Klaus Barbie und wie weiter? Ein Interview mit Peter Hammerschmidt - Von Michael Eggert

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Klaus Barbie und wie weiter?
      Ein Interview mit Peter Hammerschmidt

                               Von Michael Eggert

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Sehr geehrter Herr Hammerschmidt,
Ihre Dissertation ist für den Spätsommer dieses Jahres angekündigt. Liegen Sie im
Zeitplan?
PH: Nach Abschluss des Ersten Staatsexamens an der Universität Mainz im
Juli 2011, laufen nun die Planungen für die Dissertation (Thema: „Deckna-
me : Adler“ – Klaus Barbie im Netz der internationalen Geheimdienste) und
die damit verbundenen Forschungsreisen in die USA, GB, Frankreich und
Bolivien auf Hochtouren. – Der Zeitplan steht und ich bin natürlich opti-
mistisch, dass auch dessen Umsetzung gelingt.

Wann ist mit einer Publikation zu rechnen –gibt es eventuell interessierte Verlage, die
Ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen werden?

PH: Nach derzeitigen Planungen soll die Dissertation im Herbst 2013 abge-
schlossen sein. Verhandlungen mit Verlagen laufen bereits.
Zurzeit sieht es danach aus, dass die Arbeit etwa im Winter 2013 veröffent-
licht werden kann. Diese Angaben sind selbstverständliche ohne Gewähr.

Haben Sie im Verlauf Ihrer Recherchen neue Erkenntnisse insbesondere in Bezug auf
die „Deckung“ gewonnen, die Barbie in der Nachkriegszeit genossen hat?

PH: Konkrete Ergebnisse kann ich natürlich noch nicht verraten – fest steht
jedoch bereits jetzt, dass nicht nur der amerikanische Heeresgeheimdienst
CIC, sondern auch die CIA und der BND an der Protektion des NS-Kriegs-
verbrechers beteiligt waren – u.U. auch weitere internationale internationale
Geheimdienste: Dies gilt es im Rahmen des Dissertationsprojektes zu prü-
fen; ebenso wie die zum Teil ambivalenten Motive und der Umfang dieses
Fraternisierungstrends zwischen NS-Eliten und internationalen Geheim-
diensten.

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Sind Sie auf weitere Spuren nationalsozialistischer Täter gestoßen, die durch nationale
und internationale Geheimdienste in der Nachkriegszeit geduldet, gefördert oder sogar
konkret beschäftigt worden sind?

PH: Ich spezialisiere mich bei meinen Forschungen auf die Biographie Klaus
Barbies. Dass sich die Protektion von NS-Verbrechern durch internationale
Geheimdienstbehörden nicht auf den „Schlächter von Lyon“ beschränkte,
zeigen bereits jetzt die Studien von Uki Goni (Odessa), Gerald Steinacher
(Nazis auf der Flucht) oder auch Heinz Schneppen (Odessa und das Vierte
Reich). Barbie war – um seinen ehemaligen Kontrolloffizier (CIC-Agent)
Erhard Dabringhaus zu zitieren – „the tip of the ice berg“. Es dürfte die For-
schungsperspektive weiterer Arbeiten sein, weitere Biographien von NS-Eli-
ten unter die Lupe zu nehmen. Die Indizien für eine umfassende Protektion
sind zahlreich und sind zumindest von amerikanischer Seite seit dem Nazi
War Crimes Disclosure Act von 1998 auch für die Wissenschaft zugänglich.

Entgegen den „Verschwörungstheorien“, die gern kolportiert werden, haben Sie mehrfach
betont, dass es eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Archivaren des BND gegeben
hat. Haben Sie den Eindruck, dass Ihnen die relevanten Informationen umfassend zu-
gänglich gemacht worden sind?

PH: Ja, im Rahmen meiner Recherchen in Pullach wurde mir die Akte Bar-
bie ungeschwärzt vorgelegt. Die Kooperation war diesbezüglich – nach den
bekannten Anfangsschwierigkeiten – hervorragend.

Ich bin zuversichtlich, dass sich der BND auch bei weiteren Anfragen ge-
wohnt kooperativ verhalten wird – auch wenn den Arbeiten der Unabhängi-
gen Historikerkommission einen (verständlichen) Vorrang eingeräumt wird.

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Erwarten Sie ein solches Entgegenkommen auch von amerikanischen Quellen? Gibt es
diesbezüglich bereits Kontakte?

