Konflikte ent_wirren 11 - SEBASTIAN GEBHART - HyperMagazine
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INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG POSITION KONTEXT Konflikt.......... S.14 Metapher.......... S.16 Macht und Verantwortung.......... S.18 PROZESS Methodik.......... S.22 Kollektive Recherche.......... S.23 Exkurs: Akustische Metapher.......... S.26 EXPERIMENTE Durchs Rohr sprechen......... S.30 Über den Tellerrand schauen.......... S.32 FAZIT IMPRESSUM
Konflikte, innere wie äussere, sind unsere tägli- Meine Motivation rührt daher, dass ich mein chen Begleiter. Konflikte gehören zu den schwie- eigenes Bewusstsein für die Verantwortung, die rigen Dingen im Leben. Sie sind unangenehm, mit der Verwendung von Sprache einhergeht, erdrückend, beklemmend, aufbrausend, heiss weiterbilden möchte. und kalt. Es braucht Mut, um über Konflikte Wie wir reden ist gegeben aber nicht gesetzt. Je- zu sprechen, aber Mut alleine reicht nicht. Wir des Wort, jeder Laut, auf dessen Bedeutung sich 1 brauchen Worte, um Konflikte sprachlich fassen in der Vergangenheit geeinigt wurde, ist mit Auf- Wenn ich in der gängigsten Inter- zu können. Mir scheint es als gäbe es mehr Voka- wand umzudeuten und veränderbar. Wir haben netsuchmaschine bular um meine Zufriedenheit auszudrücken, als die Wahl Worte aus unserem Sprachgebrauch nach Synonymen mein Unbehagen.1 auszuklammern und hinzuzufügen. Metaphern für „glücklich“ suche, werden sind ein fester Bestandteil unserer Sprache. Folg- mir von „un- Können Metaphern als Hilfsmittel genutzt wer- lich gilt es auch sie zu überprüfen. Da setze ich beschwert“ bis den um uns über Konflikte zu verständigen? Wel- mit meinem Diplomprojekt an. Ich lege den Fo- „high“ über 30 Synonyme an- che Problematik steckt darin? kus auf Metaphern, die wir benutzen, um über gezeigt. Mache Konflikte zu sprechen (Konfliktmetaphern). Ihre ich das Gleiche In meinem Prozess greife ich Konfliktmetaphern2 Überprüfung ist Arbeit. Diese Arbeit soll nicht mit dem Wort „traurig“ sind auf und transformiere sie in andere nicht-sprach- denen zufallen, die durch Sprache diskriminiert es knappe zehn liche Zustände. Ich entziehe sie dem sprachlichen werden. Im Grunde trägt jede Person die Verant- Worte. Raum, verdingliche und verklangliche sie. Die wortung darüber, ob sie diskriminierende Spra- 2 Neuverortung in physischen und akustischen che verwendet und Unrecht reproduziert oder Als Konflikt- Umgebungen- setzt Teilnehmende in eine neue eben nicht. metaphern Beziehung zur Metapher (und zu inneren und bezeichne ich Metaphern, äußeren Konflikten). Wir beobachten die Perfor- die genutzt manz der Metapher und nutzen sie als Objekt für werden um über Performatives. Damit möchte ich neue sinnliche Konflikte zu sprechen, Erfahrbarkeiten eröffnen, die in der sprachlichen in ihrer Bildhaf- Auseinandersetzung nicht möglich wären. Durch tigkeit Konflikte diesen Ansatz und die daraus gewonnenen Er- beinhalten, oder kenntnisse möchte ich unkonventionelle Metho- mit Konflik- ten assoziiert den der Konfliktverständigung vorschlagen und werden. vermitteln. 8 9
POSITION Wenn ich über Konflikte spreche, ist es wichtig zu erläutern aus welcher Position ich spreche. Ich lebe in der Schweiz, wo ich geboren und auf- gewachsen bin. Ich ging 13 Jahre zur Schule und studierte drei Jahre am HyperWerk. Ich schreibe Kurzgeschichten und mache Musik. Ich bezeich- ne mich als harmoniebedürftig, wenn nicht sogar als konfliktscheu. Ich bin weiss. Ich bin ein Mann. Mein Wissen ist begrenzt, wie mein Blickwinkel. Ich möchte keine Deutungshoheit beanspruchen. Alles, was ich in dieser Arbeit darlege, stammt aus einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Konflikt und aus daraus entwickelten er- kenntnisorientierten Experimenten. 10 11 Illustration: Valentina Merz
KONTEXT In diesem Kapitel erläutere ich gängige Konnotationen wichtiger Kernbegriffe meiner praktischen Experimente. Die sprachlichen Deutungsversuche dienen der zusätzlichen Kon- textualisierung meiner Praxis. Es ist der Versuch durch Sprache mein Anliegen verständlicher zu machen und zu verorten. 12 13
