Konsistenz berichteter Performancegrößen: Lagebericht, Segmentbericht, Kompensation - Analyse österreichischer börsenotierter Unternehmen - unipub
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Philipp Sommer Konsistenz berichteter Performancegrößen: Lagebericht, Segmentbericht, Kompensation - Analyse österreichischer börsenotierter Unternehmen Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science der Studienrichtung Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz Betreuer: o.Univ.-Prof. Mag. Dr.rer.soc.oec. Dr.h.c. Alfred Wagenhofer Institut: Institut für Unternehmensrechnung und Controlling Graz, Mai 2020
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. IV Tabellenverzeichnis .................................................................................................................. IV Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................ IV 1. Einleitung ............................................................................................................................ 1 2. Grundlagen zu Publizität und Performancemaßen.............................................................. 4 2.1. Grundlagen der Publizität ............................................................................................ 4 2.2. Pro-Forma-Begriff im Kontext der Berichterstattung ................................................. 5 2.3. Grundlagen zu Performancemaßen ............................................................................. 6 2.4. Pro-Forma-Kennzahlen ............................................................................................... 7 3. Gesetzliche Rahmenbedingungen ....................................................................................... 9 3.1. Bereichsübergreifende Vorgaben ................................................................................ 9 3.2. Lagebericht ................................................................................................................ 10 3.3. Segmentbericht .......................................................................................................... 14 3.4. Vergütungsbericht ..................................................................................................... 16 3.5. Vergleich der Bereiche .............................................................................................. 17 4. Adressaten und theoretische Zielsetzung .......................................................................... 20 4.1. Adressaten von Publizität .......................................................................................... 20 4.2. Agency-Modelle ........................................................................................................ 21 4.3. Lagebericht ................................................................................................................ 23 4.4. Segmentbericht .......................................................................................................... 23 4.5. Vergütungsbericht ..................................................................................................... 25 4.6. Vergleich der Bereiche .............................................................................................. 25 5. Bisherige empirische Ergebnisse ...................................................................................... 27 5.1. Guest et al. (2018) ..................................................................................................... 27 5.2. Curtis et al. (2018) ..................................................................................................... 30 5.3. Black et al. (2018) ..................................................................................................... 32 II
6. Zwischenfazit zur angenommenen Konsistenz von Kennzahlen ...................................... 36 6.1. Segment- und Lagebericht ......................................................................................... 36 6.2. Vergütungs- und Lagebericht .................................................................................... 36 6.3. Vergütungs- und Segmentbericht .............................................................................. 37 7. Konsistenz von Performancemaßen in österreichischen Unternehmen ............................ 38 7.1. Zielsetzung und Abgrenzung des Untersuchungsgebiets .......................................... 38 7.2. Kernfragen ................................................................................................................. 38 7.3. Datenherkunft und Methode ...................................................................................... 40 7.4. Beschreibung der Stichprobe ..................................................................................... 41 7.5. Ergebnisse der gesamten Stichprobe ......................................................................... 43 7.5.1. Konsistenz zwischen den einzelnen Berichtsteilen ............................................ 43 7.5.2. Konsistenz von Vergütungsbericht zu Segment- und Lagebericht .................... 48 7.6. Beeinflussende Faktoren der Berichterstattung ......................................................... 49 7.6.1. Anzahl der im Vergütungsbericht verwendeten Kennzahlen ............................. 50 7.6.2. Art der Kennzahl im Vergütungsbericht ............................................................ 51 7.6.3. Konsistenz nach Anzahl der Segmente .............................................................. 53 7.6.4. Konsistenz nach Typ des Großaktionärs ............................................................ 55 8. Schlussbetrachtung ........................................................................................................... 60 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 63 Anhang ..................................................................................................................................... 69 III
