Das neue Kündigungsrecht der Arbeiter*innen Diplomarbeit - unipub

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Das neue Kündigungsrecht der Arbeiter*innen

                               Diplomarbeit

      zur Erlangung des Grades eines Magisters der Rechtswissenschaften
                    an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät
                       der Karl-Franzens-Universität Graz

Eingereicht bei:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Dr. h.c. Gert-Peter Reissner
Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht

                                       von

                                   Patrick Klug

                                 Graz, Juli, 2021
Danksagung

An erster Stelle ist es mir ein Anliegen, mich bei meiner Familie und meinen
Freunden für die großartige Unterstützung während meiner Studienzeit zu
bedanken.

Zu besonderem Dank bin ich Herrn Univ.-Prof. Mag. Dr. Dr. h.c. Gert-Peter
Reissner für die ausgezeichnete Betreuung meiner Diplomarbeit verpflichtet.

Außerdem möchte ich mich bei Frau Univ.-Ass. Mag. Denise Posch für die
Beantwortung meiner Fragen bedanken.
Hinweis auf sprachliche Gleichbehandlung

Der leichteren Lesbarkeit der Arbeit zuliebe, wurde auf eine geschlechtsneutrale
Schreibweise, zum Beispiel Arbeitnehmer/Innen, verzichtet, weshalb davon
ausgegangen werden kann, dass die männliche Formulierung eines Wortes
gleichermaßen Männer wie Frauen bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .......................................................................................... 1
2. Begriffsbestimmungen..................................................................... 2
  2.1. Angestellter ................................................................................................. 2
  2.2. Arbeiter........................................................................................................ 4
  2.3. Kündigung ................................................................................................... 6
     2.3.1. Allgemeines .............................................................................................................. 6
     2.3.2. Kündigungsfrist und Kündigungstermin................................................................... 7
     2.3.3. Die rechtswidrige Kündigung ................................................................................... 9
        2.3.3.1. Frist- und terminwidrige Kündigung .............................................................................. 9
        2.3.3.2. Die gesetz- und sittenwidrige Kündigung .................................................................... 10

3. Die gesetzliche Neuregelung ......................................................... 11
  3.1. Allgemeines............................................................................................... 11
  3.2. Historische Rechtslage .............................................................................. 12
     3.2.1. Angestelltengesetz .................................................................................................. 12
     3.2.2. Gewerbeordnung 1859 ............................................................................................ 13
     3.2.3. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch .................................................................... 15
     3.2.4. Fristengleichlauf gemäß § 1159c ABGB ................................................................ 18
     3.2.5. Landarbeitsgesetz 1984 ........................................................................................... 20
  3.3. Neue Rechtslage ........................................................................................ 20
     3.3.1. Die Neuerung im Angestelltengesetz ...................................................................... 20
     3.3.2. Gewerbeordnung 1859 ............................................................................................ 21
     3.3.3. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ................................................................... 22
     3.3.4. Landarbeitsgesetz 1984 ........................................................................................... 25
     3.3.5. Weiterbestehende Regelungen ................................................................................ 26
4. Auswirkungen auf kollektivvertragliche Regelungen,
Betriebsvereinbarungen und Dienstverträge.................................. 28
  4.1. Kollektivvertrag ........................................................................................ 29
  4.2. Betriebsvereinbarung ................................................................................ 30
  4.3. Dienstvertrag ............................................................................................. 31
  4.4 Auswirkungen auf Arbeitgeberkündigungsfristen ..................................... 31
                                                                                                                                     IV
4.4.1. Das Günstigkeitsprinzip in Form des Gruppenvergleiches..................................... 32
  4.5. Auswirkungen auf Arbeitnehmerkündigungsfristen ................................. 33
     4.5.1. Separate Arbeitnehmerkündigungsfristen ............................................................... 34
     4.5.2. Fristengleichlauf ..................................................................................................... 35
        4.5.2.1. Lehrmeinungen ............................................................................................................. 35
        4.5.2.2. Judikatur des OGH ....................................................................................................... 38

5. Ausnahmen für Saisonbranchen .................................................. 39
  5.1. Allgemeines............................................................................................... 39
  5.2. Branchenbegriff......................................................................................... 40
  5.3. Begriff des Saisonbetriebes ....................................................................... 46
  5.4. Überwiegen der Saisonbetriebe ................................................................ 49
  5.5. Weitergeltung bestehender Bestimmungen in Saisonbranchen ................ 52
  5.6. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ausnahme ........................... 55
6. Auswirkungen der neuen Rechtslage auf festgelegte
Kündigungstermine ........................................................................... 56
  6.1. Arbeitgeberkündigung............................................................................... 56
  6.2. Arbeitnehmerkündigung ........................................................................... 57
  6.3. Zusammenspiel bezüglich der Nichtigkeit gesetzwidrig festgelegter
  Kündigungstermine und Kündigunsfristen ...................................................... 57
7. Conclusio......................................................................................... 58

                                                                                                                                             V
Abkürzungsverzeichnis
ABGB        Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
Abs         Absatz
AG          Arbeitgeber(In)
AN          Arbeitnehmer(In)
AngG        Angestelltengesetz
ArbVG       Arbeitsbeitsverfassungsgesetz
Art         Artikel
ASGG        Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz
ASoK        Arbeits- und Sozialrechtskartei
AZG         Arbeitszeitgesetz
BäckAG      Bäckereiarbeitergesetz
BAG         Berufsausbildungsgesetz
BEinstG     Behinderteneinstellungsgesetz
BGB         (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl        Bundesgesetzblatt
bspw        beispielsweise
BUAG        Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz
bzw         beziehungsweise
DG          Dienstgeber
DN          Dienstnehmer
DRdA        Das Recht der Arbeit
GAngG       Gutsangestelltengesetz
GewO 1859   Gewerbeordnung 1859
GewO 1994   Gewerbeordnung 1994
GlBG        Gleichbehandlungsgesetz
HausbG      Hausbesorgergesetz

                                                          VI
HGHAG    Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz
hL       herrschende Lehre
Hrsg     Herausgeber
iSd      im Sinne des/der
JournG   Journalistengesetz
LAG      landarbeitergesetz
lit      litera
MschG    Mutterschutzgesetz
nF       neue Fassung
ÖGB      Österreichischer Gewerkschaftsbund
OGH      Oberster Gerichtshof
RdW      Österreichisches Recht der Wirtschaft
Rsp      Rechtsprechung
Rz       Randzahl, -ziffer
S        Satz
TAG      Theaterarbeitsgesetz
UrlG     Urlaubsgesetz
VBG      Vertragsbedienstetengesetz
WKÖ      Wirtschaftskammer Österreich
ZAS      Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht

                                                        VII
1. Einleitung
        Von einem einheitlichen AN-Begriff kann in Österreich keinesfalls gesprochen
werden. Wird eine Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsvertrages ausgeübt, so unterscheidet man
zwischen Arbeitern und Angestellten. Bei dieser Unterscheidung ist es maßgeblich, welchen
Inhalt die Tätigkeit des AN aufweist. Noch vor einiger Zeit bestanden weitaus mehr und
drastischere Unterschiede als derzeit. Schon seit längerer Zeit wird bezweifelt, dass diese
Unterscheidung verfassungskonform ist.1 Besonders in Anbetracht des Gleichheitssatzes
erscheint die Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten verfassungswidrig.
Demnach ist es dem Gesetzgeber nicht gestattet, unsachliche Unterscheidungen zwischen den
AN zu erzeugen.2

