Kommunale Sozialplanung in NRW
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G.I.B. Kurzbericht 2/2021 Armutsbekämpfung und Sozialplanung Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Kommunale Sozialplanung in NRW Denise Anton und Ann-Kristin Reher Das Wichtigste in Kürze Kurzbericht 2/2021 Sozialplanung als strategische Planung sozialer Angebote Integrierte, strategische Sozialplanung und Maßnahmen dient zur Unterstützung kommunaler gewinnt in den Kommunen in Nordrhein- Sozialpolitik und Steuerung. Sie ist mit Strategieentwick- lung, Sozialberichterstattung und Netzwerkstrukturen ein Westfalen immer mehr an Bedeutung. Sie ist wichtiges kommunales Instrument zur strukturellen Be- ein wichtiges Instrument zur Unterstützung kämpfung von Armut und benachteiligenden Lebenslagen. kommunaler Sozialpolitik und wird mit dem Ziel eingesetzt, die Lebensverhältnisse vor Laut einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2020 Ort sichtbar zu machen und sozialen Be- setzen 29,5 Prozent der Kommunen in Nordrhein-West- nachteiligungen entgegenzuwirken. Sozial- falen Sozialplanung in ihren Verwaltungen um. Zusätzlich planen und konzeptionieren 11,6 Prozent der Kommunen planung wird kommunalscharf umgesetzt, die Einführung einer Sozialplanung. das heißt, für die konkrete Ausgestaltung und Gestaltung der Planung werden keine Kreisfreie Städte verfügen mit 73,9 Prozent im Vergleich einheitlichen, standardisierten Wege ange- zu Kreisen und kreisangehörigen Städten und Gemeinden wandt, sondern kommunaleigene Möglich- überdurchschnittlich oft über eine Sozialplanung. keiten und Lösungen gefunden. Gegenüber einer Vergleichsstudie von 2013 ist eine deut- liche Professionalisierung der Sozialplanung erkennbar. In diesem Kurzbericht werden Ergebnisse Der Anteil der Kommunen, die eine strategische sozial- einer Online-Befragung aller 427 Kommunen politische Ausrichtung verfolgen, ist um 42,1 Prozent und Kreise im Zeitraum von Januar bis März gestiegen. Der Anteil der Kommunen, die soziale Bedarfe 2020 vorgestellt. Die Befragung dient dem ihrer Bürgerinnen und Bürger erheben, ist um 36,2 Ziel, einen Überblick über die unterschied- Prozent gewachsen. liche kommunale Umsetzung der Sozialpla- Die Erkenntnis, dass Maßnahmen und Angebote bedarfs- nung zu erhalten. Es wurden Bedarfe und gerecht vor Ort eingesetzt die größten Erfolge verspre- Entwicklung der kommunalen Sozialplanung chen, hat sich in der nordrhein-westfälischen Landschaft erfragt, um auf dieser Grundlage die (wei- durchgesetzt: Die Sozialplanung ist in 71,7 Prozent der tere) Förderung kommunaler Sozialplanung Fälle (sozial-)räumlich differenziert. Dabei sind aktuell die durch das Land Nordrhein-Westfalen anpas- sich verändernde Sozialstruktur im Sozialraum sowie die Konzeptionierung und Finanzierung von Maßnahmen die sen und entwickeln zu können. häufigsten operativen Herausforderungen. Es gibt zahlreiche und zugleich vielfältige operative und strategische Herausforderungen in den Kommunen. Sie zeichnen ein buntes und vielfältiges Abbild der kommuna- len Landschaft in Nordrhein-Westfalen, das eine individu- elle kommunale Betrachtung erfordert.
Kurzbericht 2/2021 Einleitung als Orientierung und Vergleichswerte dienen. Die integrierte, strategische Sozialplanung ist ein Neben zahlreichen neuen Fragen wurde auch ein zentrales Konzept zur strukturellen und strate- Teil der bereits 2013 gestellten Fragen erneut gischen Bekämpfung von Armut und sozialer gestellt. In einigen Fällen blickt der vorliegende Ausgrenzung, zur Erhebung sozialer Benachtei- Bericht vergleichend auf die damaligen Zahlen ligungen und Erreichung gleichwertiger Lebens- zurück. Dabei werden Änderungsraten im Ver- verhältnisse. Sie wird bereits seit den frühen gleich zu 2013 berechnet.2 1990er Jahren in einzelnen deutschen Kom- munen angewandt. Das nordrhein-westfälische Die neue Erhebung, zu der die Kommunen auf Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales freiwilliger Basis mit ihren Einschätzungen bei- strebt seit 2008 strategisch ausgerichtete und trugen, hatte zum Ziel, einen Überblick über den valide Planungsprozesse gegen Armut und soziale aktuellen Sachstand der Sozialplanung in den Ausgrenzung in den Kommunen an. Dazu imple- Kommunen zu erhalten sowie aktuelle Bedarfe mentierte es bereits mehrere Förderprogramme und Entwicklungen zu erheben, um Maßnahmen mit diesem Programmschwerpunkt sowie ein kos- und Förderungen der Landessozialpolitik, wie tenfreies Beratungsangebot für Kommunen, seit zum Beispiel das Beratungsangebot der G.I.B., Anfang 2019 ansässig bei der Gesellschaft für in- noch passgenauer an den Bedarfen der Kommu- novative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.). nen auszurichten. Seit 2015 konnten über 100 Kommunen beraten werden und in den meisten dieser Kommunen Sozialplanung in Nordrhein-Westfalen – wird seitdem eine integrierte, strategische Sozial- ein Überblick planung nachhaltig implementiert und verstetigt. Ausgangslage Dieser Kurzbericht enthält Ergebnisse einer On- In dieser Umfrage geben 258 nordrhein-westfäli- line-Befragung aller 427 Kommunal- und Kreisver- sche Kommunen und Kreise Auskunft über den waltungen in Nordrhein-Westfalen zur Umsetzung Stand ihrer sozialplanerischen Bemühungen vor einer kommunalen Sozialplanung. Diese Erhebung Ort. Die Rücklaufquote beendeter Fragebögen ist somit eine Vollerhebung mit repräsentativen liegt somit bei 60,4 Prozent. Das Sample setzt Ergebnissen, konzipiert und umgesetzt durch sich aus 20 kreisfreien Städten, 18 Landkreisen die G.I.B. (Team