Kuchen von Oma im Café - Von Sabine Buchwald

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Kuchen von Oma im Café - Von Sabine Buchwald
Geschäftsidee mit sozialer Komponente - Kuchen von Oma im Café - Süddeutsche.de                                  06.06.14 10:24

                                                                 Muenchen

                   3. Juni 2014 11:12 Geschäftsidee mit sozialer Komponente

                   Kuchen von Oma im Café
                   Von Sabine Buchwald

                   Für ihr Projekt "Kuchentratsch" lassen Katharina Mayer und Katrin Blaschke
                   Seniorinnen backen. So entsteht selbstgemachtes Gebäck für Kunden - und
                   die Damen landen nicht in der Isolation. Gute Idee, eigentlich. Doch die
                   Handwerkskammer hat Bedenken.

                   Sie sind keine Sozialpädagoginnen und einen Hintergrund in Altenpflege haben sie
                   auch nicht. Katharina Mayer und Katrin Blaschke haben Betriebswirtschaft studiert.
                   In Innsbruck, wo sie sich kennenlernten. Sie wären qualifiziert für ein Angestellten-
                   Dasein mit klimatisiertem Büro, hauseigener Kantine, bezahltem Urlaub. Für sie
                   keine Option. "Das entspricht nicht meinem Charakter", sagt Katharina Mayer. "Ich
                   habe viel zu viele Ideen." Eine davon setzt sie gerade mit ihrer ehemaligen
                   Kommilitonin um: Kuchenbacken mit Seniorinnen für private Buffets, für Restaurants
                   und Cafés.

                   Die beiden Frauen sind 24 und stehen am Anfang ihrer unternehmerischen
                   Selbständigkeit. Sie sind schon ziemlich weit gekommen. Ihre Geschäftsidee klingt
                   so gut, dass sie ohne großen Werbeaufwand bereits etliche potenzielle Kunden
                   überzeugen konnten. Sie staunen selbst. Mit einer Bank, einer großen Stiftung, einer
                   Kaffeekette und verschiedenen Cafés verhandeln sie bereits, ein Bio-Biergarten
                   hätte ihre Kuchen gerne verkauft, allein: Dort wollte man nicht mehr länger warten,
                   bis sie umfangreich liefern können. Denn noch dürfen Mayer und Blaschke nicht
                   richtig loslegen. Was fehlt, ist die Zulassung der Handwerkskammer: Wie
                   ausgebildete Bäcker müssen sie in der Handwerksrolle eingetragen sein - und das
                   ist problematischer, als die beiden sich das vorgestellt hatten.

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Kuchen von Oma im Café - Von Sabine Buchwald
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                   In der Kuchenbäckerei: eine Seniorin bei der Zubereitung einer süßen Leckerei. (Foto: Stephan
                   Rumpf)

                   Die Idee ist prämiert
                   Die Probephase aber läuft. Private Kunden haben Mayer und Blaschke schon mit
                   Süßem versorgt, etwa Kuchen für Familienfeiern geliefert. Dass die beiden Frauen
                   eine gute Geschäftsidee entwickelt haben, erfahren sie von vielen Seiten. Beim
                   Ideenwettbewerb YooWeeDoo gewannen sie 2000 Euro Startkapital, Mitte Mai
                   waren sie bei der Messe "Fair Cycle" in der Münchner Reithalle eingeladen und
                   durften Kuchen und Konzept präsentieren, kurz darauf in Zürich bei Seif Awards, wo
                   10 000 Franken Preisgeld an den Sieger gehen (die Entscheidung steht noch aus).

                   Ihr Konzept überzeugt: "Viele Leute haben keine Zeit, selbst zu backen, oder sie
                   können es nicht besonders gut", sagt Katrin Blaschke. Sie stammt aus dem Allgäu,
                   da sei auf Festen die Konkurrenz am Kuchenbuffet groß. In der Großstadt, so hat sie
                   festgestellt, definiere man sich viel weniger über Produkte aus der eigenen Küche.
                   Dennoch stehe Selbstgemachtes auch hier hoch im Kurs: auf Schulfesten und
                   Partys, auf Taufen und Kommunionfeiern. Dann kommen die Seniorinnen zum
                   Einsatz, wenn man eben nicht selbst backen kann oder mag. Allerdings:
                   Mindestbestellwert sind fünf Kuchen.