        Diese Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten war schon im Mittelalter
erkennbar. Durch den stetigen Fortschritt der modernen Technologien und der Industrie wird
die Unterscheidung dieser beiden Arbeitnehmergruppen immer komplexer.3

        Durch das Gesetz BGBl I 2017/153 wurde vom Gesetzgeber ein wichtiger Schritt zur
Annäherung von Arbeitern und Angestellten zurückgelegt. Dadurch erfuhren nicht bloß die
Regelungen der Entgeltfortzahlung eine wesentliche Änderung, sondern auch das
Kündigungsrecht. Während bei der Entgeltfortzahlung das Recht der Angestellten an jenes
der Arbeiter angeglichen wurde, kam es beim Kündigungsrecht zur Angleichung der
Kündigungsbestimmungen der Arbeiter an jene der Angestellten. Jedoch bestehen dabei
beachtliche Einschränkungen, die im Laufe dieser Arbeit noch näher behandelt werden. Bei
wesentlichen Fragen wurden vom Gesetzgeber sehr unklare Begriffe gewählt.4

        Ziel dieser Diplomarbeit ist es, das neue Kündigungsrecht der Arbeiter darzustellen,
die Auswirkungen des neuen Kündigungsrechts auf kollektivvertragliche Regelungen,
Betriebsvereinbarungen und Dienstverträge aufzuzeigen, die Ausnahmen für Saisonbranchen
näher zu betrachten und dabei die Weitergeltung bestehender Bestimmungen in
Saisonbranchen zu untersuchen. Anschließend wird auf die verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die Ausnahme für Saisonbranchen eingegangen. Einleitend werden allgemeine
Begriffsbestimmungen vorgenommen. Definiert werden hierbei die Begriffe des Angestellten,
des Arbeiters, der Kündigung, der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins.

1
  Figl, Harmonisierung Arbeiter - Angestellte im Arbeitsrecht de lege lata, ZAS 2020/50, 229.
2
  Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 (2016) Rz 761.
3
  Figl, ZAS 2020/50, 300.
4
  Wachter, Das neue Kündigungsrecht, Jahrbuch Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018 (2018) 133 (134).
                                                                                                    1
Abschließend werden die Auswirkungen der neuen Rechtslage auf bestehende
Kündigungstermine und das Zusammenspiel bezüglich der Nichtigkeit gesetzwidrig
festgelegter Kündigungstermine und Kündigunsfristen behandelt.

2. Begriffsbestimmungen

2.1. Angestellter
         Im Laufe der Zeit entstand eine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten.
Diese Unterscheidung kann lediglich historisch erklärt werden. Im Gegensatz zu anderen
Ländern ist dieser Unterschied in Österreich besonders auffallend.5 Zwar wurde die
Rechtsstellung dieser beiden Gruppen auf Gesetzesebene adaptiert, jedoch hält die
Unterscheidung sowohl auf der Ebene der Betriebsverfassung als auch auf der Ebene der
Berufsverfassung an. Es bestehen weiterhin eigene Betriebsräte einerseits für Arbeiter,
andererseits für Angestellte. Daneben bestehen auf der Ebene der Berufsverfassung
verschiedene Kollektivverträge für diese beiden Gruppen.6 Auf Gesetzesebene wurden
mittlerweile      zahlreiche     Gesetze      für    Arbeiter       und   Angestellte   angeglichen.   Der
bemerkenswerteste Unterschied bestand in den verschiedenen Kündigungsregelungen für
Arbeiter und Angestellte. Die Angleichung des Kündigungsrechtes der Arbeiter, an jenes der
Angestellten, war ein weiterer wichtiger Schritt zur Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften
für diese beiden Gruppen.7

         Der Begriff des Angestellten wird im Gesetz nicht näher erläutert. Aus den gesetzlichen
Regelungen zum Geltungsbereich im Angestelltengesetz ist es möglich eine Unterscheidung
zwischen Arbeitern und Angestellten zu treffen. Werden Tätigkeiten eines Angestellten im
Arbeitsvertrag vereinbart, so kommt dem AN diesbezüglich das Charakteristikum eines
Angestellten zu. Durch eine Vereinbarung, kann auch einem AN, obwohl er Tätigkeiten eines
Arbeiters verrichtet, die Eigenschaft eines Angestellten zukommen. Aufgrund der
Vereinbarung kommen dem AN die vorteilhafteren Vorschriften des Rechtes der Angestellten
daher zugute. Es ist möglich zu vereinbaren, dass das gesamte Recht der Angestellten auf den
AN Anwendung findet. Überdies besteht die Möglichkeit, dass durch die Vereinbarung das

5
  Jabornegg/Resch/Födermayr, Arbeitsrecht6 (2017) Rz 52.
6
  Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 4/061.
7
  Stärker, Arbeits- und Sozialrecht für die Praxis7 (2019) Rz 20.
                                                                                                         2
Recht der Angestellten nur vereinzelt zur Anwendung gelangt. Im Zweifelsfall ist jedoch das
gesamte Recht der Angestellten einschlägig.8

           Die Qualifikation als Angestellter kann durch den Dienstvertrag nicht abbedungen
werden. Günstigere Vereinbarungen werden nicht ausgeschlossen.9 Einem AN kann die
Angestellteneigenschaft auch aufgrund des Kollektivvertrages zukommen.10 Aus Sicht der
Betriebsverfassung regelt § 41 Abs 3 ArbVG, dass AN, die mit ihrem AG das
Angestelltengesetz, als auch den Kollektivvertrag für Angestellte als anwendbar festgelegt
haben sowie die Einordnung in die Verdienstordnung des Kollektivvertrags zur
Angestelltengruppe gehören.11

           Das AngG ist nur auf AN anwendbar, die einen Dienstvertrag gemäß § 1151 ABGB
abgeschlossen haben. Der AN muss sich in einem Dauerschuldverhältnis befinden und
wirtschaftlich und persönlich abhängig sein. Keine Voraussetzung, um zur Anwendung des
AngG zu gelangen, stellt die Entgeltlichkeit dar. 12

           Gemäß § 1 AngG ist derjenige Angestellter, der kaufmännische, höhere nicht
kaufmännische Tätigkeiten oder Kanzleiarbeiten verrichtet. Es kommt bei der Einordnung nicht
darauf an, welche Ausbildung der AN absolviert hat. Es ist darauf abzustellen, welche
Ansprüche der AN am Arbeitsplatz erfüllen sollte.13 Leisten AN bloß gelegentlich
kaufmännische Dienste oder verrichten sie Arbeiten mit untergeordneter Bedeutung, so
unterliegen diese AN gemäß § 1 Abs 2 AngG nicht dem Begriff des Angestellten.14 Es ist
keineswegs von Bedeutung, ob die Dienstleistung in den Räumlichkeiten des AG erfolgt oder
nicht.15

           Als kaufmännische Dienste können solche Dienste betrachtet werden, die
charakteristisch für einen Kaufmann sind. Solche Dienste dürfen nicht bloß eine nebensächliche
Rolle bei der Leitung des Betriebes spielen. Der AN sollte für die Tätigkeiten eines Kaufmannes
ausgebildet sein. Verrichtungen dieser Art sind Beispielsweise solche, in denen sich der AN
beim Einkauf, sowie auch beim Verkauf eigenständig anpassen muss, um eine Steigerung des