Armutsbekämpfung und Sozial- und 220 kreisangehörigen Städten und Gemein- planung), das Ministerium für Arbeit, Gesundheit den zusammen (siehe Abbildung 1). und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und IT.NRW. Die Befragung wurde im Zeitraum Januar Aufgrund der stark unterschiedlichen Anzahl der bis März 2020 in digitaler Form durchgeführt, das Gebietskörperschaften, von 23 kreisfreien Städ- bedeutet, die Ergebnisse spiegeln die Einschätzun- ten (inklusive StädteRegion) bis hin zu mehr als gen der Kommunen VOR der Covid-19-Pandemie 300 kreisangehörigen Städten und Gemeinden in wider. Nichtsdestotrotz sind die strukturellen Er- Nordrhein-Westfalen insgesamt, ist der Rücklauf gebnisse auch zukünftig von Bedeutung. nach Art der Gebietskörperschaft, zum Beispiel der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, von Bereits 2013 wurde eine ähnliche Umfrage unter Interesse. allen Kommunen und Kreisen in Nordrhein-West- falen von Professor Dr. Herbert Schubert1 durch- Aktuell verfügen 29,5 Prozent aller Kommunen geführt, deren Ergebnisse nun in dieser Studie in Nordrhein-Westfalen über eine Sozialplanung in 1 Schubert, 2014 2 Die Änderungsraten werden anhand der damaligen und aktuellen absoluten Nennungen berechnet. 2
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Abbildung 1: Rückmeldequote beendeter Fragebögen nach Art der Gebietskörperschaft 3 13,0 % 13 153 41,9 % 41,0 % 20 87,0 % 18 220 58,1 % 59,0 % Kreisfreie Kreisangehörige Kreis Stadt Kommunen Rückmeldung ohne Rückmeldung N = 427; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung Form einer Personalstelle, eines laufenden So- Abbildung 2). Untergliedert nach Art der Gebiets- zialplanungsprozesses oder der Verfolgung einer körperschaft, das heißt nach kreisfreien Städten, integrierten Strategie. Darüber hinaus richten Landkreisen und kreisangehörigen Kommunen, 11,6 Prozent der Kommunen eine Sozialplanung ergibt sich ein differenziertes Bild in Nordrhein- ein oder befassen sich mit der Planung und Kon- Westfalen: In 23 kreisfreien Städten, in denen zeption der Einführung einer Sozialplanung (siehe mit circa 7,5 Millionen Menschen rund 42 Prozent Abbildung 2: Gibt es in Ihrer Kommunalverwaltung eine Sozialplanung ‒ als Stelle, als Instrument oder als Prozess? Ja 29,5 % Nein 58,9 % In Vorbereitung/Planung 11,6 % N = 258; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung 3
Kurzbericht 2/2021 der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens leben, ist fehlenden eigenen (abgeschotteten) Statistik- eine institutionalisierte Sozialplanung besonders stelle. Weitere Gründe könnten auch geringere stark verbreitet. Fast drei Viertel (73,9 %) der oder fehlende Personalkapazitäten sein oder in kreisfreien Städte verfügen über eine Sozialpla- der selbstständigen Wahrnehmung kommunaler nung und weitere 13,0 Prozent implementieren Fachplanungen innerhalb einer Kommune liegen. sie aktuell. Dies trifft auch auf die Verteilung der Aufgaben- wahrnehmung zwischen Kreisen und kreisan- Mögliche Gründe für den Schwerpunkt in dieser gehörigen Kommunen zu. Nicht zuletzt könnte Kategorie der Kommunen liegen nach erster die Vielzahl der kreisfreien Städte auch in den Einschätzung des „Netzwerk Sozialplaner:innen gesellschaftlich stärker wahrgenommenen sozial- NRW“3 zum Beispiel bei Schwierigkeiten in der räumlich ungleich verteilten Lebenslagen begrün- Datenanalyse, im Datentransfer oder an einer det sein. Abbildung 3: Gibt es in der Kommune eine Sozialplanung ‒ als Stelle, als Instrument oder als Prozess ‒ anteilig nach Gebietskörperschaften? 13,0 % 12,9 % 3,2 % 73,9 % 39,7 % 41,9 % 7,0 % 12,3 % Kreisangehörige Kreisfreie Stadt Kreis Kommune Ja In Vorbereitung/Planung Nein Keine Rückmeldung zur Befragung N = 427; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung Die Ergebnisse dieser Befragung sind aufgrund der durchgeführten Vollerhebung aller 427 Kommunen repräsentativ. Im Gegen- satz zu den weiteren dargestellten Ergebnissen wird in dieser Darstellung explizit die prozentuale Berechnung anhand der exakten Anzahl der jeweiligen Gebietskörperschaften (23 kreisfreie Städte, 31 Kreise (inkl. StädteRegion), 373 kreisangehörige Gemeinden) dargestellt. Diese Darstellung wird aufgrund der ungleichen Anzahl der jeweiligen Gebietskörperschaft in Nordrhein-Westfalen gewählt. In diesem Fall kann zusätzlich der Anteil der Kommunen ohne Rückmeldung zur Befragung ausgewiesen werden. 3 Ergebnisse aus dem Netzwerktreffen am 12.11.2020. Weiterführende Informationen zur Veranstaltungsreihe und zum „Netzwerk Sozialplaner:innen NRW“ unter www.gib.nrw.de, Team Armutsbekämpfung und Sozialplanung, Veranstaltungsarchiv oder sozialplanung@gib.nrw.de 4
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Insgesamt ist festzustellen, dass das Bewusst- Veränderung im Vergleich zu 2013 sein, mit Sozialplanung Lebensverhältnisse 17,1 Prozent der Befragten hatten auch an der nachhaltig und langfristig verbessern zu können, Erhebung 2013 teilgenommen. Dabei ergeben auch in weniger urban geprägten Regionen reift. sich bei 87,5 Prozent der Kommunen bis heute In 41,9 Prozent der Kreise, das heißt in 13 von folgende Veränderungen5: insgesamt 31 Kreisen, gibt es bereits eine Sozial- • neues Personal (70,0 %), planung. Weitere 3,2 Prozent der Kreise bringen • die strategische Planung von Maßnahmen sie derzeit auf den Weg. (52,5 %), • Implementierung neuer Strategien (45,0 %), Ein großer Teil der Kommunen in Nordrhein- • erstmaliger innerkommunaler Vergleich von Westfalen sind kreisangehörige Städte und