Kopfschmerzen aus Sicht des Notfallarztes - VZI 30.1.2020 KD Dr. med. Abraham Licht NotfallZentrum Hirslanden
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Kopfschmerzen aus Sicht des Notfallarztes KD Dr. med. Abraham Licht NotfallZentrum Hirslanden VZI 30.1.2020
Einteilung der Kopfschmerzen nach Beginn und maximaler Stärke A. perakut/stark SAB Intrazerebrale Blutung Gefässdissektion RCVS (reversibles zerebrales Vasoconstriktionssyndrom) Hypophysenapoplex B. über Stunden/mittel Migräne Meningitis Sinusvenenthrombose Liquorunerdrucksyndrom Arteritis temporalis Sinusitis C. über Tage/mässig Spannungskopfschmerzen ZNS Vaskulitis Idiopathische intrakranielle Hypertension
Einteilung nach „Don’t miss-Szenarien“: „Notfall“-Kopfschmerzen und/mit… 1. … plötzlichem Beginn und stärksten Schmerzen 2. … Verwirrung und fokalen Ausfällen 3. … reduzierter (B/-T-Zell) Immunität 4. … in höherem Alter 5. … Schwangerschaft 6. … hämorrhagische Diathese/Koagulopathie 7. … maligne Grunderkrankung 8. … Fieber 9. … GF-Ausfälle 10. … Bewusstseinsverlust
1). Seltenes ist selten, wird aber häufiger • 71 jähriger Patient mit metastasierendem NSCLC, „stabel disease“ • Seit 2-3 Tg. zunehmende Schwäche, Nausea, starke holozephale Kopfschmerzen • AZ deutlich reduziert, afebril, BD: 92/56mmHg (135/90mmHg sonst), Hf: 98/min, AF 14/min, A/C/P unauffällig. Neuro: schläfrig, periphere MER symmetrisch schwach ausl., Hirnnerven intakt, Sensibilität und Motorik unauffällig, GF klinisch: unauffällig. • Labor: Hb 11.2g/dl, Lc: 11 000, Tc: 121 000, CRP: 19, Na: 127mmol/l, K: 4.1mmol/l, Kreat: 105u/mol, GPT, AP und Calcium, Phosphat: normal.
Kopfschmerzen bei Neoplasie und AK-Behandlung • Vor 6 Tagen dritte Behandlung mit Keytruda (anti-PD-1) Checkpointinhibitor • Vd. a. Hypophysitis
Endokrinologische NF-Untersuchungen • Cortisol: 67 umol/l • fT4: 7pmol/l • TSH: 0.2 mUI/l • (ACTH: 3pg/ml) • (Testosteron:400pg/ml) • (LH/FSH, Prolactin: alle tief)
Hypophysitis durch Immuntherapie • Checkpointinhibitoren: NW: Haut, Leber, GI- Trakt, Endokrines System (Hypophysitis, SD Unterfunktion, Insulinitis, Adrenalitis, Cushing-Sy.). • Häufigkeit: 3-6% (Kombinationstherapie) • Pathogenese nicht geklärt: Reaktion auf PD-1 in Hypophyse und Lymphozyten? • Diagnostik: Klinik, tiefes TSH (zuerst!), erweitertes Labor, MRI (Ausschluss DD). • Therapie: Glucocortikoide (notfallmässig), Hormonersatz (im Verlauf), Merkblatt/Patientenedukation.
Kopfschmerz und Bildgebung
Neuer/progredient zunehmender KS: „red flags“: (subakutes) Kopftrauma Schmerz auftretend mit Anstrengung Neurologische Defizite Bekannte oder vermutete Neoplasie Immunosuppression Schwangerschaft Alter > 50 Jahre
Neuer Kopfschmerz und normale klinische neurologische Untersuchung Typischer Migränekopfschmerz Typischer Spannungskopfschmerz Initiale Diagnostik: …
Welche Bildgebung? (sekundärer Kopfschmerz) MRI besser als CT Gefässdissektionen SAB; wenn Beginn >24h Infektiöse ZNS-Erkrankung Autoimmune ZNS-Erkrankung Liquorunterdrucksyndrom Hypophysenapoplex Schwangerschaft Hirnmetastasen/hirneigene Tumoren
2). Fr. CG 31 jährig, 22. SSW • Am Vortag „unwohl“, am Abend Weihnachtsessen mit Familie, nachts mehrmals Erbrochen und Durchfall gehabt. Hohen BD gemessen(180/100mmHg) und holozephale Kopfschmerzen gehabt. • Am Morgen Übelkeit besser, BD normal, aber Kopfschmerz persistiert
Erbrechen,Durchfall, Kopfschmerzen…(II) • Temp: 36.8°, BD: 138/77mmHg, Hf: 75/min, Sätt: 98%, internistisch und neurologisch unauffällig. • Labor: Hb: 11.2g/dl, Lc: 6 600, Tc: 172 000, Kreat. und Prot. normal, CRP: 19, Urin: keine Proteinurie. • Symptomatische Therapie und Demissio.