8
  Kietaibl, Arbeitsrecht 1: Gestalter und Gestaltungsmittel10 (2017) 48.
9
  Löschnigg in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz I10 (2016) § 1 AngG Rz 129.
10
   Löschnigg in Löschnigg, AngG I10 § 1 Rz 135.
11
   Löschnigg in Löschnigg, AngG I10 § 1 Rz 138.
12
   Drs in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 § 1 AngG Rz 13 (Stand 1.1.2018,
   rdb.at).
13
   Kietaibl, Arbeitsrecht10 49.
14
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 (2016) 50.
15
   Kozak in Reissner (Hrsg), AngG: Angestelltengesetz Kommentar3 (2019) § 1 AngG Rz 40.
                                                                                                        3
Umsatzes zu erzielen.16 Ansonsten kommt es weitgehend auf die Verkehrsauffassung an.17
Nicht die händische, sondern die geistige Arbeit muss für die Qualifikation als Angestellter im
Vordergrund stehen.18

        Führt der AN seine Tätigkeiten selbstständig aus und handelt es sich hierbei um
Schreibarbeiten oder gleichartige Arbeiten, so liegen Kanzleiarbeiten vor. Schreibt jemand bloß
ab, so handelt es sich nicht um Kanzleiarbeiten. Arbeiten die ohne weiterführende Ausbildung
von sämtlichen Personen ausgeführt werden können sind keine Kanzleiarbeiten. 19 Solche
Bürodienstleistungen müssen qualitativ nicht den höheren, nicht kaufmännischen Tätigkeiten
entsprechen.20

        Zur Qualifizierung als höhere nicht kaufmännische Dienste, ist es notwendig, dass es
sich um Arbeiten handelt, bei denen dem AN gewisse Kenntnisse und Ausbildungen abverlangt
werden. Für die Qualifikation ist jedoch kein Studium erforderlich. Der AN muss mit seiner
Tätigkeit vertraut sein. Es wird außerdem gefordert, dass der AN seine Tätigkeit fachlich
durchdringen muss. Weitere Voraussetzungen, um die Tätigkeiten des AN als höhere nicht
kaufmännische Dienste zu qualifizieren sind, dass der AN eine gewisse Eigenständigkeit
aufweisen sollte. Die Arbeit soll der Dienstnehmer weitestgehend selbständig, genau und
verlässlich ausführen. Es ist auch erforderlich, dass der AN über einen bestimmten Grad an
Intelligenz, und bestimmte Fachkenntnisse verfügt. Es sollte sich im Übrigen um Tätigkeiten
handeln, die eine höhere Fähigkeit des Denkvermögens voraussetzen. Diese Voraussetzungen
sind insbesondere dann erfüllt, wenn der AN eine höhere Funktion übernimmt. Steht die
körperliche Arbeit im Vordergrund, so unterliegt der jeweilige AN nicht dem
Angestelltenbegriff.21

2.2. Arbeiter
        Das Gesetz definiert den Arbeiterbegriff nicht. Nach der Judikatur und der Lehre ist
jeder Arbeiter, der kein Angestellter ist.22 Somit wird jeder AN, der nach seinem Arbeitsvertrag
keine kaufmännischen Dienste, höheren nicht kaufmännischen Dienste oder Dienste in der
Kanzlei verrichtet als Arbeiter bezeichnet. Bei den Arbeitern steht die Leistung von händischen

16
   OGH 20.10.1981, 4 Ob 157/80, DRdA 1984, 43 (Löschnigg) = ZAS 1979, 180 (Andexlinger) = Arb 10.045.
17
   Kietaibl, Arbeitsrecht10 48.
18
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 50.
19
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 50.
20
   Kozak in Reissner (Hrsg), AngG:§ 1 Rz 68.
21
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 51.
22
   Eichinger/Kreil/Sacherer, Basiswissen Arbeits- und Sozialrecht 201914 (2019) Rz 44.
                                                                                                        4
Tätigkeiten im Vordergrund. Zur Gruppe der Arbeiter zählen auch Facharbeiter mit höherer
Qualifikation, die ein hohes Ausbildungsniveau aufweisen. Vielen Arbeitern kommt eine
enorme Verantwortung zu. Den Arbeitern kann außerdem die Befugnis erteilt werden,
weitgehend zu disponieren.23

       Die wichtigsten Bestimmungen für Arbeiter befinden sich neben einzelnen speziellen
Gesetzen insbesondere in der GewO 1859. In § 73 GewO 1859 befindet sich der
Hilfsarbeiterbegriff. Der Begriff des Hilfsarbeiters erfasst nicht nur solche Personen, die
Hilfstätigkeiten untergeordneter Art verrichten, sondern allgemein Gewerbearbeiter. Unter den
Begriff des Hilfsarbeiters werden ebenso Facharbeiter eingeordnet.24

       Alle Personen, die regelmäßig in einem Gewerbeunternehmen beschäftigt sind gelten
grundsätzlich im Sinne der GewO 1859 als Arbeiter. Als Gewerbeunternehmen, wird ein
Unternehmen im Sinne der §§ 1, 2 GewO 1994 verstanden.25 Gemäß § 1 Abs 2 GewO 1994
liegt eine gewerbsmäßige Ausübung einer Tätigkeit vor, wenn sie regelmäßig, selbstständig
und mit der Absicht, einen Ertrag zu erzielen, ausgeführt wird. Bei Übernahme des
unternehmerischen Risikos liegt Selbstständigkeit vor, das heißt wenn die Ausübung auf eigene
Rechnung und Gefahr betrieben wird. Regelmäßig wird eine Tätigkeit ausgeübt, wenn aus den
Gesamtumständen eine Wiederholungsabsicht erkannt werden kann. Wird beabsichtigt, einen
Ertrag zu erzielen, so liegt Ertragsabsicht vor. Der Zweck dieser Absicht spielt keine Rolle.
Gemäß § 1 Abs 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass es sich um eine erlaubte Tätigkeit handelt.
In § 2 GewO 1994 finden sich die Ausnahmen, auf die dieses Gesetz nicht anzuwenden ist.26

       In § 73 GewO 1859 werden Gehilfen, Fabriksarbeiter und jene Personen, die
untergeordnete Hilfstätigkeiten beim Gewerbe verrichten unter den Begriff des Hilfsarbeiters
eingeordnet. Ebenso erwähnt § 73 GewO 1859 Lehrlinge. Bei Lehrlingen ist allerdings zu
beachten, dass die Verhältnisse der Beschäftigung im Berufsausbildungsgesetz geregelt sind. §
73 lit d GewO 1859 erfasst ferner jene Personen, die untergeordnete Hilfsdienste beim Gewerbe
verrichten. Für manche Gruppen von Arbeitern bestehen demgegenüber gesamthaft oder
singulär besondere Gesetze. Die Arbeitsverhältnisse von Bauarbeitern unterliegen
beispielsweise bezüglich des Urlaubes und der Abfertigung dem BUAG. Besondere
Bestimmungen des Arbeitsschutzes bestehen für Arbeiter in Bäckereien im BäckAG. Für

23
   Kietaibl, Arbeitsrecht10 52.
24
   OGH 14.9.1995, 8 Ob A 293/95, WBl 1996, 163 = ÖJZ-LSK 1996/115 = RdW 1996, 331 = ARD 4709/15/96
   = DRdA 1996, 161.
25
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 52 f.
26
   Feik, Gewerberecht, in Bachmann/Baumgartner/Feik/Fuchs/Giese/Jahnel/Lienbacher (Hrsg), Besonderes
   Verwaltungsrecht13 (2020) 253 (267).
                                                                                                   5
Hausbesorger gilt das HausbG. Dieses Gesetz kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn das
Dienstverhältnis nicht nach dem 30. Juni 2000 begründet wurde.27