PH: Die USA, und insbesondere deren Geheimdienste, sind bei der Offen-
legung von Aktenmaterial, das sich mit der Kooperation zwischen US-Be-
hörden und NS-Eliten beschäftigt, weitaus fortschrittlicher als in der Bun-
desrepublik. Auf Basis des Nazi War Crimes Disclosure Act (1998) sind um-
fangreiche Bestände freigegeben worden, die von der Interagency Working
Group (IWG), einer eigens eingerichteten Regierungskommission, gesichtet
wurden. Die IWG hat Ihre Arbeit 2006 abgeschlossen.
Entsprechende Kontakte, die eine Erschließung des umfangreichen Akten-
materials im Fall Barbie erleichtern, wurden bereits geknüpft.
Es bleibt abzuwarten, welche neuen Erkenntnisse im Rahmen der kommen-
den USA-Recherche in den National Archives (NARA) gewonnen werden
können. Ich bin davon überzeugt, dass das Beziehungsgeflecht, das zwi-
schen Barbie und US-Geheimdiensten bestand, auf Basis des verfügbaren
Aktenmaterials vollends komplettiert werden wird.

Haben Sie den Eindruck, dass die Dienste – in diesem Fall insbesondere der BND- ihre
Öffentlichkeitsarbeit grundsätzlich überdacht haben und sich in Sachen Transparenz –
so weit möglich- öffnen oder bestand in Sachen Klaus Barbie aufgrund Ihrer angelaufe-
nen Recherchen ein Handlungsbedarf, der sich nicht wiederholen wird?

PH: Es besteht meines Erachtens eine grundsätzliche Tendenz zur Transpa-
renz: Sowohl AA, als auch BKA und BND haben ihre Archive für die Auf-
arbeitung ihrer eigenen Geschichte zur Verfügung gestellt.
Die Offenlegung der Barbie-Akte durch den BND war ein erster kleiner
Schritt zu einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung, die nun im
Rahmen der Forschungen der Unabhängigen Historikerkommission konkre-
te Konturen gewinnt.

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Mal konkret gefragt: Wie spricht man einen Nachrichtendienst, bei dem man recher-
chieren möchte, praktisch an? Wie gehen Sie vor?

Wichtig ist natürlich, die jeweiligen Behörden zunächst über das eigene For-
schungsprojekt in Kenntnis zu setzen. Dessen wissenschaftliche, politische
und gesellschaftliche Relevanz sind die Grundpfeiler einer möglichen Aufar-
beitung.
 Entscheidend waren in meinem Fall die entsprechenden Indizien, die eine
Kooperation zwischen dem BND und Barbie nahelegten und unbestreitbar
aus U.S.- amerikanischen Aktenmaterial hervorstachen – Indizien, auf Basis
derer sich der BND möglicherweise zum Handeln gezwungen sah.
Ebenso wichtig ist der Verweis auf die jeweilige Gesetzeslage, die eine wis-
senschaftliche Forschung legitimiert. In den USA schützen der bereits er-
wähnte „Nazi War Crimes Disclosure Act“ und der „Freedom of Informati-
on Act“ die wissenschaftliche Forschung bei der Aufarbeitung von Bezie-
hungen zwischen NS-Funktionären und Geheimdienstbehörden.
In Deutschland gestaltet sich die Gesetzeslage – insbesondere mit Blick auf
Aktenmaterial des BND - wesentlich schwieriger.
Mit dem Verweis auf den Schutz internationaler Beziehungen (laut BNDG)
war es Forschern über Jahre verwehrt, entsprechende Indizien anhand von
Akten des BND zu prüfen. Erst auf Basis eines Urteils vor dem Bundes-
verwaltungsgericht Ende April 2010 gelang es der Journalistin Gabriele
Weber, eine Grundlage zu schaffen, die weitere Forschungen – so auch mei-
ne – beim BND ermöglichte.

Was sind Ihre weiteren Pläne nach Abschluss der Arbeit über Klaus Barbie?

PH: Nach Abschluss der Dissertation würde ich mich auch weiterhin gerne
mit dem in Deutschland noch jungen Forschungszweig der Geheimdienst-
forschung beschäftigen.

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Ich gehe momentan davon aus, dass sich auch weitere Forschungen mit der
Kooperation von NS-Eliten und Geheimdienstbehörden auseinandersetzen
werden. Eine große Herausforderung sehe ich in diesem Zusammenhang in
einem systemstrukturellen Vergleich zwischen internationalen Geheim-
dienstbehörden in Bezug auf die Protektion von NS-Eliten nach 1945.

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