Sozialräumen (27,5 %) sowie Gemeinden. Von ihnen geben 12,3 Prozent an, • die Möglichkeit, mehr Personal einzustellen eine Sozialplanung zu betreiben. Weitere 7,0 (25,0 %). Prozent planen und konzeptionieren diese aktuell (siehe Abbildung 3). Hier zeigt sich, dass eine Die Veränderungen sind folglich vielseitig und ins- abgestimmte Strategie und die institutionalisier- besondere die Personalfluktuation lässt auf eine te Zusammenarbeit zwischen kreisangehörigen dynamische und sich verändernde kommunale Kommunen und ihren Kreisen viele Vorteile mit Sozialplanungslandschaft in Nordrhein-Westfalen sich bringen4. Einerseits liegen zum Beispiel schließen. Nur bei 12,5 Prozent der Kommunen bestimmte Daten und die Kapazität, diese zu haben sich seitdem keine Veränderungen erge- analysieren, häufig nur auf Kreisebene vor. Diese ben. können mithilfe der Sozialplanung für alle kreis- angehörigen Kommunen zur Verfügung gestellt Die nun folgenden Ergebnisse und Erkenntnisse werden. Andererseits benötigen kreisübergrei- beziehen sich ausschließlich auf solche Kommu- fende Strategien und Projekte eine gemeinsame nen in Nordrhein-Westfalen, die aktuell Sozialpla- Trägerschaft aller Kommunen, interkommunaler nung in ihren Verwaltungen betreiben oder diese Netzwerke und Akteure, um optimal umgesetzt planen und konzeptionieren (41,1 %). werden zu können. Zudem verfügen die kreisan- gehörigen Gemeinden über eine größere inhaltli- Stellenumfang und organisationale che und räumliche Nähe zu der gesellschaftlichen Verortung – Bedeutung der Sozialplanung Situation in ihren Quartieren und diese ist für die Um die personelle und organisationale Verortung Umsetzung von kommunalen Projekten unerläss- und Umsetzung der Sozialplanung in den Kom- lich. Das heißt, dass die Sozialplanung für kreis- munen zu erheben, nimmt die Befragung auch angehörige Kommunen einen deutlichen Mehr- das Stellenprofil der Sozialplanung innerhalb der wert bietet, besonders, wenn es auf Kreisebene Verwaltungsstruktur detailliert in den Blick. auch eine Sozialplanung gibt. Beide Sozialplanun- gen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern 43,4 Prozent der Kommunen gaben an, die So- die Vorteile beider Planungen ergänzen sich. zialplanung mit mindestens einer Vollzeitstelle zu verfolgen. Im Vergleich zu 2013 ist der Anteil der Kommunen mit mindestens einer Vollzeitstelle um 15,0 Prozent gestiegen. Daraus lässt sich ein 4 Anton, Duif, Krupop, 2019 5 Mehrfachantworten möglich; N = 40 5
Kurzbericht 2/2021 Zuwachs an Bedeutsamkeit und kommunaler Auf- Deutlich weniger Kommunen verfolgen Sozialpla- merksamkeit der Sozialplanung ableiten. Zudem nung mit bis zu zwei Vollzeitstellen (5,8 %), bis ist zu erwarten, dass die Sozialplanung in diesen zu drei Vollzeitstellen (3,4 %) oder sogar mehr Kommunen auch zukünftig eine Professionalisie- als drei Vollzeitstellen (2,3 %). rung erfährt, weil mehr zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen. 56,6 Prozent der kommunalen Unabhängig von der Größe der Kommune und Vertreterinnen und Vertreter betreiben oder pla- der Komplexität des Aufgabenbereichs scheint nen Sozialplanung als Teilaufgabe in Ergänzung eine Vollzeitstelle für eine effiziente – aber viel zu einem anderen Tätigkeitsfeld. Dabei variiert wichtiger – kontinuierliche strategische Planung der Stellenumfang als Teilaufgabe zwischen 10,0 und stetige Zusammenarbeit insgesamt aber vor- Prozent und 80,0 Prozent einer Vollzeitstelle. Für teilhafter. Die Erfahrung zeigt, dass das vielfältige Nordrhein-Westfalen ergibt sich dadurch eine Aufgabengebiet der Sozialplanung kaum mit starke Varianz des veranschlagten Stellenum- anderen kommunalen Aufgaben vergleichbar ist. fangs zwischen vier Wochenstunden und bis zu Auch in kleinen und mittleren Kommunen bedeu- fünf Vollzeitstellen. Je nach Stellenumfang ist der tet die stetige Planung sozialpolitischer Maßnah- Handlungsspielraum ausgeprägter oder stärker men nicht maßgeblich weniger Arbeitsaufwand. eingeschränkt. Mit geringerem Stellenumfang ist zwangsläufig eine Konzentration auf bestimmte Im Vergleich einiger Aufgabenfelder (siehe Aspekte, zum Beispiel die Erhebung bestimmter Tabelle 1) der Sozialplanung – wie Gestaltung Sozialdaten verbunden. Ist der Handlungsspiel- einer Gesamtstrategie, Erhebung sozialer Be- raum größer, weil mehr personelle Kapazitäten darfe der Bürgerinnen und Bürger und Erhebung zur Verfügung stehen, können etwa andere Fach- der sozialen Angebote und Dienstleistungen (im bereiche einbezogen und gemeinsame Strategien Sozialraum) – bestätigt sich diese Erfahrung: Ob erarbeitet werden6. Vollzeitstelle oder Teilaufgabe, die regelmäßige Er- mittlung der Bedarfslagen wird in der Mehrheit der Ein Stellenumfang von bis zu einer Vollzeitstelle Kommunen umgesetzt. 65,9 Prozent der Kommu- (entsprechend eines Vollzeitäquivalents) ist in nen mit mindestens einer Vollzeitstelle sowie 59,3 88,5 Prozent der Kommunen gegeben und somit Prozent der Stellen mit weiteren Aufgaben er- maßgeblich vorherrschend in Nordrhein-Westfa- heben regelmäßig die sozialen Bedarfe – zumeist len. Dabei entfallen 8,3 Prozentpunkte auf genau mithilfe quantitativer und qualitativer Daten. eine halbe Personalstelle und der überwiegende Großteil von 40,0 Prozentpunkten auf exakt eine Der Anteil der Kommunen mit mindestens Vollzeitstelle. Die Bearbeitung der Aufgabenfelder einer Vollzeitstelle erhebt in ähnlichem Umfang der Sozialplanung als Teilaufgaben in Kombina- (62,8 %) auch regelmäßig die (kommunal und tion mit weiteren Aufgaben kann von Vorteil sein, frei finanzierten) sozialen Dienstleistungen und wenn Synergieeffekte zwischen den verschiede- Angebote. Dieser Anteil ist bei den Kommunen nen Fachplanungen erzeugt werden können. Dies mit einer Teilzeitstelle erwartungsgemäß geringer, trifft insbesondere zu, wenn es sich um konkrete mit 50,8 Prozent steht diese Aufgabe allerdings Planungsaufgaben neben der Sozialplanung han- hinter der regelmäßigen Bedarfserhebung schon delt, zum Beispiel um Jugendhilfeplanung oder erheblich zurück. Pflegebedarfsplanung. Hier treten die Synergie- effekte besonders in den Vordergrund. 6 Mehr dazu auf Seite 9 f. 6
