
                                                      21 %                                                  66 %           13 %
     Internet und Sozialen Netzwerken

     in % der Befragten, die bereits
     Maßnahmen für Nachwuchs-
     führungskräfte umsetzen
                                           Die konkrete Förderung und                    wird bereits umgesetzt
                                           Weiterentwicklung junger Talente,
                                           die bereits für die Unternehmen               wird künftig verstärkt
                                           tätig sind, werden derzeit noch               keine geeignete Maßnahme
                                           weniger stark umgesetzt. Trainee-
                                           Programme bieten 58 % der befrag-
                                           ten Unternehmen an, ein systema-
                                           tisches Talent-Management setzen
                                           hingegen nur 42 % um. Eine Social-
                                           Media-Strategie zur Kommunikation
                                           mit jungen Talenten via Internet
                                           und sozialen Netzwerken haben die
                                           wenigsten Unternehmen etabliert.

20
Gerade diese moderneren Metho-               Hier zeigt sich, dass die Option der
                                     den sollen jedoch künftig verstärkt          verstärkten Nachwuchsrekrutierung
                                     werden. So wollen zwei Drittel der           insofern problematisch ist, als es
                                     Unternehmen das Internet und die             sich dabei um eine Strategie han-
                                     sozialen Netzwerke stärker für die           delt, die im Einzelfall zwar aufgehen
                                     Rekrutierung nutzen, rund 60 %               kann, in der Summe jedoch zum
                                     der Befragten wollen ein internes            Scheitern verurteilt ist. Es sei denn,
                                     Talent-Management zur Förderung              dass es gelingt, die Ausschöpfungs-
                                     ihrer Nachwuchsführungskräfte                rate pro Jahrgang für das Führungs-
                                     einführen.                                   personal nennenswert zu erhöhen.
                                                                                  Es müssten sich also deutlich mehr
                                     Schwierigkeiten bei der Rekrutie-            Menschen für Führungspositionen
                                     rung von Nachwuchsführungs-                  qualifizieren können, als es heute
                                     kräften sehen die befragten Unter-           möglich ist.
                                     nehmen vor allem in der heute
                                     schon zu geringen Anzahl geeig-
                                     neter Bewerber.

                                     Abbildung 18

                                     Hindernisse bei der Rekrutierung
                                     von Nachwuchsführungskräften:
                                     Heute schon zu wenig geeignete Bewerber

zu wenig geeignete Bewerber                                                                               61

langfristige Bindung
                                                                             37
an das Unternehmen schwierig

zu wenig/keine Weiterentwicklungs-
                                                            24
möglichkeiten im Unternehmen

keine Hindernisse                                13

in % der Befragten,
Mehrfachnennungen möglich        0          10         20          30             40         50          60         70

                                     Der demografische Wandel stellt              Gemäß der OECD hinkt Deutschland
                                     somit auch besondere Anforderun-             bei der Ausbildung von Top-Quali-
                                     gen an das bestehende Bildungs-              fizierten zunehmend hinterher: Der
                                     system in Deutschland, um den                Anteil der Top-Ausgebildeten liegt
                                     Bedarfsengpass in Zukunft abzumil-           in Deutschland bei 42 % und damit
                                     dern. Die eingeführte Verkürzung             deutlich unter dem OECD-Schnitt
                                     des Abiturs von 13 auf 12 Jahre              von 49 %. Mit nur 4,9 % des Brutto-
                                     könnte dazu bereits einen Beitrag            inlandsprodukts investiert Deutsch-
                                     leisten.                                     land außerdem signifikant weniger
                                                                                  in sein Bildungssystem als andere
                                     Dass darüber hinaus jedoch noch              Länder (OECD-Schnitt 5,9 %).
                                     massive, weitere Anstrengungen
                                     erforderlich sind, bestätigt auch der
                                     jüngste Bildungsbericht der OECD.