                   Der Aspekt der Kunden ist nur ein Gedanke von Mayers und Blaschkes Projekt, das
                   sie "Kuchentratsch" nennen. Es hat eine starke soziale Komponente: Es geht ihnen
                   um die sinnvolle Einbindung von älteren Menschen in die Gesellschaft: In
                   Gemeinschaft etwas tun und Wissen weitergeben, neue Leute kennen lernen und
                   Spaß haben, gebraucht werden - und gelobt. Die Kuchen seien ein Mittel zum

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                   Zweck, sagt Katharina Mayer. Das klingt nüchterner, als sie es wohl meint. Denn
                   tatsächlich denkt sie an die Menschen.

                   Die alten Damen backen nach ihren eigenen lebenslang erprobten Rezepten, die
                   vielleicht in keinem Backbuch stehen. Kundenwünsche werden vage erfüllt. Der
                   Kunde kann sagen, ob er Obstkuchen haben möchte - mit oder ohne Quark -, Rühr-
                   oder Schokoladenkuchen. Ob und wie dann aber Rhabarber-Stangen, Pfirsiche oder
                   Äpfel verbacken werden, bestimmen die Jahreszeit und die Bäckerin. Vor dem
                   Backtag geben sie an Mayer und Blaschke weiter, welche Zutaten sie brauchen.
                   Mehl von einer nahen Mühle, Eier von zufriedenen Hennen, Obst aus der Region -
                   darauf achten die Chefinnen. So wenig wie die Seniorinnen vorneweg einkaufen,
                   müssen sie hinterher die Küche putzen. Auch das übernehmen andere für sie. Nicht
                   überraschend: Mayer und Blaschke haben bislang nur Frauen auf ihrer
                   Mitarbeiterliste. Die dürfe gern noch länger werden, sagen sie, backende
                   Männer inklusive.

                   Eine Auswahl an selbstgebackenen Kuchen für private Buffets, Restaurants und Cafés. (Foto:
                   Stephan Rumpf)

                   Damit sich ein "Gefühl wie daheim" einstellt, wollen die Kuchentratsch-Macherinnen
                   nicht in einer Hightech-Küche arbeiten lassen. Küchen für gewerbliche Zwecke aber
                   müssen Hygienestandards erfüllen, zum Beispiel hoch geflieste Wände haben. Für
                   ihre Probeläufe nutzt das Backteam derzeit immer montags die Küche einer
                   ehemaligen Kantine, die solche Voraussetzungen erfüllt. "Wunschort wäre die
                   Backstube einer alten Bäckerei", sagt Mayer, eine Münchnerin mit Lust am Reisen.

                   Hohe Hürden
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                   Im März vor einem Jahr war sie mit dem Rucksack in Brasilien unterwegs. Für wenig
                   Geld kaufte sie Teilchen von Straßenhändlern. Gebäck, das von den
                   Familienmitgliedern zu Hause hergestellt wurde. Mayer, schlank und
                   hochgewachsen, genoss das süße Angebot. Vor ihrem Studium lernte sie
                   Hotelfachfrau, die Gastronomie ist ihr also nicht fremd, und so reifte in ihrem Kopf
                   die Idee für "Kuchentratsch".

                   Brasilien aber ist nicht Deutschland. Zur Qualitätssicherung verlangte die
                   Handwerkskammer einen Bäckermeister an der Seite der Frauen oder eine eigene
                   handwerkliche Ausbildung. Eine Bedingung, die sie nicht erfüllen können und die das
                   Projekt Kuchentratsch kurzzeitig ins Wanken brachte. Eine Ausnahmegenehmigung
                   schafft nun Abhilfe. Über einen Internet-Blog entdeckten Mayer und Blaschke ein
                   Schlupfloch, durch das sie wohl schon bald an ihr Ziel gelangen: Blaschke büffelt
                   derzeit für eine Prüfung, in der sie sich über Hygienevorschriften, Backmethoden,
                   Teigarten und ähnliches bei der Handwerkskammer abfragen lassen wird, um dann
                   die Betriebsleitung fürs Kuchen- und Tortenbacken übernehmen zu können. Warum
                   nur sie? Weil diese Prüfung gut 700 Euro kostet. Eine gewaltige Summe für die
                   Jungunternehmerinnen, die als BWL-Absolventinnen durchaus effizient
                   rechnen können.

                   Ans Aufgeben aber haben sie nicht eine Sekunde gedacht. "Wir wollen etwas
                   bewirken", haben sie auf ihren Flyer geschrieben. Und: "Ich lerne mit diesem Projekt
                   in kurzer Zeit so viel mehr, als ich in einer etablierten Firma hätte lernen können",
                   sagt Katrin Blaschke.

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                   Auf die Zutaten kommt es an, vor allem aber auf die Rezepte im Kopf der Seniorinnen. (Foto:
                   Stephan Rumpf)

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                   Quelle:             SZ vom 03.06.2014/wolf
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