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Die Häufung der Verfolgung einer regelhaften Amt ausgewiesen. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht Strategie unterstreicht dieses Bild: 61,4 Prozent abhängig von der Größe der Kommune nach Ein- der Kommunen mit mindestens einer Vollzeitstelle wohnerzahl. Ein vergleichsweise großer Anteil der verfolgen eine regelhafte Strategie, demgegen- Befragten (17,9 %) kann aktuell noch „keine An- über verfolgen diese nur 45,0 Prozent der Kommu- gabe“ zu dieser Frage machen, was insbesondere nen, die Sozialplanung als Teilaufgabe ausüben. in solchen Kommunen der Fall sein kann, die aktuell Folglich sind zwei Trends erkennbar: zum einen mit der Konzeption und Planung befasst sind und nimmt der Umfang der operativ umgesetzten Tä- die organisationale Verortung nicht abschließend tigkeitsfelder, die alle Aufgaben der Sozialplanung geklärt haben. In etwas mehr als einem Drittel umfassen können, bei einer Teilzeitstelle ab. Zum (34,9 %) aller Kommunen ist die Sozialplanung als anderen ist in der Reihenfolge der abgefragten Stabsstelle konzeptioniert. Nur 10,8 Prozent dieser Tätigkeitsfelder ein Rückgang in der Bearbeitung Stabsstellen unterstehen direkt dem Bürgermeister über die Bedarfserhebung, Bestandserhebung und oder der Bürgermeisterin, wohingegen 48,6 Prozent Strategieentwicklung und -anwendung erkennbar. der Leitung des Sozialdezernats, 8,1 Prozent der Leitung eines anderen Dezernats und 32,4 Prozent Die Verortung einer Stelle gibt Aufschluss über der Leitung eines Fachbereichs unterstellt sind. Rollenkompetenzen, Handlungsmöglichkeiten und effektive Arbeitswege durch einen geringeren Ressourceneinsatz und organisationale Verortung hierarchisch bedingten Arbeitsaufwand. können Indikatoren für die Bedeutung und Auf- merksamkeit sein, die die Sozialplanung in der Der überwiegende Teil der Stellen für Sozialpla- kommunalen Planungslandschaft genießt. In der nung ist organisatorisch als Stelle in einem Amt Umfrage hatten die Vertreterinnen und Vertreter verortet (43,4 %). In 3,8 Prozent der Fälle ist die ebenso die Möglichkeit, eine subjektive Bedeu- Sozialplanung in der Kommune mit einem eigenen tungseinschätzung abzugeben. Tabelle 1: Wahrnehmung von Aufgabenfeldern nach Stellenanteil Teilaufgabe eines Vollzeitstelle Arbeitsplatzes Ermittelt die Sozialplanung in Ihrer Kommune regelmäßig die sozialen Bedarfe? N = 102 Ja 65,9 % 59,3 % Nein 34,1 % 40,7 % Wird durch Ihre Kommunalverwaltung regelmäßig der Bestand an (kommunal und frei finanzierten) sozialen Dienstleistungen und Angeboten erhoben? N = 103 Ja 62,8 % 50,8 % Nein 37,2 % 49,2 % Gibt es in der Sozialplanung Ihrer Kommunalverwaltung eine regelhafte Strategie (z. B. einen Kreislauf) von Analyse, Berichterstattung und Abstimmung? N = 104 Ja 61,4 % 45,0 % Nein 38,6 % 55,0 % Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung 7
Kurzbericht 2/2021 Abbildung 4: Wie bewerten Sie die folgenden Aussagen? (Angaben in Prozent) 30,0 29,6 29,6 28,0 28,3 26,3 24,2 24,2 24,5 23,0 16,2 20,2 16,0 17,2 17,2 15,2 11,1 7,1 9,2 3,0 Die vorhandenen Die vorhandenen Die Sozialplanung hat Die Sozialplanung ist in unserer Personalressourcen Planungsressourcen in unserer Kommune Kommune gut in das Gesamt- reichen aus. reichen aus. eine große Bedeutung. system der Kommunal- N = 99 N = 98 N = 100 verwaltung integriert. N = 99 Trifft voll zu Trifft ansatzweise zu Trifft teils zu/nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft überhaupt nicht zu Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung Insgesamt werden die persönlichen Einschätzun- Knapp ein Drittel (29,6 %) gibt an, dass sie teil- gen der kommunalen Verantwortlichen zu den weise zutreffend, das heißt situativ oder tempo- vier Aspekten Personaleinsatz, Ressourcenein- rär, ausreichen. Mit Planungsressourcen können satz, Bedeutung der Sozialplanung und Integra- eigene verfügbare Personalressourcen, aber auch tion der Sozialplanung in die eigene Kommunal- Zeitkontingente der weiteren kommunalen Fach- verwaltung abgebildet. planerinnen und -planer oder der Führungskräfte sein, die Planungen auf die politische Ebene Im Gesamtvergleich kann zu der Aussage „Die transportieren. Weitere Aspekte, die unter diesem vorhandenen Personalressourcen reichen aus“ Punkt zusammengefasst werden können, sind landesübergreifend keine entscheidende Ein- freie Zeitkapazitäten zur Erstellung langfristiger schätzung dazu getroffen werden, ob die Per- Planungen, entsprechendes Know-how oder Vo- sonalausstattung über alle Kommunen in Nord- raussetzungen für eine langfristige Planung, wie rhein-Westfalen ausreichend, zu gering oder zu zum Beispiel gemeinsame kommunale Leitlinien hoch eingeschätzt wird. 40,4 Prozent der Ver- oder entsprechende Bedarfszahlen. antwortlichen schätzen die verfügbaren Personal- ressourcen als voll oder ansatzweise ausreichend Die Frage nach der Bedeutung der Sozialplanung ein, ebenso geben 35,4 Prozent an, dass die hat