        Werden Tätigkeiten verrichtet, die eigentlich von Angestellten erbracht werden oder
werden Dienste höherer Art erbracht, so sind diese AN vom Geltungsbereich der GewO 1859
gemäß § 73 Abs 3 GewO ausgenommen. Der Arbeitsablauf des AN ist hierzu vollumfänglich
zu betrachten. Der OGH hat beispielsweise entschieden, dass bloß aufgrund der Ausführung
von EDV-Tätigkeiten, nicht notwendigerweise höhere Dienste vorliegen müssen. Solche EDV-
Tätigkeiten werden nun schon in einigen Handwerksberufen standardmäßig ausgeführt.28

        Von großer Bedeutung für die Arbeiter sind die §§ 1151 bis 1164 ABGB. Diese Regeln
werden jedoch nur angewendet, sofern keine gesonderten gesetzlichen Bestimmungen
bezüglich des Arbeitsvertrages existieren. Somit werden diese Vorschriften nur subsidiär
angewandt.29 Der OGH hat dazu entschieden, dass das ABGB nur angewendet werden soll,
wenn einzelne Gesetze gewisse Ansprüche absolut nicht regeln.30

2.3. Kündigung

2.3.1. Allgemeines
        Da das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis ist, bedarf es zum Abbruch des
Arbeitsverhältnisses eines bestimmten Aktes der Beendigung. Mögliche Beendigungsakte
wären eine einvernehmliche Auflösung, eine Kündigung, eine vorzeitige Auflösung des
Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund, ein Befristungsablauf oder ein Bedingungseintritt.
Es könnte auch sein, dass das Arbeitsverhältnis während der Probezeit fristlos aufgelöst wird.
Denkbar wäre ebenfalls, dass jemand vom Arbeitsvertrag zurücktritt. Die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses könnte auch mittels Gesetzes erfolgen.31

        Die Kündigung muss dem Arbeitsvertragspartner zugehen. Ob die Kündigung vom
Vertragspartner faktisch angenommen wurde oder er Kenntnis davon hat, ist nicht relevant.32
Bei Anwesenheit beider Arbeitsvertragsparteien gilt die mündlich ausgesprochene Kündigung
als zugegangen. Dies gilt auch, wenn die Kündigung per Telefon zugeht oder die Kündigung

27
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 52.
28
   OGH 25.6.2007, 9 Ob A 64/07p, DRdA 2008/39, 418 (Pfeil) = ecolex 2007/337, 788 = infas 2007, A 69.
29
   Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 4/062.
30
   OGH 18.12.1956, 4 Ob 143/56, Arb 6570.
31
   Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020) 32.
32
   RIS-Justiz RS0028636; OGH 3.9.2010, 9 Ob 52/10b, ÖBA 2011/1691, 117 = ecolex 2011/118, 304 = RdW
   2011/76, 81.
                                                                                                        6
an den Vertragspartner direkt übergeben wird.33 Es ist maßgeblich für den wirksamen Zugang,
dass die Kündigung den Machtbereich des Vertragspartners erreicht.34 Die Kündigung kann als
einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung vom AN oder vom AG erklärt werden.
Das Arbeitsverhältnis wird nach Ablauf der Kündigungsfrist, zu einem konkreten
Kündigungstermin aufgelöst. Die Kündigung muss nicht angenommen werden.35

       Arbeitsverhältnisse können jederzeit aufgekündigt werden. Die Beendigung kann aber
eine Rechtsunwirksamkeit nach sich ziehen. Es ist auch möglich, dass aus der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gewisse Ansprüche des AG oder des AN resultieren. Dies trifft
insbesondere dann zu, wenn der AN entlassen wird, obwohl er keinen Entlassungsgrund gesetzt
hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird im Gesetz geregelt. Außerdem haben die
Kollektivvertragsparteien gewisse Regulierungen in den Kollektivverträgen vorgesehen.36

       Eine konkrete Form, die bei der Kündigung einzuhalten wäre, wird vom Gesetz nicht
gefordert. Das bedeutet, dass die Kündigung auch mündlich erfolgen kann. Kollektiv- oder
Arbeitsverträge können besondere Regelungen bezüglich der Kündigungsform beinhalten.37
Die Kündigung kann ebenso durch eine schlüssige Handlung erfolgen. Vereinzelt wird vom
Gesetz gefordert, dass die Kündigung schriftlich erfolgen muss. Die Kündigung ist in einem
solchen Fall rechtsunwirksam, wenn der Schriftform nicht entsprochen wird.38 Schriftlichkeit
bedeutet generell Unterschriftlichkeit.39 Zu beachten ist, dass der Kündigende selbst
unterschreiben muss.40 Die Schriftlichkeit dient der Beweissicherung. Außerdem hält man das
Kündigungsschreiben in den Händen. Kündigt man per SMS, so entspricht dies nicht dem
Gebot der Schriftlichkeit. Aufgrund der Bedeutung der Kündigung, genügt es auch nicht per
WhatsApp zu kündigen.41

2.3.2. Kündigungsfrist und Kündigungstermin
       Als Kündigungsfrist wird jener Zeitraum bezeichnet, der zwischen Kündigungszugang
und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Dieser Zeitraum muss jedenfalls eingehalten

33
   Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung von Arbeitsverhältnissen (2014) 6.
34
   Marhold/Friedrich, Arbeitsrecht3 317.
35
   Stärker, Arbeits- und Sozialrecht7 Rz 551.
36
   Neumann/Bamberger, Handbuch Beendigungsrecht (2016) Rz 2.1.
37
   Stärker, Arbeits- und Sozialrecht7 Rz 552.
38
   Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/011 f.
39
   RIS-Justiz RS0125804.
40
   OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m, PVInfo 2011 H 5, 20 (Gerhartl) = ZAS 2011/38, 235 (Mayer) = DRdA
   2011/40, 388 (Schrittwieser/Vazny-König).
41
   OGH 28.10.2015, 9 ObA 110/15i, ZAS 2016/15, 85 (Köck) = ÖJZ EvBl-LS 2016/41, 279 (Rohrer) = DRdA
   2016/37, 339 (Trost) = JAS 2017, 63 (Geiblinger).
                                                                                                      7
werden. Kündigungsfristen schützen den Vertragspartner vor einem plötzlichen Abbruch des
Arbeitsverhältnisses. Der Zweck von Kündigungsfristen besteht darin, dass sich die
Arbeitsvertragspartner auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses einstellen können. Der AN
soll auch einen ausreichenden Zeitraum zur Verfügung haben, damit er sich eine neue
Arbeitsstelle suchen kann.42

        Für die Länge der Kündigungsfrist ist der Kündigungszeitpunkt zu beachten.
Maßgeblich ist jener Zeitpunkt, zu dem die letzte Möglichkeit des zulässigen Ausspruches der
Kündigung bestand. Dieser Zeitpunkt kann festgestellt werden, indem man vom
Beendigungszeitpunkt, also dem Kündigungstermin, die vorgeschriebene Kündigungsfrist
zurückrechnet. Aus dieser Berechnung ergibt sich dann der Zeitpunkt, zu dem die letzte
Möglichkeit bestand, die Kündigung auszusprechen. Jener Tag an dem gekündigt wird, fällt
gemäß § 902 Abs 1 ABGB nicht in die Kündigungsfrist.43 Bei Berechnung der Frist nach
Wochen bzw nach Monaten, löst der Tag, an dem der Ausspruch der Kündigung erfolgt, die
Frist aus.44 Das Ende der Frist erfolgt an demjenigen Tag, der in der abschließenden Woche
oder im finalen Monat des Fristenlaufes den gleichen Namen oder die dieselbe Nummer hat,
wie derjenige Tag, am Beginn der Frist. Sollte der Tag im letztmaligen Monat fehlen, so endet
die Frist gemäß § 902 Abs 2 ABGB am letzten Tag dieses Monats. In der Praxis muss daher
besonders darauf geachtet werden, dass der Ausspruch der Kündigung dem anderen Teil des
Arbeitsvertrages rechtzeitig zugeht. Fällt der letzte mögliche Zeitpunkt für den Ausspruch der
Kündigung auf einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonntag, so kann der Ausspruch der
Kündigung zwar erfolgen, aber der Kündigende muss jedenfalls darauf achten, dass die
Kündigung auch rechtzeitig             zugeht.    In diesem        Fall   ist   es    daher ratsam       den
Kündigungsausspruch früher zu tätigen.45

