Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
Klimaänderung und
     Wasserkraft

Fallstudie Stausee Göscheneralp

                                                         Foto: Jan Magnusson / SLF

     Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
              Davos und Birmensdorf, August 2011
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
In Kürze …
Wie wird sich die Klimaänderung auf die Wasserverfügbarkeit und die Zuflüsse zu den
Stauseen auswirken? Diese Frage wurde am Beispiel des Göscheneralpsees (Kanton Uri)
basierend auf den aktuellsten Klima‐ und Gletscherszenarien und mit Hilfe zweier
hydrologischer Modelle untersucht.
Die Modellergebnisse zeigen eine deutliche Veränderung in der Saisonalität des Zuflusses
zum Göscheneralpsee. Die Frühlingsschmelze wird früher einsetzen, so dass sich der
maximale Zufluss im Sommer im Mittel um ca. 3 Wochen bis Mitte des Jahrhunderts, bzw.
um ca. 6 Wochen bis Ende des Jahrhunderts verschieben wird. Dem zukünftig zusätzlichen
Wasserangebot im April bis Juni steht eine deutliche Abnahme des Seezuflusses im Juli bis
September gegenüber. Die Konsequenzen auf den Jahresabfluss werden von den beiden
hydrologischen Modellen unterschiedlich beurteilt. Während das eine Modell keine
Volumenänderungen prognostiziert, berechnet das andere Modell mittelfristige Zunahmen
im Gesamtabfluss von bis zu 20%.
Bereits heute sind die Zuflüsse im Sommer in extremen Jahren mehr als doppelt bzw.
weniger als halb so hoch wie in durchschnittlichen Jahren. Dieses Verhältnis zwischen
extremen und normalen Jahren wird sich im wesentlichen auch in Zukunft wenig verändern.
Im Vergleich zur natürlichen Variabilität zwischen den Jahren sind die prognostizierten
Änderungen im Zufluss relativ klein, so dass die durchschnittlichen Verhältnisse Ende des
Jahrhunderts bereits heute in extremen Jahren beobachtet werden können.

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
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Einleitung

Über das Projekt                                                  Über die Fallstudie Göscheneralpsee

Die   prognostizierte    Klimaänderung   wird    einen            Die vorliegende Fallstudie profitiert von Synergien mit dem
bedeutenden Einfluss auf Schneedecke und Gletscher, und           ETH‐Projekt         BigLink     (www.cces.ethz.ch/projects/
somit auf die Wasserressourcen in den Einzugsgebieten             clench/BigLink), in dessen Rahmen unter anderem die
der Wasserkraftwerke haben.                                       Hydrologie im Einflussbereichs des Dammagletschers in 3‐
                                                                  jähriger Feldforschung untersucht wurde. Dank BigLink
Wie gross diese Änderung in der Wasserverfügbarkeit für
                                                                  liegen     lokale      Messungen      zum    Abfluss     von
die Wasserkraftproduktion sein wird und wie genau sich
                                                                  Teileinzugsgebieten, zu meteorologischen Randbedin‐
die Zuflüsse zu den Reservoirs zeitlich (saisonal) und
                                                                  gungen, sowie zur Schneeverteilung im Gebiet vor. Diese
mengenmässig verändern werden, ist bisher nur in
                                                                  Messungen ermöglichten über den üblichen Rahmen der
Einzelfällen untersucht worden (Beispiel: Mauvoisin).
                                                                  hydrologischen Modellierung hinaus zu gehen. Und so
Mit dem Ziel, diesbezüglich für die ganze Schweiz                 konnte parallel zu einem konventionellen Modell auch ein
verbesserte Aussagen machen zu können, hat die Swiss              wesentlich komplexeres Modell eingesetzt werden,
Electric Research zusammen mit dem Bundesamt für                  welches die physikalischen Prozesse rund um den Energie‐
Energie im 2008 die vorliegende Studie in Auftrag gegeben.        und Wasserhaushalt in alpinen Einzugsgebieten abbildet.
Dabei sollen die hydrologischen Auswirkungen der                  Der Vorteil von physikalisch‐basierten Modellen liegt darin,
Klimaänderung für die Wasserkraft in der Schweiz räumlich         dass die Übertragbarkeit auf zukünftige klimatische
differenziert   unter      Einbezug     der     aktuellsten       Randbedingungen prinzipiell gegeben ist. Auf der anderen
Vorhersagemodelle abgeschätzt werden.                             Seite benötigen diese Modelle exakte räumlich verteilte
Neben einer generellen Analyse der zu erwartenden                 meteorologische Inputdaten, welche im Anbetracht der
hydrologischen Veränderungen in ca. 20 natürlichen                heutigen Messnetze nur mit gewissen Vereinfachungen zur
Einzugsgebieten der Schweiz mit unterschiedlichen                 Verfügung gestellt werden können. Und so bieten die in
topographischen, geologischen und klimatologischen                dieser      Fallstudie     verwendeten     komplementären
Voraussetzungen untersucht diese Studie sechs                     Modelltypen die Möglichkeit (aber auch den Umstand),
ausgewählte Fallbeispiele im Detail. In diesen                    zusätzlich zur Unsicherheit der Klimamodelle auch auf die
Fallbeispielen werden für die Zeiträume 2021‐50 (nahe             Unsicherheiten durch verschiedene Modellansätze in der
Zukunft), resp. 2070‐99 (ferne Zukunft) die lokalen               hydrologischen Modellierung einzugehen.
meteorologischen Veränderungen und die daraus
resultierenden Änderungen in der Vergletscherung, der
Schneedecke und im Abfluss simuliert. Abschliessend wird
von den betroffenen Kraftwerkbetreibern die Bedeutung
dieser     hydrologischen    Änderungen       für   ihre
Stromproduktion abgeschätzt.
Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse der Fallstudie
„Göscheneralpsee“ zusammen. Die folgenden Gruppen
haben hierzu beigetragen: Institut für Atmosphäre und
Klima der ETH Zürich (klimatologisches Downscaling),
Geographisches        Institut     der     Uni       Zürich
(Gletschermodellierung), Versuchsanstalt für Wasserbau
der    ETH     Zürich     (Gletschermodellierung),    Eidg.
Forschungsanstalt       WSL       (Schneedecken        und
Abflussmodellierung), sowie CKW, Riskmanagement und
Research (betriebliche Analysen).                                 Abb. 1: Installation einer automatische Kamera zur
                                                                  Überwachung des Flussnetzwerkes welches das
                                                                  Schmelzwasser des Dammagletschers in den
                                                                  Göschernalpsee transportiert.

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Allgemeine Datengrundlagen                                      d) Als Grundlage für die Gletscherentwicklung dient das
                                                                World Glacier Inventory: Stand 1973. Dieses wurde als
                                                                Initiale Gletscherfläche für die Simulation (1985)
Für die Fallstudie „Göscheneralpsee“ wurden folgende
                                                                verwendet und dann kontinuierlich mit dem
Daten verwendet:
                                                                Schrumpfmodell von Paul et al. (2007) angepasst (siehe
a) Digitales Geländemodell RIMINI (Arealstatistik,              Seite 4). Die Rastergrösse des ursprünglichen
Bundesamt für Statistik) mit einer räumlichen Auflösung         Gletscherinventars ist 25 m. Für unsere Modellierung wird
von 100 m.                                                      sie auf 200 m aggregiert.
b) Landnutzung – aggregiert in ca. 12 hydrologische             e) Schneemessungen des Interkantonalen Mess‐ und
Klassen – mit einer räumlichen Auflösung von 100 m,             Informationssystems IMIS, sowie Beobachter‐Schneedaten
basierend auf der Areal‐Statistik des Bundesamts für            des SLF Davos
Statistik (GEOSTAT), 1992/97.
                                                                f) Zufluss‐Messungen (berechnet aus Änderungen des
c) Meteorologische Messungen (Stundenwerte; Zeitraum:           Seewasserstands) der CKW (Centralschweizerische
1980‐2009) der MeteoSchweiz‐Stationen, welche für das           Kraftwerk AG, Luzern) für den Zeitraum 1997‐2009.
Einzugsgebiet Göscheneralpsee relevant sind. Wichtige
                                                                g) Messungen im Teileinzugsgebiet Damma‐Reuss von
Stationen sind Gütsch‐ob‐Andermatt, Altdorf, Grimsel
                                                                2006‐2010:      Abfluss,     meteorologische  Daten,
Hospiz, Titlis und Engelberg. Für die hydrologische
                                                                Schneeverteilung,        Grundwasserpegel,   Wasser‐
Modellierung     wurden      folgende   meteorologische
                                                                temperaturen, und anderes.
Messgrössen verwendet: Lufttemperatur, Relative Feuchte,
Globalstrahlung, Niederschlag und Windgeschwindigkeit.