                                                                                                                           21
Experteninterview
                                              Mechthilde Maier
                                              Senior Vice President
                                              Group Diversity Management
                                              Deutsche Telekom AG

                                              «Brüche zu Brücken machen»

                                                                                     Nur eine Handvoll hat die einjährige
     Frau Maier, erst 60 % der Unter-         Die meisten Unternehmen setzen         Einstiegsqualifikation nicht bestan-
     nehmen, die wir befragt haben,           bei der Ansprache von Hoch-            den. Mehr als drei Viertel der Jugend-
     werben mit Blick auf die demo-           schulabsolventen auf klassische        lichen sind ins erste oder gleich ins
     grafische Entwicklung verstärkt          Methoden wie Messen, Praktika          zweite Lehrjahr gekommen. Einige
     Nachwuchsführungskräfte an               oder wissenschaftliche Arbeiten.       gehören bereits zu den besten Aus-
     oder intensivieren deren Förde-          Wie rekrutieren Sie potenzielle        zubildenden ihres Jahrgangs. Zwei
     rung. Hat Sie diese niedrige Zahl        Nachwuchsführungskräfte?               davon haben angefangen, berufsbe-
     überrascht?                                                                     gleitend ihr Abitur nachzuholen und
                                                                                     werden anschließend ein Studium
                                              Wir gehen zunehmend andere Wege        absolvieren.
     Die Rekrutierung und Förderung von       und schauen dabei auch in ganz
     Nachwuchsführungskräften war bei         andere Personalmärkte. Wenn wir
     vielen Unternehmen schon immer           nur die konventionellen Kriterien      Hilft Ihnen das, um Ihre Führungs-
     auf der Agenda. Sie ist in der letzten   anwenden, wie z.B. einen Gymna-        kräftelücke zu schließen?
     Wirtschaftskrise zeitweise etwas ins     sialabschluss von mindestens 2,0
     Stocken geraten, weil Restrukturie-      und Note 2 in Mathematik, finden
     rungen Priorität hatten. Strategisch     wir schon heute nicht mehr genü-       Ich denke, dass es zunehmend
     ist es für jedes Unternehmen ein         gend Bewerber. Daher schauen wir       wichtig ist in unserer Gesellschaft,
     Muss, sich einen kontinuierlichen        uns auch Bewerber mit Realschulab-     «Brüche zu Brücken» zu machen.
     Zufluss von jungen, talentierten         schluss an oder geben Jugendlichen     Und das gilt vor allem mit Blick
     Leuten mit frischen Gedanken und         eine Chance, die keine abgeschlos-     auf den demografischen Wandel.
     Meinungen offen zu halten. Die           sene Schulausbildung haben.            Wir müssen viel stärker als bisher
     Dringlichkeit vor dem Hintergrund                                               Talentquellen erschließen, die in
     der demografischen Entwicklung ist                                              der Vergangenheit vernachlässigt,
     aber vermutlich noch nicht in allen      Welche Erfahrungen haben Sie           übersehen oder sogar ausgeschlos-
     Branchen angekommen.                     damit gemacht?                         sen wurden. Und wir müssen auch
                                                                                     mit den Unwägbarkeiten fertig
                                                                                     werden, die unser Schul- und Bil-
     Wie ist das in Ihrer Branche?            Mit unserem Programm «EQJ –            dungssystem aktuell produziert.
                                              Einstiegs-Qualifikations-Jahr», das    Die Zahl der Schulabbrecher steigt
                                              wir zusammen mit der Bundesagen-       enorm, vor allem bei den jungen
     In technologisch orientierten            tur für Arbeit pilotiert haben, sind   Männern. Das ist eine der Heraus-
     Unternehmen wie der Telekom ist          wir jetzt in der zweiten Runde.        forderungen, die wir Unternehmen
     die Erneuerung von Wissen enorm,         Dort geben wir zur Zeit 70 Jugend-     in Deutschland zu meistern haben.
     da sich Technologien heute sehr          lichen ohne Schulabschluss eine        Eine andere Wahl haben wir nicht.
     schnell weiter entwickeln. Der           Ausbildungsperspektive, die sich
     Druck, regelmäßig junge, qualifizier-    zwei Jahre erfolglos um einen Aus-
     te Mitarbeiter mit aktuellem Know-       bildungsplatz beworben hatten.
     how zu gewinnen, ist daher einfach       Das Projekt setzt sich aus einem
     schon früher bei uns angekommen.         Integrationsjahr und einer anschlie-
                                              ßenden Ausbildung zusammen.