        Der Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis endet, wird als Kündigungstermin
bezeichnet.46 Es ist nicht erforderlich, dass die Kündigungsfrist oder der Kündigungstermin in
der Erklärung der Kündigung genannt werden. Sind weder der Kündigungstermin noch die
Kündigungsfrist       angeführt,      erfolgt     die    Kündigung        zum        nächsten    zulässigen
Kündigungstermin.47        Erfolgt     die   Nennung       eines    Kündigungstermines          und     einer

42
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages, in Risak/Schima (Hrsg), Beendigungsrecht (2014) 1 (29).
43
   Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung 10.
44
   OGH 21.5.2007, 8 Ob S 15/07z, DRdA 2008/48, 513 (Wolfsgruber) = ARD 5793/5/2007 = ZAS-Judikatur
   2007/159, 224; RIS-Justiz RS0028145.
45
   Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung 10 f.
46
   Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer (Hrsg), AngG § 20 Rz 109 (Stand 1.10.2017, rdb.at).
47
   Burger-Ehrnhofer/Drs, Beendigung 11.
                                                                                                               8
Kündigungsfrist in der Kündigungserklärung, so kann weder der Kündigungstermin noch die
Kündigungsfrist einseitig geändert werden.48

        Liegt ein wichtiger Grund vor, kann der AN aus dem Arbeitsverhältnis vorzeitig
austreten. Der AG kann beim Auftreten eines wichtigen Grundes, den AN entlassen. Diese
Rechte bestehen auch, wenn die Kündigungsfrist bereits ausgelöst wurde. Aufgrund
kollektivvertraglicher Vorschriften können sich sehr unterschiedliche Regelungen bezüglich
des Kündigungsrechtes ergeben.49

        Die Möglichkeit der Kündigung besteht grundsätzlich nicht, wenn ein Arbeitsverhältnis
befristet begründet wurde. Der OGH hat aber entschieden, dass es den Parteien freisteht, eine
Möglichkeit zur Kündigung bei befristeten Arbeitsverhältnissen zu vereinbaren. Mangels einer
solchen Vereinbarung besteht aber keine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Ist
das Arbeitsverhältnis jedoch länger als für die Dauer von fünf Jahren geschlossen worden, so
hat der AN gemäß §§ 21 AngG bzw 1158 Abs 3 ABGB die Gelegenheit, nach der Dauer von
fünf Jahren das Arbeitsverhältnis aufzukündigen. Diese Möglichkeit steht dem AG nicht zu.
Der AN muss jedoch eine Kündigungsfrist im Ausmaß von sechs Monaten einhalten. Die
Möglichkeit zu kündigen, soll aber nur bei Dienstverhältnissen, welche längerfristig sind,
gestattet sein.50 Die Parteien sollen darauf achten, dass die Kündigungsfrist, die sie vereinbart
haben, den gesetzlichen Kündigungsfristen gleichkommt. Die Frist muss zur Befristungsdauer
in einem angemessenen Verhältnis stehen. Eine solche Frist darf im Verhältnis des AN zum
AG für den AN nicht ungünstiger sein.51

2.3.3. Die rechtswidrige Kündigung

2.3.3.1. Frist- und terminwidrige Kündigung
        Wurden von einer Partei des Arbeitsvertrages die einzuhaltende Kündigungsfrist oder
der rechtmäßige Kündigungstermin missachtet, so stellt sich die Frage welche Folgen in einem
solchen Fall eintreten.

        Sowohl die Judikatur als auch ein beachtenswerter Teil der Lehre gewähren dem
Geschädigten einen Anspruch auf Schadenersatz. Das Arbeitsverhältnis wird zu jenem

48
   OGH 20.2.2002, 9 Ob A 38/02g, DRdA 2003/30, 333 (Kerschner) = RdW 2002/576, 622 = infas 2002, 103 =
   infas 2002, A 61.
49
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 30.
50
   OGH 10.9.1985, 4 Ob 105/85, DRdA 1986/19 (Petrovic) = JBl 1986, 331.
51
   OGH 8.6.1994, 9 Ob A 88 /94, ZAS 1995/22 (Reissner).
                                                                                                         9
Zeitpunkt beendet, der im Ausspruch der Kündigung genannt wurde. Dieser Zeitpunkt kann
gesetzes- oder vertragswidrig sein. Dies entspricht vor allem dem Zweck, den unterlegenen AN
zu schützen. Hier werden die Ansprüche, die bei der ungerechtfertigten Entlassung gebühren,
mittels Analogie, herangezogen.52

        Zwischen dem unzulässigen und dem rechtmäßigen Kündigungstermin trifft den AN
keine Pflicht mehr seine Arbeitsleistung zu erbringen. Das Arbeitsverhältnis ist ab dem
unzulässigen Kündigungstermin bereits beendet. Der AN kann für diesen Zeitraum eine
Entschädigung beanspruchen. Erfolgt die Kündigung durch den AN unzeitgemäß, so hat der
AG die Möglichkeit, Schadenersatz zu fordern. Diesbezüglich werden die Regeln zum
unrechtmäßigen Austritt des AN analog angewandt.53 Daneben bestehen noch abweichende
Lehrmeinungen, nach denen das nichtige Rechtsgeschäft, in ein erlaubtes Rechtsgeschäft
abgewandelt werden soll.54

        Wie bereits erwähnt, kann der Kündigende die Kündigung nicht mehr unilateral
zurücknehmen. Musste dem Vertragspartner ein Irrtum des Kündigenden gemäß § 871 ABGB
aufgefallen sein, so hat der Kündigende das Recht seine Kündigung abzuändern. Den AN trifft
jedenfalls keine Pflicht, den AG auf die rechtswidrige Kündigung hinzuweisen. Eine solche
Pflicht kann keinesfalls aus der Treuepflicht abgeleitet werden. Der Zweck der Kündigungsfrist
darf durch die Richtigstellung der Kündigung keinesfalls beeinträchtigt werden. Die
Richtigstellung hat somit unverzüglich zu erfolgen.55

2.3.3.2. Die gesetz- und sittenwidrige Kündigung
        Erfolgt die Kündigung gesetz- oder sittenwidrig, so ist diese nichtig. Als sittenwidrig
wird die Kündigung bezeichnet, wenn sie aus nicht sachlichen oder missbilligenden Gründen
erfolgt.56 Eine sittenwidrige Kündigung liegt insbesondere vor, wenn die Kündigung aus dem
ausschließlichen Grund der Schadenszufügung stattfindet.57 Außerdem liegt eine sittenwidrige
Kündigung vor, wenn beispielsweise aus religiösen Motiven oder aufgrund des Geschlechtes