       Abb. 2: Karte des Göscheneralpsee‐Einzugsgebiets und Umgebung. Die nächstgelegenen Messstellen der
       Meteoschweiz sind markiert.

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Modellierungsansatz                                              Als Grundlage dafür wurden der Ausgangszustand der
                                                                 Gletscher von 1985 (gemäss World Glacier Inventory) mit
                                                                 einem Schrumpfmodell von Paul et al. (2007) in 5‐Jahres‐
Die Ergebnisse dieser Fallstudie basieren auf regionalen
                                                                 Schritten kontinuierlich reduziert. Die glaziologische
Klimamodelldaten des europäischen Projekts ENSEMBLES,
                                                                 Berechnungen basieren dabei auf der einfachen Annahme,
welche alle vom IPCC‐Emissionsszenario A1B (moderate
                                                                 dass die Gleichgewichtslinie (GWL) entsprechend der
Erwärmung) ausgehen. Um die Bandbreite bzw.
                                                                 Lufttemperaturerhöhung ansteigt. Dadurch wird das
Unsicherheit heutiger Klimamodelle widerzuspiegeln,
                                                                 Akkumulationsgebiet des Gletschers kleiner. Die
wurden Daten von insgesamt zehn verschiedenen Klima‐
                                                                 resultierenden Gletscherszenarien für Mitte und Ende des
Modellketten als Input für die hydrologische Modellierung
                                                                 21. Jahrhunderts wurden mit Gletscherszenarien der VAW
verwendet. Die Klimamodellketten beinhalten dabei
                                                                 verifiziert, welche auf einem Ansatz von Huss, Farinotti und
gekoppelten Berechnungen unterschiedlicher Kombina‐
                                                                 Bauder basieren.
tionen von Globalen Zirkulationsmodellen (GCM) mit
Regionalen Klimamodellen (RCM).
Um die Klimamodellergebnisse auf die lokalen Verhältnisse        Konzeptuelles hydrologisches Modell PREVAH
im Untersuchungsgebiet abzubilden, wurden für alle
Messstationen der MeteoSchweiz Jahreszeit‐abhängige              PREVAH ist ein konzeptuelles hydrologisches Modell, das
Temperatur‐ und Niederschlagsänderung für die Zeiträume          schweizweit seit über zehn Jahren in zahlreichen
2021‐2050 (nahe Zukunft) und 2070‐2099 (ferne Zukunft)           vergletscherten und unvergletscherten Einzugsgebieten
relativ zur Referenzperiode 1980‐2009 berechnet                  getestet worden ist. Für die vorliegende Fallstudie wurde
(Bosshard et al., 2011).                                         die neue Gitterversion des Modells (Viviroli et al., 2009a.)
Für die hydrologische Modellierung wurden wie bereits            für das ganze Einzugsgebiet mit regionalisierten
oben erwähnt zwei verschiedene Modelle verwendet.                Parametern von Viviroli et al. (2009b und 2009c)
Beide Modellansätze verwenden die gemessenen und                 aufgesetzt. Anhand von gemessenen Zuflussdaten der CKW
prognostizierten Temperatur‐ und Niederschlagsdaten der          wurden die Modellparameter optimiert. Danach wurden in
Messstationen der MeteoSchweiz als primären Input.               täglicher Auflösung folgende hydrologischen Grössen
Dadurch resultieren für jedes Modell Ergebnisse für die          berechnet: Niederschlag, Verdunstung, Schneewasserwert,
Referenzperiode (1x) und separate Berechnungen für jede          Eis‐ und Schneeschmelze, Bodenwasserspeicher und
Klimamodellkette (10x) für beide Perioden in der Zukunft,        Abfluss. Als Modellinput wurden die gemessenen bzw.
dh. maximal 21 Simulationen über jeweils 30 Jahre.               prognostizierten     meteorologischen       Grössen     der
Beide verwendeten hydrologischen Modelle sind nicht in           nahegelegenen      Meteoschweiz‐Stationen        auf     ein
der Lage Gletscherdynamische Prozesse (d.h. Massen‐              Gittermodell des Einzugsgebiet interpoliert.
bewegungen) zu simulieren. Da derartige Prozesse über
längere Zeitskalen jedoch hydrologisch relevant sind,
wurden externe glaziologische Berechnungen als
zusätzliche Randbedingung in die Modelle integriert.

    Abb. 3: Darstellung der Modellierungskette von den globalen Zirkulationsmodellen (GCM) bis hin zum hydrologischen
    Modell nach Bosshard und anderen (2010).

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Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
Physikalisch-basiertes hydrologisches Modell                      Die Landschaft hat alpinen Charakter mit vergletscherten
Alpine3D                                                          Gebieten in höheren Lagen (Damma‐, Tiefen‐,
                                                                  Chelengletscher, Flachstein‐ und Wallenbuchfirn.). Im 1973
                                                                                                              2
                                                                  betrug die vergletscherte Fläche 24.2 km , was einem
Alpine3D ist ein gebirgshydrologisches Modell, welches die
                                                                  Anteil von 25 % entspricht. Durch den Rückzug der
Energieaustausch‐ und Wassertransportprozesse zwischen
                                                                  Gletscher    wurden      in   jüngerer    Zeit    teilweise
Atmosphäre, Vegetation, Schnee/Eis und dem Boden
                                                                  vegetationsarme     Flächen     mit    Moränenbedeckung
beschreibt. Es benötigt als Input Temperatur,
                                                                  freigelegt. Der geologische Untergrund wird durch die
Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Niederschlag
                                                                  Granite und Gneise des Aarmassivs aufgebaut. Unterhalb
für jeden Gitterpunkt, welche durch geeignete
                                                                  der nivalen Höhenstufe sind vom Gletscher geschliffene
Interpolationsverfahren von den Stationsdaten gewonnen
                                                                  Felsoberflächen und flachgründige Böden mit einfacher
wurden. Diese Interpolationsverfahren wurden anhand
                                                                  Vegetation verbreitet, welche zu einer insgesamt geringen
lokaler meteorologischer Messungen optimiert und
                                                                  Wasserspeicherkapazität führen.
berücksichtigen zB. auch Topographie‐bedingte lokale
Umlagerungen von Schneefall in steilem Gelände (s.                Gemittelt über das Gebiet fallen pro Jahr im Durchschnitt
Magnusson et al. 2010). Kurz‐ und langwellige Strahlung           2330 mm Niederschlag. Diese Summe scheint relativ hoch,
werden vom Modell auf das Gelände verteilt, wobei                 wenn man sie mit den Jahresniederschlägen an den
topographische Abschattung oder zB. Rückstreuung von              Stationen    Gütsch‐Andermatt      (1479    mm)     oder
Kurzwellenstrahlung von Schnee an das umliegende                  Göscheneralp (1555 mm) vergleicht. Der starke
Gelände berücksichtigt werden. Der durch das Modell               Niederschlagsgradient mit der Höhe (von ca. 5% pro 100
generierte Abfluss an jeder Gitterzelle wird ähnlich wie in       m) ist aber mit verschiedenen ausführlichen Studien von
PREVAH mit konzeptuellem Routing zu einem                         Kormann (2009), Farinotti u.a. (2011) und Magnusson u.a.
Gesamtabfluss zusammengerechnet. Berechnungen mit                 (2011) gut gesichert. Somit ergibt sich für das gesamte
Alpine3D benötigen erhebliche Computerressourcen,                 Einzugsgebiet ein Jahresvolumen von ca. 210 Mio. m3
deshalb war es in dieser Fallstudie nur möglich, die              Wasser.
Referenzperiode und für die beiden zukünftigen Perioden           Die Wasserfassung Urnerloch bei Andermatt und das
drei ausgewählte Klimamodellketten zu berechnen.                  dazugehörige Einzugsgebiet mit den Zuflüssen Furka‐,
                                                                  Mutten‐, Witenwassern‐, Gotthard‐ und Unteralpreuss
                                                                  werden in dieser Studie nicht berücksichtigt.
Beschreibung des Einzugsgebiets

