Leitfaden Hausaufgaben-Praxis - Alois Niggli, Inge Schnyder, Sandra Moroni

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Leitfaden Hausaufgaben-Praxis - Alois Niggli, Inge Schnyder, Sandra Moroni
Leitfaden
Hausaufgaben-Praxis
Alois Niggli, Inge Schnyder, Sandra Moroni

                                             Die Inhalte stützen sich auf ein vom Nationalfonds finanziertes Projekt,
                                             das an der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführt worden ist.
Leitfaden Hausaufgaben-Praxis - Alois Niggli, Inge Schnyder, Sandra Moroni
Einleitung
Seit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht sind   Eine erziehungswissenschaftliche Analyse kann
Hausaufgaben fester Bestandteil des Unterrichts.        dagegen Hinweise geben, welche Aufgaben in
Unter Pädagoginnen und Pädagogen sind sie jedoch        welchem Umfang und mit welcher Regelmässig-
heftig umstritten. Einige wünschen sie ins Pfeffer-     keit lernwirksam sind. Sie kann auch aufzeigen
land. Sie würden den Familienfrieden stören. Kinder     mit welchem Engagement die Schüler/innen diese
aus bildungsferneren Milieus seien benachteiligt,       Aufgaben erledigen und unter welchen Bedin-
und ihre Wirkung sei ohnehin ungeklärt. Im August       gungen sie dabei erfolgreich sind oder nicht. Eine
2016 forderte zum Beispiel der Deutschschweizer         wissenschaftliche Untersuchung unter der Leitung
Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter, die       von Prof. Dr. Alois Niggli von der Forschungsstelle
Hausaufgaben seien abzuschaffen. Allerdings sind        der Pädagogischen Hochschule Freiburg ist diesen
bis heute alle derartigen Versuche gescheitert. Viele   Fragen nachgegangen. Das Forschungsteam hat
Lehrpersonen erachten Hausaufgaben als wichti-          Studien in den Kantonen Wallis und Freiburg durch-
ges Mittel für selbstständiges Lernen. Zudem stehe      geführt und die internationale Fachliteratur aufge-
mehr Lernzeit zur Verfügung als die Schule allein       arbeitet. Die Resultate und Schlussfolgerungen
leisten könne. Die überwiegende Mehrheit der Eltern     daraus sind in diesem Leitfaden dargestellt.
erwarte im Übrigen, dass ihre Kinder Hausaufgaben
erhielten.                                              Thematisch ist der Text in drei Bereiche gegliedert:

Diese Diskussion speiste sich lange Zeit aus vielen     A     Hausaufgaben erteilen
vorgefassten Meinungen und sehr wenigen Fakten.
Zwar wäre es falsch, die Bedeutung persönlicher         B     Hausaufgaben erledigen
Annahmen zu unterschätzen. Hausaufgaben sind
für viele Eltern, Kinder und Lehrpersonen unmittel-     C     Hausaufgaben betreuen
bar erfahrbar. Jeder hat sich von seiner Warte aus
ein Urteil bilden können. Dennoch sollten solche        Zu jedem Bereich werden wissenschaftliche Erkennt-
Fragen auch systematisch geprüft werden. Ohne           nisse dargestellt. Davon ausgehend werden Konse-
methodische Untersuchungen kann man alles oder          quenzen für die Praxis erörtert. Diese Informationen
auch das Gegenteil behaupten.                           können das Erfahrungswissen der Lehrpersonen
                                                        ergänzen und gegebenenfalls auch Anpassungen
                                                        in der Praxis anregen. Damit wichtige Anliegen in
                                                        die Tat umgesetzt werden können, sind im Anhang
                                                        entsprechende Werkzeuge beigefügt, z. B. Frage-
                                                        bogen, Merkblätter und Reflexionsbogen.
4              Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben erteilen

A Hausaufgaben erteilen
Sind Hausaufgaben lernwirksam?
In der gross angelegten Untersuchung «Visible
Learning» zeigt der Faktor Hausaufgaben eine
Effektstärke von lediglich 0.33 (Hattie/Zierer, 2016,
S. 62f).

                                       0.4     0.5
                               0.3                       0.6
                     0.2                                       0.7

                           Lehrereeffekt
              1
             0.

                                                                     0.
                                                                         8

                normale
                                                                             0.9
        0

               Entwicklung
                                                                               1.0
 -0.1

            umkehrende
                                                                                   1.1

                                                        wünschenswert
              Effekte
                                                        grosse Effekte
-0.2

                                                                                   1.2

                                Hausaufgaben d = 0.33

Abbildung 1: Die Hausaufgaben haben in der gegenwärtig angewendeten Praxis einen geringen Effekt auf die
Lernleistung