KONFLIKT Freund*innen, mit meinem Haustier. Ich kann auch gegen den Krieg auf die Strasse gehen, ste- Der Duden schlägt zwei Definitionen für Kon- he also im persönlichen Konflikt zu den Kriegs- flikt vor: handlungen, zu der Idee des Krieges (bin aber nicht Teil des kriegerischen Konfliktes). Genauso 1. kann ich mich im Konflikt zu politischen Ent- a) durch das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassun- scheidungen, zu Gesetzen oder Institutionen be- gen, Interessen o. Ä. entstandene schwierige Situation, die zum wegen, ohne dass die andere Seite überhaupt et- Zerwürfnis führen kann was von diesem Konflikt mitbekommt. Trage ich den Konflikt in mir selber und gehe damit nicht b) mit kriegerischen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung an die Öffentlichkeit, handelt es sich um einen zwischen Gegnern inneren Konflikt. Der kann beispielweise auch darauf begründet sein, dass ich mich in meiner 2. Persönlichkeit zwiegespalten fühle. Zwiespalt, Widerstreit aufgrund innerer Probleme1 Folglich ist ein Konflikt ein gedanklicher Zu- Der Begriff Konflikt ist einerseits stark geprägt stand oder ein Ereignis, der oder das nach einer von Nachrichtenmeldungen über bewaffnete Lösung fordert. Diese Lösungen soll es geben. Konflikte, die in Bildern von Krieg, Grausamkei- Das soziale Wesen des Menschen strebt in der ten, Mord und Not in unseren (hiermit meine ich Regel danach Konflikte zu lösen, um ein friedli- vor allem die Schweizer*innen und Bürger*innen ches Miteinander oder Nebeneinander (wieder-) ähnlich „sicherer“ Staaten, die keine persönlichen herzustellen. Sie sind mögliche Strategien zur Beziehungen, wie Familie oder Freund*innen, Konfliktlösung oder -schlichtung, sind meist dia- zu diesen Kriegs- und Krisengebieten haben) logisch und dienen der Findung eines Kompro- scheinbar heilen und sicheren Alltag eindringen. misses oder eines Konsens. Hier bin ich der von aussen Betrachtende, Privilegierte, der ein Urteil fällen kann ohne sich In meiner praktischen Arbeit werde ich anhand selbst als Teil des Konfliktes zu sehen und direkt von Metaphern noch tiefer in die Definition von körperlich betroffen zu sein. Konflikten eintauchen und ihre Vielfältigkeit Konflikte, in denen ich selbst teilnehme, finde innerhalb unserer Kommunikation versuchen ich in Bereichen, die in ständiger Wechselwir- (auch non-verbal) begreifbar zu machen. kung zu meinem persönlichen Leben stehen. Vielleicht stehe ich in Konflikt mit meinem*mei- 1 (Art.) Konflikt. In Duden online. Unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/ Konflikt [aufgerufen: 05.08.2020]. ner Vermieter*in, mit Familienangehörigen, mit 14 15
“New metaphors are capable of creating new understandings and, therefore, new realities.“ - George Lakoff, Metaphors We Live By2 METAPHER George Lakoff und Mark Johnson verdeutlichen Ich betrachte Metaphern als Codes. Eine Meta- in „Metaphors We Live By“, dass Metaphern ei- pher ist ein sprachlicher Ausdruck, in dem eine nerseits die in einer Gesellschaft vorherrschenden Information mit einem Bild codiert wird und mit Denkmuster und Weltanschauungen spiegeln, Erfahrung oder Wissen wieder entschlüsselt wer- dass aber in einer Art Rückwirkung Metaphern den kann. Das Bild, was für die Codierung be- unsere Denkmuster und Weltanschauungen prä- nutzt wird, hat in der Regel nichts mit der Infor- gen. Daraus folgt für mich die Frage, können mation zu tun, weist aber Analogien zu dieser auf. wir diese Endlosschlaufe durchbrechen, wenn z. B. gesetzte Redewendungen und Konfliktme- Beispiel: taphern, die in ihrer Anwendung oft floskelartig Information: Es gibt viele Buchstaben. wirken, veraltete Paradigmen, Gewalt, Rassismus Mit Bild codiert: Buchstaben gibt es wie Sand am und Sexismus reproduzieren? Können wir gleich- Meer. zeitig Metaphern (er)finden, die eine Welt ent- Dekodiert: Es gibt viele Buchstaben. werfen, in der wir leben wollen? Wenn ich von Metaphern spreche, schliesse ich Redewendungen und Gleichnisse ein. Es gibt verschiedene Gründe, um in Metaphern zu spre- 1 chen. Um der Poesie willen, um zu erklären, um „Der Sand wird sich bewusst vage auszudrücken und um zu ma- knapp. nipulieren. Metaphern können sowohl inklusiv Gemessen am Volumen ist wirken als auch exklusiv. Metaphern reproduzie- Sand die zweit- ren Paradigmen, da ihre erfolgreiche Dekodie- größte gehandel- rung einen stillschweigenden Konsens über die te Ressource der 1 (Art.) Der Sand wird knapp. In: Zeit online, Unter: https://www.zeit.de/wirt- Welt. Doch sein Realität voraussetzt. (Beim oben angeführten schaft/2019-05/rohstoffmangel-sand-bauwirtschaft-umweltverschmutzung-unep Abbau schadet Beispiel liegt der stillschweigende Konsens darin, [aufgerufen am 05.08.2020]. der Umwelt.“ dass es viel Sand am Meer gibt1.) 2 In: Lakoff, Georg & Johnson, Mark: Metaphors We Live By, S.235. 16 17