Das Einzugsgebiet des Stausees Göscheneralp umfasst               Beschreibung der Kraftwerkanlage
                             2
(gemäss Abb. 5) 91.4 km . Aufgrund des digitalen
Geländemodells, das für die hydrologische Simulation              Das Kraftwerk Göschenen ist seit 1961 in Betrieb. Im
                                                         2                                               3
verwendet wurde, wurde eine Fläche von 96.2 km                    Stausee Göscheneralp finden 75 Mio m Nutzwasser Platz.
berechnet. Darin enthalten sind sowohl das natürliche             Von dort gelangt das Wasser durch einen 7 km langen
                                         2
Einzugsgebiet der Göscheneralp (42.3km ) als auch die             Druckstollen und einen 900 m langen Druckschacht in die
Einzugsgebiete der im Voralpertal und Hinteren Urserental         Kavernenzentrale     Göschenen      (1090m.ü.M.).   Die
gefassten und zugeleiteten Fliessgewässer (Furkareuss,            Gesamtleistung der Turbinen beträgt 4 x 41.2MW.
Lochbach, Stockbach, Voralperreuss). Der Stausee liegt auf
1’792m.ü.M. Die höchste Erhebung im Gebiet ist der
Dammastock mit 3'630 m ü.M.

Abb. 4: Blick von der Staumauer ins Einzugsgebiet des             Abb. 5: Karte mit Reservoiren, Zuleitungen (wie hier im
Göscheneralpsees                                                  Beispiel Göscheneralpsee)
                                                              6
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
Zukunftsszenarien und Modellvalidierung

Regionale Klimaszenarien                                            Regionale Gletscherszenarien

Wie bereits erwähnt, wurden basierend auf den                       Unter Annahme prognostizierten Klimaänderungen wird
ENSEMLBES Klimamodellketten für alle relevanten                     ein weiterer Rückgang der Gletscher in der Region
Messstationen der MeteoSchweiz Jahreszeitabhängige                  erwartet. Gemäss Berechnungen des glaziologischen
Änderungen für Temperatur und Niederschlag für die                  Modells soll die vergletscherte Fläche im Einzugsgebiet des
Perioden 2021‐2050 (nahe Zukunft) und 2070‐2099 (ferne              Göscheneralpsees von 1985 um 25% auf gut 14 % im Jahr
Zukunft) relativ zur Kontrollperiode 1980‐2009 berechnet.           2040 zurückgehen. Bis 2085 wird gar eine Reduktion auf
Abb. 7 zeigt exemplarisch die erwarteten Veränderungen              6% des Gebiets prognostiziert (siehe Tabelle). Die bis zum
für die Station Gütsch‐ob‐Andermatt. Trotz erheblicher              Ende des 21. Jahrhunderts verbleibende Gletschermassen
Unterschiede zwischen den verwendeten Klimamodell‐                  werden sich vor allem auf die Gebiete des Damma‐ und des
ketten werden wärmere Temperaturen insbesondere in                  Tiefengletschers verteilen (siehe Abbildung 6)
den Sommermonaten konsistent vorhergesagt. Für den
Zeitraum 2021‐50 liegt der Temperaturanstieg im Sommer                                           1985        2040       2085
                                                                                       2
bei ca. 1.8°C [1.0‐3.5°C] und für den Zeitraum 2070‐99 bei          Gletscherfläche (km )        24.1        13.6       5.8
                                                                                        2
knapp 5°C [3‐7.5°C]. Die projizierten Veränderungen liegen          Eisfreie Fläche (km )        72.2        82.6       90.5
                                                                    Gletscherfläche (%)          25.1        14.1       6.0
dabei deutlich ausserhalb der natürlichen Variabilität
                                                                    Eisfreie Fläche (%)          74.9        85.9       94.0
(siehe graue Fläche in Abb. 7) und dürfen als signifikant
betrachtet werden.
Die erwarteten Änderungen im Niederschlag liegen
hingegen nicht ausserhalb der beobachteten natürlichen
Variabilität, mit Ausnahme einer längerfristigen Abnahme
in der Grössenordnung von 20% in den Sommermonaten
für 2070‐99. Dafür nehmen die Winterniederschläge im
gleichen Zeitraum tendenziell geringfügig zu.
Ausführliche Angaben zu diesen Klimaszenarien sind
verfügbar unter: www.c2sm.ethz.ch/services/CH2011
                                                                    Abb. 6: Prognose zum Rückgang des Gletscheranteils

Abb. 7: Prognostizierte Änderungen der Temperatur (ΔT, links) und des Niederschlages (ΔP, rechts) für die Station Gütsch‐Andermatt
                                                              7 Kontrollperiode 1980‐2009. Die natürliche Variabilität ist als graues
für den Zeitraum 2021‐50 (oben) und 2070‐99 (unten), relativ zur
Band dargestellt (+/‐ 1 Standardabweichung), Ergebnisse der einzelnen Klimamodellketten sind farbig dargestellt (s. Legende rechts).
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
Validierung der hydrologischen Modelle                              Als Untersuchungsgebiet für den kleinräumigen Test wurde
                                                                                2
                                                                    das 10km grosse Einzugsgebiet der Dammareuss
                                                                    verwendet. Abflussmessungen werden dort von der Eidg.
Als Grundlage für die Validierung können wir die
                                                                    Forschungsanstalt WSL seit 2007 durchgeführt. Ausserdem
Modellsimulation für den Zeitraum 1997‐2009 anhand von
                                                                    liegen umfangreiche Arbeiten zur Bestimmung der
Seezufluss‐Messungen der CKW, sowie anhand von
                                                                    Massenbilanz des Dammagletschers vor, welcher eine
Schneeprodukten des SLF überprüfen.
                                                                    wichtige Komponente in der Abflussdynamik spielt.
Im Allgemeinen weisen die Modelle eine gute
                                                                    Automatische Überwachungs‐Kameras liefern tägliche
Übereinstimmung mit den Schnee‐ und Abflussmessungen
                                                                    Daten zur Schneebedeckung. Anhand dieser Daten können
auf. Die saisonalen Schwankungen, aber auch die
                                                                    wir zeigen, dass Alpine3D trotz interpolierter
Unterschiede zwischen wasserarmen und wasserreichen
                                                                    meteorologischer Daten in der Lage ist, saisonalen
Jahren werden quantitativ realistisch wiedergegeben
                                                                    Schneefall und dessen Ausaperungsmuster in guter
(Abbildung 8). Der Nash‐Sutcliffe‐coefficient (ein in der
                                                                    Genauigkeit wiederzugeben (Abb. 10). Auch die
Hydrologie      gebräuchliches     Gütemass      für    die
                                                                    Abflussmodellierung weist eine hohe Güte auf. Sogar die
Übereinstimmung         zwischen      modelliertem     und
                                                                    durch      Schnee‐    und    Eisschmelze    verursachten
gemessenem Abfluss) liegt bei 0.91 (PREVAH), resp. bei
                                                                    tageszeitlichen Schwankungen im Abfluss werden vom
0.85 (Alpine3D), was beiden Modellen eine gute Leistung
                                                                    Modell gut erfasst (Abb. 9).
attestiert. Die mittlere Abweichung vom gemessenen
                                                                    Das auch für grössere Einzugsgebiete eingesetzte Modell
Zufluss des Göscheneralpsees beträgt ‐2.5% (PREVAH)
                                                                    PREVAH zeigt im Vergleich mit einem operationellen
resp. +0.1% (Alpine3D).
                                                                    Schneeprodukt des SLF, dass es auf grosser Skala die
Auf kleinerer Skala wurde die Genauigkeit des physikalisch‐
                                                                    saisonalen Schneewasserressourcen gut zu simulieren
basierten Prozessmodells Alpine3D gestestet. Derartige
                                                                    vermag. Simulation für das Reuss‐Einzugsgebiet
Tests stellen erschwerte Anforderungen an die Modelle, da
                                                                    veranschaulichen, dass die jährlichen Maxima im
die räumliche Variabilität der meteorologischen
                                                                    Schneewasserwert von PREVAH gut mit den
Randbedingungen stärker zum Tragen kommt. Ausserdem
                                                                    Beobachtungsdaten des SLF übereinstimmen (Abb. 11). So
benötigen Studien wie diese langjährige meteorologische
                                                                    werden beispielsweise besonders schneearme (z.B. 1996,
Datenreihen als Input, welche normalerweise lokal nicht
                                                                    2007) und schneereiche Winter (z.B. 1982, 1999) vom
zur Verfügung stehen und über grössere Distanzen (im
                                                                    PREVAH korrekt wiedergegeben.
vorliegenden Fall ca. 20km) interpoliert werden müssen.