im Gesamtvergleich die höchsten positiven Personalressourcenausstattung eher nicht oder Zustimmungswerte erzielt. Mehr als die Hälfte der überhaupt nicht ausreichend zutreffend ist. Kommunen (51,0 %), die Sozialplanung bereits integriert haben, stimmen dieser Aussage voll oder 36,7 Prozent geben an, dass die vorhandenen ansatzweise zu. Das bedeutet, Sozialplanung trägt Planungsressourcen voll oder ansatzweise zu- dort spürbar zu abgestimmtem Handeln sowie treffend ausreichend sind, während 33,7 Prozent der stärkeren Koordinierung sozialer Angebote, diese Aussage als eher nicht oder überhaupt Hilfen und Fördermaßnahmen bei und ermög- nicht zutreffend bezeichnen. Die konkrete Vertei- licht, diese passgenau bis in die einzelnen Sozial- lung ergibt, dass die Planungsressourcen ledig- räume zu transportieren. Ein Drittel der Befragten lich in 7,1 Prozent der Fälle voll zutreffend sind. (30,0 %) stimmt der Aussage teilweise zu, das 8
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 heißt, zusätzlich zu den genannten 51,0 Prozent heißt fach- und dezernatsübergreifende Zusam- hat die Sozialplanung in weiteren 30,0 Prozent menarbeit sowie solide Analysen, zum Beispiel der Verwaltungen eine situativ oder temporär Berichterstattung, zwei zentrale Aufgabenfelder, hohe Bedeutung im Arbeitsprozess. Lediglich in die ebenfalls zur kontinuierlichen Darstellung 16,0 Prozent der Kommunen, die eine Sozialpla- und Bekämpfung von Armut und sozial benach- nung betreiben, trifft eine große Bedeutung eher teiligenden Lebenslagen beitragen. Diese beiden nicht zu. Mit 3,0 Prozent ist die Bedeutung in sehr Aufgabenfelder werden in fast jeder kommunalen wenigen Kommunen überhaupt nicht zutreffend. Sozialplanung umgesetzt. Der Aussage „Die Sozialplanung ist in unserer Integrierte Zusammenarbeit Kommune gut in das Gesamtsystem der Kommu- und Netzwerkpflege nalverwaltung integriert“ können 45,5 Prozent Die integrierte und fachbereichs- und/oder dezer- voll oder ansatzweise zustimmen. Mit 26,3 Pro- natsübergreifende Zusammenarbeit kann informell zent kommt knapp ein weiteres Drittel dazu, die und punktuell oder strukturiert und institutiona- diese Integration als teilweise, das heißt punktu- lisiert erfolgen. Dabei ist kommunalscharf zu be- ell oder temporär, als zutreffend bezeichnen. Hier trachten, welche Fachbereiche einbezogen werden sehen lediglich 28,3 Prozent der kommunalen sollten. Dieses Vorgehen betrifft sowohl Fachbe- Akteurinnen und Akteure noch Verbesserungs- reiche aus einem (Sozial-)Dezernat als auch die potenzial (siehe Abbildung 4). dezernatsübergreifende Zusammenarbeit. Aufgaben und Tätigkeiten der Konkret nach der Kooperation im Rahmen der integrierten, strategischen Sozialplanung kommunalen Sozialplanung gefragt, ergibt sich das Bild einer starken Vernetzung und Zusammen- Strategie arbeit. Lediglich 15,4 Prozent kooperieren nicht Strategische Sozialplanung als Instrument zur dezernatsübergreifend. In 84,6 Prozent der Fälle Armutsbekämpfung ist ein Prozess, der langfristig arbeitet die Sozialplanung mit Planungseinheiten und nachhaltig soziale Benachteiligungen und ver- außerhalb des zuständigen Dezernats zusammen. schiedene Lebenslagen analysieren und Lebens- Die Versäulung innerhalb von Kommunalverwal- bedingungen verbessern soll. Dafür bedarf es tungen aufzuheben ist eine Stärke der integrierten einer langfristig angelegten Strategie und Planung, Sozialplanung und wird laut den Befragungsergeb- die zum Beispiel die Aspekte7 Analyse, Bericht- nissen auch überwiegend praktiziert. erstattung und verwaltungsinterne oder -externe Arbeitskreise regelmäßig wiederholend enthält. Bei der Kooperation mit weiteren Fachbereichen In rund der Hälfte der Kommunen (51,9 %) wird außerhalb des zuständigen Dezernats für Sozial- eine solche regelhafte Strategie verfolgt. Dies planung liegt die Stadt- und Regionalplanung ist ein Anstieg um 42,1 Prozent gegenüber der an erster Stelle, dicht gefolgt von der Zusam- Erhebung 2013, dies bildet auch eine erhebliche menarbeit außerhalb der Stadtverwaltung mit Professionalisierung in der strukturellen Bekämp- freien Trägern8, der kommunalen Schulentwi- fung von Armut und sozialen Benachteiligungen cklungs- und Bildungsplanung sowie den Berei- ab. 48,1 Prozent verfolgen aktuell keine regelhafte chen Jugendhilfe und Gesundheit sowie weiteren Strategie, hier besteht noch deutliches Verbesse- Bereichen (Jobcenter, Agentur für Arbeit, andere rungspotenzial. Dennoch sind die integrierte, das Fachbereiche, zum Beispiel Altenhilfe- und Pflege- 7 Weitere Aspekte siehe: Bartling, Czommer, Marx, Stegmann, 2019 8 Nicht ausschließlich anerkannte Träger der freien Wohlfahrtspflege; es bestehen auch Verbindungen zu Vereinen, Verbänden und anderen Institutionen. 9
