Kölner Arbeitspapiere zur internationalen Politik - Nr.1 2004 Die mediale Vermittlung des war on terrorism in die
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-I- Kölner Arbeitspapiere zur internationalen Politik Nr.1 2004 Die mediale Vermittlung des war on terrorism in die amerikanische Öffentlichkeit von: Henrike Viehrig Dezember 2003
Inhalt I. Einleitung ...................................................................................................1 II. Öffentliche Meinung, Medien und Außenpolitik......................................2 II.1. Die öffentliche Meinung .........................................................................2 II.2. Medien und Öffentliche Meinung ...........................................................5 II.3. Öffentliche Bewertung von Außenpolitik................................................8 III. Methode ....................................................................................................12 III.1. Medienanalyse .................................................................................... 12 III.2. Modell des medialen Vermittlungsprozesses ...................................... 13 III.3. Empirisches Vorgehen ........................................................................ 16 IV. Mediale Vermittlung des war on terrorism nach dem 11. September 2001...........................................................................................................19 IV.1. Informationsoffensive der Regierung Bush.......................................... 19 IV.2. Mediendarstellung im September 2001 ............................................... 22 IV.2.1. Fernsehen ................................................................................... 22 IV.2.2. Printmedien ................................................................................. 25 IV.3. Rezeption in der Öffentlichkeit............................................................. 30 IV.4. Auswertung ......................................................................................... 35 V. Veränderung der Mediendarstellung im Vorfeld des Irak-Krieges ......37 V.1. Veränderte Medienberichterstattung ................................................... 38 V.2. Effekt auf die öffentliche Meinung........................................................ 44 V.3. Verändertes Regierungshandeln ......................................................... 49 V.4. Auswertung ......................................................................................... 54 VI. Partiell mediale Vermittlung des war on terrorism im Vorfeld des Irak-Krieges ..............................................................................................56 VI.1. Fernsehansprachen der Regierungsvertreter ...................................... 57 VI.2. Ansprachen und öffentliche Meinung .................................................. 66 VI.3. Einfluss öffentlicher Meinung auf das Regierungshandeln? ................ 73 VII. Fazit und Ausblick ...................................................................................76 VIII. Literaturverzeichnis..................................................................................III IX. Anhang ..................................................................................................... IX IX.1. Erklärung ............................................................................................. IX IX.2. Inhaltsverzeichnis beiliegende CD-ROM ............................................. IX
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Modell Medialer Vermittlungsprozess .............................................. 14 Abb. 2: Übersicht TV-Schlagzeilen nach dem 11. September 2001............. 23 Abb. 3: Salience "War on terrorism", "New war"........................................... 26 Abb. 4: Salience "Osama Bin Laden", "Terrorist network"............................ 27 Abb. 5: Salience "intelligence", "coalition building" ....................................... 28 Abb. 6: Umfrage: Umgang mit den terroristischen Anschlägen .................... 31 Abb. 7: Umfrage: Most important problem Sep 01-Jan 02 ........................... 32 Abb. 8: Umfrage: Zustimmungsrate Präsident Bush Sep 01-Jan 02 ............ 33 Abb. 9: Umfrage: Unterstützung militärischer Aktionen ................................ 34 Abb. 10: Salience "War on terrorism" ............................................................. 39 Abb. 11: Salience "Iraq" und "Al Qaeda" ........................................................ 40 Abb. 12: Salience "Intelligence" und "Information" ......................................... 41 Abb. 13: Salience "Terror"/"Terrorism" und "Warning" ................................... 42 Abb. 14: Umfrage: Wahrscheinlichkeit neuer Terroranschläge ...................... 44 Abb. 15: Umfrage: Sieger im war on terrorism ............................................... 45 Abb. 16: Umfrage: Befürwortung militärisches Eingreifen im Irak................... 47 Abb. 17: Umfrage: Most important problem Jan 02-Mrz 03............................ 48 Abb. 18: Übersicht TV-Ansprachen Regierung Bush Jan 02-Mrz 03.............. 58 Abb. 19: Umfrage: Erklärung Kriegsgründe Irak............................................. 67 Abb. 20: Umfrage: Zustimmungsrate Präsident Bush Jan 02-Mrz 03............. 72
-1- I. Einleitung Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben die Bedrohungs- wahrnehmung der Vereinigten Staaten von Amerika grundlegend verändert. Das schlagartig erweckte Bewusstsein über die eigene Verwundbarkeit und der kollektive Schockzustand der amerikanischen Öffentlichkeit in der Folge der At- tentate gestatteten der Regierung Bush eine beispiellose Neugestaltung der In- nen- und Außenpolitik. Stellvertretend für diese Neuausrichtung steht der Beg- riff war on terrorism. Dahinter verbirgt sich einerseits die neue außenpolitische Strategie zur Reorganisation des internationalen Systems1 und andererseits die innenpolitisch motivierte Erhaltung und Festigung der öffentlichen Unterstüt- zung für die Umsetzung dieser Strategie auf der nationalen Ebene. Die herrschende Unipolarität auf militärischem Gebiet befähigt die Verei- nigten Staaten, ihre außenpolitischen Ziele zurzeit ohne effektive Gegenmacht- bildung durchzusetzen. Der einzige politische Widerstand, den die Regierung Bush derzeit zu erwarten hat, kann aus der US-amerikanischen Öffentlichkeit kommen. Die Möglichkeit einer zweiten Amtszeit macht die Administration emp- findlich für die Stimmung und die Zustimmung in der Wahlbevölkerung. Aus diesem Grunde wird besonders um einen positiven Eindruck in der Öffentlich- keit gerungen.2 Die langfristig angelegte Neuausrichtung der Außenpolitik der US-Regierung muss vor allem der eigenen Bevölkerung vermittelt und von ihr akzeptiert werden. Die zentrale Rolle in diesem Vermittlungsprozess nehmen die Medien ein. Als Trägersystem der Informationsvermittlung3 stellen sie das Bindeglied zwischen Regierung und Öffentlichkeit dar. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die mediale Vermittlung der neuen Außenpolitik durch die Regierung Bush in die amerikanische Öffent- lichkeit erfolgt ist. Dabei wird die Rolle der Medien anhand von ausgewählten Etappen des war on terrorism im Spannungsfeld von öffentlicher Meinung und Regierungshandeln empirisch überprüft. Ziel der Arbeit ist es, den Stellenwert der Medien in der Beziehung zwischen Regierungshandeln und öffentlicher Meinung am Beispiel des war on terrorism zu erforschen. 1 Zusammengefasst in "The National Security Strategy of the United States of America", Sep- tember 2002, unter http://www.whitehouse.gov/nsc/nss.html (Stand 19.6.2003). 2 Vgl. Szukala, Andrea und Jäger, Thomas: Die innenpolitische Steuerung der amerikani- schen Irak-Politik, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2003, S. 37-48, S. 47f. 3 Vgl. "1Medien", in: Duden - Die deutsche Rechtschreibung, 22. Auflage, Mannheim, 2000.