 Abb. 8: Simulierter (rot) und gemessener (blau) täglicher natürlicher Zufluss zum Göscheneralpsee für die Jahre 1998‐2010.
 Simulation mit PREVAH (oben) und Alpine3D (unten).

                                                               8
Klimaänderung und Wasserkraft - Fallstudie Stausee Göscheneralp - Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
2
Abb. 9: Mit Alpine3D simulierter (Linie) und gemessener (Schattierung) stündlicher Abfluss aus dem nur 10km grossen
Teileinzugsgebiet der Dammareuss für das Jahr 2009. Sogar die durch Schnee‐ und Eisschmelze verursachten tageszeitlichen
Schwankungen im Abfluss werden vom Modell gut erfasst.

Abb. 10: Die mit Überwachungskameras beobachte Schneebedeckung (obere Reihe) und entsprechenden Modellergebnisse
(untere Reihe) für das Teileinzugsgebiet der Dammareuss. Die weissen Flächen sind „schneebedeckt“, die grauen Flächen
„schneefrei“, und die schwarzen Flächen konnten von der Kamera nicht beobachtet werden. Verwendetes Modell: Alpine3D.

Abb. 11: Simulierter (schwarz) und beobachteter (farbig) mittlerer Schneewasserwert des Reuss‐Einzugsgebiets (oberhalb 1‘500 m
ü.M.) für den Zeitraum 1976‐2009 (Grün: Abgeleitet von 110 SLF‐Messstationen, Rot: 133 SLF‐Messstationen, Blau 203 SLF‐
Messstationen).

                                                            9
Die Messdaten der CKW erlauben für die Periode von                   Das Modell PREVAH auf der anderen Seite unterschätzt die
1997‐2009 eine detaillierte jahreszeitliche Validierung der          Abflüsse in jener Phase in der die Gletscherschmelze am
Modellergebnisse (Abb 13, oben). Auch wenn beide                     meisten zum Gesamtabfluss beiträgt, dies ab Mitte Juli bis
hydrologischen Modelle gesamthaft ähnlich gute                       Anfang September. Das Defizit wird durch überhöhte
Ergebnisse aufweisen, gibt es doch kleinere systematische            Abflüsse in den Monaten Oktober und November
jahreszeitliche und modellspezifische Abweichungen von               ausgeglichen.
den beobachteten Zuflüssen zum Göscheneralpsee (Abb.                 Die Relative Differenz der beiden Modelle im Vergleich
13, Mitte). Die Saisonalität der Abweichungen                        zueinander (Abb 13, unten) basiert im wesentlichen auf
unterscheiden sich dabei deutlich zwischen den beiden                der Addition der Einzelabweichungen, da die Modell‐
Modellen.                                                            spezifischen Abweichungen auf Perioden von 1‐2 Monate
Alpine3D unterschätzt vor allem zu Beginn der                        beschränkt sind, welche sich zeitlich nicht überschneiden.
Schneeschmelze die Abflüsse (im Mai) und kompensiert                 In der Validierungsperiode von 1997‐2009 beträgt die
dies durch überhöhte Abflüsse gegen Schluss des                      Differenz im Gesamtabfluss der beiden Modelle 2.5%, über
saisonalen Anstiegs im Sommer (1. Hälfte Juli). Eine                 die gesamte Referenzperiode von 1983‐2009 nur 0.6%.
genauere Analyse zeigt, dass diese Abweichung auf das
Timing des Schneeschmelzabflusses zurückzuführen ist,                                              Alpine3D    Messung    PREVAH
welcher im Durchschnitt im Modell um 5 Tage zu spät                  Abfluss (mm/Tag) 1997‐2009    5.50        5.51       5.37
einsetzt. Der Effekt hat mutmasslich mit dem Rückhalten              Relativer Fehler (%)          +0.1        ‐‐‐        ‐2.5
von Schmelzwasser in der Schneedecke zu tun: Durch die               Abfluss (mm/Tag) 1983‐2009    5.33        ‐‐‐        5.30
begrenzte räumlich Auflösung des Modellgitters ist die               Relative Differenz (%)        +0.6        ‐‐‐        ‐0.6
lokale Variabilität der Schneeverteilung im Modell                  Abb. 12:. Über das Jahr gemittelter Gesamtabfluss, Messungen
unterrepräsentiert, was zu einer Verspätung des ersten              und Berechnungen im Vergleich.
Schneeschmelzabflusses führt. Abgesehen von diesen
Phasen (Mai und Anfang Juli) stimmen die Ergebnisse von
Alpine3D mit den Messungen gut (Sommer) bis sehr gut
(September bis April) überein.

                 ‐‐‐ Modell Alpine3D
                 ‐‐‐ Messungen CKW
                 ‐‐‐ Modell PREVAH

                 ‐‐‐ Differenz Alpine3D ‐ Messung
                 ‐‐‐ Differenz PREVAH ‐ Messung

                 ‐‐‐ Differenz Alpine3D ‐ PREVAH

Abb. 13: Abweichungen des simulierten gegen den gemessenen 10Gesamtzufluss zum Göschernalpsee im Jahresverlauf. Die Pfeile
bezeichnen den Mittelwert (Kreise) sowie 25% und 75% Percentilen (Pfeilspitzen) der Variabilität zwischen den einzelnen Jahren.
Ergebnisse der hydrologischen Modelle

   Erwartete Veränderung der Schneedecke                               Ebenso bedeutend ist der Rückgang des Schneevorrats im
                                                                       Sommer und Herbst. Heute überdauern selbst in
                                                                       Schneearmen Jahren bedeutende Mengen Schnee in den
   Wie bei den Gletschern, wird die erwartete Erwärmung des            höheren Lagen die wärmeren Jahreszeiten. Dies ist vor
   Klimas im Einzugsgebiet des Göscheneralpsees auch zu                allem für die Akkumulationszonen der Gletscher von
   einer bedeutenden Veränderung der Schneespeicher                    Bedeutung. Diese Mengen gehen gemäss PREVAH aber
   führen.                                                             bereits gegen Mitte des Jahrhunderts deutlich zurück und
   Gemäss PREVAH geht der maximale Schneewasserwert                    versiegen gegen Ende des Jahrhunderts im Normalfall
   Mitte Winter um 20‐50% für den Zeitraum 2021‐50, bzw.               vollends.
   um 50‐60% für den Zeitraum 2070‐99 zurück (Abb. 14).                Qualitativ ähnliche Ergebnisse ergeben Berechnungen des
   Damit liegen die mittleren Werte gegen Ende des 21.                 Modells Alpine3D für das Teileinzugsgebiet Dammareuss
   Jahrhunderts am unteren Ende der natürlichen Variabilität           (Abb. 15). Der Winter verkürzt sich in allen Höhenstufen
   von heute, oder sind anders gesagt extrem Schneearme                um 5‐8 Wochen und selbst auf 3500 müM schmilzt der
   Winter von heute der Normalfall in Zukunft.                         Schnee für kurze Zeit im Sommer vollständig weg.

