Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung
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Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage des Abgeordneten Volker Bajus (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung Fixierungen im Justizvollzug Anfrage des Abgeordneten Volker Bajus (GRÜNE), eingegangen am 15.03.2021 - Drs. 18/8833 an die Staatskanzlei übersandt am 22.03.2021 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 22.04.2021 Vorbemerkung des Abgeordneten Im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Nie- dersächsischen Justizvollzugsgesetzes und anderer Gesetze (Drs. 18/3764) der Landesregierung spielt auch die Problematik der Fixierung von Gefangenen eine Rolle. Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 NJVollzG kann gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen eine besondere Sicherungsmaßnahme in Form der Fesselung angeordnet werden, wenn nach ihrem oder seinem Verhalten oder aufgrund ihres oder seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Flucht- gefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und wenn die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr unerlässlich ist. Gemäß § 84 Abs. 1 und Abs. 2 NJVollzG ordnet die Anstaltsleiterin oder der An- staltsleiter die Fesselung an; bei Gefahr im Verzug können auch andere Justizvollzugsbedienstete eine Fesselung vorläufig anordnen, die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. Nach § 84 Abs. 4 NJVollzG ist die Anordnung der Fesselung unverzüglich zu widerrufen, wenn die Anordnungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Art und Weise der Fesselung ist in § 83 NJVollzG geregelt: Nach Satz 1 der Vorschrift dürfen Fesseln in der Regel nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der oder des Gefangenen kann nach Satz 2 eine andere Art der Fesselung angeordnet werden. Wird eine Gefangene oder ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr oder sein seelischer Zustand den Anlass der Fesselung, so ist gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 NJVollzG vorher die Ärztin oder der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, so wird die ärztliche Stellungnahme nach § 84 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG unverzüglich eingeholt. Eine Gefangene oder ein Gefangener, die oder der gefesselt ist, sucht die Ärztin oder der Arzt alsbald und in der Folge mög- lichst täglich auf (§ 85 Abs. 1 Satz 1 NJVollzG). Die Fixierung einer oder eines Gefangenen wird, da eine spezielle Rechtsgrundlage insoweit nicht existiert, als „andere Art der Fesselung“ im Sinne des § 83 Satz 2 NJVollzG verstanden. Durch die Fachabteilung des Justizministeriums ist für die Durchführung der Fixierung ausschließlich eine so- genannte Fixierungsmatratze zugelassen. Die Fixierung erfolgt mit breiten und gepolsterten Gurten, die mit Schnallen, Klett- oder Magnetverschlüssen versehen sind. Zur Überwachung des Allgemein- zustandes und zur Gewährleistung der Kontaktaufnahme sind fixierte Gefangene ständig und unmit- telbar zu beaufsichtigen. Jede Fixierung ist dem Justizministerium im Rahmen der Berichtspflichten zu außerordentlichen Vorkommnissen anzuzeigen. Mit dem Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes und anderer Gesetze vom 15.05.2019 - Drs. 18/3764 - wird in Umsetzung der Vorgaben, die das Bun- desverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 - im Hinblick 1
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 auf die Fixierung von Personen in einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung aufgestellt hat, ein spe- zifischer Eingriffstatbestand formuliert. Zudem enthält der Gesetzentwurf differenzierte Regelungen über das Verfahren und gestaltet dabei insbesondere den Richtervorbehalt aus Artikel 104 Abs. 2 GG einfachgesetzlich aus. Mit Blick auf die Systematik der geltenden Vorschriften und die Formulierung der Anfrage wird unter- stellt, dass die Fragen 1 und 2 sich jeweils auf Fesselungen in der Form der Fixierung beziehen. Da im Hinblick auf Fesselungen, die nicht die Qualität einer Fixierung erreichen, eine Anzeigepflicht ge- genüber dem Justizministerium nicht besteht, liegen insoweit keine Daten vor. Daher können die Fragen nur in Bezug auf Fixierungen beantwortet werden. Soweit bei der Beantwortung der Anfrage bezüglich des Zeitpunktes der Beteiligung der Ärztin oder des Arztes auf den seelischen Zustand abgestellt wird, ist zu berücksichtigen, dass dies in Einzelfäl- len nicht ausschließt, dass sich die oder der Gefangene zum Zeitpunkt der Fixierung auch in ärztli- cher Behandlung oder unter ärztlicher Beobachtung befand. Einzelfallbezogene Erkenntnisse liegen hierzu aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht vor. 1. Wie oft wurde jeweils in den Jahren 2018, 2019 und 2020 eine Fesselung (§ 81 Abs. 2 Nr. 6 NJVollzG) vorgenommen (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Justizvollzugsanstalt, Dauer, Grund, Gefahr im Verzug, Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes im Sinne von § 84 Abs. 3 NJVollzG)? Wie in