-2- II. Öffentliche Meinung, Medien und Außenpolitik II.1. Die öffentliche Meinung Die Bedeutung der öffentlichen Meinung als ein entscheidender Faktor der US-Außenpolitik hat seit dem Ende des Vietnam-Kriegs zugenommen. Man hatte bis dahin der breiten Öffentlichkeit die Fähigkeit einer kohärenten, struktu- rierten und vor allem begründeten Meinungsbildung abgesprochen und einen Einfluss der öffentlichen Meinung auf den Außenpolitik-Prozess überhaupt ab- gelehnt. Im Jahre 1975 endete der von den Eliten weitgehend befürwortete, von der Öffentlichkeit jedoch abgelehnte Krieg mit einer Niederlage für die Vereinig- ten Staaten. Damit erwies sich die Einschätzung des "Volkes" als richtig, was zu einer Neubewertung der Verbindung zwischen öffentlicher Meinung und Au- ßenpolitik führte.4 Seither kann man beobachten, dass die Aussage der öffentli- chen Meinung stärkere Beachtung bei außenpolitischen Entscheidungen findet, wohingegen der direkte Einfluss von Eliten und Intelligenz auf die Politikgestal- tung abgenommen hat.5 Bereits 1965 suchte man nach einer verbindlichen Definition des Begriffs "öffentliche Meinung". Das Ergebnis war eine Zusammenstellung von rund 50 bereits vorhandenen Definitionen.6 Seitdem ist die Forschung auf diesem Ge- biet sehr viel populärer geworden – eine klare, allgemein anerkannte Definition gibt es aber immer noch nicht. So lokalisieren Shamir und Shamir die öffentli- che Meinung "...at the juncture of society, communication, and the individual; of the public and the private domains; of civil society and the state; of citizenry and politics; of masses and el- ites; of social control and rationality; of norms and events..."7. Zweifel über die politische Nutzbarkeit der öffentlichen Meinung äußert V.O.Key, Jr., in folgender Definition: 4 Vgl. Holsti, Ole R.: Public Opinion and Foreign Policy: Challenges to the Almond-Lippmann Consensus, in: International Studies Quarterly, 1992, Nr. 36, S. 439-466, S. 442ff. 5 Vgl. Powlick, Philip J.: The Sources of Public Opinion for American Foreign Policy Officials, in: International Studies Quarterly, Nr. 39, 1995, S. 427-451, S. 446 sowie Szukala/Jäger, S. 43. 6 Vgl. Noelle-Neumann, Elisabeth: Öffentliche Meinung. Die Entdeckung der Schweigespirale, Berlin, Frankfurt a.M., 1996, S. 84-85. 7 Vgl. Shamir, Jacob und Shamir, Michal: The Anatomy of Public Opinion, Ann Arbor, 2000, S. 2.
-3- "Public opinion consists of the views held by ordinary people, which authority-holders and authority-seekers and other powerful figures 'find it prudent to heed'."8 Eine politologisch brauchbare Unterteilung des komplexen Begriffes nimmt Robert M. Entman9 vor. Er unterscheidet vier Typen der öffentlichen Meinung. Erstens gibt es die tatsächlichen individuellen Präferenzen, also die ganz private politische Einstellung eines jeden Einzelnen. Meinungsforschungs- institute gehen davon aus, genau diesen Wert zu erfassen. Dass ihnen das nicht vollständig gelingen kann, liegt daran, dass die befragten Personen in der Interview-Situation nicht eigentlich "denken", sondern einen spontanen Einfall äußern. Dieser kann durch viele unterschiedliche Faktoren (Fragestellung, Rei- henfolge der Fragen, Bandbreite der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten usw.) beeinflusst sein.10 Das Resultat vieler derartiger Interviews ist das veröffentlich- te Umfrageergebnis, welches den zweiten Typ der öffentlichen Meinung dar- stellt. Mit diesem Wert arbeiten Medien, Wissenschaftler und Politiker und be- einflussen durch ihre Reaktion und Interaktion gleichzeitig die nachfolgenden Umfragen und -ergebnisse. Eine dritte Unterscheidung befasst sich mit der wahrgenommenen oder angenommenen öffentlichen Meinung. Sie stellt das Bild über das vorherr- schende Meinungsklima dar, welches es in den Köpfen von Politikern und Jour- nalisten existiert. Oft genug von außenpolitischen Entscheidungsträgern propa- giert und von den Medien transferiert, kann es zu einer Anpassung der Umfra- gewerte (Typ 2) an die angenommene öffentliche Meinung (Typ 3) kommen. Die angenommene öffentliche Meinung stellt oftmals eine weitaus wichtigere Handlungsgrundlage für politische Entscheidungen dar als die veröffentlichten Umfragewerte. V.O.Key, Jr., beschreibt dies folgendermaßen: "…the only public opinion that really counts in America, is the public opinion that politi- cians hope they might be able to create by their own actions..."11 8 V. O. Key Jr., zit. in: Paletz, David L.: The Media in American Politics. Contents and Conse- quences, New York u.a., 20022, S. 154. 9 Vgl. Entman, Robert M.: Declaration of Independence. The Growth of Media Power after the Cold War, in: Nacos, Brigitte L./Shapiro, Robert Y./Pierangelo, Isernia (Hrsg.): Decisionmak- ing in a Glass House. Mass Media, Public Opinion, and American and European Foreign Policy in the 21st Century, Lanham u.a., 2000, S. 11-26. 10 Vgl. Zaller, John: Elite Leadership of Mass Opinion. New Evidence from the Gulf War, in: Bennett, W. Lance/Paletz, David L. (Hrsg.): Taken by Storm. The Media, Public Opinion, and U.S. Foreign Policy in the Gulf War, Chicago, 1994, S. 186-209, S. 194. 11 V. O. Key Jr., zit. in: Zaller, John: Strategic Politicians, Public Opinion, and the Gulf Crisis, in: Bennett, W. Lance/Paletz, David L. (Hrsg.): Taken by Storm. The Media, Public Opinion, and U.S. Foreign Policy in the Gulf War, Chicago, 1994, S. 250-274, S. 251.
-4- Die vierte Kategorie der öffentlichen Meinung umfasst die individuellen Prioritäten, nach denen die politische Meinung gewichtet wird. Sie ist durch Um- fragen nicht messbar, bestimmt aber dennoch bei einer Wahl, welche Fähigkei- ten eines Kandidaten wichtig sind und welche Fehler oder Mängel eher toleriert werden.12 In dieser Arbeit soll es vor allem um den gestalterischen Einfluss gehen, den die öffentliche Meinung auf der Ebene des politischen Akteurs ausübt. Da- her wird hier von der öffentlichen Meinung als der aggregierten Form der indivi- duellen Meinung ausgegangen, wie sie in Umfragen vorzufinden ist (Typ 2). Bei den folgenden Untersuchungen der Ergebnisse der Umfrageinstitute sollen die Begriffe "Öffentlichkeit" und "öffentliche Meinung" synonym verwendet werden. Zu den Kategorien Einzelmeinung, wahrgenommene öffentliche Meinung und persönliche Prioritätensetzung (Typ 1, 3 und 4) können keine genauen Werte gemessen werden. Jedoch kann man im Einzelfall Rückschlüsse auf den Stel- lenwert dieser Form der öffentlichen Meinung ziehen. Durch neue Umfrage-Techniken und sinkende Kosten in der Erhebung und Durchführung haben Meinungsumfragen in den letzten Jahrzehnten an Att- raktivität gewonnen. Neben weltweit tätigen Umfrageinstituten wie Gallup, Har- ris oder Zogby International unterhalten fast alle US-weiten Tageszeitungen und Fernsehstationen sowie über die Hälfte der lokal begrenzten Medien eigene Meinungsforschungsabteilungen oder nehmen die Dienste externer Anbieter in Anspruch. Die Veröffentlichung von Umfragen ist für Journalisten und Heraus- geber von Nachrichtenmedien eine attraktive Ergänzung des üblichen Presse- und Sendegeschehens. Die Erhebungen können sehr genau auf das jeweils ak- tuelle Thema zugeschnitten werden und bieten aufgrund ihrer datengestützten Fakten wenig Raum für Kritik. Je nach Auswahl und Interpretation der "neutra- len" Ergebnisse werden politische Entscheider und Öffentlichkeit von den medi- alen Darstellungen beeinflusst.13 Diese Tendenz wird auch dadurch unterstützt, dass der moderne Ausbildungskanon Sozialwissenschaftler und Politikberater mit dem Wesen der öffentlichen Meinung sehr gut vertraut macht. Das begüns- tigt die Verwendung von empirischem Datenmaterial in Journalismus und Poli- 12 Vgl. Entman, S. 20-22. 13 Vgl. Paletz, S. 162-164.