Abb. 14: Mit PREVAH berechnete Veränderung in der Klimatologie des Schneewasserwerts (mm) für den Zeitraum 2021‐50 (links)
und den Zeitraum 2070‐99 (rechts), dargestellt für den Median, das 97.5%‐Quantil und das 2.5%‐Quantil (oben) und den
Mittelwert (unten) des gesamten Göscheneralpsee‐Einzugsgebiets. Die schwarze Linie entspricht der Referenz‐Simulation für den
Zeitraum 1980‐2009.

  Abb. 15: Mit Alpine3D berechnete Veränderung der Schneedecke für das Teileinzugsgebiet Dammareuss; Verhältnisse heute
  (durchgezogene Linie), für den Zeitraum 2071‐2100 gemäss IPCC Szenario A2 (gestrichelte Linie), für den Zeitraum 2071‐2100
  gemäss IPCC Szenario B2 (gepunktete Linie); von links nach rechts: Von Schnee bedeckter Flächenanteil im Jahresverlauf (%),
  saisonaler Schneespeicher [mm], maximaler Schneewasserwert mit der Höhe (mm), Schneevolumen mit der Höhe (mm).

                                                                 11
Erwartete Veränderung der Verdunstung und                         Auch bezüglich der im Boden gespeicherten Wassermenge
Bodenfeuchte                                                      gibt es eine grosse Unsicherheit. Doch angesichts der
                                                                  wenig entwickelten Böden in diesem alpinen Einzugsgebiet
                                                                  kann von einer allgemein geringen Bodenwasser‐
Eine Änderung des Klimas wird auch Auswirkungen auf die
                                                                  speicherung ausgegangen werden. Grundlage für die
Verdunstung und die Wasserspeicherung im Boden haben.
                                                                  Berechnung der temporären Bodenwasserspeicherung im
Jährlich verdunsten im Göscheneralpsee‐Einzugsgebiet ca.
                                                                  Göscheneralpsee‐Gebiet ist eine angenommene Beziehung
13% des gesamten Jahresniederschlags. Die Berechnungen
                                                                  zwischen Landnutzung und Bodenkennwerten.
des Modells PREVAH sind zwar mit grosser Unsicherheit
                                                                  Gemäss den Ergebnissen des Modells PREVAH dürfte die
behaftet, weil man immer noch relativ wenig weiss über
                                                                  Bodenwasserspeicherung in Zukunft nur unwesentlich
die Verdunstung in alpinen Einzugsgebieten. Die
                                                                  zunehmen. Diese Zunahme ist eine Folge des
Grössenordnung stimmt aber recht gut mit Angaben des
                                                                  Gletscherrückgangs und der damit verbundenen Freilegung
hydrologischen Atlas der Schweiz (Tafel 4.1).
                                                                  des Gletschervorfelds. Sobald eine vergletscherte Fläche
Im Vergleich zur Unsicherheit im Modell und zum Anteil an
                                                                  verschwindet, wird diese durch vegetationslose Schotter
der jährlichen Wasserbilanz sind die erwarteten
                                                                  im Modell ersetzt. Solche Böden sind nach wie vor sehr
Veränderungen in der Verdunstung gering. Für den
                                                                  speicherarm. Diese vorerst fels‐dominierten Flächen
Zeitraum 2021‐50 berechnet das Modell eine Zunahme der
                                                                  entwickeln sich nur über sehr lange Zeit zu feinkörnigen,
jährlichen Verdunstung um ca. 15 mm bzw. um 0.6% des
                                                                  speicherfähigen Böden.
aktuellen Jahresniederschlags; für den Zeitraum 2070‐99
um ca. 27 mm bzw. um 1.2%.

Abb. 16: Mit PREVAH berechnete Veränderung in der Klimatologie der durchschnittlichen Verdunstung (mm/Tag; oben) und
Bodenwasserspeicherung (mm; unten) für den Zeitraum 2021‐50 (links) und den Zeitraum 2070‐99 (rechts) gemittelt über das
gesamte Einzugsgebiet des Göscheneralpsees. Die schwarze Linie entspricht der Referenz‐Simulation für den Zeitraum 1980‐2009.

                                                            12
Auswirkungen    auf            den      Zufluss      zum            Der Wert des maximalen Abflusses hingegen scheint sich
 Göscheneralpsee                                                     weder in näherer noch in ferner Zukunft stark zu
                                                                     verändern, auch wenn die Unterschiede zwischen den 10
                                                                     Modelläufen mit zunehmenden Prognosehorizont grösser
 Als integrales Ergebnis der sich verändernden
                                                                     werden, bzw. die Aussage mit einer grösseren
 Teilkomponenten der Wasserbilanz wird sich das
                                                                     Ungenauigkeit behaftet ist. Auch die gesamte jährliche
 Zuflussregime des Göschernalpsees anpassen. Diese
                                                                     Zuflussmenge wird sich gemäss PREVAH in einem
 Änderungen sind komplex und betreffen Abflussvolumina,
                                                                     Normaljahr gegenüber der Referenzperiode nur
 Saisonalität, sowie die jährliche Variabilität. Die
                                                                     unwesentlich verändern, und zwar im Mittel um ‐0.6%
 Modellprognosen       unterscheiden     sich    je    nach
                                                                     (±1.8%, 2021‐50), resp. um ‐1.9% (±4.7%, 2070‐99). Die
 Klimamodellkette, aber teilweise auch zwischen den
                                                                     mittleren Abnahmen sind dabei aber kleiner als die durch
 beiden verwendeten hydrologischen Modellen. Im
                                                                     die verschiedenen Klimamodelle bedingte Unsicherheit.
 folgenden werden zunächst die Abflussprognosen der
                                                                     Dem zukünftig zusätzlichen Wasserangebot im April bis
 beiden hydrologischen Modellen separat vorgestellt, eine
                                                                     Juni steht eine ebenso deutliche Abnahme des
 Synthese findet sich im abschliessenden Diskussionsteil.
                                                                     Seezuflusses im Juli bis September gegenüber. Das kann in
                                                                     hoher Übereinstimmung unter den einzelnen Simulationen
 PREVAH                                                              bis Ende des Jahrhunderts mehr als 50% des heutigen
                                                                     mittleren Abflusses im August ausmachen.
 Am offensichtlichsten ist eine Veränderung der Saisonalität         Qualitativ übereinstimmend sind auch die einzelnen
 im Gesamtabfluss (Abb. 17). Das Timing des maximalen                Simulationen zur Erhöhung des Abflusses in den
 Abflusses im Sommer verschiebt sich im Mittel um ca. 3              Wintermonaten (Nov.‐Feb.). Die Zunahme variiert jedoch
 Wochen bis Mitte, bzw. um ca. 6 Wochen bis Ende des                 zwischen 0 – 2 mm/Tag je nach Klimamodellkette, Monat
 Jahrhunderts. Diesbezüglich stimmen Simulationen von der            und Prognosehorizont, was bis zu einer Verfünffachung der
 Hälfte der Klimamodellketten bestens überein, während               aktuellen Winterabflüsse bedeuten kann.
 die anderen Simulationen um ca. 1 – 2 Wochen abweichen.