Kurzbericht 2/2021 Abbildung 5: Mit welchen Planungseinheiten wird außerhalb des zuständigen Dezernats für Sozialplanung kooperiert? Stadtplanung/Regionalplanung 76,1 % Freie Träger 65,9 % Schulentwicklung, formale Bildung 59,1 % Jugendhilfe (-planung) 53,4 % Gesundheit 53,4 % Jobcenter 45,5 % Agentur für Arbeit 35,2 % Andere Fachbereiche 30,7 % Controlling 25,0 % Finanzplanung 20,5 % keine Angabe 3,4 % N = 88, Mehrfachanworten möglich; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung bedarfsplanung, Controlling, Finanzplanung, siehe zent der Kommunen geben an, dass es bislang Abbildung 5). Gemessen an der Positionierung keine institutionalisierten Gremien zur Begleitung gibt es im Vergleich zu 2013 lediglich geringfügige gibt. Bei diesen Gremien handelt es sich zum Unterschiede. Während die Schulentwicklungspla- Beispiel um Arbeits- und Planungsgruppen sowie nung auf Rang 3 vorgerückt ist, hat insbesondere Fachplanungskonferenzen mit Vertreterinnen und die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gesund- Vertretern anderer Fachplanungen (95,3 %)9. In heitsamt und dem Jobcenter zugenommen. Die selteneren Fällen wird die Sozialplanung begleitet hohen prozentualen Werte deuten auf eine ernst- und unterstützt von Steuerungsgruppen (37,2 %) zunehmende und verbreitet auftretende Koopera- (z. B. mit Mitgliedern aus Hauptverwaltungen, tion mit den einzelnen Einheiten hin. Dezernaten, Trägervorständen) oder Lenkungs- kreisen (Amts-, Fachbereichs-, Sachgebietsleitun- Bei den bisherigen Ergebnissen wurde in der gen (32,6 %)), die beide in der Regel mit hier- Kooperation nicht zwischen formalisiert und archisch höher gestellten Personen besetzt sind informell unterschieden, sie kann also auch und dementsprechend andere Entscheidungsbe- punktuell oder situativ sein. fugnisse haben. Während in der informellen Zusammenarbeit ein Statistische Analysen zur Bedarfs- und Großteil (84,6 %) der Kommunen mit Sozialpla- Bestandserhebung nung mit weiteren Planungseinheiten kooperiert, 62,1 Prozent der Kommunen ermitteln mithilfe sta- ergibt sich in der institutionalisierten Zusammen- tistischer Analysen regelmäßig die sozialen Bedar- arbeit, in Form von ständigen und begleitenden fe ihrer Bürgerinnen und Bürger. Dies entspricht Gremien, ein etwas anderes Ergebnis. Gremien einem Anstieg der Kommunen um 36,2 Prozent zur Unterstützung der Sozialplanung existieren in gegenüber der Befragung von 2013. 71,2 Prozent lediglich 41,9 Prozent der Kommunen, 58,1 Pro- wählen dafür eine Form der Berichterstattung aus. 9 Mehrfachantworten möglich; N = 43 10
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Repräsentative Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Dies muss nicht zwingend in schriftlicher Form ge- zent konnten zu dem Befragungszeitpunkt keine schehen. Zwar verfasst der überwiegende Teil der Angabe machen. Diese Angabe entfällt nahezu Kommunen10 Sozialberichte (71,6 %), allerdings ausschließlich bei kreisangehörigen Kommunen, sind auch Formen wie Sozialraumprofile (43,2 %), allerdings auch bei solchen, die bereits über eine Erstellung eines dauerhaften Monitorings (35,1 %) Sozialplanung verfügen. und andere Formen der Berichterstattung (31,1 %), zum Beispiel Stellungnahmen in den Die kommunal vorliegenden quantitativen Daten, zuständigen Fachausschüssen, aktuelle Mittel der die für Bestands- und Bedarfsanalysen genutzt Wahl und werden in weiten Teilen auch parallel werden, stammen aus Prozess- oder Leistungs- umgesetzt. 28,8 Prozent der Kommunen üben daten der Fachämter (33,3 %), von einer Statistik- keine Berichterstattung aus. stelle (28,6 %), von externen Datendienstleistern (20,2 %) oder auch aus selbst generierten Daten Ein wesentliches Element sowohl der Analysen (17,9 %). Im Vergleich zu 2013 haben die Statis- als auch der Bedarfserhebungen ist die Klein- tikstellen hier deutlich an Bedeutung gewonnen, räumigkeit. Das bedeutet, dass eine Kommune in so stehen sie jetzt an zweiter Stelle, während sie kleinere Raumeinheiten (z. B. Stadtteile, Sozial- 2013 noch an vierter Stellen in dieser Aufzählung räume, Quartiere) eingeteilt wird und diese Ein- standen. Anders formuliert: kommunale Statistik- heiten dann miteinander und mit den städtischen stellen leisten einen wesentlichen Beitrag zu einer Durchschnittswerten verglichen werden. Dies ge- kleinräumigen Bedarfs- und Bestandsanalyse. schieht zum einen aufgrund der Erkenntnis, dass sich soziale Lebenslagen und Bedarfe zunehmend In der weiteren Akquise der Daten – unabhängig räumlich konzentrieren. Zum anderen werden davon, aus welcher Quelle sie zunächst bezo- Maßnahmen und Programme im Idealfall vor Ort, gen werden, – stellen themenbezogene Daten im Lebens- und Nahraum der Bürgerinnen und besondere Herausforderungen dar. Die größten Bürger, angesiedelt. In der großen Mehrheit der Herausforderungen ergeben sich aus den fünf Kommunen (71,7 %) ist die Sozialplanung und häufigsten Antworten. Sie zeigen, um welche damit auch die Bestands- und Bedarfserhebung Daten es sich in chronologischer Reihenfolge überwiegend sozialraumbezogen beziehungs- handelt: Daten zu Arbeitslosigkeit (SGB II und weise kleinräumig differenziert. Damit zeichnet SGB III inkl. Arbeitsmarkt), Werte zum Gesund- sich gegenüber 2013 ein deutlicher Anstieg um heitszustand der Bürgerinnen und Bürger, gene- 59,1 Prozent in Richtung der Sozialraumdifferen- rierte Daten zur Haushaltsstruktur sowie zu den zierung ab. Das heißt, die Erkenntnis, dass so- Themen Wohnen, Einkommen und Vermögen. ziale Bedarfe und Belange sich räumlich konzen- trieren und Maßnahmen vor Ort bedarfsgerecht Strategische und operative Herausforde- eingesetzt werden sollten, erhält in Nordrhein- rungen: Von der Einbeziehung der Akteu- Westfalen zunehmend Einzug in die kommunale rinnen und Akteure über Pflegebedarfspla- Praxis der Sozialplanung. 28,3 Prozent verfolgen nung bis zur Wohnraumversorgung diesen Ansatz aktuell nicht. Die Vertreterinnen und Vertreter der Sozial- Die Frage, ob die Sozialplanungsverantwortlichen planung in den Kommunen in Nordrhein-West- die notwendigen kleinräumigen statistischen Daten falen sehen sich zurzeit einer breiten Vielzahl an erhalten, bestätigen 35,6 Prozent. 44,2 Prozent er- unterschiedlichen strategischen und operativen halten die kleinräumigen Daten lediglich teilweise Herausforderungen gegenüber. Dabei ist zu und 7,7 Prozent erhalten sie gar nicht. 12,5 Pro- beachten, dass Sozialplanung die Souveränität 10 Mehrfachantworten möglich; N = 74 11