-5- tik.14 Die häufigsten Themen der Umfragen sind die Wirtschaft, die Popularität des Präsidenten und der Einsatz von US-Truppen im Ausland.15 Die im Zu- sammenhang mit der Einschätzung des Präsidenten am häufigsten gestellte Frage ist die "Job-approval-Frage". Sie zielt vor allem auf die innenpolitische Leistung des Präsidenten ab.16 Für die Leistungsbewertung auf dem Gebiet der Außenpolitik gibt es keine äquivalente Erhebung. Dennoch weist der Verlauf der approval rate zeitliche Zusammenhänge mit dem Auftreten von außenpoliti- schen Ereignissen auf. Aus diesem Grunde wird im Folgenden die öffentliche Zustimmung zum Präsidenten auch als Maß für die Zustimmung zum Umgang mit außenpolitischen Problemen herangezogen. Der Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Gestaltung der Außenpoli- tik ist nicht unumstritten: durch den geographischen und emotionalen Abstand des einzelnen Individuums zu weltweiten Geschehnissen ist in den Vereinigten Staaten ein besonderes Desinteresse an der Außenpolitik festzustellen.17 Für die wissenschaftliche Recherche ergibt sich noch ein zweites Problem: außen- politische Themen sind meist nur für kurze Zeit "interessant" und das größten- teils journalistische Interesse der Umfrageinstitute steht einer kontinuierlichen Fragestellung über einen längeren Zeitraum hinweg entgegen.18 Die resultie- renden Momentaufnahmen sind dann aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit für die wissenschaftliche Recherche unbrauchbar. Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 rückte die Außenpolitik wieder in den Mittelpunkt des Inte- resses der US-amerikanischen Öffentlichkeit, wodurch ein umfangreiches Da- tenmaterial für die Bewertung des war on terrorism vorliegt. II.2. Medien und Öffentliche Meinung Die modernen Massenmedien gelten als wahrscheinlichster Ursprung der politischen Meinung eines Individuums. Da sich die individuelle Meinung nach der hier getroffenen Annahme in der Mehrzahl zur 'öffentlichen Meinung' 14 Vgl. Powlick, S. 439 und 444. 15 Vgl. Paletz, S. 154. 16 Vgl. Holsti, S. 460. 17 Vgl. Dobler, Wolfgang: Außenpolitik und öffentliche Meinung. Determinanten und politische Wirkungen außenpolitischer Einstellungen in den USA und der Bundesrepublik, Frankfurt a.M., 1989, S. 15ff. 18 Vgl. Mueller, John E.: War, Presidents and Public Opinion, New York, 1973, S. 12 und Na- cos, Brigitte L.: Terrorism and the Media. From the Iranian Hostage Crisis to the World Trade Center Bombing, New York, 1994, S. 78.
-6- aggregiert, ist es besonders wichtig, die Funktion der Medien als Schnittstelle von Politik und Öffentlichkeit zu entschlüsseln.19 Die wichtigste Funktion der Medien ist das Agenda-setting. Darunter ver- steht man die Bestimmung des wichtigsten (Tages)Themas in der Presse.20 Die Auswahl der prominentesten Artikel wird durch die Herausgeber vorgenommen unter der Annahme, dass dieses Thema auch für die Leser und Zuschauer in der Aktualität an oberster Stelle rangiert. Der Prozess des Agenda-setting ist bidirektional, da auf der einen Seite Ereignisse in den Vordergrund gestellt wer- den, und auf der anderen Seite auf weniger wichtig erachtete Begebenheiten verzichtet wird.21 Es wird angenommen, dass sich durch Änderungen im Agen- da-setting auch die Prioritäten der öffentlichen Wahrnehmung verschieben. Die weiteren in der Literatur behandelten Effekte der Medien auf die öf- fentliche Meinung lassen sich in zwei große Gruppen zu unterteilen: direkte und indirekte Auswirkungen. Die direkten Effekte beschränken sich auf Interakti- onswirkungen der Medien mit der öffentlichen Meinung, während die indirekten Effekte zusätzlich dritte Akteure einbeziehen. Zu den häufigsten direkten Effekten gehören priming und framing. Pri- ming bedeutet, dass sich durch die veränderte Gewichtung der öffentlichen Aufmerksamkeit (wie es infolge von verändertem Agenda-setting geschehen kann) auch bestimmte Bewertungskriterien, z.B. für Präsidentschaftskandidaten verändern. Auch wenn kein direkter Bewertungsbezug zu einzelnen Personen hergestellt wird, legen die Medien durch ihr priming (z.B. Fokus auf Kriminalität, Terror, Wirtschaft, etc.) die Evaluationskriterien fest, bzw. verändern die bereits bestehenden.22 Dies bedeutet am konkreten Beispiel: worüber am meisten be- richtet wird, ist letztlich entscheidend für die Bewertung des Präsidenten.23 Unter dem Begriff framing (dt.: "einrahmen") versteht man die Fähigkeit der Medien, ein bestimmtes Ereignis innerhalb eines bestimmten Rahmens zu 19 Vgl. Soroka, Stuart N.: Media, Public Opinion, and Foreign Policy, in: The Harvard Interna- tional Journal of Press/Politics, Band 8, Nr. 1, Winter 2003, S. 27-48, S. 27. 20 Vgl. Paletz, S. 157. 21 Vgl. Iyengar, Shanto/Simon, Adam: "News Coverage of the Gulf Crisis and Public Opinion. A Study of Agenda Setting, Priming, and Framing" in: Iyengar, Shanto/Reeves, Richard (Hrsg.): Do the Media Govern? Politicians, Voters, and Reporters in America, Thousand Oaks, 1997, S. 248-257, S. 252 sowie Soroka S. 35. 22 Vgl. Paletz, S. 158. 23 Vgl. Miller, Joanne M./Krosnik, Jon A.: Anatomy of News Media Priming, in: Iyengar, Shan- to/Reeves, Richard (Hrsg.): Do the Media Govern? Politicians, Voters, and Reporters in America, Thousand Oaks, 1997, S. 258-275, S. 259f.