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Konsistenz zwischen Segment- und Lagebericht ............................................... 44 Abbildung 2: Konsistenz zwischen Vergütungs- und Segmentbericht .................................... 46 Abbildung 3: Konsistenz zwischen Vergütungs- und Lagebericht .......................................... 47 Abbildung 4: Kombinierte Auswertung beider Bereiche ......................................................... 49 Abbildung 5: Abhängigkeit von der im Vergütungsbericht verwendeten Kennzahl ............... 51 Abbildung 6: Konsistenz nach Anzahl der Segmente .............................................................. 54 Abbildung 7: Konsistenz nach Art des Großaktionärs ............................................................. 57 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Stichprobenauswahl ................................................................................................ 42 Abkürzungsverzeichnis AFRAC Austrian Financial Reporting and Auditing Committee AktG Aktiengesetz ATX Austrian Traded Index BGBl Bundesgesetzblatt ESMA European Securities and Markets Authority GAAP Generally Accepted Accounting Principles IAS International Accounting Standard IASB International Accounting Standards Board IFRS International Financial Reporting Standard ÖBAG Österreichische Beteiligungs AG ÖCGK Österreichischer Corporate Governance Kodex UGB Unternehmensgesetzbuch IV
1. Einleitung In Geschäftsberichten börsenotierter Unternehmen finden sich seit Mitte der 1990er Jahre so genannte Pro-Forma-Kennzahlen, welche freiwillig und zusätzlich zu den vorgeschriebenen bzw. in Standards geregelten Zahlen veröffentlicht werden. Dadurch, dass die Berechnung dieser Pro-Forma-Kennzahlen nicht durch Gesetze oder Rechnungslegungsstandards geregelt wird, stiften sie unter den Lesern1 der Berichte immer wieder Verwirrung und stehen unter Verdacht, von Managern verwendet zu werden, um die wahre wirtschaftliche Situation eines Unternehmens zu verschleiern oder gar zu verschönern.2 Manager beteuern hingegen, dass die von ihnen verwendeten Kennzahlen lediglich ein wahres und vergleichbares Unternehmensergebnis zeigen. Das International Accounting Standards Board (IASB) sieht die Verwendung von Pro-Forma-Kennzahlen nicht als vollständig positiv an, spricht ihnen jedoch auch keinesfalls Nutzen ab, da eine weitreichende Gruppe von Personen genau jene Kennzahlen verwendet.3 Für weitere Verwirrung sorgt die Möglichkeit der Verwendung von verschiedenen Kennzahlen an verschiedenen Stellen in einem Jahresbericht. Zusätzlich zu Unterposten der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Lagebericht werden auch im Segmentbericht Kennzahlen publiziert, die nicht durch Rechnungslegungsstandards definiert werden und dadurch zwischen Unternehmen oder sogar zwischen den verschiedenen Stellen in ein und demselben Geschäftsbericht voneinander abweichen können. Des Weiteren wird der Informationsgehalt von Kennzahlen eventuell dadurch beeinflusst, dass an anderen Stellen im Jahresbericht eine andere Kennzahl verwendet wird, obwohl Pro-Forma-Kennzahlen ein klares Bild des Unternehmens zeigen sollen. Falls also verschiedene Kennzahlen an unterschiedlichen Orten eines Geschäftsberichts verwendet werden, gilt es, die Zielsetzung dahingehend zu hinterfragen, ob wirklich die Offenlegung von wahrheitsgetreuen Werten der Grund hierfür ist. Zusätzlich zur Veröffentlichung von Kennzahlen in Lage- und Segmentbericht müssen Unternehmen auch ihre Vergütungspolitik in Bezug auf die Entlohnung der leitenden Angestellten offenlegen, wodurch die für die Managemententlohnung verwendeten Kennzahlen ebenfalls in Jahresberichten aufscheinen. Die Annahme, dass das Unternehmen bzw. die Kontrollorgane eines Unternehmens jene Kennzahlen, die für die Managemententlohnung 1 Die männliche Form gilt in dieser Arbeit sowohl für die männliche als auch die weibliche Form. 2 Vgl. Bhattacharya et al. (2003), S. 316. 3 Vgl. Kabureck (2017), [online]. 1
verwendet werden, als am relevantesten für die wahre Entwicklung des Unternehmens ansehen, liegt nahe. Trotzdem weicht die Zielsetzung der hier verwendeten Kennzahlen teils von jener im restlichen Geschäftsbericht ab. Dadurch gilt es zu hinterfragen, ob jene Kennzahl, die von den Kontrollorganen eines Unternehmens als für die Entlohnung der Unternehmensführung am geeignetsten befunden wird, auch informationsrelevant für Adressaten und Adressaten der veröffentlichten Geschäftsberichte ist. Daraus resultierend ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit festzustellen, ob die Konsistenz von Kennzahlen grundsätzlich sinnvoll bzw. erwünscht ist. Ebenso soll die Berichtspraxis österreichischer Unternehmen in Hinblick auf die Konsistenz von Kennzahlen untersucht werden, um eventuelle Faktoren, die für oder gegen Konsistenz sprechen, aufzuzeigen. Insgesamt gliedert sich die vorliegende Arbeit inklusive Einleitung und Schlussbetrachtung in acht Kapitel. Kapitel zwei befasst sich grundlegend mit dem Begriff der Publizität und soll auch mit der Klärung des Pro-Forma-Begriffs als Grundlage für die darauffolgenden Kapitel dienen. Ebenso werden Performancemaße behandelt und es werden gesetzlich geregelte und Pro- Forma-Performancemaße voneinander abgegrenzt. Im Anschluss daran geht Kapitel drei auf rechtliche Rahmenbestimmungen ein, denen österreichische börsenotierte Unternehmen in ihrer Berichterstattung zu folgen haben. Hierfür wird zwischen den verschiedenen Bereichen eines Geschäftsberichts unterschieden und die jeweiligen Standards werden untereinander verglichen bzw. Unterschiede herausgearbeitet. Diese Unterschiede sollen dahingehend betrachtet werden, ob sie grundsätzlich für Konsistenz zwischen Kennzahlen an verschiedenen Stellen sorgen, oder ob sie diese eventuell sogar verhindern. Um die Konsistenz der Kennzahlen weiter zu untersuchen, wird im vierten Kapitel die Zielsetzung von Lagebericht, Segmentbericht und Vergütungsbericht betrachtet und analog zum vorhergehenden Kapitel zwischen den Bereichen verglichen. Hier ist es das Ziel, die Sinnhaftigkeit von Konsistenz herauszuarbeiten. Im fünften Kapitel werden bisherige empirische Ergebnisse aktueller Arbeiten, die die gegenseitige Beeinflussung zwischen verschiedenen Bereichen eines Geschäftsberichts behandeln, näher betrachtet. Das folgende sechste Kapitel soll auf Basis der vorhergehenden 2
Kapitel ein Zwischenfazit darstellen und zur empirischen Analyse überleiten, indem Annahmen über die Konsistenz getroffen werden. Die Analyse folgt im siebten Kapitel und besteht aus einer deskriptiven Statistik der Berichtspraxis von österreichischen börsenotierten Unternehmen in Bezug auf die Verwendung konsistenter Kennzahlen. Nach einer ersten Betrachtung der gesamten Stichprobe werden die erarbeiteten Hypothesen mit den erhobenen Daten in Kontext gebracht. Im Zuge der Untersuchung werden die verwendeten Kennzahlen in Lage-, Segment- und Vergütungsbericht der Austrian Traded Index (ATX) Prime und ATX Standard Unternehmen des Wirtschaftsjahres 2018 miteinander verglichen. Ebenso wird eine etwaige Beeinflussung von verschiedenen Typen von Großaktionären betrachtet. In der Schlussbetrachtung werden die erwarteten Ergebnisse sowie die tatsächlich festgestellten Sachverhalte zusammengefasst und dahingehend bewertet, ob Konsistenz eine positive und gewünschte Eigenschaft in den Geschäftsberichten ist und ob diese in den Geschäftsberichten beobachtet werden kann. 3