Am nächsten Tag: erneute Vorstellung… „Kopfschmerz ist zermürbend“ Sinus transversum re. und vena jugularis re. sind thrombosiert
Kopfschmerzen und SS • Während SS und pP sind die üblichen KS am häufigsten: Spannungskopfschmerzen, Migräne • Spezielle Risiken: Präeklampsie, Sinusvenethrombose, Hypophysenapoplex • Präeklampsie: ab 20. SSW bis 6. Woche pp (v.a. Woche 1-5 pp). • Hypophysenapoplex: Schwellung der Hypophyse bis auf das 1.5-fache während SS-> Risikoerhöhung für Apoplex
Sinusvenenthrombose (generell-nicht nur bei SS) • Selten, 1% aller Strokes, Frauen x 3, 80%
SVT Risikofaktoren • 1. Thrombophilie, Gerinnungspathologie 2. hohe Östrogene: SS, orale Kontrazeption, IVF-Behandlung 3. assoziiert mit ZNS- Entzündungen • Negative Outcomeprädiktoren: - Ursache Neoplasie/Infektion - assoziierte intrazerebrale Blutung - GCS37 Jahre
SVT: Diagnostik • D-Dimere: - Sensitivität: 89 bis 97% - Spezifität: 80-86.5% Meng R, Wang X, Hussain M, et al. Evaluation of plasma D-dimer plus fibrinogen in predicting acute CVST. Int J Stroke 2014; 9: 166–173 • CT mit Venographie • MRI mit MR-Venographie (vor allem bei SS)
SVT: Therapie • Heparin, bevorzugt LMWH • Keine DOAKs • Dauer unklar: - bei bekanntem RF: 3-6 Monate - „unprovoziert“: 6-12 Monate • Bei erneuter SS: LMWH-Prophylaxe (?) • Indikation für systematische Gerinnungsabklärung: umstritten
Der schlimmste, akute Kopfschmerz (innerhalb 1-60 Min.): „Thunderclap headache“
3). 49-jährige Patientin mit dem „erstmalig schlimmsten Kopfschmerz“ (I) • Bekannte Hypothyreose (SD-Hormone) und Depression (SSRI) • Nach Defäkation, ganz plötzlich, furchtbarer, holozephaler Kopfschmerz (10/10 VAS), pulsatil und stechend • SZ betont frontal und biparietal, Verschlimmerung durch Bewegung, einmalig Erbrochen. • Diclofenac und Paracetamol mit Besserung über 90 Min.
49-jährig, stärkste SZ und Depression (II) • Am nächsten Tag nach erneuter Däfakation: gleiche Klinik, nun aber alle 4-6h rezidiverend, Ansprechen auf SZ Mittel weniger gut. -> NFS • CT-Schädel ohne KM: unauffällig, Labor: o.B. • afebril, kein Meningismus: BD: 154/94mmHg, Neurostatus: keine Auffälligkeiten • LP: unauffällig • Demissio
Verlauf: Tag 3 und 4 nach Beginn: (III) • SZ Mittel: Diclofenac, Novalgin, Sumatriptan p.o. und s.c., Targin, Lyrica, Temesta, Verdopplung SSRI: alles ohne Besserung. • Am vierten Tag: 3x Triggerpunktinfiltrationen: deutliche Besserung (VAS 3/10), Schlaf nicht möglich: Temesta verdoppelt. • Erneut um 23:50 auf NFS: CT-Angio mit KM (folgt..)
DD Thunderclap Headache A. Subarachnoidalblutung (Ottowah SAB Rule: >15j.,nicht-traumatisch, SZ max.