Gerade bei der Diskussion um die Reproduktion 3 und Festigung rassistischer Denkweisen wird die Der Begriff Macht von Sprache1 deutlich. Im Zuge der Black M*****kopf wur- de zu einer Zeit Lives Matter Proteste nach dem gewaltsamen MACHT UND VERANTWORTUNG erfunden, „in der Tod von George Floyd hat die Sensibilisierung das Zweite Deut- für strukturellen Rassismus auch in der Schweiz sche Kaiserreich Im Leben und der Liebe habe ich meinen Mann (1871-1918) mit zugenommen. So machten Schweizer*innen bei- zu stehen, im Sport meinen Rock auszuziehen, einer aggressiven spielsweise auch wieder deutlich, dass die Ver- nicht wie ein Mehlsack an den Ringen zu hängen. Kolonialpolitik wendung des Begriffes M*****kopf rassistisch ist.2 die einheimische Ich habe bei Schmerz, auf die Zähne zu beissen, Bevölkerung in Während die Stiftung gegen Rassismus und Anti- kein Waschlappen oder keine Pussy zu sein. Bei Ost-, Südwest- semitismus GRA eindeutig die rassistische Her- Nervosität habe ich meinen Stock aus dem Arsch und Westafrika kunft des Begriffes formuliert3, weigert sich das unterwarf und zu ziehen. Ich bin ein Lulatsch, ein Spränzel, Menschen aus Familienunternehmen Dubler immer noch den mein Körper ein Spargel mit Storchenbeinen, als den Kolonien Namen zu ändern („Ich bezeichne mein Produkt nonverbale Metapher funktioniert gerne der aus- in europäischen doch nicht mit einem zweitklassigen Namen!“4). gestreckte kleine Finger. Städten in Dies ist nur ein herausstechendes Beispiel für of- «Völkerschau- All diese Redewendungen, waren für mich en» vorgeführt fensichtlichen Rassismus in der Bezeichnung von in meinem Heranwachsen normal und konnten wurden“. Produkten. unkommentiert ausgesprochen werden. Sie sind schnell gesagt und prägen auf lange Zeit. Dass sie Bereits das (erlernte) Weglassen von (im Kern mein Denken und Handeln auf toxische Weise unproblematischen) Wörtern kann zu Diskri- beeinflussten und zum Teil immer noch tun, stel- minierung führen. So bedienen sich viele weisse le ich erst seit kurzer Zeit fest. Personen einer Sprache, die sie selber zur Norm macht und Black Indigenous _ People of Color Ich wünsche diese unangenehmen Situationen (BIPoCs) in die „Andersartigkeit“ drängt. und die anhaltende Verwirrtheit, die Scham und das Gefühl des Falschseins keiner Person. Ich muss hier wieder Bezug zu meiner Position in der Ge- „Es macht einen Unterschied, ob ich sage „Er hat eine andere sellschaft herstellen. Ich bin nicht diskriminiert, Hautfarbe“ oder: „Er hat eine andere Hautfarbe als ich“. Das nicht marginalisiert, nicht betroffen von Hass erste suggeriert durch die Ausblendung, dass es die gibt, die eine und Hetze. Was ich erlebe, kann ich nicht verglei- „normale“ Hautfarbe haben und dann noch die Anderen.“ chen mit den Erfahrungen anderer Menschen. Aber es gibt mir ein Gefühl dafür, wie unzutref- - Tupoka Ogette, exit RACISM5 fend, falsch und verletzend Sprache sein kann. 18 19
Im Kapitel 1 Sprache ist ein Teil des Bemühens, Ordnung in die Welt zu bringen – durch Be- nennen werden die Dinge sortiert, klassifiziert, einer Kategorie zugeordnet. Jedes Zuordnen und Abgrenzen von Begriffen ist mit Handlungen des Einschließens und PROZESS Ausschließens verbunden. Die gebräuchlichen Kategorien sind geprägt von den vor- herrschenden gesellschaftlichen Denkmustern – und somit u. a. von Rassismus. An Sprache zeigt sich der vorhandene Rassismus, und gleichzeitig dient Sprache dazu, einen rassistischen Blick auf die Welt immer wieder herzustellen. Dadurch werden zeige ich anhand einiger Schlüs- auch reale Ausschlüsse praktiziert und produziert – Sprache ist damit immer auch selmomente auf, wie ich in eine ein Machtinstrument. gestalterisch forschende Vgl. Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit · DGB-Bildungswerk Thüringen Auseinandersetzung mit e. V.: BrandSätze: Wie sich rassistisches Denken sprachlich ausdrückt (2008). Konfliktmetaphern eingetaucht Unter: https://www.baustein.dgb-bwt.de/C4/Brandsaetze.html [aufgerufen am bin. Ich spreche über meine 05.08.2020]. Methodik und gehe dann auf 2 Vgl. (Art.) Arnu, Titus: Schaum im Mund (2020). In: Süddeutsche Zeitung die einzelnen Projektmomen- online. Unter: https://www.sueddeutsche.de/panorama/schaumkuss-mohren- te meines Diplomprozesses kopf-schweiz-mohrenstrasse-1.4938457 [aufgerufen am 05.08.2020]. ein. Dazu zählt die kollektive Recherche, ein kurzer sound- 3 GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus: „Belastete Begriffe - Mohr/ Mohrenkopf “ (2015). Unter: https://www.gra.ch/bildung/gra-glossar/begriffe/be- affiner Ausflug zur Akustischen lastete-begriffe/mohr-mohrenkopf/ [aufgerufen am 05.08.2020]. Metapher und schliesslich die praktischen Experimente, in 4 (Art.) Arnu, Titus: Schaum im Mund (2020). In: Süddeutsche Zeitung on- line. Unter: https://www.sueddeutsche.de/panorama/schaumkuss-mohren- denen es um die reale Verkörpe- kopf-schweiz-mohrenstrasse-1.4938457 [aufgerufen am 05.08.2020]. rung und den Erkenntnisgewinn durch eine physische Erfahrung 5 In: Ogette, Tupoka: exit RASCISM: Rassismus kritisch denken lernen (2019) Münster: Unrast Verlag, S.74. mit Metaphern geht. 20 21