2. Grundlagen zu Publizität und Performancemaßen 2.1. Grundlagen der Publizität Um Ziele und Motivation von verwendeten Performancemaßen in Jahresberichten zu untersuchen, ist es zusätzlich zur Auseinandersetzung mit den Performancemaßen an sich notwendig, den Grundbegriff der Publizität zu definieren und darzulegen. Unternehmenspublizität an sich bezeichnet die zielgerichtete Vermittlung von Informationen durch Unternehmen in Richtung verschiedener externer Adressaten.4 Das heißt, dass in einem Modell bestehend aus Sender und Empfänger die Phase der Informationsübermittlung von Publizität dargestellt wird.5 Aus Unternehmenssicht soll die Publizität dazu beitragen, dass Unternehmensziele erreicht werden können. Dies soll bewerkstelligt werden, indem die gesendete Information die Adressaten zu Aktionen bewegt, die positiv zum Unternehmensziel beitragen.6 Faktoren für die Erreichung dieses Ziels können einerseits in sachlich-rationale und sozio-emotionale, und andererseits in inhaltliche, formale und personengebundene Einflussgrößen eingeteilt werden.7 Auf Seite der sachlich-rationalen Einflussgrößen ist die Übersichtlichkeit, also die gezielte Darstellung von Sachverhalten bzw. die Darstellung von Detail- und Übersichtsinformationen ein zentraler Faktor für die Aufnahmefähigkeit der Informationen auf Seiten des Empfängers.8 Auch für das Verstehen von Information spielt die Darstellungsform neben Redundanz und dem Übermittlungsmedium eine große Rolle. Für sozio-emotionale Einflussgrößen nimmt die Einstellung des Empfängers eine übergeordnete Rolle ein. Hier wird eine Beeinflussung durch andere Faktoren sichtbar, da eine Erhöhung der Akzeptanz auch durch Partizipation der Adressaten erreicht wird.9 Der Glaubwürdigkeit von Informationssendern wird überdies eine große Bedeutung zugesprochen. Es zeigt sich also, dass die Wirkung von Berichten durch diverse Faktoren beeinflusst werden kann, welche sich zusätzlich interdependent zueinander verhalten.10 Ebenso stellen sich die Mittel der Publizität aus Unternehmenssicht als divers dar. So kann ausgehend von der gesamten Unternehmenskommunikation, die auch Public Relations genannt 4 Vgl. Grüning (2011), S. 8f. 5 Vgl. Berthel (1967), S. 31. 6 Vgl. Heiden (2006), S. 21. 7 Vgl. Koch (1994), S. 110. 8 Vgl. Mcconomy/Xu (2004), S. 29. 9 Vgl. Heiden (2006), S. 22. 10 Vgl. Heiden (2006), S. 23. 4
wird, in immer weiteren Einschränkungen von Berichtsinhalten eine Eingrenzung der verschiedenen Konzepte vorgenommen werden. Die nächste Stufe der Einteilung dieser Konzepte stellt die Unternehmenspublizität dar. Diese wird von den gesamten Public Relations abgegrenzt, da die enthaltenen Informationen ausschließlich unternehmensbezogen sind. Der nächste Schritt der Eingrenzung betrifft den Adressatenkreis. Die Unternehmenspublizität ist an vielfältige Empfänger gerichtet, wohingegen das weiter eingegrenzte Konzept der Investor Relations nur an Kapitalmarktteilnehmer gerichtet ist. Die finanzielle Berichterstattung oder Business Reporting ist nun das letzte Konzept des Modells der Kommunikation und besteht aus den beiden Teilen der freiwilligen und verpflichtenden Finanzberichterstattung. Die Abgrenzung zu Investor Relations besteht darin, dass als Finanzberichterstattung nur Berichtsinhalte angesehen werden. Der angesprochene freiwillige Teil der Finanzberichterstattung wird in der Literatur oft als Value Reporting bezeichnet und soll die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Adressaten zusätzlich zum verpflichtenden Teil verringern.11 Dadurch soll der Interessensabgleich zwischen Investoren und Management erleichtert werden.12 Das in dieser Arbeit betrachtete Instrument der Publizität ist der Geschäftsbericht. Grundsätzlich kann ein solcher Bericht beide der zuvor angesprochenen Elemente des Business Reporting enthalten, wodurch freiwillige und verpflichtende Publizität in ihm vereint werden.13 Da die für diese Arbeit relevanten Bereiche eines Geschäftsberichts jedoch mit gesetzlichen Vorschriften hinterlegt sind und sich dadurch im prüfungspflichtigen Teil des Berichts befinden, ist die Betrachtung der freiwilligen Zusatzinformation im weiteren Verlauf der Arbeit nicht vorgesehen. Die genauen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden im vierten Kapitel dieser Arbeit näher betrachtet. 2.2. Pro-Forma-Begriff im Kontext der Berichterstattung Als Basis für eine genauere Betrachtung und Abgrenzung der Kennzahlen im folgenden Kapitel ist es notwendig, zuerst den Pro-Forma-Begriff an sich in einem möglichst breiten Kontext zu definieren. In der Berichterstattung wird von Pro-Forma gesprochen, wenn eine Als-Ob- Darstellung verwendet wird, um verschiedenste Geschäftsfälle abzubilden. Durch die vorgenommene Als-Ob-Betrachtung müssen die Informationen jedoch nicht mehr vollständig 11 Vgl. Grüning (2011), S. 5ff. 12 Vgl. Labhart/Volkart (2005), S. 176. 13 Vgl. Wenzel (2005), S. 235ff. 5
den tatsächlichen Abläufen entsprechen. So kann für Pro-Forma-Berichterstattung eine Einteilung in folgende Verdichtungsebenen von Informationen aufsteigender Reihenfolge vorgenommen werden:14 • Pro-Forma-Abschluss, • Pro-Forma-Angabe, • Pro-Forma-Kennzahl. Die höchste Verdichtung von Informationen findet auf der Ebene von Pro-Forma-Kennzahlen statt. So soll der Umfang der Informationen auf ein Mindestmaß reduziert werden, um komplexe Sachverhalte zu simplifizieren.15 Die Zielsetzung der Pro-Forma-Berichterstattung, dass informationsrelevante Daten veröffentlicht werden sollen, führt im Vergleich zu durch Standards regulierten Daten zu einem erhöhten Interesse an derartigen Zahlen. Darauf aufbauend werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit hauptsächlich Pro-Forma- Kennzahlen betrachtet. Die ersten beiden Ebenen, Pro-Forma-Abschlüsse und -Angaben, sind hingegen für diese Arbeit nicht von Relevanz.16 2.3. Grundlagen zu Performancemaßen Der Begriff Performancemaß bezeichnet grundsätzlich Beurteilungsgrößen, an denen der Erfolg eines Unternehmens gemessen werden kann und die zum Beispiel in Anreizsystemen als Bemessungsgrundlage für die Entlohnung verwendet werden können. Als Performancemaße kommen neben quantitativen auch qualitative Maßen zur Anwendung. Weiters kann zwischen objektiven und subjektiven Performancemaßen unterschieden werden.17 Obwohl im Österreichischen Corporate Governance Kodex (ÖCGK) in der C-Regel 27 die Verwendung von nicht-finanziellen Performancemaßen in der Vergütungspolitik vorgeschlagen wird18, bezieht sich der Fokus dieser Arbeit, aufgrund der Vergleichbarkeit mit anderen Bereichen des Jahresberichts, auf finanzielle Kennzahlen, die als Performancemaße verwendet werden. Aus diesem Grund werden die Begriffe Kennzahl bzw. Pro-Forma-Kennzahl synonym mit dem Begriff Performancemaß verwendet. 14 Vgl. Heiden (2006), S. 77. 15 Vgl. Palloks-Kahlen (2003), S. 289. 16 Vgl. Heiden (2006), S. 77. 17 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 396f. 18 Vgl. Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance (2020), S. 24ff. 6