-7- vermitteln. Dieser Rahmen besteht aus Referenzpunkten oder Stichworten, die es dem Leser/Zuschauer ermöglichen, das Berichtete zu verstehen, in einen Zusammenhang einzuordnen und zu bewerten.24 So wurde in den US- amerikanischen Medien seit den 90er Jahren stärker über den Irak im Zusam- menhang mit "Bedrohung" berichtet als z.B. in europäischen Medien.25 Iyengar/Simon unterscheiden das episodische und das thematische fra- ming. Beim episodischen framing geht es vor allem um gute Bilder und eine personenbezogene Berichterstattung (z.B. Schuld am Terrorismus sind die Ter- roristen). Diese Art von framing tritt häufig in den Fernsehnachrichten auf. Beim thematischen framing geht es um die Einbettung des Problems in einen großen, oft abstrakten Zusammenhang. Diese Art des framing zeichnet sich durch Hin- tergrundberichte aus (z.B. sozioökonomische Bedingungen in den Herkunfts- ländern der Terroristen) und ist nach Iyengar/Simon verstärkt in den Printme- dien anzutreffen.26 Auf dem Gebiet der Außenpolitik hat das framing, das durch die Medien ausgeübt wird, einen besonders hohen Wirkungsgrad. Dadurch, dass die meisten außenpolitischen Ereignisse 'plötzlich' auftreten, und sich noch keine konsistente öffentliche Meinung dazu bilden konnte, ist der Le- ser/Zuschauer für frames und Reize besonders empfänglich.27 Unter den indirekten Effekten werden diejenigen Wirkungen zusammen- gefasst, die mit dem angenommenen oder wahrgenommenen Meinungsklima in Verbindung stehen. Dazu zählt im Bereich der öffentlichen Meinung die "Schweigespirale" und der "Bandwagon-Effekt". Die Schweigespirale kombiniert die öffentliche Meinung nicht nur als Darstellung von Einstellungen und Präfe- renzen, sondern stellt auf den Kontroll-Aspekt des wahrgenommenen Mei- nungsklimas ab. Die Gesellschaft isoliert Individuen mit abweichenden Meinun- gen. Um das zu verhindern, findet eine Art Selbstzensur auf der Grundlage der angenommenen öffentlichen Meinung ab, die dazu führt, dass Individuen mit abweichenden Meinungen diese nicht äußern. Umgekehrt heißt das, dass Indi- 24 Vgl. Nacos, Brigitte L. u.a.: New Issues and the Media. American and German News Cover- age of the Global-Warming Debate, in: Nacos, Brigitte L./Shapiro, Robert Y./Pierangelo, Is- ernia (Hrsg.): Decisionmaking in a Glass House. Mass Media, Public Opinion, and American and European Foreign Policy in the 21st Century, Lanham u.a., 2000, S. 41-59, S. 48. 25 Vgl. Szukala, Andrea: "Medien und öffentliche Meinung im Irakkrieg", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 24-25/2003, S. 25-34, S. 30. 26 Vgl. Iyengar/Simon, S. 251. 27 Vgl. Bennett, Lance W.: News about Foreign Policy, in: Bennett, W. Lance/Paletz, David L. (Hrsg.): Taken by Storm. The Media, Public Opinion, and U.S. Foreign Policy in the Gulf War, Chicago, 1994, S. 31.
-8- viduen, die glauben, eine populäre Absicht zu vertreten, diese auch äußern um dadurch ein größeres gesellschaftliches Gewicht zu erlangen.28 Bemerkenswert ist, dass hier die Medien genutzt werden, um das Meinungsklima zu erfahren, und sich daraus das Verhalten des Einzelnen ableitet. Der Bandwagon-Effekt bezieht sich auf ein Phänomen, wonach die meis- ten Individuen auf der Seite der Mehrheit stehen wollen und sich deshalb mit größerer Wahrscheinlichkeit an die mehrheitlich vertretene Meinung anschlie- ßen. Was die Mehrheit denkt, erfährt man aus den Medien, in denen die Umfra- gen veröffentlicht werden. Besonders im Vorfeld von Wahlen lässt sich erken- nen, dass unentschlossene Wähler geneigt sind, sich dem aussichtsreichsten Kandidaten anzuschließen.29 Da die Ereignisse der Außenpolitik meist außerhalb des persönlichen Er- fahrungsbereichs des Individuums liegen, spielen die Massenmedien eine ent- scheidende Rolle bei der Informationsvermittlung und -bewertung. Welchen ge- nauen Anteil die Darstellung der Medien im Vergleich zur anderen sozioökono- mischen Faktoren am Prozess der Meinungsbildung hat, kann nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden. II.3. Öffentliche Bewertung von Außenpolitik Auf welche Weise bewerten Individuen bei aktuellen außenpolitischen Ereignissen das Handeln ihrer Regierung? Nach John E. Mueller gibt es dazu drei Formen von Anhängerschaft: Die partisan mentality, nach der man die Meinung der offiziellen Vertreter der ideologisch nahestehenden Partei über- nimmt; die follower mentality, nach der das Individuum die Position der amtie- renden Regierung übernimmt und die believer mentality, nach der das Indivi- duum bei jedem einzelnen Ereignis seinen allgemeinen Überzeugungen gemäß (Ideologie im Sinne der Falke/Taube-Klassifikation, Eigeninteresse, Religion etc.) zu einer Position findet.30 Die partisan mentality kann also je nachdem wie die Opposition reagiert, zu einer übereinstimmenden oder konträren Meinung mit der Exekutive gelan- gen. Bei der believer mentality entscheidet sich je nach vorherrschendem Wer- 28 Vgl. Shamir/Shamir, S. 183. 29 Vgl. Paletz, S. 160. 30 Vgl. Mueller, S. 116-154.
-9- tekanon, ob man der Regierungsentscheidung positiv oder negativ gegenüber- steht. Die follower mentality, bei der sich ein großer Teil der Öffentlichkeit am Handeln der amtierenden Regierung orientiert, wird nach Mueller auch "rally- round-the-flag" genannt.31 Dieses typisch US-amerikanische Phänomen beruht auf der konstitutionellen Eigenart der Vereinigten Staaten, wonach der Präsi- dent die Funktion des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs in einer Person vereint. Das stärkt die patriotischen Gefühle der Öffentlichkeit in einer Weise, die bei einer Trennung von Staats- und Regierungsoberhaupt nicht zu beobachten ist. Rally heißt auf deutsch: zusammenkommen, sich um je- mand/etwas scharen - in diesem Fall um die Flagge bzw. um den US- Präsidenten als "lebende Flagge" oder das anthropomorphe Symbol nationaler Einheit.32 Ein Rally-Effekt ist vergleichsweise einfach zu bemessen: Seit 1945 stel- len Meinungsforschungsinstitute die Job-approval-Frage ("Do you approve or disapprove of the way . . . is handling his job as president?") Als Antwort ist nur 'stimme zu', 'stimme nicht zu' und 'keine Meinung' wählbar. Das bedeutet, dass keine Nachfragen (warum?), keine Spezifizierung (volle/mäßige Zustimmung, etc.) gemacht werden und auch keine Alternativen als Antwort genannt werden können. Der Anteil der Antworten 'keine Meinung' bleibt über einen längeren Zeitraum üblicherweise konstant - deshalb verhalten sich die Zustimmungs- und die Ablehnungsrate größtenteils spiegelbildlich zueinander.33 Definiert wird der Rally-Effekt als ein durch ein internationales Ereignis verursachter Aufschwung in der öffentlichen Meinung zugunsten des Präsiden- ten. Folgende drei Merkmale muss er gemäß der Definition durch Mueller auf- weisen: erstens muss das auslösende internationale Ereignis die Nation als Ganzes konfrontieren, zweitens muss das Ereignis für die USA relevant und der US-Präsident in hohem Maße involviert sein und drittens muss das Ereignis spezifisch, dramatisch und (zeitlich) scharf begrenzt sein.34 Diese von Mueller festgelegten Bedingungen erklären vor allem die Ursache eines Rally-Effekts.35 31 Vgl. Mueller, S. 208. 32 Vgl. Hetherington, Marc J./Nelson, Michael: "Anatomy of a Rally Effect: George W. Bush and the War on Terrorism", in: American Political Science Association PS, Band 36, Januar 2003, S. 37-44, S. 37. 33 Vgl. Mueller, S. 196-203. 34 Vgl. Mueller, S. 209. 35 Vgl. Hetherington/Nelson, S. 37.