Abb. 17: Mit PREVAH berechnete Veränderung in der Klimatologie des natürlichen Zuflusses (mm/Tag) für den Zeitraum 2021‐50
(links) und den Zeitraum 2070‐99 (rechts), dargestellt für den Median, das 97.5%‐Quantil und das 2.5%‐Quantil (unten) und den
Mittelwert (oben) des gesamten Einzugsgebiets. Die schwarze Linie entspricht der Referenz‐Simulation für den Zeitraum 1980‐
2009.
                                                                 13
Die Percentil‐Darstellung (Abb. 17, unten) zeigt die grosse         Auch die Alpine3D Simulationen zeigen eine deutliche
 Variabilität im Abfluss zwischen den einzelnen Jahren der           Vorverschiebung der Schneeschmelze, dies je nach
 30‐jährigen Simulationsperioden. So sind die mittleren              Klimamodellkette um 1.5 bis 3.5 Wochen für 2021‐2050,
 Abflüsse im Sommer in extremen Jahren mehr als doppelt              bzw. 4 bis 7 Wochen für 2071‐2100 (Abb. 18). Ähnlich wie
 bzw. weniger als halb so hoch wie in durchschnittlichen             bei der PREVAH Simulationen, ist die Veränderung des
 Jahren. Dieses Verhältnis zwischen extremen und                     maximalen Abflusses im Sommer unklar und variiert um ca.
 normalen Jahren wird sich im wesentlichen auch in Zukunft           +/‐ 15% je nach Klimaszenario. Dafür prognostiziert
 wenig verändern. Die augenfälligste qualitative                     Alpine3D im Gegensatz zu PREVAH eine klare Zunahme der
 Veränderung im Bezug auf die Variabilität zwischen                  mittleren jährliche Zuflussmengen, dies um 6 bis 23% Mitte
 einzelnen Jahren betrifft die Abflüsse im September und             Jahrhundert bzw. um 6 bis 22% Ende Jahrhundert. Bis 2050
 Oktober. Hier prognostiziert PREVAH für extrem                      nehmen in durchschnittlichen Jahren die Abflüsse ab April
 Abflussreiche Jahren ein 4 bis 5‐fach überhöhten Abfluss            bis Mitte Juli stark zu, während in den darauffolgenden
 relativ     zu     durchschnittlichen    Jahren.      Diese         Monaten der Abfluss fast unverändert bleibt oder allenfalls
 Regimeänderung von einem zu zwei saisonalen Abfluss‐                sogar leicht zunimmt. Bis 2100 prognostiziert auch
 schwerpunkten in Wasserreichen Jahren zeichnet sich                 Alpine3D gegenüber heute einen Rückgang im Abfluss für
 bereits in der Periode von 2021‐2050 ab.                            die Monate Juli und August, dies um ca. 1/3 der heutigen
                                                                     Werte. Die Wintermonate Dezember bis März verbleiben
 Alpine3D                                                            in allen Simulationen mit Alpine3D im Wesentlichen
                                                                     unverändert.
                                                                     Das Verhältnis zwischen extremen und normalen Jahren
 Wie bereits erwähnt, war es aus Kapazitätsgründen nicht
                                                                     bleibt sehr ähnlich. Wie bei den PREVAH Simulationen
 möglich, Alpine3D Simulationen für alle 10 Klimamodell‐
                                                                     zeichnen sich in Wasserreichen Jahren allerdings zwei
 ketten bereitzustellen. Statt dessen wurden insgesamt 7
                                                                     saisonale Abflussschwerpunkte statt einem ab, was unter
 Simulationen für 3 unterschiedliche Klimamodellketten
                                                                     anderem mit dem prognostizierten Rückgang der
 berechnet, welche gemäss PREVAH Simulationen einem
                                                                     Niederschläge im Juli und August zusammenhängt.
 mittleren, einem stärkeren und einem moderateren
 Szenario entspricht.

Abb. 18: Mit Alpine3D berechnete Veränderung in der Klimatologie des natürlichen Zuflusses (mm/Tag) für den Zeitraum 2021‐50
(links) und den Zeitraum 2071‐2100 (rechts), dargestellt für den Median, das 97.5%‐Quantil und das 2.5%‐Quantil (oben) und den
Mittelwert (unten) des gesamten Einzugsgebiets. Die schwarze Linie entspricht der Referenz‐Simulation für den Zeitraum 1981‐
2010.                                                            14
Vergleich und Diskussion der Modellergebnisse

Vergleich der beiden hydrologischen Modelle                        Dass die grössten Unterschiede zwischen den Modellen
                                                                   gerade jene Monate betreffen, die von Gletscherschmelze
                                                                   dominiert werden, entspricht den Erwartungen. Das
In den Aussagen der beiden hydrologischen Modelle finden
                                                                   physikalisch basierte Modell Alpine3D reagiert wesentlich
sich viele Gemeinsamkeiten (Abb. 17 und 18). Dies betrifft
                                                                   stärker auf Veränderungen der Gletscheroberflächen,
beispielsweise die um zunächst 3 später 6 Wochen früher
                                                                   welche durch die frühere Ausaperung von saisonalem
einsetzende Frühlingsschmelze, während sich gleichzeitig
                                                                   Schnee deutlich länger und intensiver der Sonnenstrahlung
der maximale mittlere Abfluss im Sommer kaum verändert.
                                                                   ausgesetzt sein werden. Deshalb zeigt dieses Modell auch
Auch sind sich die Modelle im Bezug auf die Variabilität
                                                                   mittelfristig zunächst erhöhten Abfluss im August und
zwischen den einzelnen Jahren einig. Doch gibt es auch
                                                                   September, der erst dann zurückgeht, wenn das
Unterschiede in den Aussagen der beiden hydrologischen
                                                                   Schrumpfen der Gletscheroberfläche den              oben
Modelle, ein detaillierter Vergleich ist für jene drei
                                                                   beschriebenen Effekt kompensiert.
Klimamodellketten möglich, für welche Simulationen mit
                                                                   Auch allgemein zeigt Alpine3D eine etwas höhere
beiden Modellen zur Verfügung stehen (Abb. 19).
                                                                   Sensitivität gegenüber den meteorologischen Einfluss‐
Für die Periode 2071‐2100 stimmt zwar die Saisonalität der
                                                                   faktoren im Vergleich zu PREVAH. Die unterschiede
Abflussänderungen gut überein, jedoch zeigen die
                                                                   zwischen den Simulationen mit den 3 Klimamodellketten,
Simulationen mit Alpine3D in der Abflussreichen Zeit (April
                                                                   aber auch zwischen den extremen Jahren (2.5 und 97.5
– Oktober) durchwegs höhere Werte als die Berechnungen
                                                                   Percentilen) sind leicht höher in den Alpine3D
mit PREVAH. Dies trifft in ähnlicher Weise auch auf die
                                                                   Simulationen.
Periode 2021‐2050 zu, beschränkt sich dann aber auf die
                                                                   Zusammengefasst sind die Aussagen der beiden
Monate Juli – September. Für diese Monate zeigen die
                                                                   hydrologischen Modelle eindeutig im Bezug auf die
Ergebnisse von PREVAH eine Abnahme im Abfluss,
                                                                   jahreszeitlichen Veränderungen, vor allem im Frühling /
während Alpine3D keine oder sogar zunehmende Abflüsse
                                                                   Sommer und längerfristig auch im Sommer / Herbst.
prognostiziert. Die genannten Unterschiede führen dann
                                                                   Ausserdem wird die Situation im Bezug auf die Variabilität
auch dazu, dass der jährliche Abfluss nur gemäss Alpine3D
                                                                   zwischen extreme Jahren übereinstimmend beurteilt.
bis zu 20% zunimmt, während PREVAH keine Änderungen
                                                                   Unsicher hingegen ist, ob bzw. um wieviel sich die
vorhersieht.
                                                                   mittleren Jahresabflüsse im Verlaufe des aktuellen
                                                                   Jahrhunderts verändern.