Um eben jene Kennzahlen näher zu untersuchen, ist eine Abgrenzung nach ihrer Funktion notwendig. Einerseits werden Kennzahlen als Informationsquelle und zur Entscheidungsunterstützung verwendet, andererseits weisen Kennzahlen eine Verhaltenssteuerungsfunktion auf. Abhängig davon, welchen Zweck eine Kennzahl erfüllen soll, sind die Ansprüche an sie unterschiedlich. Eine für Informationsgewinnung verwendete Kennzahl sollte möglichst richtige Daten in einem soweit aggregierten Zustand liefern, dass der Nachteil des Informationsverlusts aus Aggregation den Vorteil der besseren Übersicht nicht übersteigt.19 Im Gegensatz dazu, spielt die Genauigkeit der Informationen für die Vertragsgestaltung nur eine untergeordnete Rolle.20 Vielmehr soll durch die Verwendung einer Kennzahl ein bestimmtes Ziel erreicht werden, wozu die Kennzahl anreizkompatibel sein soll. Das bedeutet, dass die Verbesserung der Kennzahl in einem Prinzipal-Agent-Setting21 die Zielerreichung beider Parteien erhöhen muss. Zusätzlich dazu sollen diverse Nebenwirkungen, die die Verwendung einer bestimmten Kennzahl hervorrufen kann, möglichst geringgehalten werden.22 Des Weiteren können Kennzahlen in subjektive und objektive getrennt werden. Als objektive werden hierbei Kennzahlen bezeichnet, die von Dritten beobachtet werden können und dadurch verifizierbar und in Kontrakten verwendbar sind. Subjektive Kennzahlen sind im Gegensatz dazu nicht verifizierbar, wodurch vor allem nicht-finanzielle Leistungsindikatoren in diese Kategorie fallen. Daten, die aus dem Rechnungswesen gewonnen werden, der Aktienkurs oder auch andere Maße der Produktivität hingegen sind hauptsächlich objektiv und verifizierbar. Aufgrund des in der vorliegenden Arbeit durchzuführenden Vergleichs zwischen verschiedenen Stellen des Jahresabschlusses wird der Fokus auf die verifizierbaren Leistungskennzahlen gelegt, obwohl in Vergütungsberichten durchaus auch subjektive Performancemaße zum Einsatz kommen können.23 2.4. Pro-Forma-Kennzahlen Als Pro-Forma-Kennzahlen werden in der Richtlinie der European Securities Market Authority (ESMA) Finanzkennzahlen bezeichnet, die nicht „im einschlägigen Rechnungslegungsrahmen definiert oder ausgeführt sind“24. Neben dem Begriff Pro-Forma- 19 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 513. 20 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 10. 21 Für eine Grundlegende Übersicht über Principle-Agent Modelle siehe Kapitel 5.2. 22 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 514. 23 Vgl. Ederhof et al. (2010), S. 246ff. 24 ESMA (2015), S. 7. 7
Kennzahl werden in deutsch- und englischsprachiger Literatur noch verschiedene weitere Begriffe verwendet, die synonym zu dem Begriff Pro-Forma-Kennzahl angesehen werden. Beispiele hierfür wären Earnings before-Kennzahlen25 oder auch einfach operating earnings, also operatives Ergebnis26. Der in der 2016 in Kraft getretenen ESMA-Regulation verwendete Begriff Alternative Performance Measures bzw. der Begriff alternative Leistungskennzahlen kann ebenso mit Pro-Forma-Kennzahl gleichgesetzt werden.27 Eine mögliche andere, vor allem im englischen Sprachraum verwendete, sprachliche Trennung der beiden Arten von Kennzahlen ist die Differenzierung zwischen Generally Accepted Accounting Principle (GAAP) oder Non- GAAP-Kennzahlen.28 In ihrer Berechnung unterscheiden sich Pro-Forma-Kennzahlen meist dahingehend von den in Standards geregelten Kennzahlen, dass nicht wiederkehrende oder außergewöhnliche, nicht dem normalen Geschäft eines Unternehmens zugehörige, Aufwendungen oder Erträge aus Ergebniskennzahlen herausgerechnet werden.29 So kann zumindest nach verschiedenen, in der Literatur vorkommenden Definitionen von Pro-Forma-Kennzahlen30, ein getreueres Bild der Unternehmenslage dargestellt werden, als dies mit geregelten Kennzahlen möglich wäre.31 Vergleichbar mit den verschiedenen verwendeten Namen und Definitionen von Pro-Forma- Kennzahlen ist auch deren Berechnung nicht einheitlich.32 25 Vgl. Hitz (2010a), S. 131. 26 Vgl. Bradshaw/Sloan (2002), S. 41. 27 Vgl. ESMA (2015). 28 Vgl. zum Beispiel Black et al. (2018), Curtis et al. (2018) oder Guest et al. (2018). 29 Vgl. Hitz (2010a), S. 128. 30 Vgl. Mulford/Comiskey (2002), S. 339f. 31 Vgl. Bradshaw (2003), S. 334. 32 Vgl. Bhattacharya et al. (2004), S. 27 und Fitzsimons/Choi (2002), S. 39. 8
3. Gesetzliche Rahmenbedingungen 3.1. Bereichsübergreifende Vorgaben Um einen Vergleich der verwendeten Kennzahlen an verschiedenen Stellen im Jahresbericht vornehmen zu können, müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Publizität im Allgemeinen, sowie die Regelungen zu verwendeten Kennzahlen pro Bereich berücksichtigt werden. In der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des europäischen Parlaments und Rates werden alle in Europa am Kapitalmarkt notierenden Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluss nach International Financial Reporting Standards (IFRS) aufzustellen.33 Diese Verordnung wurde in Art. 8 §1 Aktiengesetz (AktG) auch in der österreichischen Rechtsprechung umgesetzt, wodurch alle in der vorliegenden Arbeit betrachteten Unternehmen einen Abschluss nach IFRS veröffentlichen müssen.34 Für alle nach IFRS aufgestellten Jahresabschlüsse ist auf jeden Fall das Rahmenkonzept des IASB zu befolgen. Das Rahmenkonzept beschäftigt sich mit der Zielsetzung und auch mit grundlegenden Anforderungen, die an die Rechnungslegung gestellt werden.35 So wird zum Beispiel in den Rahmenbedingungen dargelegt, dass die Adressaten der Berichterstattung derzeitige sowie zukünftige Investoren und Kreditoren seien. Diese beiden Gruppen sollen ihre Entscheidungen in Bezug auf ihren Kapitaleinsatz sowie die Beeinflussung des Managements auf Basis der veröffentlichten Daten treffen können. Für Entscheidungen über Kapitaleinsatz sind hier vorrangig Informationen über zukünftige Cashflows notwendig, für die Beurteilung des Managements ist wiederum eine Vergangenheitsbetrachtung von Nöten.36 Dies spiegelt sich auch in den Anforderungen des IASB wider, da hier in erster Linie die Relevanz und die wahre Darstellung genannt werden37, wobei diese beiden Faktoren sich gegenseitig beeinflussen und oft negativ korrelieren.38 Dazu kommt, dass die Wesentlichkeit von Informationen Sprache findet, das heißt, dass Unternehmen im weiteren Sinn die Entscheidung treffen können, ob spezifische Informationen für die Adressaten wesentlich sind bzw. deren Entscheidungen beeinflussen.39 33 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002. 34 Vgl. Art. 8 §1 AktG. 35 Vgl. Hirschböck et al. (2012), S. 2. 36 Vgl. IAS-VO Komm. Rahmenkonz. 2ff. 37 Vgl. IAS-VO Komm. Rahmenkonz. 24ff. 38 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 7. 39 Vgl. IAS-VO Komm. Rahmenkonz. 29f. 9