- 10 - Je genauer die Bedingungen für das auslösende Ereignis zutreffen, umso grö- ßer wird die Intensität des Rally-Effekts sein. Diese misst sich durch die Höhe des Initialzuwachses der Zustimmungsrate unmittelbar nach Auftreten des au- ßenpolitischen Ereignisses. Ein anderer von Richard A. Brody betrachteter Faktor ist das Verhalten der Opposition. Ein Rally-Effekt kann nur zustande kommen, wenn die Opposi- tionsführung zum Zeitpunkt des Ereignisses auf Kritik verzichtet oder den Prä- sidenten offen unterstützt.36 Beides trägt zu einem einheitlichen Eindruck für die Außenwirkung der Nation bei und bestimmt die Dauer des Rally-Effekts. Diese misst sich in Wochen oder Monaten bis zu einer Normalisierung der Umfrage- werte. Übt die Opposition Kritik am Verhalten des Präsidenten, so zerfällt das Bild von der einheitlichen Nation. Je nach der Art der Medienberichterstattung schlägt sich dieses Bild auch auf die öffentliche Meinung nieder und äußert sich letzten Endes in "normalen" Zustimmungsraten. Dies kann daran liegen, dass innenpolitische Angelegenheiten wieder stärker an Gewicht gewinnen und das ursprüngliche auslösende internationale Ereignis an den Rand drängen. Besonders für den Aspekt der Länge eines Rally-Effekts spielen die Me- dien mit ihrer Fähigkeit zum Agenda-setting, priming und framing eine wichtige Rolle. Seit der Einführung der 24-Stunden-Berichterstattung von CNN im Jahre 1980 durch Ted Turner37 hat sich nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch das politische Verhalten grundlegend geändert. Die meisten Politiker erfahren die Neuigkeiten nicht durch interne Informanten, sondern über die Nachrichten. Die enge Beziehung zwischen Elitenmeinung und Medienberichterstat- tung wird gemäß Lance W. Bennett auch als indexing bezeichnet. Demzufolge passen die Medien die Meinungsbreite ihrer Berichte an die Meinungsbreite in- nerhalb der politischen Führung (Präsident, Kongress) an - sie 'indexieren' die Richtung, die von offiziellen Vertretern der Außenpolitik angegeben wird.38 Wird dort offene Uneinigkeit gezeigt oder Konflikte ausgetragen, werden Pressever- 36 Vgl. Brody, Richard A.: Crisis, War, and Public Opinion. The Media and Public Support for the President, in: Bennett, W. Lance/Paletz, David L. (Hrsg.): Taken by Storm. The Media, Public Opinion, and U.S. Foreign Policy in the Gulf War, Chicago, 1994, S. 212. 37 Vgl. "Cable News Network", in: Encyclopaedia Britannica 2001, CD-Rom, Oxford University Press, 1994-2001. 38 Vgl. Bennett, S. 24 und Page, Benjamin I.: Toward General Theories of the Media, Public Opinion , and foreign Policy, in: Nacos, Brigitte L./Shapiro, Robert Y./Pierangelo, Isernia (Hrsg.): Decisionmaking in a Glass House. Mass Media, Public Opinion, and American and European Foreign Policy in the 21st Century, Lanham u.a., 2000, S. 85.
- 11 - treter diese Konflikte entsprechend wiedergeben. Verschweigen oppositionelle Vertreter ihre abweichenden Ansichten oder werden diese der Presse auf ir- gendeine Weise nicht zugänglich gemacht, wird sich in den Medien nur ein sehr schmales Meinungs- und Bewertungsspektrum wiederspiegeln. In der Art und Weise der Auswahl offizieller Quellen durch die Journalis- ten unterscheidet man zwischen source indexing, power indexing und political indexing. Bei der Variante des source indexing wählen die Journalisten die am einfachsten zugänglichen Quellen aus und fassen deren Äußerungen zusam- men. Das Ergebnis dieser Form des indexing ist ein hohes Maß an Zufälligkeit bedingt durch die Maßgabe der stark quellengestützten Arbeit und die unmittel- bare Abhängigkeit der Reporter von offiziellen Quellen.39 Power indexing heißt, dass eine Information der institutionellen Machtpo- sition des Informationsgebers gemäß gewichtet wird. Dem zugrunde liegt eine Abschätzung der Bedeutung, die die Information auf zukünftige Ereignisse ha- ben könnte. Eine Aussage des Oberbefehlshabers der Streitkräfte über eine Truppenverlegung ist für die Frage, ob es einen Krieg geben wird, entscheiden- der als ein Argument eines einfachen Parlamentsabgeordneten gegen einen Krieg. Diese "Antizipation künftiger Wendepunkte" verleiht dem Informations- fluss Neuigkeit und somit hohen Publizitätswert.40 Political indexing wird in der Literatur vor allem für die Zeit des Ost-West- Konflikts nachgewiesen. Es beschreibt die Tatsache, dass die Journalisten vor allem dann eine regierungsfreundliche Medienberichterstattung ablieferten, wenn der Gegner des außenpolitischen Konflikts ein kommunistisches Land war. Da die Ära des Ost-West-Konflikts vorüber ist, wird auch die Form des poli- tical indexing als obsolet erachtet.41 Im allgemeinen wird seit Mitte der 90er Jah- re der Regierung und den Medien die Fähigkeit abgesprochen, die während des Ost-West-Konflikts vorherrschende manichäische Weltsicht noch einmal zu be- leben. Die politische Entwicklung der USA nach den Anschlägen vom 11.September 2001 lässt allerdings darauf schließen, dass die Tendenz zur 39 Vgl. Zaller, John/Chiu, Dennis: Government's Little Helper, in: Nacos, Brigitte L./Shapiro, Robert Y./Pierangelo, Isernia (Hrsg.): Decisionmaking in a Glass House. Mass Media, Pub- lic Opinion, and American and European Foreign Policy in the 21st Century, Lanham u.a., 2000, S. 81-82. 40 Vgl. Hils, Jochen: Asymmetrische Kommunikation? – "Newsbeats", "sound bites" und US- Fernsehnachrichten im Vorfeld des Golf- und Kosovokrieges, in: Albrecht, Ulrich und Be- cker, Jörg (Hrsg.): Medien zwischen Krieg und Frieden, Baden-Baden, 2002, S. 84. 41 Vgl. Zaller/Chiu, S. 83.