22
3.2             Rekrutierung, Förderung
                und längere Beschäftigung
                älterer Führungskräfte

                Durch die stark sinkende Zahl der                    Dass die verlängerte Beschäftigung
                Führungskräfte ergibt sich die                       älterer Führungskräfte dazu geeignet
                Notwendigkeit, Maßnahmen für die                     ist, dem Führungskräftemangel zu be-
                Zielgruppe der älteren Führungskräf-                 gegnen, zeigt die folgende Projektion
                te ins Leben zu rufen, für die Unter-                des IZA. Das Szenario 1 in Abb. 19
                nehmen gleich in doppelter Hinsicht:                 beinhaltet eine Verlängerung der
                Erstens zwingt die zunehmend                         Lebensarbeitszeit von Fach- und
                alternde Belegschaft dazu, die Ge-                   Führungskräften bis zum 65. Lebens-
                sundheit und Leistungsfähigkeit ihrer                jahr. Praktisch bedeutet dies, dass die
                Führungskräfte stärker zu unterstüt-                 rückläufigen Anteile von Fach- und
                zen. Zweitens müssen Unternehmen                     Führungskräften in der Altersgruppe
                ältere ManagerInnen systematisch                     der 56- bis 65-jährigen (siehe auch
                länger beschäftigen und/oder gezielt                 Abb. 5, Seite 10) auf dem Niveau der
                extern rekrutieren. Derzeit liegt das                aktuell 51- bis 55-jährigen konstant
                durchschnittliche Renteneintrittsalter               gehalten werden. Damit würde die
                bei 63,5 Jahren.                                     Zahl der Fach- und Führungskräfte
                                                                     bis zum Jahr 2025 auf dem heutigen
                Als «ältere Führungskräfte»                          Niveau verbleiben.
                gelten in der Befragung ManagerInnen,
                die älter als 60 Jahre sind.

                Abbildung 19

                Längere Beschäftigung Älterer entschärft
                Fach- und Führungskräftemangel
Tsd. Personen

4.000

3.000

2.000

1.000

0
                     0

                                5

                                         20

                                                     5

                                                                0

                                                                                                 5

                                                                                                             0
                                                                                       0
                                                                             5
                     1

                                1

                                                     2

                                                                 3

                                                                                                 4

                                                                                                              5
                                                                                       4
                                                                             3
                  20

                             20

                                        20

                                                  20

                                                              20

                                                                                              20

                                                                                                           20

Jahr
                                                                                    20
                                                                          20

                         Szenario 1:                                 Quelle
                         Verlängerung der Lebensarbeitszeit          IZA Forschungsinstitut zur
                                                                     Zukunft der Arbeit GmbH, Bonn, 2011
                         Ausgangssituation

                Potenzial und Handlungsbedarf                        Für das Gros der Befragten sind
                werden von den befragten Unter-                      diese Aktivitäten lediglich eine
                nehmen zwar gesehen, konkrete                        Option für die Zukunft. Ein Fünftel
                Maßnahmen zur längeren Beschäfti-                    der Befragten zieht Maßnahmen auf
                gung älterer Führungskräfte werden                   diesem Gebiet gar nicht in Betracht.
                jedoch bislang kaum praktiziert.
                                                                                                                  23
Abbildung 20

                                               Längere Beschäftigung wird jedoch kaum praktiziert

                                                 10 %           13 %                                                            58 %               19 %

     in % der Befragten                    0        10         20         30          40           50      60           70       80      90          100

                                                         wird bereits umgesetzt                                   könnte eine Option sein

                                                         ist konkret in Planung                                   keine Option

                                               Unsere Nachfrage bei den Unterneh-
                                               men, die Maßnahmen für ältere Füh-
                                               rungskräfte konkret planen oder eine
                                               Option für die Zukunft darin sehen,
                                               ergab folgendes Bild:

                                               Abbildung 21

                                               Geplante Maßnahmen für ältere Führungskräfte:
                                               Erhaltung der Leistungsfähigkeit hat Priorität

     Angebote gesundheitlicher
                                                                                                          60 %                              34 %     6%
     Prävention

     Individuelle Arbeitszeit-
                                                                                                   53 %                                 38 %         9%
     gestaltung für Ältere

     Aufwertung von Fachlaufbahnen als
                                                                                            47 %                                       42 %        11 %
     alternative Entwicklungsperspektive