METHODIK KOLLEKTIVE RECHERCHE Mein Diplomprojekt stützt sich enorm auf mei- Die Recherche umfasste das Lesen von wissen- ne am HyperWerk erlernten Methoden und er- schaftlichen Texten in den Bereichen der Sozio- probten Formen der Zusammenarbeit. Das ganze logie, der Philosophie, der Linguistik, der Politik Projekt fusst auf einer ausführlichen Recherche, und der Musik. Um nicht nur meine Sicht und die ich als zentralen Aspekt des Prozesses sehe. meine Sprache rund um Konflikte unkommen- Aus der Recherche erarbeitete ich unter anderem tiert als Forschungsgrundlage zu haben, war es eine Sammlung von Konfliktmetaphern. Sie sind mir wichtig in den Dialog zu treten. eine wichtige Zwischensumme, aus der ich mich schliesslich für die praktischen Experimente be- Ich präsentierte mein Diplomvorhaben im Rah- dient habe. men einer institutsinternen Veranstaltung und lud zum Mitwirken und Mitdenken ein. Darauf- hin meldeten sich drei interessierte HyperWerk Studierende. Jade Costello, Julia Siegrist und Va- lentina Merz. Ebenfalls als Moment der Recherche erarbeiteten wir ein kollektives Verständnis von Konflikten. In den folgenden Wochen trafen wir uns und spra- chen über Konflikte, erzählten uns Geschichten, teilten Freude und Unsicherheiten. Dabei setzten wir uns mit folgenden Fragen auseinander: Was ist ein Konflikt? Wie fühlt sich ein Konflikt an? Welchen Konflikten fühle ich mich ausge- setzt? Welchen Konflikten möchte ich mich zu- wenden? 22 23 Digitale Kollektive Recherche
Die Antworten auf die Fragen erfolgten als Tex- 1 Die Attribute des Steckbriefes1 zeigen: Konflikte Materialität: te, Illustrationen und ausgesprochene Gedanken. Stahl, Beton, sind ambivalent. Diese Gedanken trugen wir in den Treffen zu- Stein, Plastik Insbesondere kristallisieren sich zwei Auffassun- sammen und teilten sie, clusterten, verglichen, Struktur: Seile, gen von Konflikten heraus. Die eine ist offen- kommentierten, schwiegen und lachten. Dieser Netze, Knoten, sichtlich und deckt sich weitgehend mit der De- Linien, Saiten, Gedankenfundus, die gesammelten Konfliktme- Darm, Schlauch, finition, wie sie im Duden zu finden ist. Sie rührt taphern und das Kollektiv als Organ des Austau- Weg, verworren hauptsächlich aus einer Betrachtung von aussen sches machte es möglich tief in die Konfliktmate- und versteht den Konflikt als Kollision: Der laute Bewegung: Auf- rie vorzudringen, metaphorisch gesprochen. Für prall, Kollision, Knall, die Hitze, die Schnelligkeit. Distrikt 19, der digitalen HyperExpo an der die Divergenz, Span- Eine zweite Auffassung gründet auf einer inneren Studierenden des Diplomjahrgangs Diciannove nung, Drehung, Perspektive, also auf Erfahrungen aus Konflikten, Zittern, Beben, ihre Diplomprozesse zeigten, haben wir Frag- schnell, langsam, denen wir uns direkt ausgesetzt fühlen. Sie be- mente des kollektiv erarbeiteten Wissens in Form schleichend, schreibt den Konflikt als komplexes Zusammen- eines digitalen Skizzenbuchs gezeigt. kriechend, spiel von Elementen und Beziehungen. Als ein statisch langsames verworrenes Konstrukt, dass gleichzei- Als Erkenntnis aus der kollektiven Recher- Akustik: Knall, tig auseinandergezogen und zusammengedrückt che weitet sich unsere Definition von Konflikten. laut, Stille, leise wird und unter ständigem Druck und Spannung Im ersten Moment können Konflikte zwar mit Andere At- statisch und oftmals ganz leise ist. Kollision, Explosion, Bruch, Gewalt, Blut, Waf- tribute: heiss, Konflikte sind wahrnehmbar, wenn es gerade fen, Macht, Geld, Streit, Stress, Krach, Krieg, kalt, blind, knallt. Darum ist unser Verständnis von Konflik- Schnelligkeit, Druck, Enge, Intension, Sieg, Nie- Sonne, Schatten, ten so kriegerisch geprägt. Ein Konflikt kann aber Vakuum derlage und Moment assoziiert werden. Erst nach vor und nach und ohne Knall existieren. In Köp- einer gewissen Zeit und Auseinandersetzung fen, in Körpern, in der Kultur. kommen dann Assoziationen wie Langsamkeit, Verworrenheit, Komplexität, Distanz, Verkehrt- heit, Müdigkeit, Kummer, Scham, Insomnia, Vergangenheit und Zukunft, Entscheidung und Kompromiss dazu. In unseren gesammelten Konfliktmetaphern sind immer wiederkehrende Motive zu erkennen. Daraus formuliert sich ein Steckbrief für Konflikte, welcher mit beschrei- benden Attributen gefüllt ist, die wiederum oft ihren Ursprung in anderen Bereichen haben. 24 25