- 12 - moralischen Polarisierung der Weltpolitik nur zeitweilig unterbrochen wurde. Deshalb wird eine Neubewertung des political indexing in Zukunft unvermeid- lich. III. Methode III.1. Medienanalyse Die Medien (z.B. Presse, Hörfunk, Fernsehen und Internet) fungieren als Trägersysteme zur Informationsvermittlung.42 Da die Medien im öffentlichen Le- ben allgegenwärtig sind, müssen sie von allen Beteiligten genutzt werden, und bilden eine Art zweite Ebene zwischen dem tatsächlichen Geschehen und den individuellen Ansichten.43 Daher ist zu beachten, dass die Kommentatoren nicht die vox populi wiedergeben und die Medienberichterstattung nur partiell über die exakte Sachlage informiert. Diesen Unterschied nehmen allerdings die bei- den übrigen am politischen Prozess beteiligten Parteien (politische Entscheider und Öffentlichkeit) nur zum Teil wahr. Nach einer Untersuchung von Philip Pow- lick betrachten 48 Prozent der außenpolitischen Entscheidungsträger der USA die Medien als Repräsentanten öffentlicher Meinung. Dies begründet sich zum Teil durch den Mangel an persönlichen Kontakten zwischen Politikern und Wahlbevölkerung. Die politischen Repräsentanten nehmen daher die Medien als alternative Informationsquelle wahr.44 Auch die Öffentlichkeit kommt bei der Nutzung der Medien als Leser- oder Zuschauerschaft nur mit einer bereits be- einflussten Form des ursprünglichen 'Grundstoffs' in Berührung. Eine Ausnahme hierzu bildet das Medium Internet. Die offiziellen Websi- tes der einzelnen Regierungsorgane bieten einen unverfälschten Primärein- druck dessen, was die jeweilige Institution nach außen darstellen möchte. In der vorliegenden Arbeit wird sie deshalb als wissenschaftliche Quelle von Regie- rungshandeln und Regierungsäußerungen verwendet. Nach David L. Altheide unterscheidet man bei der inhaltlichen Analyse von Medien die quantitative und die qualitative Variante.45 Das Verfahren der 42 Siehe Anm. 3. 43 Vgl. Soroka, S. 43. 44 Vgl. Powlick, S. 435. 45 Vgl. Altheide, David L.: Qualitative Media Analysis, Thousand Oaks, 1996; Altheide spricht anstelle von 'qualitativer' auch von 'ethnografischer' Analysemethode.
- 13 - quantitativen Inhaltsanalyse überprüft Hypothesen anhand von vordefinierten Kriterien und Variablen auf Wahrhaftigkeit. Anhand von numerischen Erhebun- gen gemäß eines Protokolls kann das Zutreffen oder Nichtzutreffen der aufge- stellten Hypothesen belegt werden. Die quantitative Inhaltsanalyse ist ein stark objektivitätsgeleitetes Verfahren, das allerdings keine Möglichkeit zu neuen Er- kenntnissen bietet, die nicht bereits zuvor festgelegt wurden.46 Die qualitative Inhaltsanalyse ist weniger rigide organisiert. Sie basiert auf der Einzelüberprüfung jedes Dokumentes nach subjektiven Kriterien. Damit werden die für den Prüfer wesentlichen Kriterien herausgearbeitet in der Ab- sicht, Zusammenhänge zu finden, die in der Ausgangssituation möglicherweise noch gar nicht ersichtlich waren. Es ist ein stark reflexives Verfahren, bei dem sich Kriterien und Variablen nachträglich verändern lassen, wenn es aufgrund der Datensituation abgebracht erscheint. Ziel der qualitativen Analyse ist es, Hypothesen zu überprüfen und zu ergänzen oder gegebenenfalls zu ersetzen. Dieses Verfahren ist insofern kritisch zu sehen, als das es in seinen Einzelhei- ten oft nicht genau nachzuvollziehen ist. Es eröffnet aber im Vergleich zur quan- titativen Analyse neue Erkenntnismöglichkeiten und dient vor allem in den frü- hen Analysephasen als optimaler Einstieg in einen Sachverhalt.47 Sofern die Möglichkeit besteht, werden beide Verfahren in der vorliegenden Arbeit in ge- genseitiger Ergänzung angewendet. III.2. Modell des medialen Vermittlungsprozesses Das Wechselspiel zwischen Regierung, Medien und Öffentlichkeit ist sehr komplex. Die jeweilige Literatur untersucht meist nur einen Teilaspekt (öf- fentliche Meinung und Medien, Exekutive und Medien etc.). Die wechselseitige Abhängigkeit zwischen den drei Akteuren wird dabei oft in Form einer Drei- ecksbeziehung dargestellt.48 Um die Komplexität des Themas gründlicher zu er- fassen, ist ein Modell erforderlich, das mehreren, teils parallel ablaufenden Vor- gängen gerecht wird. Die beste Voraussetzung für ein solches Modell bietet der Ansatz von Stuart N. Soroka49, der vor allem auf den Aspekt der salience, also des Hervortretens oder Hervorspringens eines Themas in der Presse (oder in 46 Vgl. Altheide, S. 15-16. 47 Vgl. Altheide, S. 16-17. 48 Vgl. Page, B., S. 86. 49 Vgl. Soroka, S. 27-48.
- 14 - der Öffentlichkeit) abstellt. Im Grunde geht es um die Theorie des Agenda- settings mit der Messgröße salience im Mittelpunkt der Medienberichterstat- tung. In seiner Betrachtung der salience über längere Zeiträume hinweg stellt Soroka zwei wesentliche Hypothesen auf: erstens vermutet er einen indirekten Zusammenhang zwischen Agenda-setting und außenpolitischen Entscheidun- gen über den Umweg der öffentlichen Meinung. Er behauptet, dass außenpoliti- sche Entscheider an den Einfluss des priming glauben und antizipierte, durch die das veränderte Agenda-setting hervorgerufene Änderungen in der öffentli- chen Meinung in ihre momentanen Entscheidungen einfließen lassen.50 Zwei- tens geht er von einem direkten Effekt auf das kurzfristige Regierungshandeln aus: Während sich die salience über einen gewissen Zeitraum ändert, hat das konkrete Auswirkungen z.B. auf den Verteidigungshaushalt.51 Aus den von Soroka vorgestellten Ansätzen und Ergänzungen durch ei- gene Überlegungen ergibt sich das in Abb. 1 dargestellte Modell des medialen Vermittlungsprozesses. Abb. 1: Modell Medialer Vermittlungsprozess MEDIALER VERMITTLUNGSPROZESS F G A B Regierung MEDIEN Öffentlichkeit E C D Quelle: nach: Stuart N. Soroka, mit eigenen Ergänzungen Im Zentrum des Prozesses stehen die Medien. Sie sind der Kern der Be- ziehung zwischen Regierung und Öffentlichkeit. Um diesen Kern herum sind 50 Vgl. Soroka, S. 34. 51 Vgl. Soroka, S. 34.