Die Rahmenbedingungen bilden jedoch nur den Grundstock der IFRS und werden, sofern es einen dezidierten Standard für einen gewissen Sachverhalt gibt, von diesem überstimmt. So sind insgesamt 28 gültige International Accounting Standards (IAS) und 16 gültige IFRS für die Rechnungslegung von kapitalmarktorientierten Unternehmen relevant, die jeweils einen klar definierten Anwendungsbereich umfassen. Durch diese klare Abgrenzung der Standards ist jedoch keiner davon für alle in dieser Arbeit genauer betrachteten Bereiche gleichermaßen gültig. Gleiches gilt für IFRS-Leitliniendokumente, die jedoch nur als Unterstützung zu den Rahmenbedingungen anzusehen sind, sofern nicht nationales Recht die Verwendung eines Leitliniendokuments vorschreibt.40 Aufgrund der Spezifität der Standards und der Leitliniendokumente wird in diesem Kapitel nicht weiter auf sie eingegangen, sondern auf die folgenden Kapitel zu den einzelnen betrachteten Bereichen verwiesen. Da in allen Bereichen österreichischer Geschäftsberichte auch Pro-Forma-Kennzahlen verwendet werden41, sind für diese auch die Regelungen der ESMA von Relevanz. Anders als in den zuvor genannten Standards des IASB werden in den ESMA-Leitlinien nicht die erforderlichen Inhaltspunkte der jeweiligen Bereiche geregelt, sondern qualitative Merkmale dargestellt, welche veröffentlichte Pro-Forma-Kennzahlen zu erfüllen haben. Zweck der Leitlinien ist es, die Transparenz und Nützlichkeit der Kennzahlen sicherzustellen und dadurch Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit und Verständlichkeit dieser zu verbessern. Es wird an die verwendeten Kennzahlen der Anspruch gestellt, dass deren Definition klar und verständlich veröffentlicht wird. Weiters soll die Bezeichnung aussagekräftig und gleichzeitig nicht ähnlich zu geregelten Kennzahlen sein. Der Name der Pro-Forma-Kennzahl soll außerdem die Berechnung widerspiegeln, wobei zusätzlich eine für Adressaten nachvollziehbare Überleitung aus dem betreffenden Abschluss möglich sein soll. Diese Anforderungen sind jedoch nicht für alle Bereiche des Geschäftsberichts gleichermaßen relevant, da die Grundlage der Managementvergütung spezifisch als Ausnahme genannt wird.42 3.2. Lagebericht Österreichische börsenotierte Unternehmen stellen ihren Jahresabschluss grundsätzlich in Anlehnung an Art. 8 §1 AktG nach den Vorschriften des IASB auf. Da in den IFRS der Lagebericht jedoch nicht als verpflichtender Teil des Geschäftsberichts vorgeschrieben wird 40 Vgl. IASplus (2010), [online]. 41 Vgl. Kapitel 7 dieser Arbeit. 42 Vgl. ESMA (2015), S. 7f. 10
und dadurch auch keine genauen Anforderungen enthalten sind, stellt trotzdem das Unternehmensgesetzbuch (UGB) den dafür relevanten Gesetzestext dar.43 Im UGB wird in den §§243 bis 243b spezifisch auf die Bestandteile des Lageberichts eingegangen bzw. werden diese beschrieben. Vertiefend dazu widmet sich die Stellungnahme 9 des Austrian Financial Reporting and Auditing Committee (AFRAC) dem Lagebericht.44 Zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben des UGB sind die Empfehlungen des IASB zur Lageberichterstattung in einem IFRS-Leitliniendokument niedergeschrieben.45 In den Paragrafen des UGB, die den Lagebericht behandeln, werden zwar die erforderlichen Bestandteile aufgezählt, nicht jedoch wird der genaue Inhalt dieser vorgeschrieben. In §243 UGB werden hier als Basis nur folgende Punkte genannt:46 • Voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens, • Tätigkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung, • Bestand an eigenen Anteilen, • bestehende Zweigniederlassungen, • Verwendung von Finanzinstrumenten. Zusätzlich dazu wird durch §243a UGB eine Erläuterung weiterer Merkmale der Gesellschaft vorgeschrieben. Dies betrifft hauptsächlich Eigentumsverhältnisse, Aktien- bzw. Aktionärsstruktur sowie diverse Kontroll- und Entscheidungsrechte.47 In §243b UGB wird eine Verwendung von nicht-finanziellen Kennzahlen vorgeschrieben, genauer beschrieben werden diese jedoch nicht.48 In keinem der Paragrafen wird also behandelt, wie die Kennzahlen, die zum Beispiel zur Erläuterung der Unternehmenslage verwendet werden, ausgestaltet sein sollen oder müssen. Auch in der ergänzenden Stellungnahme 9 des AFRAC wird nicht direkt vorgeschrieben, welche Kennzahlen verwendet werden müssen, wie diese berechnet werden dürfen, oder ob sie mit anderen Bereichen konsistent sein sollen. In der Stellungnahme sind jedoch Grundsätze erläutert, nach denen sich auch die Entscheidung darüber, welche Kennzahlen im Lagebericht veröffentlicht werden, richten muss.49 43 Vgl. Schierenbeck/Wöhle (2012), S. 730. 44 Vgl. AFRAC 9 (2017), Rz 1ff. 45 Vgl. IASplus (2010), [online]. 46 Vgl. §243 UGB. 47 Vgl. §243a UGB. 48 Vgl. §243b UGB. 49 Vgl. AFRAC 9 (2017), Rz 5. 11
Für die verwendeten Kennzahlen werden in der AFRAC Stellungnahme 9 anders als in den dazugehörigen Paragrafen des UGB zumindest indirekte Vorgaben dargelegt. Um den Adressaten zusätzlich zum Abschluss eine klare Sicht auf Verlauf und Lage des Unternehmens zu bieten, sind nach der Stellungnahme 9 im Lagebericht die Grundsätze Vollständigkeit, Verlässlichkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit sowie Vergleichbarkeit einzuhalten.50 Der Punkt Vergleichbarkeit stellt hier auf die Vergleichbarkeit mit Vorjahren sowie mit anderen Unternehmen ab; nicht zur Sprache kommt jedoch die Vergleichbarkeit mit anderen Stellen des Geschäftsberichts. Der Punkt Vollständigkeit kann höchstens als indirekte Vorgabe gesehen werden, sodass zumindest Segmentbericht und Lagebericht übereinstimmen. Da der Segmentbericht nach IFRS dem Management Approach folgend aufgestellt werden muss und die Annahme naheliegt, dass die Unternehmensführung hier die informationsrelevantesten Kennzahlen verwendet, müssten die im Lagebericht verwendeten Kennzahlen mit jenen im Segmentbericht übereinstimmen. Diese Annahme hält jedoch nur dann, wenn die informationsrelevanten Kennzahlen auf Segmentebene auch für das Gesamtunternehmen als relevant angesehen werden können.51 Im direkten Bezug auf Kennzahlen wird in der AFRAC-Stellungnahme 9 zum Lagebericht lediglich die Anforderung gestellt, dass die für die Geschäftstätigkeit wichtigsten Kennzahlen zu veröffentlichen sind. Da im Gesetzeswortlaut lediglich der Begriff Leistungsindikator verwendet und dieser jedoch nicht genauer definiert wird, wird der Begriff Leistungsindikator in der Stellungnahme mit dem englischen Begriff Key Performance Indicator gleichgesetzt. Dieser bezeichnet laut Definition des AFRAC einen „wesentlichen Erfolgsmaßstab des Unternehmens“52. Wie genau dieser Erfolgsmaßstab in der Praxis ausgestaltet werden soll bzw. ob dieser mit anderen Bereichen des Geschäftsberichts übereinzustimmen ist, kommt nicht zur Sprache.53 Obwohl es in den IFRS kein verpflichtendes Berichtselement gibt, das mit dem im UGB geregelten Lagebericht gleichgesetzt werden kann, werden doch in den beiden Standards IAS 1.13 und 1.14 Berichte angesprochen, die Unternehmen veröffentlichen können, um neben dem Jahresabschluss zusätzlich Informationen bereitzustellen. In IAS 1.13 wird der Bericht über die Unternehmenslage durch das Management behandelt, welcher einem Lagebericht nach UGB 50 Vgl. AFRAC 9 (2017), Rz 5. 