Abb. 19: Spezifische Änderung des Abflusses im jahreszeitlichen Verlauf bis Mitte Jahrhundert (2021‐50, links), bzw. bis Ende
Jahrhundert (2071‐2100, rechts). Mit Alpine3D berechnete Auswirkungen (grün), Ergebnisse mit PREVAH (blau). Die Pfeile
bezeichnen den Mittelwert (Kreise) sowie 25% und 75% Percentilen (Pfeilspitzen) der Variabilität zwischen den einzelnen Jahren.
                                                            15 für welche Simulationen mit beiden Modellen zur Verfügung
Die Auswertung wurde für jene drei Klimamodellketten gemacht,
stehen: CRNM‐ARPEGE‐ALADIN (oben), SMHI‐BCM‐RCA (Mitte), ETHZ‐HadCM3Q0‐CLM (unten).
Natürliche Variabilität zwischen den Jahren.                        denkbar, dass der relativ einfache Ansatz, der für die
                                                                    Berechnung der Gletscherszenarien verwendet wurde,
                                                                    weniger gut mit dem Energie‐Bilanzansatz von Alpine3d
Die zu erwartenden Änderungen im Zufluss des
                                                                    kompatibel ist, als das für PREVAH der Fall ist. Ob dieser
Göschernalpsees müssen auch im Zusammenhang mit der
                                                                    Effekt zu Unterschieden in den mittleren Jahresabflüssen
natürlichen Variabilität zwischen den Jahren gesehen
                                                                    zwischen den beiden hydrologischen Modellen geführt hat,
werden. Wie berichtet sind die mittleren Abflüsse im
                                                                    konnte im Rahmen dieser Studie nicht evaluiert werden,
Sommer in extremen Jahren mehr als doppelt bzw.
                                                                    wäre aber ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für allfällige
weniger als halb so hoch wie in durchschnittlichen Jahren.
                                                                    Folgestudien.
Im Vergleich dazu sind die prognostizierten Änderungen
                                                                    Trotz all der oben diskutierten Unsicherheiten ergeben sich
relativ klein, so dass alle simulierten Jahresganglinien für
                                                                    doch einer Reihe qualitativer und teils auch quantitativer
den Abfluss in einem zukünftig durchschnittlichen Jahr
                                                                    Aussagen, die man gemäss aktuellem Stand des Wissens
innerhalb der Grenzen der aktuellen Variabilität liegen. Das
                                                                    treffen kann. Das sind insbesondere jene Simulations‐
heisst nicht, dass die Änderungen nicht signifikant oder
                                                                    ergebnisse, die eine hohe Konsistenz zwischen den
unbedeutend wären. Aber es bedeutet, dass die
                                                                    Klimamodellketten und den beiden hydrologischen
durchschnittlichen Verhältnisse Ende des Jahrhunderts
                                                                    Modellen aufweisen.
bereits heute in extremen Jahren beobachtet werden
können.
                                                                    Auswirkungen auf den Betrieb
Unsicherheitsfaktoren bei der Modellierung.
                                                                    Die CKW AG als Teilhaber der Kraftwerke Göschenen AG ist
                                                                    bisher von einem mittleren Rückgang der Zuflüsse in den
Aussagen zur Auswirkungen des Klimawandels sind
                                                                    Göschernalpsee um 7% bis 2035, bzw. um 10% bis 2050
generell mit grösseren Unsicherheiten behaftet. Dies liegt
                                                                    ausgegangen. Diese Werte stammen aus einer Studie des
daran, dass gleich eine ganze Kaskade von Modellen mit
                                                                    Bundesamts für Energie BFE aus dem Jahre 2005 (Horton,
ihren spezifischen Annahmen und Unsicherheiten
                                                                    2005), sind allerdings nicht spezifisch für das Einzugsgebiet
gekoppelt werden müssen. Das fängt an bei den
                                                                    des Göschernalpsees gerechnet. Die spezifischen
Emissionsszenarien, die die Entwicklung der Weltwirtschaft
                                                                    Berechnungen für den Göschernalpsee im Rahmen der
und      den    damit    verbundenen        Konzentrationen
                                                                    vorliegenden Studie gehen jedoch von keinem Rückgang
klimarelevanter Gase abschätzen müssen. Damit
                                                                    (PREVAH) oder gar von einem mittelfristigen Anstieg der
verbundene Unsicherheiten können kaum quantifiziert
                                                                    Zuflüsse (Alpine3D) aus. Aufgrund der Unsicherheit
werden. Die Emissionsszenarien werden dann von globalen
                                                                    bezüglich der genauen Quantifizierung zukünftiger Zuflüsse
Zirkulationsmodellen (GCM) auf deren Auswirkungen auf
                                                                    hat die CKW entschieden, keine detailierten Berechnungen
grösserskalige Wetterlagen untersucht. Diese Ergebnisse
                                                                    zur Mehr‐ oder Minderproduktion des Kraftwerks im
werden dann mit Hilfe von regionalen Klimamodellen
                                                                    Vergleich zu heutigen Randbedingungen durchzuführen.
(RCM) auf konkrete Klimasimulationen für die Zukunft in
                                                                    Änderungen der Produktion sind bei der Art, wie der
einer Auflösung von ca. 25 km gerechnet. Mit Hilfe von
                                                                    Stausee heute betrieben wird, jedoch gemäss CKW direkt
Downscaling‐Verfahren werden diese Simulationen dann
                                                                    proportional zu Änderungen im Jahreszufluss.
auf konkrete Datenserien für einzelne Messstationen
                                                                    Die erwarteten saisonalen Veränderungen im Zufluss des
projiziert, welche schlussendlich als Input für die
                                                                    Göschernalpsees wurden mit dem Betriebsmodell der CKW
hydrologische Modellierung verwendet werden. Um die
                                                                    detaillierter analysiert. Dazu wurden alle betrachteten
mit der Klimamodellierung verbundenen Unsicherheiten
                                                                    Zuflussszenarien auf den aktuellen Jahreszufluss skaliert,
mit einzubeziehen, wurden separate hydrologische
                                                                    um nur die Veränderungen in der Saisonalität zu
Simulationen auf der Basis von Klimadatenreihen von
                                                                    berücksichtigen. Wenn man den heutigen Energiebedarf
unterschiedlichen GCM und RCM gerechnet (Klimamodell‐
                                                                    und das aktuelle Preisgefüge zu Grunde legt, würden die
ketten). Die Streuung zwischen diesen Simulationen ist
                                                                    jahreszeitlichen Änderungen im Zufluss gemäss allen
zumindest ein Hinweis auf die mit der Klimamodellierung
                                                                    Modellketten in Fig. 19 bis Mitte Jahrhundert eine deutlich
verbundenen Unsicherheiten.
                                                                    Steigerung des Ertrags mit sich bringen. Da aber
Speziell    an    der    vorliegenden      Fallstudie    und
                                                                    mittelfristige Änderungen im Zufluss die Einsatzplanung