52
   Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/027.
53
   Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/028.
54
   Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), ABGB3 (2012), §§ 1162a-1162d Rz 12; Binder, Zur
   Konversion von Rechtsgeschäften (1982), 71 ff.
55
   Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/031.
56
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 43 f.
57
   OGH 25.5.1994, 9 Ob A 76/94, RdW 1994, 359 = RdW 1995, 265 = ARD 4573/26/94.
                                                                                                     10
gekündigt wird.58 Wird ein AN von einer katholischen Organisation gekündigt, weil er an der
katholischen Kirche Kritik übte, so liegt keine Sittenwidrigkeit vor.59

3. Die gesetzliche Neuregelung

3.1. Allgemeines
        Einige Tage vor der Nationalratswahl, die am 15.10.2017 stattfand, wurde in einer
Nationalratssitzung ein wesentlicher Schritt zur Angleichung der Arbeiter an die Angestellten
zurückgelegt. Mit den Stimmen der SPÖ, der FPÖ und der Grünen wurde die Angleichung der
Kündigungsfristen der Angestellten an jene der Arbeiter beschlossen. Auf eine Absprache mit
den Sozialpartnern wurde verzichtet. Diese Vorgehensweise war ungewöhnlich, da sie nicht
den üblichen Gepflogenheiten entsprach. Seitens der AG wurde dieser Angleichung somit nicht
zugestimmt. Es wurde weiterhin kein einheitlicher AN-Begriff geschaffen. Auch künftig
werden getrennte Regelungen bezüglich der Gründe, aus welchen die Entlassung rechtmäßig
erfolgen kann, weiter existieren. Die Gründe, aus denen ein Arbeiter rechtmäßig entlassen
werden darf, sind in § 82 GewO 1859 taxativ aufgezählt. Weiterhin ist es nicht möglich, den
Arbeiter wegen Vertrauensunwürdigkeit zu entlassen. Hingegen kann der vertrauensunwürdige
Angestellte gemäß § 27 Z 1 AngG entlassen werden.60

        Anfangs war geplant, dass die neuen Bestimmungen für Kündigungen, die nach dem
31.12.2020 ausgesprochen werden, zur Anwendung gelangen sollten. Angesichts der Corona-
Krise wurde dieses Datum jedoch auf den 1.7.2021 verschoben. Wären die neuen
Bestimmungen schon mit 1.1.2021 in Kraft getreten, hätten sich jene AG, die von der Krise
härter getroffen wurden, überlegen müssen, ob sie ihre AN noch nach alter Rechtslage
kündigen, um nicht noch weitere Arbeitsplätze und das Unternehmen zu gefährden oder die
Möglichkeit der Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Aufgrund der Verschiebung blieb den AG
ausreichend Zeit von prompten Kündigungen abzusehen.61 Mit Zustimmung der ÖVP und der
Grünen wurde der Zeitpunkt, ab dem die neue Rechtslage zur Anwendung gelangen soll, nun

58
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 44.
59
   OGH 12.4.1995, 9 Ob A 31/95, Arb 11.381 = SZ 68/76.
60
   Rauch, Angleichung der Kündigungsfristen, ASoK 2020, 381.
61
   Walther, Arbeiter werden Angestellten erst später gleichgestellt - gut so,
   https://www.derstandard.at/story/2000122042491/arbeiter-werden-angestellten-erst-spaeter-gleichgestellt-gut-
   so (25.4.2021).
                                                                                                            11
wieder verschoben. Demnach gelangt das neue Kündigungsrecht für die Arbeiter ab dem
1.10.2021 zur Anwendung.62

        Schon seit 1946 wurden keine unterschiedlichen materiellen Bestimmungen für Arbeiter
und Angestellte mehr erlassen. Neu geschaffenes Recht galt stets für beide AN-Gruppen. Als
Beispiele für solche unterschiedslosen Regelungen könnten hier das BEinstG, das GlBG oder
das MschG genannt werden. Ältere Vorschriften, wie zum Beispiel die Regelungen zur
Abfertigung, wurden angeglichen. Wie bereits erwähnt, wird von manchen die Unterscheidung
von Arbeitern und Angestellten als gleichheitswidrig angesehen. Nach dieser Ansicht ist die
Differenzierung dieser beiden AN-Gruppen sachlich nicht zu rechtfertigen. Es scheint keinen
vernünftigen Grund für diese Unterscheidung zu geben. Obwohl einige Regierungsprogramme
eine Annäherung dieser beiden Gruppen von AN vorsahen, hält diese Unterscheidung auf
Gesetzesebene bis zum heutigen Tag an.63 Im Folgenden werden zunächst jene Bestimmungen
als historische Rechtslage dargestellt, welche noch bis zum 1.10.2021 zur Anwendung
gelangen. Danach wird die neue Rechtslage genauer betrachtet.

3.2. Historische Rechtslage

3.2.1. Angestelltengesetz
        Zuerst wird ein kurzer Blick auf die Änderungen im Angestelltengesetz geworfen. Mit
BGBl 2017/153 wurde § 20 Abs 1 AngG novelliert. Diese Bestimmung ist bereits am 1.1.2018
außer Kraft getreten. Für Angestellte, die unter einem sehr geringen Arbeitszeitausmaß
teilzeitbeschäftigt waren, kam das AngG bei der Kündigung nicht zur Anwendung. Gemäß §
20 Abs 1 AngG waren die Kündigungsbestimmungen des AngG auf AN anwendbar, soweit die
vertraglich vereinbarte oder tatsächlich erreichte Arbeitszeit monatlich zumindest ein Fünftel
des 4,3-fachen der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit
erreichte.64 Betrug das Ausmaß der Arbeitszeit somit im Durchschnitt weniger als 34,4 Stunden
im Monat, bei wöchentlicher Normalarbeitszeit von vierzig Stunden, so waren diese
Teilzeitbeschäftigten daher nicht vom Geltungsbereich dieser Bestimmung umfasst.65 Auf die

62
   Szigetvari, Staatshilfen in der Pandemie: Wer nicht gerettet wurde,
   https://www.derstandard.at/story/2000127059981/staatshilfen-in-der-pandemie-wer-nicht-gerettet-wurde
   (1.6.2021).
63
   Gleißner/Köck, Die Neuregelung der Kündigungsfristen und -termine, ZAS 2017/65, 330.
64
   Wachter, Jahrbuch Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018, 134 f.
65
   Reissner in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 § 20 AngG Rz 3 (Stand 1.1.2018,
   rdb.at).
                                                                                                        12
Kündigung von solchen Teilzeitbeschäftigten, für welche die Regelungen des AngG nicht zur
Anwendung gelangten, kamen, wie für Arbeiter, die Vorschriften der §§ 1159-1159c ABGB
zur Anwendung.66

        Durch die Ausgrenzung der Teilzeitbeschäftigten aus dem Kündigungsrecht des AngG
entstand    eine    Diskriminierung      von     teilzeitbeschäftigten   AN   und   somit   eine
Unionsrechtswidrigkeit. Besonders stellte diese Bestimmung generell eine mittelbare
Diskriminierung gegenüber Frauen dar. § 40 AngG erwähnt, dass die Abs 2 bis 5 des § 20
AngG einseitig zwingend sind und somit zum Vorteil des AN abgeändert werden können. § 20
Abs 1 AngG wurde in dieser Bestimmung nicht aufgezählt. Der Inhalt des § 20 Abs 1 AngG
lässt sich nicht leicht in das klassische arbeitsvertrags- oder zivilrechtliche Schema von
abänderbarem oder zwingendem Recht bringen.67