EXKURS: AKUSTISCHE METAPHER Jeder Mensch, der an einem von westlicher Musik geprägten Ort sozialisiert wurde, sich an ein Kla- Die gesammelten Attribute der Bewegung (Kol- vier setzt und zwei direkt nebeneinander liegende lision, Divergenz, Spannung, Drehung, Zittern, Tasten drückt, merkt, dass diese weniger gut zu- Beben) inspirierten mich für eine weitere Recher- einander zu passen scheinen. Es hört sich irgend- che. Ich fragte mich, wo ich diesen Zustand in wie schräg an. meiner gestalterischen Praxis herstellen kann. Ich recherchierte über Phänomene der Akustik und Diese Auffassung ist einerseits erlernt, kann ande- stiess auf das Phänomen der Tonschwebung, was rerseits mit Physik erklärt werden. für mich als akustische Metapher für Konflikte Die Schallwellen von einem C1 und einem Cis1 funktioniert. verlaufen asynchron. Das Verhältnis ist unordent- lich. John Powell würde sie wahrscheinlich als Die Theorie dazu eignete ich mir aus John Po- weniger engverwandt bezeichnen. Wir können wells Buch „Was Sie schon immer über Musik beide Töne wahrnehmen aber hören sie nicht wissen wollten“ an. John Powell schreibt in sei- als linearen Klang. Es klingt so, als würden sie nem Werk über die Verwandtschaft der Töne. einander bekämpfen und sich im Konflikt gegen- In der westlichen Musiktheorie und der davon seitig ins Wort fallen. Dieses Phänomen wird als geprägten akustischen Wahrnehmung ist zum Schwebung bezeichnet. Beispiel der Ton C1 eng verwandt mit dem Ton C2, welcher eine Oktave höher liegt. Wenn wir Bis auf Weiteres ist die Forschung im Soundbe- beide Töne gleichzeitig spielen, hören wir prak- reich eingestellt. Ich sehe aber viel Potenzial in tisch nur einen Ton. Wir sagen es ist zweimal der diesem Phänomen für ein installatives Vermitt- gleiche Ton, eine Oktave auseinander. Sie stehen lungsformat z. B. an der Abschlussausstellung im in einem harmonischen Verhältnis zueinander. September. Das liegt daran, dass die Schallwellen von C1 und C2 im selben Moment ausschlagen. Bei C1 zwar genau halb so oft wie bei C2 aber wir hören einen geschlossenen Klang, eine Information.1 Nun interessieren mich aber in Bezug zum Kon- flikt besonders die Töne, die, wie John Powell es nennt, ein komplizierteres Verhältnis zueinander pflegen. Das sind Beispielsweise direkte Nach- barn auf einer Klaviatur – Töne mit einem Halb- 1 Vgl. Powell, John: Was Sie schon immer über Musik wissen wollten (2010) ton Abstand. London: Particular Book London, deutsche Ausgabe: Berlin: Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlag KG, S.138. 26 27
Aus den in der kollektiven Recherche ge- sammelten und entstandenen Metaphern skizzierten wir praktische EXPERIMENTE von welchen ich bis zum jetzigen Zeitpunkt eines voll umfänglich durchgeführt habe (Über den Tellerrand schauen). Dass Metaphern auch als Resultat einer Handlung auftreten können, zeige ich an- hand des Exkurses „Durchs Rohr sprechen“ auf. Die praktischen Experimente haben das Ziel, durch eine reale Verkörperung, also eine physische Erfahrung von Metaphern, einen vielschichtigen Erkenntnisgewinn zu errei- chen. Durch die letztliche Zusammenfüh- rung von Dokumentation und Erkenntnissen entstehen vermittelnde Werke. 28
DURCHS ROHR SPRECHEN die er in seiner Diplomarbeit „Flanierbüro“ mit der Frage einleitet: Bist du auf Rec oder Play? Er Um Resonanz von einer externen Person zu er- nimmt ein Audioaufnahme- und Abspielgerät als halten, entschied ich mich dazu, das erste Experi- Metapher für zwei elementare Modi der Wahr- ment mit HyperWerk Alumna Linda Bühlmann nehmung. durchzuführen. Wir haben in der Vergangenheit schon mehrfach zusammen gearbeitet und ich „Es spielt eine Rolle, ob ich entweder gedankenverloren in der schätze ihre kritische Denkweise sehr. Vergangenheit (Erinnerungen) oder in der Zukunft (Projek- tionen) umherschweife (PLAY, Wiedergabe von Vorstellungen) Das Gespräch wollte ich trotz Mindestabstands- oder aber gegenwärtig konzentriert beobachte (REC, Aufnah- regeln und Lockdown nicht digital führen. Also me von oder Beinahe-Verschmelzen mit Umwelt).