- 15 - mehrere Teilprozesse (Pfeile A bis G) angesiedelt. Was zwischen zwei durch einen Pfeil verbundenen Komponenten tatsächlich passiert, lässt sich nur an- hand von deskriptiven Vorher/Nachher-Vergleichen schlussfolgern. In einer ersten Gruppe werden die Prozesse A und B zusammengefasst. Sie beschreiben den direkten Einfluss der Regierung auf die Medienberichter- stattung (A) und die Weitergabe der Medieninhalte an die Öffentlichkeit in For- maten wie Presse, Funk, Fernsehen und Internet (B). Durch die eingangs er- wähnte Fähigkeit der US-amerikanischen Öffentlichkeit, ihre Regierung durch Misstrauensbekundungen oder Abwahl zu einem Politikwechsel zu bewegen, ist die US-amerikanische Regierung stark an der innenpolitischen Vermittlung ei- nes bestimmten Images über ihr außenpolitisches Vorgehen interessiert. Die von der US-Regierung in diesem Zusammenhang gestartete Informationsoffen- sive im Anschluss an die Terroranschläge vom 11. September 2001 ist ein Bei- spiel für den durch Pfeil A gekennzeichneten Vorgang. Bei der Überprüfung dieser Annahme ist auch die Frage zu klären, wie die Regierung ihren Medien- auftritt steuert und zu welchem Grad sich die Medien empfänglich gegenüber Beeinflussungen zeigen. Im Teilprozess B zeigt sich einerseits das Ergebnis der Transformierung des Regierungsinputs in der Medienberichterstattung und andererseits die Re- zeption der Berichterstattung durch die Öffentlichkeit. Beide Faktoren sind sehr gut messbar - die Medienberichterstattung durch die veröffentlichten Printme- dien und die gesendeten TV-Beiträge und die Reaktion der Öffentlichkeit durch die Ergebnisse der Meinungsumfragen. In einer zweiten Gruppe werden die Prozesse C, D und E zusammenge- fasst. In C soll untersucht werden, ob es Änderungen in der Berichterstattung bzw. im Agenda-setting der Medien gegeben hat. Durch eine Veränderung der Schwerpunkte in der Medienberichterstattung kann es zu einer Veränderung im Problembewusstsein der Öffentlichkeit kommen, was sich auf die Bewertungs- kriterien für Politiker auswirkt (priming). Diese Wirkung einer veränderten Me- dienberichterstattung auf die Öffentlichkeit stellt Teilprozess D dar. Eine Änderung in der Medienberichterstattung kann unter Umständen auch zu einer direkten Änderung im Regierungshandeln führen. Besonders kurzfristige Änderungen (beispielsweise Budget-Anpassungen) können von der der jeweiligen Medienberichterstattung beeinflusst sein. Dieser Teilprozess
- 16 - deckt die von Soroka aufgestellte Hypothese über die direkten politischen Um- gestaltungen, die aus einer Veränderung der Medienberichterstattung folgen. Eine dritte Gruppe bilden die Prozesse F und G. Sie beschreiben die Wechselwirkung zwischen Regierung und Öffentlichkeit ohne Zwischenschal- tung der Medien. Diese Betrachtung bildet eine Art Gegenprobe zu den vorheri- gen Teilprozessen. Dabei kommt es zu einer direkten Kommunikation zwischen Regierung und Öffentlichkeit, etwa durch Radio- oder Fernsehansprachen des Präsidenten und anderer Kabinettsmitglieder, die in voller Länge in die Öffent- lichkeit übertragen werden. Diese Übertragung erfolgt zwar auch durch die Massenmedien, allerdings wird der Inhalt der Botschaft bei vollständiger Über- tragung nicht medial beeinflusst oder unterbrochen (Teilprozess F). Die Wirkung der öffentlichen Meinung auf das Verhalten der Regierung ist in Teilprozess G dargestellt. Die von Umfrageinstituten publizierten Erhe- bungen informieren die Regierung über die Zusammensetzung der öffentlichen Meinung. Insgesamt sind es die Teilprozesse C und E, die den von Soroka darge- stellten direkten Effekt bewirken und die Teilprozesse C, D und F, aus denen sich der indirekte Effekt bei Soroka zusammensetzt. Die grafische Zusammen- fassung in Abbildung 1 bildet die Grundlage für das empirische Vorgehen der Erforschung des medialen Vermittlungsprozesses des war on terrorism in die- ser Arbeit. Unberücksichtigt bleibt in diesem Modell der Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Medien, die durch das Zitieren von teilweise selbst erhobenen Umfragewerten Inhalt und Berichterstattung generieren. III.3. Empirisches Vorgehen Wie aus dem Modell des medialen Vermittlungsprozesses erkennbar ist, stehen die Medien im Mittelpunkt der empirischen Analyse. Um das Verhalten der Printmedien zu untersuchen, wird unter Zuhilfenahme der Datenbank Le- xisNexis Professional52 eine computergestützte quantitative Inhaltsanalyse von drei ausgewählten US-amerikanischen Tageszeitungen (New York Times, USA Today, Washington Post) durchgeführt. LexisNexis bietet den Zugriff auf alle Ar- 52 Kennwortgeschützter Zugang unter http://web.lexis-nexis.com/professional.
- 17 - tikel dieser Zeitungen im Volltextformat sowie die Stichwortsuche in den Seg- menten 'Überschrift', 'Einleitung' und 'Textkörper'. Durch entsprechende Ver- knüpfungsmöglichkeiten ('und', 'oder' etc.) lässt sich die Suche weiter verfei- nern. In dieser Arbeit liegt allen Untersuchungen der Printmedien die Suchfunk- tion major mention zugrunde, die das Auftauchen des Suchbegriffs sowohl in der Überschrift, dem Einführungsparagraph als auch in der Schlagwortkategorie überprüft. Die Auswahl der Tageszeitungen fand vor allem unter dem Kriterium der Repräsentativität für die USA-weite Printmedienlandschaft statt. So ist die USA Today die einzige landesweit erscheinende Tageszeitung, die trotz der ausge- prägten lokalen Verbundenheit der US-amerikanischen Leserschaft stark ge- nutzt wird. Die renommierten Tageszeitungen Washington Post (eher konser- vativ ausgerichtet) und New York Times (eher liberal ausgerichtet) sind zwar im Grunde lokale Presseorgane, werden aber von den übrigen kleineren Zeitungen als Vorlage für das Agenda-setting, die Themenbewertung und für Kommentare genutzt.53 Die ausgewählten Tageszeitungen gehören außerdem zur Gruppe der führenden fünf auflagenstärksten Zeitungen in den USA. Im März 2003 hatte die USA Today eine Auflage von 2,1 Mio. wochentäglich, die New York Times 1,1 Mio. und die Washington Post knapp 800.000 Stück.54 Des weiteren spielt auch die politische Ausrichtung im Zusammenhang mit der Befürwortung eines Angriffes auf den Irak eine Rolle. In einer Studie von Editor & Publisher wurden die Positionen der wichtigsten US-amerikanischen Tageszeitungen unmittelbar nach der Rede von Außenminister Powell am 5. Februar 2003 vor dem UNO-Sicherheitsrat bewertet. In der Gruppe der einen militärischen Angriff sehr stark unterstützenden Zeitungen befand sich die Wa- shington Post, in der den Krieg verhalten befürwortenden Gruppe befand sich die USA Today und zur dritten Gruppe gehörte u.a. die New York Times, die diplomatische Maßnahmen den militärischen vorzog.55 53 Vgl. Kleinsteuber, Hans J.: Medien und öffentliche Meinung, in: Adams, Willi Paul/Lösche, Peter (Hrsg.), Länderbericht USA, Geschichte, Politik, Geographie, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Bonn, 1998³, S. 375-392, S. 377. 54 Vgl. "Top 50 newspapers by circulation", unter http://www.adage.com/page.cms?pageId =1011, Stand 25.10. 2003. 55 Vgl. Berman, Ari: U.S. Iraq Policy Gains Support Among Newspapers. Editorials Indicate Powell Made His Case at U.N., in: Editor&Publisher, 7.2.2003, unter
- 18 - Das Fernsehen hat in den USA traditionell einen weitaus höheren Verbreitungsgrad als die Printmedien. Zu einer Medienanalyse gehört deswe- gen auch die Betrachtung der im Fernsehen gesendeten Berichte. Durch das grundsätzlich unterschiedliche Format lassen sich Printmedien und Fernsehen nicht immer miteinander vergleichen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit von Fernsehberichten und die sich unterscheidenden Bewertungsmethoden mit der Printmedien-Berichterstattung müssen bei der Auswertung dieser Erhebung beachtet werden. Die derzeit umfassendste Datensammlung zu Fernsehberich- ten im US-amerikanischen Raum bietet das Vanderbilt Television News Archi- ve. Es gewährt Zugriff auf zusammengefasste Berichte der Abendnachrichten und Sondersendungen der vier größten Nachrichtennetzwerke der Vereinigten Staaten: ABC, CBS, NBC und CNN. Da lediglich von Vanderbilt erstellte Zu- sammenfassungen und Schlagwortsortierungen zur Verfügung stehen, sind die Ergebnisse auch entsprechend zu bewerten: Man kann die Anzahl derjenigen Nachrichten- oder Sondersendungen ermitteln, in denen das gesuchte Stich- wort vorliegt. Die ermittelten Zahlen sind deshalb immer niedriger als die salien- ce in den Printmedien. Bei der Analyse über einen längeren Zeitraum hinweg bietet dieses Archiv dennoch Erkenntnisse über Veränderungen in der Medien- berichterstattung. Auch in der kurzfristigen Betrachtung lassen sich Inhalte und Schwerpunkte der Abendnachrichten recherchieren. Aufgrund der zahlenmäßigen, geografischen und politischen Verteilung der hier gewählten Bezugsquellen kann man davon ausgehen, dass das brei- testmögliche Spektrum der Presselandschaft der Vereinigten Staaten in der empirischen Analyse dieser Arbeit wiedergegeben wird. Die Messung der öffentlichen Meinung erfolgt in der Praxis anhand von Umfragewerten (s. Kapitel II.2.). Da eine Betrachtung von momentanen Umfra- gewerten wenig aussagekräftig ist, ist es sinnvoll, die Untersuchung anhand von Zeitserien durchzuführen. Von besonderem Interesse für den in dieser Ar- beit untersuchten Zeitraum ist eine Zusammenstellung der verschiedenen kos- tenfrei zugänglichen Meinungsumfragen durch das American Enterprise Institu- http://www.editorandpublisher.com/editorandpublisher/headlines/article_display.jsp?vnu_co ntent_id=1812676, Stand: 24.6.2003.