3.2.2. Gewerbeordnung 1859
        Bisher forderte § 77 GewO 1859 die Einhaltung einer vierzehntägigen Kündigungsfrist.
Diese Frist war sowohl einzuhalten, wenn der AN das Arbeitsverhältnis kündigte als auch,
wenn der AN vom AG gekündigt wurde. Diese Kündigungsfrist konnte auch zum Nachteil des
Arbeiters abbedungen werden. Eine solche Schlechterstellung des AN konnte durch den
Kollektivvertrag, die Betriebsvereinbarung oder den Arbeitsvertrag erfolgen. Im Gegensatz
dazu sind die Kündigungsfristen des AngG nicht zum Nachteil des AN abdingbar.68 Eine
Vielzahl an Kollektivverträgen sehen eine kürzere oder gar keine Frist vor, die bei einer
Kündigung einzuhalten wäre. Beispielsweise wird im Kollektivvertrag für Arbeiter, die mit der
Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung beschäftigt sind, innerhalb des ersten
Arbeitsjahres keine Frist vorgesehen, die bei einer Kündigung zu beachten wäre.69

        Wurde etwa durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Kündigungsfrist
festgelegt, so war diese im Verhältnis zu untergeordneten Rechtsquellen einseitig zwingend
zum Vorteil des AN. Günstigere Einzelvereinbarungen waren für den AN somit zulässig.70

        In einer Entscheidung des OGH war eine AN als Ladnerin in einer Bäckerei tätig.
Dadurch kam ihr die Eigenschaft als gewerbliche Hilfsarbeiterin gemäß §§ 72 f GewO 1859
zu. Auf dieses Dienstverhältnis kam der Kollektivvertrag der Arbeiter im österreichischen

66
   Wachter, Jahrbuch Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018, 134.
67
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 20 AngG Rz 3 f.
68
   Löschnigg. Arbeitsrecht13 Rz 8/016.
69
   Rauch, ASoK 2020, 381.
70
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 77 GewO 1859 Rz 2.
                                                                                             13
Bäckergewerbe zur Anwendung. Da die Kündigungsfrist des § 77 GewO 1859 dispositiv ist,
kann sie durch Regelungen zur Kündigungsfrist im Kollektivvertrag verdrängt werden. Im
bereits genannten Kollektivvertrag wurde vorgesehen, dass zum Schluss der Arbeitswoche das
Arbeitsverhältnis gelöst werden kann, sofern die Probezeit bereits abgelaufen war. Dazu ist eine
Kündigungsfrist von einem Tag einzuhalten. Sofern diese Frist, wie im genannten Fall, für den
AN und den AG dieselbe Dauer aufwies, war sie rechtswirksam und von beiden Parteien des
Arbeitsverhältnisses zu befolgen.71

       Der OGH hat ausgesprochen, dass wegen des Fehlens einer Kündigungsfrist keine
Differenzierung zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Beendigung des
Dienstverhältnisses besteht. Die zuvor erwähnte kollektivvertragliche Regelung sei
teleologisch zu reduzieren. Die Regelung sei dahin zu reduzieren, dass bei einer verschuldeten
Entlassung oder einem unberechtigt vorzeitigen austreten des AN aus dem Arbeitsverhältnis,
erst nach dem ersten Arbeitsjahr keine Sonderzahlungen gebühren, weil zwischen
außerordentlicher und ordentlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Differenzierung
vorgenommen wird, da keine Kündigungsfristen oder Kündigungstermine existieren. Daher
stünden dem AN aliquote Sonderzahlungen auch im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses zu.
Gemäß § 10 Abs 2 UrlG würde dem AN, wenn er unberechtigt vorzeitig austritt, der Anspruch
auf die Urlaubsersatzleistung entfallen. Nach dem bisher Erwähntem wäre auch diese
Bestimmung im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses nicht anwendbar.72

       Wurden Arbeiter nach Stück entlohnt oder arbeiteten sie im Akkord, stand ihnen gemäß
§ 77 S 2 GewO 1859 der Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erst zu, wenn sie ihre Arbeit
plangemäß vollendet hatten. Zu beachten war dies sowohl bei der Kündigung durch den AG als
auch bei der Kündigung durch den AN. Es war notwendig, dass die Akkordarbeit bereits bei
Kündigungszugang ausgeführt wurde. Die Arbeit war jedenfalls zu vollenden. Dies galt auch,
wenn die Beendigung der Arbeit nach dem Ende der zuvor geplanten Kündigungszeit lag.
Wurde die Arbeit schon während der vorgesehenen Kündigungszeit abgeschlossen, so
verkürzte sich diese jedoch nicht. Lag der Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit an einem Stück
beträchtlich weit vor dem Ende der Kündigungsfrist, so musste der AN mit dem nächsten Stück
beginnen, unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis dadurch verlängert wurde oder nicht.73

71
   OGH 7.7.2004, 9 Ob A 25/04y, ZAS 2005/7, 37 (Rossmann) = RdW 2004/404c, 449 = ARD 5519/1/2004 =
   DRdA 2004, 467.
72
   OGH 26. 6. 1997, 8 Ob A 181/97v, infas 1998, A 21 = DRdA 1998, 61 = ARD 4918/10/98.
73
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 77 GewO 1859 Rz 10.
                                                                                                     14
Legt man § 77 GewO 1859 verfassungskonform aus, so ist das Gebot der
Fristengleichheit des § 1159c ABGB zu beachten. Dem Arbeiter darf weiters das Recht zu
kündigen nicht maßgeblich erschwert werden. Der OGH hat etwa entschieden, dass bei Wegfall
der Weihnachtsremuneration und des Urlaubszuschusses bei Kündigung in den ersten sechs
Monaten das Kündigungsrecht des AN erheblich erschwert wird. Für viele AN wäre dies ein
Anreiz, von einer Kündigung abzusehen.74

3.2.3. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch
        Waren AN nicht von den Regelungen des AngG oder der GewO 1859 erfasst, kamen
für sie die Vorschriften des ABGB zur Anwendung. Dies galt nur, insofern ein AN nicht von
einem Sondergesetz erfasst wurde. Da die meisten sondergesetzlichen Bestimmungen
selbstständige Regelungen enthalten, war der Anwendungsbereich der Bestimmungen des
ABGB sehr begrenzt. Speziell hinzuweisen ist hier auf § 20 AngG und § 77 GewO 1859.75

        Wurden gemäß § 1159a ABGB Dienste höherer Art von einem AN erbracht, hatte das
Arbeitsverhältnis eine Dauer von mindestens drei Monaten bereits erreicht und nahm die
Tätigkeit den AN überwiegend in Anspruch, kam eine Kündigungsfrist von vier Wochen zur
Anwendung.76 Bei der Begriffsauslegung der Dienste höherer Art war die Rechtsprechung zum
Begriff des Angestellten heranzuziehen.77 Diese Rechtsvorschrift war besonders für freie DN
von Bedeutung.78

        Die Tätigkeit, die der AN zum Erwerb ausübte, wurde überwiegend in Anspruch
genommen, wenn er seine Arbeitskraft gänzlich oder hauptsächlich für die Anliegen seines AG
aufwendete. Ob der AN seine Arbeitskraft hauptsächlich für den AG aufwendete, wurde unter
Heranziehung der gesetzlich bestimmten Normalarbeitszeit gemessen. Es waren also nicht die
normierten Höchstgrenzen der Dienstzeit des AZG heranzuziehen. Es kam darauf an, ob eine
Person durchschnittlich mehr als den halben Tag beim AG ihre Arbeit verrichtete.79 Hierbei
existierten allerdings gewisse Bedenken in der Lehre. Es wurde eingebracht, dass