“ konstruierte ich aus Toilettenpapierrollen ein ca. vier Meter langes Rohr, welches ich, um den Dia- – Stefano Pibiri log zu dokumentieren, in der Mitte mit einem Audio Aufnahmegerät versah. Das Rohr erlaubte (Flanierbüro: Eine mobile Arbeitsweise, Basel 25.07.2017) uns trotz doppeltem Mindestabstand, ein inhalt- lich qualitatives Gespräch über Ideen und Vorge- hen, Metaphern und Konflikte und die Zusam- menarbeit als Kollektiv zu führen. Neben den kritischen Fragen und wertvollen Ratschlägen von Linda Bühlmann, entstand durch den be- sonderen Aufbau selbst eine neue Metapher. Das Bild von uns zweien, wie wir durch ein Rohr ein- ander begegnen, ist als verkörpertes Gleichnis für die Zeit des Getrenntseins und die mit Covid-19 verbundenen Konflikte zu verstehen. Wieder- um könnte der sprachliche Ausdruck „durch ein Rohr sprechen“ für ein Gespräch stehen, bei dem Personen sich Platz einräumen, bei dem nur eine Person gleichzeitig spricht und einander zuge- hört wird, bis alle ausgeredet haben. Bei dieser Interpretation der Metapher sehe ich eine Verwandtschaft zu HyperWerk Alumnus Stefano Pibiris Audio Installation „Déjà-perçu“ Linda und ich sprechen durchs Rohr 30 31
Für das Experiment entwarf ich drei verschiede- ne Settings, in denen ich sehr bewusst über den Tellerrand schaute und von denen ich mir Er- kenntnisse versprach. Die Situationen aus unter- schiedlichen Perspektiven zu dokumentieren, war mir besonders wichtig. Die innere Perspek- tive (meine Perspektive über den Tellerrand), die äussere Perspektive (Blick auf die Person, die über den Tellerrand schaut), und die offensichtliche Perspektive (Blick auf den Akt des über den Tel- lerrand Schauens, während der Teller, in seiner konventionellen Anwendung fungiert). Begleitet und dokumentiert wurden die Experimente von Erster Versuch: Zerschlagener Teller der Medienkünstlerin Carlotta Thomas. Die drei Perspektiven sind in der Videodokumentation ÜBER DEN TELLERRAND SCHAUEN des Experiments deutlich zu erkennen. Ich emp- fehle an dieser Stelle das Video zu schauen. Aus der kollektiven Konfliktmetapher-Samm- lung wählte ich den Satz „Um Konflikte zu erken- nen, muss ich über meinen Tellerrand1 schauen.“ aus. Ich entschied mich dafür diese Metapher im Experiment zu untersuchen, weil ich eine Prob- lematik in ihr erahnte, die ich nicht formulieren konnte. Scannen oder anklicken, um das Video aufzurufen. Was passiert also, wenn ich mir einen Teller unter die Augen klemme, damit herumlaufe und wort- wörtlich über meinen Tellerrand schaue? 1 Der Duden schlägt folgende Definition vor: „über den Tellerrand blicken/schauen o. Ä. (etwas von einer höheren Warte aus betrachten; über seinen eingeschränkten Gesichtskreis hinausblicken, um etwas richtig einzuschätzen)“ (Art.) Tellerrand. In: Duden online. Unter: https://www.duden.de/rechtschrei- bung/Tellerrand [aufgerufen am 05.08.2020]. 32 33
Innenleben eines Bauschutzhelm, Plastik und Kunstleder Verbindungsstück aus Fichte, unbehanelt, angeschraubt Teller, auf Gesicht zugeschnitten, Plastik, Lack und Gloss Foto: Carlotta Thomas
Die Äussere Teller genommen. Wie ein Buffet. Erkenntnisse gab es vielerlei. Je voller der Teller, Der erste Forschungsmoment fand im Berliner desto erschwerter ist das Schauen darüber hinaus. Ortsteil Wedding statt. Das Anschauen wird zum Anbieten. Wenn ich Die Entscheidung im öffentlichen Raum zu for- eine Person aufmerksam anschaute, bekam ich z. schen, gründete darauf, Zufälle und Interaktion B. zuhören: „Nein Danke! Ich hatte genug.“ Ge- zu ermöglichen. Ich setzte den Teller auf und be- nug meines Schauens? Ein Buffet zu sein ist an- gann zu schauen. Flanierend bewegte ich mich strengend. für 45 Minuten durch Innenhöfe. Ich schaute und fragte mich, was sich in meiner Wahrneh- mung verändert hatte. Die Innere Es brauchte einen Moment, bis ich anfing Dinge Dass ich meine „innere“ Perspektive über den wahrzunehmen, die ich als Erkenntnisse anerken- Tellerrand dokumentieren und teilen wollte, war nen musste.: Spannende Lichtreflexionen auf sehr wichtig für mich. Hierfür bewegte ich mich dem Teller, die horizontale Scheuklappe, die Un- sowohl in privaten wie auch in öffentlichen Räu- sicherheit beim Gehen, das Lachen vorbeiziehen- men. Um das machen zu können montierte ich der Menschen, die leicht schmerzende Druckstel- einen mini Camcorder zwischen meine Augen le auf meiner Nase. und filmte aus meiner Sicht über den Teller hin- weg. Ich schaute für mehrere Stunden über den Tellerrand. Suchend ohne zu wissen wonach, ging Die Offensichtliche ich alltäglichen Handlungen nach: Spaziergänge, Besuche auf dem Spielplatz, Siesta auf dem Bal- Auf einen Teller gehört Essen. Essen oder Nah- kon, Wäschewaschen, den Sonnenuntergang auf rung ist wahrscheinlich bei vielen Menschen die dem Hausdach schauen. Durch den Fakt, dass