     Programme/Konzepte
                                                                                           45 %                                          47 %        8%
     für lebenslanges Lernen

     Einsatz Älterer als Mentoren
                                                                                     41 %                                                     55 %         4%
     für jüngere Führungskräfte

     Übertragung erfahrungs-
                                                                              34 %                                                      57 %         9%
     spezifischer Sonderaufgaben

     Home-Office-Regelungen                                               32 %                                                 47 %                21 %

     Alternative Vergütungskonzepte                                    28 %                                             45 %                       27 %

     Motivationsprogramme
                                                            19 %                                                   51 %                            30 %
     für längere Lebensarbeitszeit

     Vereinbarung
                                                        15 %                                                     51 %                              34 %
     von Beraterverträgen

     Verstärkte Neueinstellung
                                               6%                                                                60 %                              34 %
     älterer Führungskräfte

     in % der Befragten, die
     Maßnahmen für ältere
     Führungskräfte planen
     oder in Erwägung ziehen               0        10         20         30          40           50      60           70       80      90        100

                                                         wird eine große Rolle spielen

                                                         wird eine gewisse Rolle spielen

                                                         keine geeignete Maßnahme
24
Die Unternehmen haben erkannt,                  Aktuell sind es 6 % der Befragten,
                                     dass die Erhaltung der physischen               die gezielt ältere Führungskräfte
                                     und psychischen Fitness ihrer Füh-              am Markt rekrutieren wollen. Mit
                                     rungskräfte eine wesentliche Vor-               fortschreitendem Nachwuchskräfte-
                                     aussetzung für die Verlängerung                 mangel ist jedoch davon auszuge-
                                     der Lebensarbeitszeit ist, und prio-            hen, dass diese Zahl weiter steigen
                                     risieren daher vor allem Angebote               wird. Immerhin schreiben 60 % der
                                     zur gesundheitlichen Prävention                 Unternehmen der Neueinstellung
                                     (60 %). Auch Maßnahmen zur sinn-                älterer ManagerInnen in Zukunft
                                     vollen Umgestaltung der Arbeitsbe-              eine wachsende Bedeutung zu.
                                     dingungen und des Verantwortungs-
                                     bereichs Älterer, wie die individuelle          Dagegen planen die Unternehmen
                                     Arbeitszeitgestaltung (53 %) und                heute schon konkret, die Kenntnisse
                                     die Einrichtung von Fachlaufbahnen              und Erfahrungen älterer Führungs-
                                     (47 %), befinden sich bei vielen                kräfte besser für sich zu nutzen. Bei
                                     Unternehmen in Planung.                         einem verstärkten Wissenstransfer
                                                                                     zwischen Alt und Jung setzen die
                                     Home-Office-Regelungen (32 %),                  Unternehmen zukünftig vor allem
                                     alternative Vergütungsmodelle                   auf altersgemischte Teams (54 %)
                                     (28 %) und Beraterverträge (15 %),              sowie auf Coaching-Angebote für
                                     die in der Regel mit einer projekt-             jüngere durch ältere Führungskräfte
                                     orientierten Weiterbeschäftigung                (42 %). Gut ein Drittel der Befragten
                                     Älterer verbunden sind, rangieren               plant eine interne oder externe
                                     noch weiter unten. Die Bedeutung                Projektberatung durch ältere Mana-
                                     dieser Maßnahmen dürfte in Zu-                  gerInnen. Ein Vorreiter auf diesem
                                     kunft jedoch deutlich zunehmen.                 Gebiet ist die Robert Bosch GmbH
                                                                                     mit ihrer bereits 1999 gegründe-
                                     Eine verstärkte Neueinstellung                  ten Beratungsgesellschaft Bosch
                                     älterer ManagerInnen spielt noch                Management Support GmbH (siehe
                                     kaum eine Rolle in der Planung der              hierzu auch das Experteninterview
                                     Unternehmen, um auf den demo-                   auf Seite 27).
                                     grafischen Wandel zu reagieren.