wissenschaftlich interessant ist, dass zusätzlich zur obigen
                                                                    der Kraftwerke und die Preisdynamik beeinflussen würden,
Diskussion auch erstmals die Unsicherheiten durch
                                                                    sind obige Berechnungen nicht besonders aussagekräftig.
verschiedenartige Ansätze in der hydrologischen
                                                                    Dies gilt insbesondere, wenn auch andere Stauseen
Modellierung beurteilt werden können. Zumindest
                                                                    ähnliche Veränderungen im Zufluss erfahren würden. Für
teilweise sind die Unterschiede zwischen den Ergebnissen
                                                                    verbesserte Ertragsprognosen müsste ein neues
der beiden verwendeten hydrologischen Modelle
                                                                    Preisszenario entwickelt werden, was aufgrund der
mindestens so gross, wie die Bandbreite der Ergebnisse aus
                                                                    komplexen Zusammenhänge zwischen zukünftigem
den verschiedenen Klimamodellketten. Dabei ist zu
                                                                    Zufluss, Energiebedarf, Kraftwerksbetrieb und Preis‐
bemerken, dass beide hydrologischen Modelle auf die
                                                                    dynamik schwierig zu ermitteln wäre.
extern berechneten Gletscherszenarien abstützen, welche
die Entwicklung der Gletscherflächenanteile in den
hydrologischen Simulationen steuern. Es ist jedoch
                                                               16
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Diese Fallstudie beinhaltet Berechnungen zukünftiger               mittelfristig zunächst erhöhten Zufluss im August und
Zuflussszenarien für den Göschernalpsee, welcher der               September, der erst dann zurückgeht, wenn das
Kraftwerke Göschenen AG als Stausee dient. Die                     Schrumpfen der Gletscheroberfläche den                 oben
Berechnungen basieren auf der Kopplung einer ganze                 beschriebenen Effekt kompensiert. Dieser Umkehrpunkt
Kaskade von Modellen: a) IPCC Emissionsszenarien; b)               trifft in den vorliegenden Berechnungen erst gegen ca.
Berechnungen von globalen Zirkulationsmodellen (GCM)               2090 ein, was aber stark abhängig ist von den
zur Auswirkung der Emissionsszenarien auf grösserskalige           vorgegebenen externen glaziologische Berechnungen zur
Wetterlagen; c) konkrete Klimasimulationen durch                   zukünftigen Entwicklung der Gletscherflächen. Es ist
regionale Klimamodellen (RCM) auf Skala Europa in einer            denkbar, dass der relativ einfache Ansatz, der für die
Auflösung von ca. 25 km; d) Projektion dieser Ergebnisse           Berechnung der Gletscherflächen verwendet wurde, nicht
auf Datenserien einzelner Messstationen in der Region              geeignet ist zur Kopplung mit dem Energie‐Bilanzansatz
Göschenen / Andermatt durch statistisches downscaling; e)          von Alpine3d. Daher sind entsprechende Ergebnisse vom
glaziologische Berechnungen zur zukünftigen Entwicklung            Modell Alpine3D zum Gesamtjahreszufluss ggf. nur bedingt
der Gletscherflächen im Einzugsgebiet des Göschernalp‐             aussagekräftig. Hier wäre für zukünftige Studien sicher
sees; f) hydrologische Modellierung für den Stausee unter          wünschenswert, volumetrische Gletscherszenarien auf der
Verwendung der Ergebnisse von d) und e) mit zwei                   Basis komplexerer glaziologischer Modelle zur Kopplung
unterschiedlichen Modellansätzen. Die Kopplung einer               zur Verfügung zu haben.
solchen Anzahl von Einzelmodellen mit ihren spezifischen           Die zu erwartenden Änderungen im Zufluss des
Unsicherheiten verursacht zwangsläufig eine grössere               Göschernalpsees müssen auch im Zusammenhang mit der
Bandbreite möglicher Ergebnisse. Dennoch konnte für                natürlichen Variabilität zwischen den Jahren gesehen
einen Teil der Aussagen eine hohe Konsistenz zwischen              werden. Bereits heute sind die mittleren Abflüsse im
den Berechnungen mit verschiedenen Modellketten                    Sommer in extremen Jahren mehr als doppelt bzw.
(unterschiedliche Kopplungen der Einzelmodelle) erzielt            weniger als halb so hoch wie in durchschnittlichen Jahren.
werden.                                                            Dieses Verhältnis zwischen extremen und normalen Jahren
Die offensichtlichste Veränderung betrifft die Saisonalität        wird sich im wesentlichen auch in Zukunft wenig
des Gesamtzuflusses (Abb. 19). Das Timing des maximalen            verändern. Im Vergleich zur natürlichen Variabilität
Zuflusses im Sommer verschiebt sich im Mittel um ca. 3             zwischen den Jahren sind die prognostizierten Änderungen
Wochen bis Mitte, bzw. um ca. 6 Wochen bis Ende des                im Zufluss relativ klein, so dass alle simulierten
Jahrhunderts. Gleichzeitig stimmen die hydrologischen              Jahresganglinien in einem zukünftig durchschnittlichen Jahr
Modelle darin überein, dass sich der maximale mittlere             innerhalb der Grenzen der aktuellen Variabilität liegen. Das
Abfluss im Sommer kaum verändern wird (Abb. 17 und 18).            heisst nicht, dass die Änderungen nicht signifikant oder
Dem zukünftig zusätzlichen Wasserangebot im April bis              unbedeutend wären. Aber es bedeutet, dass die
Juni steht eine deutliche Abnahme des Seezuflusses im Juli         durchschnittlichen Verhältnisse Ende des Jahrhunderts
bis September gegenüber, dies gemäss PREVAH bereits ab             bereits heute in extremen Jahren beobachtet werden
2021‐2050, bzw. gemäss Alpine3D erst ab 2071‐2100 (Abb.            können.
19).                                                               Die Kraftwerksbetreiber sind bisher von einem mittleren
Auch wenn die Saisonalität der Veränderungen im Zufluss            Rückgang der Zuflüsse in den Göschernalpsee um 7% bis
in den verschiedenen Modelläufen gut übereinstimmt,                2035, bzw. um 10% bis 2050 ausgegangen, basierend auf
zeigen die Simulationen mit Alpine3D in der Zuflussreichen         einer früheren Studie im Auftrag des BFE, die allerdings
Zeit (Mai – September) durchwegs höhere Werte als die              nicht spezifisch für das Einzugsgebiet des Göschernalpsees
Berechnungen mit PREVAH. Dabei betreffen die grössten              gerechnet wurde. Die hier erarbeiteten Zuflussszenarien
Unterschiede zwischen den Modellen jene Monate, die von            für den Göschernalpsee zeigen jedoch keinen Rückgang
Gletscherschmelzwasser dominiert werden. Diese Unter‐              (PREVAH) bzw. sogar einem mittelfristigen Anstieg der
schiede führen dann auch dazu, dass der jährliche Zufluss          Zuflüsse     (Alpine3D).    Die   erwarteten      saisonalen
nur gemäss Alpine3D bis zu 20% zunimmt, während                    Veränderungen im Zufluss des Göschernalpsees wurden
PREVAH keine wesentlichen Änderungen prognostiziert.               mit dem Betriebsmodell der CKW analysiert. Wenn man
Diese Differenzen in den Ergebnissen der beiden                    den heutigen Energiebedarf und das aktuelle Preisgefüge
hydrologischen Modelle sind nicht unerwartet. Das                  zu Grunde legt, würden die jahreszeitlichen Änderungen
physikalisch basierte Modell Alpine3D reagiert wesentlich          bis Mitte Jahrhundert eine deutlich Steigerung des Ertrags
stärker auf Veränderungen der Gletscheroberflächen,                mit sich bringen. Da aber mittelfristige Änderungen im
welche durch die frühere Ausaperung von saisonalem                 Zufluss die Einsatzplanung der Kraftwerke und die
Schnee deutlich länger und intensiver der Sonnenstrahlung          Preisdynamik beeinflussen würden, sind derartige
ausgesetzt sein werden. Deshalb zeigt dieses Modell auch           Berechnungen nicht besonders aussagekräftig.

                                                              17
Relevante Literatur

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Modelle
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