erste Assoziation mit dem Wort Teller. Deshalb fortan alles was ich anschaute, direkt gefilmt und schien es mir sinnvoll, Essen als Motiv, und als gespeichert wurde, fand eine Sensibilisierung und Handlung in die Forschung mitaufzunehmen. Im kritische Hinterfragung meines Schauens statt. zweiten Setting befand ich mich in einem unmö- blierten hellen Raum einer privaten Wohnung. Es gab während des dritten Settings Stressmo- Die Situation war ein Sonntagsbrunch bei Freun- mente, in denen ich instinktiv reagierte. Bei- dinnen. Wir sassen im Kreis und assen zusam- spielsweise schaute ich in den Himmel oder auf men. In iterativen Akten wurde Essen auf dem den Boden, wenn mir vorbeigehende Menschen Teller angerichtet und zum Verzehr wieder vom nahe kamen. Ich schaute nicht durch Fenster 36 37
in private Räume. Die Kamera empfand ich als überwachenden Faktor, der mir unangenehm war und den Teller in meiner Wahrnehmung do- minierte. Ich unterbrach das Experiment, weil ich mich mit meiner Erwartung und einer möglichen Unsorgfalt, vielleicht sogar einer Gewalt in mei- nem Schauen, auseinandersetzen wollte. Lotta empfahl mir „Das Leiden anderer betrachten“ Die Äussere von Susan Sontag. Das Buch2 von Susan Sontag führte zu einer tiefgründigeren Auseinanderset- zung mit meinem Schauen, die ich in einem Text (der auch als Aufnahme im Video zu hören ist) festhielt. Den Text führe ich als Nächstes in vol- ler Länge an, weil er exemplarisch für die Art und Weise steht, wie ich aus einer Erfahrung Erkennt- nisse gewinne und vermittle. Die Offensichtliche 2 Susan Sontag schreibt darin über Kriegsfotografie. Über das Betrachten schreck- licher Gräueltaten vom sicheren Wohnzimmer aus. Über Empathie und Sensations- kitzel. Und obwohl ich nicht in einem Kriegsgebiet filmte, konnte ich gewisse Ideen auf mein Experiment übertragen. Ich bewegte mich in einer Stadt, in der ich weder geboren, noch wohnhaft bin, schaute mit der Erwartung etwas zu sehen und festhal- ten zu können, was mein Erkenntnisinteresse stimuliert und meinen Job, in diesem Fall meine Diplomarbeit, voranbringt. Zu fern und zu schrecklich kamen mir doch die Kriegsverbrechen und die Rolle der Medien in der Kontextualisierung der Foto- grafien vor, als dass ich sie mit meinem Vorhaben direkt vergleichen wollte. 38 Die Innere
„Ich habe einmal geschrieben, um Konflikte zu Trotzdem passiert etwas. Ich trage erkennen, muss ich über meinen meine Realität, wie einen Denkzettel vor meinen Tellerrand schauen. Diese Metapher versuchte Augen. Ich muss mir eingestehen, dass ich zu verkörpern und zu erfahren. Bei alles was ich schaue, suche, erwarte und kontext- den Experimenten bin ich in der Rolle des Be- ualisiere durch oder wegen meiner trachters. Ich schaue. Ich suche. Ich erwarte Realität passiert oder zumindest davon geprägt und ich stelle in Kontext. Der Teller, so wie ich ist. Ich muss mir auch eingestehen, dass ihn in der Metapher verstehe, ist meine ich deshalb, wegen dem Teller, auf dem meine Realität. Auf dem Teller ist meine Geburt, mein Realität angerichtet ist, niemals alles meiner Haut, meine Geschlechtsidentität, meine sehe. Im Experiment kann ich alles, was unter Erziehung, meine Bildung, meine dem Teller geschieht bloss erahnen. Ich Sicherheit, meine Mobilität, meine Gesundheit, bewege mich vorsichtig. Ich spüre eine Unsicher- meine Freunde, meine Wohnung, meine heit. Die Möglichkeit eines Fehltrittes. Zimmerpflanze, mein Buch was ich gerade lese. Damit muss ich umgehen. Ich kann fragen, was Meine Person, meine Privilegien. Der mir entgeht und was du von deinem Teller ist ebenso eine Bühne, die in zwei Richtun- Teller aus siehst. Würde ich diese Metapher noch- gen funktioniert. Er ist ein Fokus und mals in der gleichen Aussage eine horizontale Scheuklappe. Ich bewege ihn und doch lenkt er meinen Blick. Im verwenden? Ich bin mir nicht sicher. Der Teller Experiment führe ich mir das vor Augen. Eigent- hat vermutlich einen erhöhten Rand, lich sollte es darum gehen, was hinter damit nichts herunterfällt und nichts Uner- dem Tellerrand existiert. Aber was hatte ich er- wünschtes auf den Teller kommt. Dieser wartet zu sehen? Anderes? Fremdes? Gedanke widerstrebt mir. Wenn es um die Sicht- Mein Betrachten, ist ein Schauen. Aber wenn es barkeit von Konflikten geht, muss ich auch noch so gut gemeint und kritisch mir auf jeden Fall meiner eigenen Rolle bewusst zugleich sein mag, ist es ein Anschauen und eben sein und die Art meines Schauens kein für und zueinander schauen. Im hinterfragen.“ Grunde sehe ich, was ich auch ohne Teller sehe.