Ottawa SAH Regel: Gute Sensitivität: 100% Schlechte Spezifität: 18% -> (zu) viele radiologische Abklärungen -> CT ohne KM innerhalb von 6h von SZ Beginn: Ausschluss-Sensivität SAB von 99% (Blok KM, Rinkel GJ, Majoie CB, et al. CT within 6 hours of headache onset to rule out subarachnoid hemorrhage in nonacademic hospitals. Neurology 2015;84:1927- 32)
-> zurück bei der Pat. um Mitternacht Tag 4: Reversibles Cerebrales Vasocontriktions Syndrom • Kopfschmerztyp wie bei SAB • Anhalten über Stunden, Rezidive über 1-4 Wo. • CT bei Eintritt in 50-70% unauffällig • Auch die Angiographie kann in ersten Tagen unauffällig sein • Genese unklar: Endotheliale Dysfunktion, überschiessende adrenerge Gefässreaktion, Drogen, Chilicontest • Therapie supportiv: BD Kontrolle, Schmerzkontrolle, Behandlung von Krampfanfällen • Prognose gut (Spontanheilung) bei 90% der Pat. Schlechtes outcome: Hirnödem, progressiver Stroke, Tod: selten • Rezidive nach Restitutio: selten • Diverse Medikamente verschlechtern Symptome: Tryptane, Betablocker…
Don’t miss 1 Bei einer Schwangeren Pat. wollte ich bei typischer Klinik einen Sinusvenenthrombose ausschließen bei neg. D-Dimeren habe ich auf ein CT (wegen Strahlenbelastung) verzichtet. SVT: Klinik und Bildgebung. D-Dimere nur sinnvoll ohne Risikofaktoren. SS ist ein Risikofaktor. MRI gute Option
Don’t miss 2 Nach dem „akuten, schlimmsten Kopfschmerzen“ bei einem 51-jährigen Pat. habe ich ein normales Kopf-CT und eine normale LP (ohne Xanthochromasie), damit habe ich die SAB ausgeschlossen und den Pat. entlassen. Selten, z.B. bei positiver FA für Aneurismen, Abklärungen >24h nach SZ: -> Zusatzuntersuchungen (CT-Angio/MR- Angio) indiziert Wichtigste DD zur SAB ist das RCVS (Reversible- Cerebrale-VaskonstriktionsSyndrom): schwierige Diagnose, Drogen?, supportive Therapie, gute Prognose, aber diverse „typische KS-Medikamente“ schaden.
Don’t miss 3 Pat. mit Immuno/-Chemotherapie Generalisierte AZ-Verschlechterung mit Kopfschmerzen Das Labor ist nicht wegweisend, die Bildgebung (häufig CT) auch nicht Endokrinologische Diagnostik bei Checkpoint Inhibitoren und Vd. a. Hypophysitis denken (tiefes TSH häufig zuerst)
Abraham.Licht@gmail.com
Einteilung Kopfschmerzen-> für die NFS unbrauchbar! Primärer Sekundärer 1. Migräne 1. Bakterielle Genese 2. Tension 2. Subarachnoidalblutung 3. Cluster 3. Reversibles zerebrales Vasokonstrictionssyndrom 4. Art. temporalis Craniale Neuropathien 5. Gefässdissektion 1. Trigeminusneuralgie 6. Hirnvenen- und Sinusthrombose 7. Idiopathische intrakranielle Hyp. 8. Liquorunterdrucksyndrom 9. Glaukom 10. Medikamentös induz. KS (MIK)
Primäre KS (Cluster, Migräne, Spannungs-KS), sekundäre oder nicht klassifizierte KS nach Alter und Prozent (GP Studie in HA Praxen UK) David Kernick et al. Br J Gen Pract 2008;58:102-104
Hypophysitis bei Checkpointinhibitoren, tiefes TSH Sinusvenenthrombose: jüngere Frauen (IVF), D-Dim., bei SS: MRI SAB: Ottawa Rule: 1/6->früh CT, nur in speziellen Situationen weitere Abklärungen (LP, MRA/CTA) Bei Vd. a. Carotis/-Vertebralisdissektion: Bildgebung vor neurologischen Ausfällen
CT vor LP? LP i.o. ohne CT Keine LP durchführen Alter < 60 Jahre Mitellinienverlagerung Keine Immunsupression Obstruktiver Hydrocephalus Keine vorbekannte ZNS-KH Basale Zysternen unter Druck Kein Krampfanfall
Kopfschmerzen und hämorrhagische Diathese/Koagulopathie • Alle Faktoren mit Hyperkoagulopathie erhöhen Risiko für SVT deutlich: 1/3 aller Pat. hat: AT-III, Prot. C/S, Faktor V Leiden etc. • Akquiriert und genetische Blutungsneigungen-> intrakranielle Blutungen, v.a. nach Trauma: Hämophilie, Von-Willebrand-F-Mangel. Pat. unter OAK und DOAK: 12-20% aller intrazerebralen Blutungen
Pitfall 3 Mein Patient mit Kopf- und Nackenschmerzen hat keine neurologischen Ausfälle, damit habe ich eine sehr niedrige Wahrscheinlichkeit für eine Karotis- oder Vertebralarteriendissektion und auf eine Bildgebung verzichtet. Dissektionen im Kopfbereich sind initial oft ohne zusätzlichen neurologische Ausfälle. Ziel der Therapie ist eine Diagnostik vor der Thrombusbildung und Embolisierung.
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