51 Vgl. AFRAC 9 (2017), Rz 19ff. 52 AFRAC 9 (2017), Rz 36. 53 Vgl. AFRAC 9 (2017), Rz 38ff. 12
zumindest ähnlich erscheint. In den IAS werden als Inhaltsvorschläge für einen solchen Bericht folgende Punkte genannt:54 • Wesentliche Merkmale der Finanz- und Ertragslage, • Unsicherheiten, die das Unternehmen beeinflussen könnten. In dem darauffolgenden IAS 1.14 wird jedoch dahingehend relativiert, dass solche und mögliche andere zusätzliche Berichte außerhalb des Jahresabschlusses, wozu eben auch der Lagebericht gezählt werden kann, grundsätzlich kein Bestandteil des Jahresabschluss nach IFRS seien und dementsprechend nicht in deren Anwendungsbereich fallen. Aus diesem Grund werden die dafür zu verwendenden Kennzahlen in IAS 1 nicht näher beschrieben bzw. ergibt sich auch keine Pflicht zur Abstimmung der Kennzahlen mit anderen Bereichen des Jahresabschlusses.55 Die Entwicklung der IFRS lässt jedoch vermuten, dass zumindest in Zukunft eine Regelung des Lageberichts anzunehmen ist. Mit der Veröffentlichung eines Diskussionspapiers am 27. Oktober 2005 wurde der Grundstein für das endgültig am 8. Dezember 2010 herausgegebene IFRS-Leitliniendokument zum Lagebericht gelegt. Mit dem Leitliniendokument stellt das IASB zumindest eine Unterstützung zu Verfügung, an die sich Unternehmen bei der Erstellung eines konformen Lageberichts halten können. Grundsätzlich soll ein Lagebericht nach dem Leitliniendokument die Angaben im Jahresabschluss ergänzen bzw. unterstützen. Außerdem soll der Lagebericht im Einklang mit dem Abschluss stehen, ohne jedoch Angaben, die zum Beispiel im Anhang veröffentlicht werden, zu wiederholen. Zusätzlich zu diesen grundsätzlichen Anforderungen sind auch Elemente dargelegt, die ein Lagebericht enthalten soll. Neben Informationen zu Geschäftstätigkeit, Zielen und Strategien sowie Ressourcen und Risiken eines Unternehmens nennt das Leitliniendokument auch die Darstellung der Ergebnisse der Geschäftstätigkeit als Information, die enthalten sein soll. Durch dieses Element des Berichts sollen seine Adressaten in der Lage sein, das Vorhandensein von Unternehmenserfolgen zu beurteilen und diese mit ihren Erwartungen abzugleichen. So soll es Investoren durch den Lagebericht ebenso möglich sein, die Leistung der Unternehmensleitung zu beurteilen. Ebenfalls sollen wesentliche Leistungskennzahlen, die die Unternehmensleitung zur Steuerung des Unternehmens verwendet, im Lagebericht enthalten sein.56 Welche 54 Vgl. IAS 1.13. 55 Vgl. IAS 1.14. 56 Vgl. IASplus (2010), [online]. 13
Kennzahlen verwendet werden sollen bzw. welche Anforderungen verwendete Leistungsindikatoren zu erfüllen haben, ist im Leitliniendokument jedoch nicht näher geregelt, als das ohnehin schon in den Rahmenbedingungen der IFRS der Fall ist. So wird auch hier wieder auf Prinzipien wie Relevanz, wahre Wiedergabe und Vergleichbarkeit hingewiesen und trotzdem die Möglichkeit eingeräumt, Informationen aufgrund von Wesentlichkeit oder Kostenüberlegungen auszusparen.57 3.3. Segmentbericht Seit 2006 hat IFRS 8 den bis dahin geltenden IAS 14 abgelöst und damit den sogenannten Management Approach bei der Segmentberichterstattung eingeführt. Der Management Approach soll eine Angleichung der externen Unternehmensrechnung an die interne bewerkstelligen, indem er vorsieht, dass der zu publizierende Segmentbericht sich den intern zur Entscheidungsfindung verwendeten Daten angleicht. Das heißt, dass die Aufteilung der Segmente im Segmentbericht gleich geschehen muss, wie sie auch in der internen Unternehmensrechnung verwendet und dem chief operating decision maker des Unternehmens berichtet wird. Der chief operating decision maker bezeichnet hier den zentralen Entscheidungsträger eines Unternehmens. Der Begriff bezeichnet jedoch nicht zwingend eine einzelne Person; es kann auch eine Gruppe von Personen, zum Beispiel der Vorstand, als chief operating decision maker bezeichnet werden.58 Die Angleichung an das interne Rechnungswesen zielt zudem nicht nur auf die Einteilung der Segmente ab, sondern ist auch für die zu berichtenden Kennzahlen anzuwenden. Das bedeutet, dass in den Segmentberichten dieselben Kennzahlen zu verwenden sind, wie sie auch unternehmensintern dem chief operating decision maker, bei börsenotierten Unternehmen also dem Vorstand des Unternehmens, berichtet werden.59 Es kann jedoch aus Kosten-Nutzen Überlegungen auf Teile der intern berichteten Daten für den externen Bericht verzichtet werden, wodurch sich durch den Standard keine uneingeschränkte Pflicht zur Veröffentlichung aller intern verwendeter Kennzahlen ergibt und ein Teil dieser Kennzahlen dadurch nicht im Segmentbericht aufscheinen muss.60 In IFRS 8 wird zudem vorgeschrieben, dass Unternehmen jeweils eine Kennzahl für Segmentergebnis, -erträge, -vermögen und -schulden sowie weitere sonstige Segmentangaben publizieren müssen, sofern diese auch an den chief operating decision maker berichtet werden. 57 Vgl. Stute (2010), S. 203. 58 Vgl. Kajüter/Barth (2007), S. 112. 59 Vgl. Hahn (2000), S. 678. 60 Vgl. Wiederhold (2008), S. 91. 14