- 19 - te nach dem 11. September 2001.56 Sofern möglich, wird bei den Analysen der öffentlichen Meinung wegen der gewünschten Vergleichbarkeit auf die Ergeb- nisse der Gallup Organization zurückgegriffen. Bei allen Messungen gilt eine dreiprozentige Fehlerquote. Das ist der Unsicherheitsfaktor, der allen Erhebungen zugrunde liegt. Erst wenn sich die in den Meinungsumfragen wiedergegebene prozentuale Verteilung um mindes- tens vier Prozentpunkte verschiebt, hat tatsächlich eine minimale Änderung in der öffentlichen Meinung stattgefunden.57 Die Grundlage zur Position der Regierung bilden die Internetseiten der offiziellen Regierungsorgane. Sie bieten einen unmittelbaren Eindruck über die Selbstdarstellung der jeweiligen Institution. Obgleich diese Selbstdarstellung natürlich an die Interessen der Verantwortlichen angepasst ist, stellt sie den- noch eine seriöse Quelle für Redemanuskripte, Interviews, Chronologien und das Regierungshandeln dar. IV. Mediale Vermittlung des war on terrorism nach dem 11. September 2001 IV.1. Informationsoffensive der Regierung Bush Die Anschläge vom 11. September 2001 haben das Medieninteresse nicht nur auf das Unglück und die Täter gerichtet, sondern in besonderem Ma- ße auf das Verhalten der Regierung Bush. Bei der Analyse der ersten Reaktio- nen nach den Attentaten fällt aus heutiger Sicht die professionelle Kohärenz auf, mit der die Regierungsmitglieder auf die Krise kurzfristig reagierten. Das lässt auf eine sehr enge kommunikative Abstimmung schließen, deren Ergebnis der Außenauftritt der Regierung Bush nach dem 11. September 2001 ist. Dieser Außenauftritt soll zunächst für sich und anschließend in seiner Wirkung auf die Medien betrachtet werden. Die wichtigsten Köpfe der Exekutive sind der Präsident, der Außenminis- ter und der Verteidigungsminister. Die dazugehörigen Ministerien bzw. Zustän- digkeitsbereiche Weißes Haus, State Department und Department of Defense 56 AEI Studies in Public Opinion: America after 9/11. Public Opinion on the War on Terrorism, The War with Iraq, and America's Place in the World, unter http://www.aei.org/publications/pubID.16974/pub_detail.asp (Stand 17.8.2003). 57 Vgl. Nacos, 1994, S. 98.
- 20 - (Pentagon) werden wegen ihrer Machtbündelung und der Bedeutung für die außenpolitische Pressearbeit auch "Goldenes Dreieck" genannt.58 Diesem Aus- druck liegt auch das Phänomen zugrunde, dass außenpolitische Themen erst dann mediale Relevanz erlangen, wenn sich eine dieser drei wichtigsten Institu- tionen zum Thema geäußert haben.59 Der amerikanische Kongress hat neben seiner Legislativfunktion eine Position an der Schnittstelle zwischen Exekutive und Öffentlichkeit. Als Reprä- sentant der einzelnen Wahlkreise soll er die Stimmung der Öffentlichkeit wie- dergeben; durch die Kontrollhoheit im Bereich der Untersuchungsausschüsse kann er die öffentliche Diskussion über das Verhalten der Exekutive anregen. Dazu kommt noch die konkrete Macht der Haushaltsbewilligung, die für das re- guläre Budget und alle zusätzlichen Ausgaben notwendig ist.60 Aufgrund dieser Funktionen, die sich z.T. deutlich von den Kompetenzen anderer Staatsparla- mente unterscheiden, wird das Verhalten des Kongresses in die Analyse des Regierungsverhaltens nach dem 11. September 2001 einbezogen. Die dringendste Aufgabe der US-Regierung unmittelbar nach den An- schlägen war die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung in die Kontrollhoheit der Staatsmacht über die nationale Sicherheit. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Medienstrategie, die die Regierung Bush in der Zeit von den Anschlägen bis zum Einsatz gegen Afghanistan verfolgte. Der militärische Angriff auf Afghanistan erfolgte zwar erst am 7. Oktober 2001, zeichnete sich aber schon gegen Ende September ab. Um eine Distorsion der Auswertung zu vermeiden, wird die Analyse für die Zeit vom 11. bis zum 30. September 2001 durchgeführt, in der die tatsächliche Überzeugungsarbeit stattfand. Dazu wurden 19 Statements, Adressen und Proklamationen des Präsi- denten, 19 Pressekonferenzen aus dem Weißen Haus, dem Außen- und dem Verteidigungsministerium sowie 16 Fernsehinterviews mit Colin Powell, Donald Rumsfeld bzw. Paul Wolfowitz qualitativ ausgewertet.61 Insgesamt fallen mindestens fünf Merkmale auf, die die Kernbotschaften der regierungsseitigen Informationsoffensive darstellen: Erstens handelt es sich 58 Vgl. Bennett, S. 26. 59 Vgl. Hils, S. 78. 60 Vgl. Rudolf, Peter: "Amerikanische Irakpolitik - wie weiter?", in: SWP Aktuell, Nr. 36, Sep- tember 2003, unter http://swp.live.exozet.com/pdf/swp_aktu/swpaktu_36_03 (Stand 28.10.2003), S. 4. 61 Dokumente siehe beiligende CD-ROM.
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