74
   OGH 8. 7. 1992, 9 ObA 142/92, DRdA 1993, 117 (Grillberger) = DRdA 1993, 206 (Runggaldier) = ZAS
   1993, 218 (Gruber).
75
   Gruber-Risak in Schwimann/Neumayr (Hrsg), ABGB: Taschenkommentar5 (2020) § 1159c Rz 1.
76
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 32.
77
   Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 §§ 1158-1159c Rz 82 (Stand 1.1.2000, rdb.at).
78
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1159a ABGB Rz 4.
79
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 77 GewO 1859 Rz 10.
                                                                                                     15
teilzeitbeschäftigte AN und ebenso mittelbar Frauen diskriminiert wurden. Das Unionsrecht
gebot es, dass dieses Tatbestandsmerkmal nicht zur Anwendung kam.80

        Wurde ein Jahresentgelt vereinbart, dann war gemäß § 1159 Abs 2 ABGB generell eine
vierwöchige Kündigungsfrist einzuhalten. Aus der Lohnvereinbarung, in der ein Jahresentgelt
vereinbart wurde, konnte der Wille der Arbeitsvertragsparteien zu einer längerfristigen Bindung
abgeleitet werden. Dadurch konnte eine länger andauernde Kündigungsfrist gerechtfertigt
werden. Die Arbeitsvertragsparteien hatten in diesem Fall die Erwartung, dass das
Arbeitsverhältnis nicht augenblicklich aufgelöst wird.81 Die vierwöchige Kündigungsfrist kam
somit unabhängig davon zustande, ob das Arbeitsverhältnis eine Dauer von drei Monaten
aufwies oder der Tätigkeit bloß nebenberuflich nachgegangen wurde. § 1159a ABGB nannte
keinen speziellen Kündigungstermin. Der Lauf der Kündigungsfrist begann daher generell mit
dem Zugang der Kündigungserklärung.82

        Lagen keine Dienste höherer Art gemäß § 1159 ABGB vor und wurde das Entgelt
entweder nach Stunden oder tageweise berechnet, konnte das Arbeitsverhältnis für den nächsten
Tag aufgekündigt werden. Diese Regelung galt ebenso, wenn das Entgelt nach Stücken oder
vereinzelten,    selbstständigen    Leistungen     bemessen      wurde.    Bestand      ein   derartiges
Dienstverhältnis bereits seit drei Monaten und nahm die Tätigkeit den AN überwiegend in
Anspruch, war es am ersten Arbeitstag für das Ende der Woche zu kündigen.83

        Mit dem Ende der Woche, war das Ende einer Kalenderwoche, also der Sonntag
gemeint. Der erste Arbeitstag wird regelmäßig ein Montag sein. Natürlich konnte es ebenso
vorkommen, dass es sich bei dem jeweiligen Montag um einen Feiertag handelte. Diesfalls
musste der Kündigungsausspruch spätestens am darauffolgenden Werktag erfolgen. Der
früheste Zeitpunkt für den Beginn der Kündigungsfrist war daher ein Montag. Davon abgesehen
endete die Kündigungsfrist immer an dem Sonntag der diesbezüglichen Woche. Wurde der
Kündigungsausspruch erst am zweiten Arbeitstag in der jeweiligen Woche vorgenommen,
endete das Dienstverhältnis rechtmäßig am Sonntag der Folgewoche.84

        Fielen Arbeitsverhältnisse nicht unter diese Regelungen, war es möglich, diese gemäß
§ 1159b ABGB unter Beachtung einer Kündigungsfrist von vierzehn Tagen zu kündigen.
Aufgrund      der   oftmals     dispositiven     Bestimmungen        waren     in    diesem     Bereich

80
   Mathy/Naderhirn in Kozak (Hrsg), ABGB und Arbeitsrecht (2019) §§ 1159-1159c Rz 11.
81
   Krejci in Rummel, ABGB3 §§ 1158-1159c Rz 84.
82
   Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 §§ 1159-1159c Rz 14 f.
83
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 32.
84
   Schrammel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 §§ 1159-1159c Rz 8 f.
                                                                                                     16
kollektivvertragliche Vereinbarung über Kündigungsfristen und Kündigungstermine von
enormer Bedeutung.85 Die Regelung des § 1159b ABGB war auf Arbeitsverhältnisse niederer
und höherer Art anwendbar. Erhielt der AN eine monatliche Entlohnung und leistete er nicht
höhere Dienste, so wurde § 1159b ABGB auf dieses Dienstverhältnis angewandt. § 1159b
ABGB war auch anwendbar, wenn der DN Arbeiten höherer Art erbrachte und das
Dienstverhältnis noch keine Dauer von drei Monaten aufwies, den DN nicht überwiegend in
Anspruch genommen hat oder kein Jahresentgelt festgesetzt wurde.86

        Die Frist des § 1159 ABGB konnte gemäß § 1164 Abs 1 ABGB nicht nachteilig für den
AN abgeändert werden. Diese Bestimmung war einseitig zwingend.87 Ebenso verhielt es sich
mit den Fristen der §§ 1159a und 1159b ABGB.88 Die Kündigung wurde jedenfalls erst dann
wirksam, wenn bei Entlohnung nach Einzelleistungen oder Stück, die bereits vor dem
Kündigungszugang begonnene Leistung vollendet war. Es handelte sich hierbei um eine
Verlängerung der Kündigungsfrist, welche in § 1159 ABGB vorgesehen wurde. Diese
Verlängerung konnte einerseits hinsichtlich einzelner Leistungen eintreten oder sie trat bezogen
auf mehrere Leistungen, die aufgrund eines Auftrages gemeinsam zu betrachten waren, ein. Es
bestand außerdem die Möglichkeit, dass sich die Verlängerung bloß auf vereinzelte Stücke
bezog. Wurden die Arbeiten an einem Stück vom AN eine beträchtliche Zeit vor dem Ende der
Kündigungsfrist abgeschlossen, musste er die Arbeit am nächsten Stück aufnehmen. Dies hatte
zur Folge gehabt, dass das Arbeitsverhältnis vermutlich über die zuvor bestimmte
Kündigungsfrist hinausreichte.89 Diese Regelung wies eine gewisse Ähnlichkeit zu § 77 S 2
GewO 1859 auf. Die §§ 1159 bis 1159b ABGB wurden auf freie Dienstverhältnisse analog
angewandt.90

        § 1164 ABGB stellt klar, welche Regelungen im Dienstvertragsrecht relativ zwingend
sind. Günstigere Regelungen für AN stehen dieser Bestimmung, wie bereits erwähnt, nicht
entgegen. Um die Günstigkeit der Regelung festzustellen, ist anhand des später noch zu
erläuternden Günstigkeitsvergleiches in Form eines Gruppenvergleiches vorzugehen. Jene
Normen, die nicht in § 1164 ABGB aufgezählt sind, können dennoch einseitig oder zweiseitig
zwingende Wirkung entfalten.91

85
   Engelbrecht, Die Beendigung des Arbeitsvertrages 32 f.
86
   Krejci in Rummel (Hrsg), ABGB3 § 1159c Rz 85.
87
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1159 ABGB Rz 2.
88
   Mathy/Naderhirn in Kozak, ABGB §§ 1159-1159c Rz 6.
89
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1159 ABGB Rz 12.
90
   Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1159 ABGB Rz 4.
91
   Spenling in Koziol/Bydlinski/Bollenberger (Hrsg), ABGB: Kurzkommentar (2020) § 1164 Rz 1 f.
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