Welche konkrete Kennzahl für den jeweiligen Bereich verwendet wird, richtet sich wie auch die Aufteilung der Segmente nach dem Management Approach und wird daher nicht konkret festgelegt. Verwendet der chief operating decision maker zum Beispiel mehrere Kennzahlen für das Segmentergebnis, besteht nur die Verpflichtung zur Veröffentlichung jener Größe, die am ehesten konsistent zu der Kennzahl des aggregierten Abschlusses des Unternehmens ist.61 In Bezug auf die zu veröffentlichende Kennzahl wird für das Segmentvermögen dieselbe Vorgehensweise wie für das Segmentergebnis gewählt.62 Die Vermögenswerte eines Segmentes sind entweder direkt oder indirekt mithilfe eines Verteilungsschlüssels auf die jeweiligen Segmente aufzuteilen, wobei es nicht notwendig ist, die Vermögenswerte symmetrisch nach dem Ergebnis auf die Segmente aufzuteilen.63 Segmenterträge, welche meist als Umsatzerlöse verstanden werden, sind nach IFRS 8 dann zu berichten, wenn diese in das Segmentergebnis eingehen. Zusätzlich dazu sind sie auch auszuweisen, wenn sie an den chief operating decision maker berichtet werden, obwohl sie nicht in das Segmentergebnis eingehen.64 Auch wenn dies keine konkrete Verpflichtung zur Publikation darstellt, kann davon ausgegangen werden, dass zumindest eine der beiden Bedingungen erfüllt wird und der Ausweis deshalb vorzunehmen ist.65 Es besteht ebenfalls eine Angabepflicht für Segmentschulden, sofern diese an den chief operating decision maker berichtet werden. Zusätzlich zu den bereits genannten verpflichtenden Angaben sind folgende sonstige Angaben in den Segmentbericht aufzunehmen und zu veröffentlichen, sofern diese in die dem chief operating decision maker berichtete Ergebnisgröße eingehen:66 • Zinserträge und -aufwendungen, • Abschreibungen und Amortisationen, • wesentliche Ertrags- und Aufwandsposten, die auch im Gesamtabschluss gesondert ausgewiesen werden, • Anteil am Ergebnis von Unternehmen, die nach Equity-Methode bilanziert werden • Ertragsteuern, • wesentliche zahlungsunwirksame Posten. 61 Vgl. IFRS 8.26 und Kajüter/Barth (2007b), S. 432. 62 Vgl. Epstein et al. (2005), S. 917 und IFRS 8.26. 63 Vgl. Coenenberg (2005), S. 863. 64 Vgl. IFRS 8.23. 65 Vgl. Wiederhold (2008), S. 92. 66 Vgl. Wiederhold (2008), S. 94 und IFRS 8.23. 15
Überblickend kann zu den Vorgaben zum Segmentbericht gesagt werden, dass diese zwar eine breite Basis an eventuell zu berichtenden Kennzahlen darstellen; weil die Verpflichtung jedoch an den Bericht an den chief operating decision maker gekoppelt ist, muss keine Kennzahl auf jeden Fall veröffentlicht werden. Da bei der Verwendung von mehreren Kennzahlen in den internen Berichten nur eine davon verpflichtend veröffentlicht werden muss, kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die veröffentlichten Kennzahlen auch die intern relevantesten sind. Die Konsistenz zu anderen Bereichen kommt in dem Standard ebenfalls nicht zur Sprache.67 3.4. Vergütungsbericht Ähnlich wie in den bereits angesprochenen Richtlinien, die Lage- und Segmentbericht betreffen, werden auch in den für den Vergütungsbericht relevanten Gesetzestexten keine direkten oder konkreten Anforderungen an die publizierten Kennzahlen gestellt. Für österreichische börsenotierte Unternehmen ergibt sich aus dem ÖCGK bzw. dem §239 UGB lediglich die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Vergütungsberichts, der die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder ausweist.68 Zusätzlich zu dieser, in der L-Regel 29 des ÖCGK festgehaltenen, gesetzlichen Bestimmung zielt die C-Regel 30 des ÖCGK darauf ab, neben den Bezügen auch die angewandten Grundsätze der variablen Vergütung zu veröffentlichen. In C-Regel 27 wird genauer auf die zu verwendenden Kennzahlen eingegangen, es wird jedoch nur nach der Verwendung von langfristigen und nachhaltigen Leistungskriterien verlangt. Es wird weder im UGB noch im ÖCGK die genaue Beschaffenheit der zu verwendenden Kennzahlen beschrieben. Keines der beiden Regelwerke schreibt außer den beiden bereits genannten Charakteristika weitere Eigenschaften der Kennzahlen vor, wie dies beispielswiese im Segmentbericht der Fall ist. Weiters verlangt kein Regelwerk eine Herleitung der im Vergütungsbericht verwendeten Kennzahlen oder gar eine Übereinstimmung mit den in den anderen Bereichen des Jahresberichts verwendeten Kennzahlen.69 Ein ähnliches Bild wie in der österreichischen Rechtslage in Bezug auf den Vergütungsbericht zeigt sich bei der Betrachtung der IFRS. In IAS 24.17 wird, vergleichbar mit §239 UGB, die Veröffentlichung der Bezüge des Managements in Schlüsselpositionen verlangt. Zusätzlich zu 67 Vgl. IFRS 8.26. 68 Vgl. §239 Abs. 4 UGB und Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance (2020), S. 23f. 69 Vgl. Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance (2020), S. 22ff. 16
den in §239 UGB verlangten Gesamtbezügen wird in IAS 24.17 ein Ausweis folgender Positionen vorgeschrieben, der im UGB nicht verpflichtend ist:70 • Kurzfristig fällige Leistungen, • Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, • andere langfristig fällige Leistungen, • anteilsbasierte Vergütungen. Ebenso finden sich in IFRS 2 Vorschriften für anteilsbasierte Vergütungsprogramme. Unternehmen, die solche Programme für die variablen Vergütungsbestandteile nutzen, werden dadurch verpflichtet, mehrere Informationen über das Vergütungssystem zu publizieren.71 Der Standard beschreibt wörtlich, dass Informationen anzugeben sind, die „Art und Ausmaß der in der Berichtsperiode bestehenden anteilsbasierten Vergütungsvereinbarungen für den Abschlussadressaten nachvollziehbar machen“72. Dies stellt jedoch wiederum keine konkrete Anforderung an die zu veröffentlichenden Kennzahlen. 3.5. Vergleich der Bereiche Zusammenfassend kann zu den Vorschriften, die den Inhalt aller in dieser Arbeit betrachteten Teile eines Geschäftsberichts betreffen, gesagt werden, dass diese nur einen ungefähren Rahmen bieten und jeweils von spezifischeren Standards überstimmt werden können. Dadurch ist aus den gemeinsamen Vorschriften keine Begründung von Konsistenz bzw. fehlender Konsistenz der verwendeten Kennzahlen abzuleiten. Auch die Vorschriften, die die Kennzahlen selbst betreffen, regeln zwar qualitative Merkmale, nicht jedoch die Verwendung von gleichen Kennzahlen an verschiedenen Stellen eines Geschäftsberichts. Konsistenz kommt zwar in den ESMA-Leitlinien zur Sprache, bezieht sich jedoch nur auf die Berechnung von Kennzahlen mit gleichem Namen und auf eine konsistente Verwendung im zeitlichen Ablauf. Eine Abstimmung zu anderen Bereichen im Geschäftsbericht wird nicht verlangt.73 Auch aus Sicht des Lageberichts fordert keine Vorschrift dazu auf, Konsistenz zu einem anderen Bereich des Geschäftsberichts herzustellen. Im Vergleich zu den Standards des Segmentberichts werden jedoch zumindest ähnliche Anforderungen gestellt, sodass eine 70 Vgl. IAS 24.17. 71 Vgl. IFRS 2.44ff. 72 IFRS 2.44. 73 Vgl. ESMA (2015), S 11f. 17