Kurzbericht 2/2021 der einzelnen Fachplanungen nicht einschränkt, schiedenen Akteurinnen und Akteure, aber auch sondern integrativ wirkt und zur besseren Ko- die Schaffung und Finanzierung von (Personal-) operation und Abstimmung der Akteurinnen und Ressourcen und Fragen zur Datenkompatibilität Akteure und Bereiche beiträgt. (siehe Tabelle 2). Die kommunalen Sozialplanerinnen und -planer Die Mehrfachnennungen in der operativen, all- befassen sich thematisch intensiv mit der sich täglichen Praxis sind deutlich vielfältiger und verändernden Sozialstruktur in den Quartieren thematisch breiter gefasst als die strategischen sowie mit Konzepten und Finanzierungsmög- Herausforderungen, wobei einige Inhalte wie- lichkeiten für geeignete Maßnahmen. Häufige derkehrend sind. Dies liegt zum einen an den Themen für die Sozialplanung sind auch Fragen unterschiedlichen Zeitpunkten der Bearbeitung zu Migration und Integration verschiedener Ziel- der Sozialplanung in Kommunen, zum ande- gruppen sowie die Versorgung von Menschen mit ren an den Themen, die in der Sozialplanung (bezahlbarem) Wohnraum oder arme und von häufig wiederkehrend oder ständig begleitend Armut bedrohte Zielgruppen. sind, was durchaus zu Doppelnennungen führen kann. In der Praxis sind die Beschäftigten häufig Bezüglich der strategischen Herausforderungen bei konkreten Planungen für Ältere und Pflege- konkret innerhalb des Sozialplanungsprozesses bedürftige gefordert (Altenhilfe/Pflegebedarfs- nannten die Vertreterinnen und Vertreter Überle- planung). Auch Wohnraumversorgung (u. a. gungen zum Vernetzen und Einbeziehen der ver- mit sozialem Wohnungsbau) und städtebauliche Tabelle 2: Welchen strategischen Herausforderungen steht die Sozialplanung zurzeit gegenüber? abs. % Veränderte Sozialstruktur im Quartier 26 31,0 % Maßnahmeentwicklung: Konzeptentwicklung Finanzierung 22 26,2 % Herausforderungen Gesellschaftliche, Migration, Integration (Asyl, Süd-Ost-EU, Inklusion) 21 25,0 % strategische Wohnraumversorgung, sozialer Wohnungsbau 19 22,6 % Sonstiges 15 17,9 % Arme oder von Armut bedrohte Zielgruppen 12 14,3 % Pflegeversorgung, Pflegeplanung 10 11,9 % Kitaplanung, Kitaversorgung 7 8,3 % in der Sozialplanung Herausforderungen Vernetzung und Einbeziehung der Akteurinnen und Akteure 31 36,9 % Strategische Ressourcen schaffen (Stellen, Finanzierung) 14 16,7 % Datenkompatibilität 12 14,3 % Aufbau, Weiterentwicklung der Sozialplanung gesamt 12 14,3 % (Gesamt-)Strategieentwicklung 11 13,1 % Aufbau und Erweiterung Sozialberichterstattung 7 8,3 % N = 84, Mehrfachantworten möglich; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung 12
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Empirische Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Tabelle 3: Welchen operativen Herausforderungen steht die Sozialplanung zurzeit gegenüber? abs. % Altenhilfeplanung, Seniorenarbeit, Pflegeplanung 32 37,6 % Wohnraumversorgung, städtebauliche Planung und Umsetzung, 20 23,5 % Kosten der Unterkunft Bildung, Schule, Offene Ganztagsschule (Entwicklung, Sanierung) 13 15,3 % Kitabedarfsplanung und Umsetzung, Kita-Ausbau 13 15,3 % Gesellschaftliche, operative Herausforderungen Armut (insbesondere Kinder und Menschen im Alter) 11 12,9 % Jugendhilfeplanung, Präventionsketten 11 12,9 % Integration(smanagement), insbesondere EU-2-Zuwanderung 11 12,9 % Quartiersmanagement (Weiterentwicklung) 9 10,6 % Sonstiges 6 7,1 % Demografie 5 5,9 % Unterbringung von Menschen mit Fluchthintergrund 5 5,9 % Integration auf dem Arbeitsmarkt 5 5,9 % Mobilität 4 4,7 % Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung 4 4,7 % Inklusion 4 4,7 % Gesundheit 3 3,5 % Obdachlosigkeit 3 3,5 % Fachkräftemangel 3 3,5 % Nahversorgung (Ärzte/Ärztinnen, Lebensmittel etc.) 2 2,4 % Digitalisierung 2 2,4 % (Sozialraumorientierte) Kozeptentwicklung 22 25,9 % in der Sozialplanung Herausforderungen Berichterstattung, Analyse, Monitoring 19 22,4 % Operative Datenmanagement, Erhebungen, Akquise 12 14,1 % Umsetzung von Maßnahmen und Projekten 11 12,9 % Aufbau, Weiterentwicklung Sozialplanung gesamt 8 9,4 % Aufbau der Vernetzung aller Beteiligten 5 5,9 % Darstellung, Evaluation von Angeboten 5 5,9 % N = 85, Mehrfachantworten möglich; Quelle: Befragung der nordrhein-westfälischen Kommunen zur Sozialplanung durch die G.I.B. in Kooperation mit IT.NRW, eigene Darstellung Planungen und Konzepte sind drängende Fra- Im Rahmen des Sozialplanungsprozesses sind gen. Darüber hinaus sind Bildungsversorgung im spezifische Konzepte für die Sozialräume zu Sinne der Schulleitplanung und der OGS-Ausbau erstellen sowie Prozesse zur städtebaulichen häufig genannte Themen. Entwicklung und zur Entspannung der Wohnsitu- 13