                                     Abbildung 22

                                     Geplante Maßnahmen zum stärkeren
                                     Wissenstransfer zwischen Alt und Jung

Altersgemischte Projekt-Teams                                                    54 %                               44 %      2%

Coaching jüngerer
                                                                       42 %                                     52 %   6%
durch ältere ManagerInnen

Projektberatung
                                                               34 %                                          56 %      10 %
durch ältere ManagerInnen

Vortragsreihen mit Erfahrungs-
                                                    22 %                                     46 %                      32 %
berichten älterer ManagerInnen

in % der Befragten,
die Maßnahmen zum
Wissenstransfer planen           0       10         20        30       40       50      60      70     80      90      100

                                              wird eine große Rolle spielen

                                              wird eine gewisse Rolle spielen

                                              keine geeignete Maßnahme

                                                                                                                              25
Die unbestrittenen Vorteile Älterer,    gefühlten Nachteilen in der Beschäf-
                                         wie ein umfassendes, berufliches        tigung älterer Führungskräfte über-
                                         Netzwerk sowie die großen Erfah-        lagert. Dadurch trägt die Gruppe der
                                         rungswerte und deren Weitergabe         Älteren bisher weniger zur Lösung
                                         im Unternehmen, werden jedoch           des unternehmenseigenen Demo-
                                         gegenwärtig von tatsächlichen oder      grafiewandels bei.

                                         Abbildung 23

                                         Nachteile älterer Führungskräfte:
                                         Geringere Flexibilität
                                         und Belastbarkeit befürchtet

     geringere Flexibilität                                                                             39

     geringere körperliche
                                                                                       29
     und psychische Belastbarkeit

     geringere Innovationskraft                                   15

     Teamkonflikte durch
                                                                  15
     unterschiedliche Generationen

     geringe Bereitschaft
                                                             13
     zur Weiterbildung

     keine Nachteile                                                              26

     in % der Befragten,
     Mehrfachnennnungen möglich      0         5        10        15     20      25      30      35       40       45

                                         So befürchten 39 % der Befragten        Alternative Fachlaufbahnen, projekt-
                                         eine geringere Flexibilität bei älte-   orientierte und beratungsbasierte
                                         ren Führungskräften, 29 % sehen         Weiterbeschäftigungen stellen hier
                                         eine geringere körperliche und          Optionen dar, die in Zukunft an
                                         psychische Belastbarkeit als Hin-       Bedeutung gewinnen dürften. Sie
                                         dernis. Eine geringere Innovations-     eignen sich auch dazu, die Moti-
                                         kraft und mögliche Teamkonflikte        vation aufstrebender jüngerer Füh-
                                         durch unterschiedliche Genera-          rungskräfte zu erhalten, die bei
                                         tionen schätzen rund ein Siebtel        einer einfachen Verlängerung des
                                         der Unternehmen als negativ bei         Verbleibs älterer ManagerInnen in
                                         Älteren ein. Nur gut ein Viertel        ihrer Position entsprechend länger
                                         sehen keine Nachteile durch die         auf eine Aufstiegsmöglichkeit
                                         verstärkte Rekrutierung und län-        warten müssten.
                                         gere Beschäftigung älterer Füh-
                                         rungskräfte für ihr Unternehmen.        Entgegen kommt den Unterneh-
                                                                                 men bei diesen Maßnahmen auch
                                         Die Erschließung des Potenzials         die Tatsache, dass ältere Manager-
                                         Älterer setzt demnach kreative          Innen bei einer beruflichen Verände-
                                         Ansätze voraus, um die Diskrepanz       rung zwar umzugsunwillig, jedoch
                                         zwischen Anforderungsprofil und         eher dazu bereit sind, eine höhere
                                         Leistungsfähigkeit Älterer zu ver-      Wochenarbeitszeit zu akzeptieren
                                         ringern, vor allem aber auch die        sowie auf Teile ihres Gehalts zu ver-
                                         bestehenden Vorurteile gegenüber        zichten als jüngere Führungskräfte
                                         älteren ManagerInnen abzubauen.         (siehe hierzu auch die Ergebnisse
                                                                                 des «Manager-Barometers 2011»
                                                                                 von Odgers Berndtson).