FAZIT 42 Das Kommit-o-meter
Konflikte ent_wirren, als Titel für mein Diplom- projekt steht für das Erkenntnisinteresse Konflik- Das Verkörpern von Metaphern bietet die Mög- te verstehen zu wollen. Ich hatte nie die Absicht lichkeit, sich fokussiert mit einer Metapher aus- Konfliktlösungen zu finden. Der Unterstrich un- einander zu setzen. Neben etymologischen Fra- terstreicht meine kritische Sicht auf eindimensio- gen, stellte mich das Ziel der Verkörperung vor nale Verständnisse des Begriffs. Im Commitment Fragen der Materialität, der Funktionalität, der zu einem Konflikt, um das Jahresthema erneut Nachhaltigkeit, der Ästhetik. Diese Fragen eröff- aufzugreifen, steckt gleichermassen das Bedürf- nen unerwartete Blickwinkel auf die Metapher nis zu entwirren, wie auch die Möglichkeit zu und begünstigen es originellen Gedanken nach- wirren und zu irren. zugehen. Die Erfahrung, einerseits spielerisch zu erleben, andererseits forschend ernst zunehmen, Wir sprechen wenig über Konflikte und wenn ist für mich der Reichtum dieser Methode. Ich wir es tun, oft über Konflikte anderer. bewerte die Methode, als guten Weg mit gestal- Das prägt unsere Wahrnehmung von Konflikten terischen Methoden Sprache zu untersuchen. Im und unser Denken darüber, wie Konflikte funk- Verkörpern von Begrifflichkeiten sehe ich auch tionieren und wie wir uns in Konflikten verhalten die Chance als Gruppe Begriffe zu untersuchen, sollen. neu zu verhandeln und zu besetzen. Metaphern können uns helfen, die Begrenztheit Mit meinem Diplomprojekt, habe ich mein Be- der Worte, die es gibt, um unangenehme Wahr- wusstsein für Sprache erweitert und mir Wissen nehmungen zu beschreiben, zu überwinden. Wie über Konflikte angeeignet. jeder sprachliche Ausdruck, sind Metaphern nicht frei von Diskriminierung und Gewalt, weil Ich werde weiterhin mit der Methode experimen- sie eine Realität widerspiegeln, die nicht frei von tieren. Aus der kollektiven Recherche sind etliche Diskriminierung und Gewalt ist. Darum ist es Metaphern hervorgegangen, deren Untersu- wichtig Metaphern zu hinterfragen, um die flos- chung interessant wäre. Ich wünsche mir für die kelartige Reproduktion von Unwahrheit, Diskri- Zukunft, dass ich die Verkörperung partizipativ minierung und Gewalt zu verhindern. Das sehe gestalten kann. ich als Aufgabe einer jeden Person, wie auch von Bildungs- und öffentlichen Institutionen. Mit der Sprache geht Macht und Verantwortung einher. Es geht nicht um das Verbieten von Wor- ten und Meinungen. Es geht darum eine Sprache zu sprechen, die alle gleich behandelt. 44 45
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IMPRESSUM KONFLIKTE ENT_WIRREN SEBASTIAN GEBHART KONTAKT sebastian.gebhart@hyperwerk.ch DATUM August 2020 MENTORING Laura Pregger DANK Jade Costello Julia Siegrist Valentina Merz Carlotta Thomas Mule Freyhoff Luisa Lessinger Kim Wiegand Natalia Dziwisch Jan Dufke 48 49
ANHANG 50 51
Wollen wir eigentlich am gleichen Strick ziehen? Vielleicht von verschiedenen Seiten? Vielleicht wenn es mehrere Seile wären, in der Mitte verkno- tet. Mit Gabelungen und Querverbindungen. Es entstünde ein Netz, auf welches wir mit unserer Zugkraft Spannung gäben. Ein Netz fängt auf, fe- dert ab und hat die Möglichkeit sich zu bewegen, zu dehnen und auch zu wachsen. Wir zögen und blieben in Kontakt. Je fester die Knoten, desto stärker könnten wir ziehen. Je stärker wir zögen, desto fester die Knoten. Angenommen wir zö- gen alle von der gleichen Seite an einem Strick, stellte sich mir die Frage, wie viel Strick kommt da noch? Beim Seilziehen fällt doch die gewin- nende Partei meist zu Boden. Natürlich hätte ich manchmal nicht schlecht Lust, einen Strick zu durchtrennen, eine Verbindung zu kappen und einige zwielichtige Seilschaften in den Abgrund stürzen zu lassen. Doch verschwindet die Ver- bindung, verschwindet das Mittel Positionen zu verhandeln, Menschen zu bewegen. Wir ziehen in Richtungen und wollen mitziehen. Darum „Kommit!“ Wenn es gelingt finden wir Halt, auch auf unsicherem Terrain. Meine Gedanken zum Jahresthema „Kommit to Conflict“. Dieser Text verleitete mich dazu mich erstmals mit Gleich- nissen und Metaphern bezüglich Konflikten auseinander- zusetzen. „Trockenübung“ eines Experiments. 52 53
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