Konsistenz zwischen diesen beiden Bereichen auf Basis des rechtlichen Rahmens eher anzunehmen ist. Zusätzlich dazu werden in dem nicht verpflichtenden Leitliniendokument des IASB zum Lagebericht Anforderungen an die zu verwendenden Kennzahlen gestellt, die sich mit den Anforderungen des Segmentberichts zumindest in ihren Grundzügen decken. In beiden Berichten sollen Kennzahlen verwendet werden, die die wesentlichen Sachverhalte innerhalb eines Unternehmens darstellen, was so gedeutet werden könnte, dass diese Kennzahlen Information über die wahre Lage eines Unternehmens bereitstellen sollen.74 Von Lagebericht zu Vergütungsbericht besteht aus rechtlicher Sicht keine direkte Verknüpfung. Wenn der Fokus also rein auf diese Betrachtung gelegt wird, ist eine konsistente Berichtspraxis zwischen diesen Bereichen eher nicht zu erwarten, da die Anforderungen an Kennzahlen im Vergütungsbericht sich ebenso nicht vollständig mit jenen des Lageberichts decken. Die im Lagebericht verlangten, für das Unternehmen wesentlichsten Kennzahlen, müssen nicht zwingend auch langfristige oder nachhaltige Kennzahlen sein, nach denen im Vergütungsbericht verlangt wird. Dadurch könnte, je nach Ansicht der Unternehmensleitung bzw. der Aufsichtsräte der einzelnen Unternehmen, angenommen werden, dass zwischen Vergütungs- und Lagebericht weniger konsistent berichtet wird als zwischen Segment- und Lagebericht. Aufgrund der Ähnlichkeit der Anforderungen für Segment- und Lagebericht kann für die Konsistenz zwischen Segment- und Vergütungsbericht aus rein rechtlicher Sicht ein ähnliches Bild abgeleitet werden. Da die Zielsetzung der Kennzahlen des Vergütungsberichts die Beurteilung der Leistung der Unternehmensleitung, nicht jedoch die Informationsfunktion nach außen hin ist, kann davon ausgegangen werden, dass auch zwischen Vergütungs- und Segmentbericht eine eher geringe Konsistenz der Kennzahlen zu erwarten ist. Zusätzlich sind die in Vergütungsberichten publizierten Kennzahlen von den ESMA-Richtlinien für Pro- Forma-Kennzahlen ausgenommen, was die Konsistenz zu anderen Stellen des Geschäftsberichts eventuell weiter verringern könnte. 75 Eine Übereinstimmung von Kennzahlen zwischen Lagebericht und Segmentbericht wird in keinem der relevanten Standards vorgeschrieben oder direkt angesprochen. Durch den Management Approach, der seit der Einführung von IFRS 8 die Segmentberichterstattung kennzeichnet, könnte höchstens auf eine indirekte Vorschrift der Übereinstimmung von 74 Vgl. IASplus (2010), [online] und IFRS 8. 75 Vgl. ESMA (2015), S. 7f. 18
Segment- und Lagebericht geschlossen werden. Diese ist jedoch davon abhängig, ob der Vorstand die an sich berichteten Kennzahlen auch als informationsrelevant für Adressaten des Lageberichts ansieht, oder ob im Segmentbericht eher steuerungsrelevante Kennzahlen berichtet werden. Durch die Möglichkeit, einzelne Kennzahlen aus Kosten-Nutzen Überlegungen nicht in der externen Segmentberichterstattung zu verwenden, ergibt sich jedoch auch hier eher keine Vorschrift zu konsistenter Verwendung von Kennzahlen zwischen den beiden Bereichen. Ebenso ist die Anzahl der zu berichtenden Kennzahlen in keinem der Standards festgelegt, wodurch eine vollständige Konsistenz mit der Anzahl der in beiden Bereichen veröffentlichten Kennzahlen schwerer zu erreichen ist (eine teilweise Übereinstimmung hingegen ist mit steigender Anzahl einfacher zu erreichen). Die in IFRS 8 gegebene Möglichkeit, im Segmentbericht die den GAAP-Kennzahlen ähnlichste Zahl zu veröffentlichen, wirkt einer vollständigen Konsistenz der beiden Bereiche eher entgegen als dass diese von den Gesetzestexten gefordert wird. Die Verpflichtung, eine vorrangig zur Steuerung des Unternehmens verwendete Kennzahl im Segmentbericht zu veröffentlichten, besteht dahingegen nicht.76 Auch aus Sicht der Vorschriften des Vergütungsberichts kommt wie bei den anderen beiden Bereichen nicht zur Sprache, ob oder inwiefern die Kennzahlen mit dem restlichen Jahresbericht abgestimmt werden müssen. Aufgrund der in den gesetzlichen Grundlagen des Vergütungsberichts festgehaltenen Zielsetzung der zu verwendenden Kennzahlen und dem Abweichen von der Zielsetzung der anderen beiden betrachteten Bereiche könnte aus der Sicht des Vergütungsberichts sogar eher eine indirekte Vorschrift zu Inkonsistenz angenommen werden.77 Dies hängt jedoch stark von den Eigenschaften der einzelnen Kennzahlen und der Einschätzung der jeweiligen Entscheidungsträger zur Verwendung dieser ab. Dadurch kann aus der reinen Betrachtung der zugrundeliegenden rechtlichen Texte nur die Annahme getätigt werden, dass der Vergütungsbericht zu den beiden anderen Bereichen eher inkonsistenter ausfallen könnte als Lage- und Segmentbericht untereinander. 76 Vgl. IFRS 8. 77 Vgl. Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance (2018), S. 23ff. 19
4. Adressaten und theoretische Zielsetzung 4.1. Adressaten von Publizität Für die Betrachtung und Bewertung der Zielsetzung ist es von Nöten, in einem ersten Schritt die Adressaten von Jahresabschlüssen zu benennen und ihre jeweiligen Ansprüche zu definieren. Aufbauend auf die Betrachtung der Adressaten kann die Zielsetzung der jeweiligen Teile des Geschäftsberichts bewertet und abschließend ein Vergleich in Bezug auf die Konsistenz gezogen werden. Dadurch soll herausgearbeitet werden, ob diese aufgrund der Zielsetzung notwendig, sinnvoll oder überhaupt möglich ist. Es wurde versucht, die Adressaten der im Geschäftsbericht veröffentlichten Informationen seit Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Theorien zu definieren, wobei sich für diese Arbeit die aktuellsten dieser Theorien, nämlich Shareholder- und Stakeholder-Theorie, am relevantesten darstellen. In der Shareholder-Theorie werden Eigentümern als einzige Informationsempfänger angesehen, da diese das Management mit der Unternehmensleitung betrauen und das Management somit im Interesse der Eigentümern handeln muss.78 Diese fordern nun von der Unternehmensleitung eine Marktwertmaximierung, der sich die Publizität unterzuordnen hat.79 Interessen eventueller anderer Stakeholder wie zum Beispiel Gläubiger oder Mitarbeiter werden laut dieser Annahme ebenso durch die geforderte Marktwertmaximierung befriedigt, wodurch für diese Gruppen kein Informationsbedarf entsteht und sie nicht als Adressaten anzusehen sind.80 Als Gegensatz zur Shareholder-Theorie bezieht die Stakeholder-Theorie eben jene Gruppen, denen zuvor keine Informationsbedürfnisse unterstellt wurden, mit ein und fasst die Adressatengruppe somit um einiges breiter. Dies sei der einzige Weg, um ein langfristiges Unternehmensbestehen zu sichern.81 Es müssen dieser Annahme zufolge also alle Gruppen, die ihr Mitwirken in der Unternehmung einbringen bzw. dies in Zukunft tun könnten, in der Publizität berücksichtigt werden. Ihre Informationsbedürfnisse sollen durch die Veröffentlichungen ebenso erfüllt werden wie die der derzeitigen Eigner, welche in der Shareholder-Theorie die einzige Adressatengruppe darstellen.82 78 Vgl. Coenenberg (2005), S. 1298f. 79 Vgl. Fisher (1930), S. 125ff. 80 Vgl. Franke/Hax (2009), S. 6ff. 81 Vgl. Ballwieser (1994), S. 1389. 82 Vgl. Grüning (2011), S. 10f. 20
Sie können auch lesen