26
Experteninterview
                                        Dr. Karl-Heinz Schrödl
                                        Senior Vice President
                                        Corporate Human Resources Management
                                        Robert Bosch GmbH

                                        «Flexibilität und Belastbarkeit sind keine Frage des Alters»

                                        Neben Projektarbeit an unseren          Nachdem sich der Beraterkreis
Herr Dr. Schrödl, die Unternehmen       weltweiten Standorten gehört            sowohl von der Anzahl her als auch
unserer Befragung halten sich mit       z. B. auch die Überbrückung kurz-       von der Qualifikation immer mehr
Aktivitäten auf dem Gebiet der          fristig nicht besetzbarer Stellen       vergrößert, können wir künftig
älteren Führungskräfte noch sehr        zum Portfolio dieser Berater.           sicher noch mehr als bisher gewisse
zurück. Einige wenige Unterneh-                                                 Bedarfe damit decken. Ein demo-
men – allen voran auch Ihr Haus –                                               graphisches Problem werden wir
sind hier jedoch bereits aktiv. Wie     Wie kommt diese Beratung in             damit nicht lösen.
beurteilen Sie die Maßnahmen,           Ihrer Organisation an?
die von den Unternehmen geplant
werden?                                                                         Wie sehen Sie die von den befrag-
                                        Unsere ehemaligen Manager brin-         ten Unternehmen genannten
                                        gen einen hohen Erfahrungsschatz        Nachteile älterer Führungskräfte?
Gesundheitsförderung sollte bei         mit und verfügen auch international
allen Unternehmen ganz oben             über ein breites Netzwerk. Und es
auf der Agenda stehen. Und viele        hat sich gezeigt, dass sie die Anfor-   Bedenken wie eine «mangelnde
Unternehmen haben sich dieses           derungen der Aufgabe letztendlich       Flexibilität und Belastbarkeit» oder
Themas bereits angenommen.              wie unsere aktiven Mitarbeiter erfül-   eine «geringere Bereitschaft zur Wei-
Wir konzentrieren uns bei diesem        len. Sie können sich also vorstellen,   terbildung», teile ich nach unseren
Thema nicht nur auf die Führungs-       dass sie mit offenen Armen empfan-      Erfahrungen nicht. Ich denke, diese
kräfte. Gesunde Ernährung gehört        gen und anschließend häufig bereits     Erscheinungen sind eher typen- als
ebenso dazu wie eine optimierte         für die nächste Aufgabe gebucht         altersabhängig. Sicherlich richtig
Arbeitsgestaltung oder medizini-        werden.                                 ist aber, dass der Druck und die
sche Vorsorge. Speziell für unsere                                              Leistungsanforderungen weiter zu-
Führungskräfte bieten wir regel-                                                nehmen. Wir werden also noch mehr
mäßige Vorsorgeuntersuchungen           Bosch gilt für viele Unterneh-          als bisher Bedingungen schaffen
und Gesundheitswochenenden an.          men und Branchen als Vorbild            müssen, die es unseren Mitarbeitern
Dass in Ihrer Studie der Abschluss      bezüglich der Beschäftigung             ermöglichen, mit diesem Druck
von Beraterverträgen an vorletzter      älterer Manager. Hatten Sie die         umzugehen und bei Bedarf recht-
Stelle erscheint, hat mich allerdings   BMS damals schon mit Blick              zeitig darauf zu reagieren. Ein
überrascht.                             auf den demografischen Wandel           erster Schritt für unsere Führungs-
                                        gegründet?                              kräfte muss sein, die individuelle
                                                                                Leistungsgrenze selbst zu erken-
Haben Sie hier andere Erfahrun-                                                 nen und dann gezielte Maßnahmen
gen gemacht?                            Die BMS wurde nicht unter dem           zu ergreifen. Und wir als Unterneh-
                                        Aspekt des demographischen              men müssen den Führungskräften
                                        Wandels gegründet. Und auch heute       die Werkzeuge an die Hand geben,
Wir arbeiten seit längerer Zeit mit     verfolgen wir weit mehr das Ziel,       diese Leistungsgrenzen zu erken-
ehemaligen Bosch-Managern zu-           wertvolles Know-how für das Unter-      nen. Und wir müssen Möglichkeiten
sammen. Schon 1999 haben wir die        nehmen zu nutzen. Und wir wollen        zu einer individuellen Reaktion
Bosch Management Support GmbH           unseren ehemaligen Kollegen auch        schaffen.
gegründet, in der wir gezielt unsere    die Möglichkeit geben, dieses Know-
Ruheständler als Berater aktivieren.    how sinnvoll einsetzen zu können.
                                                                                                                        27
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