der Vorbemerkung erläutert, bezieht sich die Antwort auf Fesselungen in der Form der Fixie- rung. Im Jahr 2018 sind insgesamt 20 diesbezügliche Anordnungen getroffen worden. Die Einzelhei- ten ergeben sich aus der beigefügten Übersicht (Anlage 1). Sofern mehrere Fixierungen denselben Gefangenen betreffen, sind diese in der ersten Spalte unter einer laufenden Nummer aufgeführt (z. B. „2. JA Hameln“). Im Jahr 2019 wurde in der JVA Meppen eine Fixierung angeordnet, um einer Gefahr der Selbstver- letzung zu begegnen. Anlass gab das Verhalten des Gefangenen. Die Fixierungsdauer betrug 40 Mi- nuten. Die Beteiligung der Ärztin oder des Arztes war nach den geltenden gesetzlichen Regelungen (siehe Vorbemerkung) nicht erforderlich. Im Jahr 2020 sind insgesamt 17 Fixierungsanordnungen getroffen worden. Zu den Einzelheiten wird auf die beigefügte Übersicht (Anlage 2) verwiesen. Auch hier sind Fälle, die denselben Gefangenen betreffen, in der ersten Spalte unter einer laufenden Nummer aufgeführt. Die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 und 3 NJVollzG (Gefahr im Verzug) lagen in allen Fällen vor. 2. Wie viele der Fesselungen aus Frage 1 entsprächen einer Fixierung, wie sie im neuen § 81 Abs. 6 des Gesetzentwurfs beschrieben wird (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Jus- tizvollzugsanstalt, Dauer (Kurzfristigkeit im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 1 neu), Grund im Sinne des § 81 Abs. 6 neu (Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Ge- walttätigkeiten gegen Personen, einer gegenwärtigen Gefahr der Selbsttötung oder einer gegenwärtigen Gefahr einer erheblichen Selbstverletzung), Gefahr im Verzug)? Bei allen der zur Frage 1 genannten Fesselungen handelte es sich um Fixierungen. Keine der Fixie- rungen war kurzfristig im Sinne von § 84 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzentwurfs; die kürzeste Fixierung hat 38 Minuten angedauert. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 1 und die anliegenden Über- sichten verwiesen. (Verteilt am 27.04.2021) 2
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 Anlage 1 – Kalenderjahr 2018 Justizvoll- Dauer Grund Verhalten Hinzuziehung einer Ärz- zugsein- des Gefan- tin/eines Arztes, da seeli- (§ 81 Abs. 1 Antwortteil zu Frage 2 richtung genen i.S.d. scher Zustand des Ge- NJVollzG) § 81 Abs. 1 fangenen i.S.d. § 81 Abs. NJVollzG 1 NJVollzG den Anlass war Anlass der Maßnahme bildet der Maß- Gefahr Gefahr Vorheriges Unverzüg- entspricht entspricht nahme der der Hören der liche Ein- gegenwär- gegenwärti- Selbst- Selbst- Ärztin/des holung ei- tiger Ge- ger Gefahr tötung verlet- Arztes (§ 84 ner Stel- fahr der einer erheb- zung Abs. 3 S. 1 lung- Selbsttö- lichen NJVollzG) nahme (§ tung im Selbstver- 84 Abs. 3 Sinne des letzung S. 2 § 81 Abs. i.S.d. § 81 NJVollzG) 6 neu Abs. 6 neu 1. 72 Std. X X X JVA Rosdorf 2. 1 Std. X X X JA Hameln 7 Min. 1 Std. X X X 2 Min. 1 Std. X X X 33 Min. 1 Std. X X X 40 Min. 1 Std. X X X 13 Min. 2 Std. X X X 13 Min. 2 Std. X X X 10 Min. 2 Std. X X X 40 Min. 1 Std. X X X 5 Min. 40 Min. X X X 3. 16 Std. X X X JVA Rosdorf 4. 17 Std. X X X JVA Lingen 5 Min. 5. 25 Std. X X X JVA Lingen 40 Min. 6. 22 Std. X X X JVA Celle 25 Min. 43 Std. X X X 46 Min. 1
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 7. 15 Std. X X X JVA 16 Std. X X X Wolfenbüttel 55 Min. 8. 23 Std. X X X JVA Lingen 10 Min. 4 Std. X X X 30 Min. 2
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 Anlage 2 - Kalenderjahr 2020 Justizvoll- Dauer Grund Verhalten Hinzuziehung einer Ärz- zugsein- des Ge- tin/eines Arztes, da seeli- (§ 81 Abs. 1 Antwortteil zu Frage 2 richtung fangenen scher Zustand des Gefan- NJVollzG) i.S.d. § 81 genen i.S.d. § 81 Abs. 1 Abs. 1 NJVollzG den Anlass der NJVollzG Maßnahme bildet war An- Gefahr Gefahr Vorheriges Unverzüg- entspricht entspricht lass der der der Maß- Hören der liche Ein- gegenwär- gegenwärti- Selbst- Selbst- nahme Ärztin/des holung ei- tiger Ge- ger Gefahr tötung verlet- Arztes (§ 84 ner Stel- fahr der einer erheb- zung Abs. 3 S. 1 lung- Selbsttö- lichen NJVollzG) nahme (§ tung im Selbstver- 84 Abs. 3 Sinne des letzung S. 2 § 81 Abs. i.S.d. § 81 NJVollzG) 6 neu Abs. 6 neu 1. 1 Std. X X X JVA Rosdorf 40 Min. 2. 11 Std. X X X JVA Celle 9 Min. 38 Std. X X X 35 Min. 37 Std. X X X 66 Std. X X X 50 Min. JVA Sehnde 31 Std. X X X 35 Min. 3. 48 Std. X X X JVA 17 Min. Wolfenbüttel 4. 8 Std. X X X JVA 35 Min. Oldenburg 5. 1 Std. X X X JVA Celle 6. 23 Std. X X X JVA Rosdorf 22 Min. 7. 12 Std. X X X JVA Hannover 8. 17 Std. X X X JVA Meppen 35 Min. 9. 4 Std. X X X JA Hameln 10 Min. 38 Min. X X X 1
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/9119 10. 107 X X (zusätz- X JVA Std. lich vorhe- Wolfenbüttel 30 Min. riges Hö- ren der Ärztin/des Arztes) 11. 18 Std. X X (Gefan- X JA Hameln 56 Min. gener in ärztlicher Behand- lung, daher unverzügli- che Einho- lung einer Stellung- nahme) 13 Std. X X (Gefan- X 40 Min. gener in ärztlicher Behand- lung, da- her unver- zügliche Einholung einer Stel- lungnah- me) 2
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