Kurzbericht 2/2021 ation zu begleiten. Nicht zuletzt ist die umfang- Nordrhein-Westfalen bereits vorhanden, darunter reiche Dokumentation der Sozialplanung von der überdurchschnittlich oft in kreisfreien Städten, Analyse, über die Erstellung eines Berichts bis gefolgt von Kreisen und kreisangehörigen Städten zu einem dauerhaften Monitoring vorzunehmen und Gemeinden. Zwar ist damit der Anteil der (siehe Tabelle 3). Kommunen, die eine strategische Planung zur strukturellen Bekämpfung von Armut und sozialer Im Vergleich zu 201311 ergeben sich thematisch Ausgrenzung verfolgen, noch steigerungswürdig leicht verschobene Schwerpunkte, die Vielzahl und spiegelt zunächst nur eine mäßige Steigerung und thematische Vielfältigkeit der Nennungen ist gegenüber 2013 wider, lässt aber dennoch positiv allerdings wiederkehrend. Bereits anhand dieser gestimmt in die Zukunft schauen. Denn: die Aus- Ausführungen, die nur einen Auszug aus den weitung der Vollzeitstellen ist seit 2013 um 15,0 oben dargestellten Grafiken wiedergeben, ist zu Prozent auf aktuell 43,4 Prozent gestiegen. Die erkennen, dass die kommunale Sozialplanung deutliche Zunahme der strategischen Ausrichtung ein durchaus komplexes Aufgabenfeld mit großer auf aktuell rund die Hälfte der Kommunen sowie thematischer Breite ist, welches in der Regel nicht eine Zunahme der durchgeführten Bestands- und beiläufig bearbeitet werden kann. Die Vielzahl der Bedarfsanalysen um 36,2 Prozent im Vergleich zu thematischen Fragestellungen bedeutet ebenso, 2013 bedeuten insgesamt eine deutliche Profes- dass kommunale Sozialplanung mit ihren jewei- sionalisierung der Sozialplanung in der kommu- ligen Inhalten und Zielen in Nordrhein-Westfalen nalen Landschaft Nordrhein-Westfalens. Auch die kommunal individuell und nach den Interessen Erkenntnis, dass Angebote und Maßnahmen be- und Anliegen der Kommune gelebt und ausgeübt darfsgerecht vor Ort in Quartieren und Sozialräu- wird, weil die kommunale Praxis je eigene Heraus- men angesiedelt werden müssen, wird in knapp forderungen birgt. Daher sollten Kommunen nicht drei Vierteln der Kommunen in einer kleinräumig nur aufgrund von Transparenzbestrebungen die differenzierten Sozialplanung berücksichtigt. Den- Arbeit und Produkte der Sozialplanung auf den noch sind breite und vielfältige Themenstellungen kommunalen Internetseiten platzieren. Dies setzen und komplexe soziale Geflechte herausfordernd, aktuell lediglich 23,8 Prozent um. 62,9 Prozent insbesondere da bisher nur 43,4 Prozent der veröffentlichen die Ergebnisse und Produkte der Sozialplanungsstellen Vollzeitstellen sind, die sich Sozialplanung aktuell nicht, weitere 13,3 Prozent ausschließlich mit der Sozialplanung beschäftigen. können dazu keine Angabe leisten. Durch eine Auch die organisationale Verortung ist nicht in Veröffentlichung der Produkte sowie regelmäßiger allen Kommunen ideal; aufgrund der vielschich- Arbeitsschritte oder Informationen fühlen sich tigen Aufgabenstellungen ist eine Positionierung Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Verbände, Trä- direkt bei der Hauptverwaltung oder zumindest bei ger und weitere Stakeholder nicht nur informiert, der Dezernatsleitung am Erfolg versprechendsten. sondern finden beispielsweise Ansatzpunkte, um Bei der Verortung und dem Stellenumfang sowie im Rahmen von Beteiligungsverfahren aktiv mit- in der Verfolgung einer Gesamtstrategie und der zuarbeiten, oder lebenspraktische Lösungen für regelmäßigen Erhebung sozialer Angebote und bestehende Herausforderungen. Dienstleistungen sind noch Verbesserungspoten- ziale vorhanden. Viele Kommunen wünschen sich Fazit daher mehr Planungs- und Personalressourcen Etwa ein Drittel aller Kommunen verfügt bereits für diesen auch in Zukunft wichtigen Bereich der über eine Sozialplanung. Das Bewusstsein für kommunalen Planung zur Verbesserung sozialer die Bedeutung dieses kommunalen Planungs- Lebenslagen und Herstellung gleichwertiger Le- feldes ist bei über 40 Prozent der Kommunen in bensverhältnisse. 11 Schubert, 2014, S. 35 ff. 14
G.I.B. Kurzbericht 2/2021 – Armutsbekämpfung und Sozialplanung Kommunale Sozialplanung in NRW Ergebnisbericht – Empirische Befragung zur Situation der Sozialplanung in Kommunen 2020 Literatur • Schubert, Herbert Prof. Dr. (2014): „Sozialpla- • Anton, Denise; Duif, Carsten; Krupop, Frank nung als Instrument der Kommunalverwaltung (2019): „Armutsbekämpfung und Sozial- in Nordrhein-Westfalen – eine Strukturanalyse planung auf Kreisebene in einem ländlichen in den Städten und Kreisen“, Ministerium für Raum: Interview mit Markus Fischer, Sozial- Arbeit, Integration und Soziales des Landes dezernent des Rheinisch-Bergischen Kreises“, Nordrhein-Westfalen (Hg.) G.I.B. Info 4/2019 • Bartling, Lisa; Czommer, Lars; Marx, Susanne; Die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung Stegmann, Tim (2019): „Grundlagen für eine (G.I.B.) steht Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die Sozialplanung einführen möchten oder bereits eingeführt integrierte und strategische Sozialplanung in haben, für eine Fach- und Prozessberatung zur Verfügung. der Kommune“, G.I.B. Arbeitspapier Sollten Sie Interesse an einer unverbindlichen und kosten- freien Beratung zur Armutsbekämpfung und Sozialplanung haben, kontaktieren Sie gerne die Mitarbeitenden des Teams „Armutsbekämpfung und Sozialplanung“ der G.I.B. Impressum Herausgeber G.I.B. – Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH Im Blankenfeld 4 46238 Bottrop www.gib.nrw.de Autorinnen Denise Anton, Ann-Kristin Reher Redaktion Josef Muth Layout Andrea Bosch Titelfoto https://pixabay.com Rechte Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung der G.I.B. © G.I.B. mbH, Juli 2021 Weitere Informationen zum Themenfeld der Sozialplanung erhalten Sie durch die G.I.B.- Arbeitspapiere, die Sie hier bestellen oder downloaden können: https://www.gib.nrw.de/ veroeffentlichungen/arbeitspapiere Der Inhalt unterliegt urheberrechtlichem Schutz. Für nicht gewerbliche Zwecke sind Ver- vielfältigung und unentgeltliche Verbreitung, auch auszugsweise, mit genauer Quellenan- gabe gestattet. Die Verbreitung, auch auszugsweise, über elektronische Systeme/Daten- träger bedarf der vorherigen Zustimmung. Alle übrigen Rechte vorbehalten. ISSN 2625-9877
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