Die durchschnittliche Effektstärke der erfassten                     Die Resultate der Hattie-Studie liefern einen
Faktoren liegt bei 0.4. Hattie und Zierer betonen                    Gesamtwert zur Wirksamkeit. Diese hängt aber
jedoch, dass Hausaufgaben nicht per se unnütz oder                   von speziellen Bedingungen in der Praxis ab. Hattie
unwirksam sind. Sie können im Gegenteil zu einem                     unterscheidet beispielsweise nicht zwischen älteren
Schlüssel erfolgreichen Unterrichtens werden, wenn                   und jüngeren Kindern, schwächeren und stärkeren
sie richtig eingesetzt werden. Hausaufgaben sollten                  Schülerinnen und Schülern, Klassen in höheren
als «eine Form des bewussten Übens gesehen                           oder tieferen Leistungsniveaus, Art und Weise der
werden, das sowohl der Vor- als auch der Nachbe-                     Hausaufgeben, usw. Die folgenden Angaben sollen
reitung des Unterrichts dient, das herausfordernd,                   diesen Ansprüchen für die Praxis eher gerecht
regelmässig und vielfältig gestellt wird, das die so                 werden.
wichtigen Fehler im Lernprozess offenlegt, an denen
dann in den Folgestunden weitergearbeitet wird ...»
(a.a.O).
5

 Lieber oft als viel
 Mit den Hausaufgaben wird die Schule in die
 Freizeit verlängert. Das ist dann gerechtfertigt, wenn
 die Schüler/innen davon profitieren können, zum
 Beispiel, indem sie den Schulstoff besser verstehen,
 mehr und besser lernen oder bei Prüfungen bessere
 Noten erreichen. Es stellt sich die Frage, unter
 welchen Bedingungen diese Ziele erreicht werden.

 Wissenschaftliche Befunde, ob sich die Menge der
 Hausaufgaben auf die Leistungen auswirkt, können
 unter den Gesichtspunkten der Häufigkeit und des
 Zeitaufwands betrachtet werden.
Leistung

                                                             Leistung

      nie             gelegentlich               oft

                     Häufigkeit                                                Zeitaufwand
 Abbildung 2: Die Lernleistung bei Hausaufgaben abhängig von der Häufigkeit, wie sie erteilt werden und vom Zeitauf-
 wand für die Lernenden.

 Häufigkeit: Lehrerinnen und Lehrer, die in einem             Zeitaufwand: Je mehr Zeit die Schüler/innen für die
 Fach regelmässig Hausaufgaben geben, erreichen               Hausarbeiten aufwenden müssen, umso schlechter
 in ihren Klassen durchschnittlich leicht höhere              werden ihre Schulleistungen. Es gibt offenbar ein
 Leistungen als Lehrpersonen, die nur gelegentlich            Optimum. Dieses kann aber nicht exakt bestimmt
 Hausaufgaben geben.                                          werden. Überschreitet die Menge der Hausaufgaben
                                                              eine bestimmte Grösse, ist deren Wirkung negativ.
                                                              Durch eine hohe Hausaufgabenbelastung werden
                                                              vor allem die leistungsschwachen Schüler/innen
                                                              noch schwächer. Diese Erkenntnisse wurden
                                                              aus Studien an älteren Schüler/innen, ab der
                                                              5./6. Klasse, gewonnen. Die wenigen Studien an
                                                              jüngeren Kindern zeigen keinen oder ebenfalls einen
                                                              negativen Zusammenhang zwischen der Menge der
                                                              Hausaufgaben und der Leistung. Je mehr Hausauf-
                                                              gaben desto schlechter die Leistung.
6        Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben erteilen

Schlussfolgerungen für die Praxis
Hausaufgaben sollten möglichst regelmässig von        In den höheren Jahrgangsstufen ist es wichtig, dass
Lektion zu Lektion erteilt werden.                    sich die Lehrpersonen untereinander absprechen,
                                                      damit die Hausaufgabenmenge nicht zu gross wird.
Würden die Schülerinnen und Schüler aber in allen
Fächern regelmässig Hausaufgaben bekommen,           In Fächern mit wenigen Lektionen pro Woche lassen
dann könnte dies zu hohen Belastungen führen (ins-   sich die Lernleistungen durch Hausaufgaben wahr-
besondere bei jüngeren und leistungsschwächeren      scheinlich nur geringfügig verbessern. Hier ist es
Kindern). Je nach Schulstufe ist es überlegens-      besser, auf Hausaufgaben zu verzichten oder sie
wert, Hausaufgaben z. B. nur                                   für andere Zwecke einzusetzen. Man kann
in     bestimmten    Fächern                                         z. B. projektartige Hausaufgaben, wie
zu erteilen. Bei gewissen                                              die Vorbereitung eines Vortrags,
Fächern stellt sich zudem                 Wer zu lange                  erteilen.
die Frage, auf welche Fer-
                                          lernen muss,
tigkeiten man den Schwer-                                              Lernstoff, der im Unterricht mit
punkt legen möchte. In
                                         lernt weniger.                der Klasse nicht durchgenommen
Deutsch muss man sich                                                 werden konnte, sollte mit Hausauf-
beispielsweise entscheiden,                                          gaben nicht nachgeholt werden. Der
ob die Schüler/innen regelmässig                                 Zeitaufwand wäre zu gross. Es kommt
lesen, Texte verfassen oder eher die Rechtschrei-    immer wieder vor, dass Schüler/innen neben den
bung üben sollen. Es ist nicht lernwirksam, wenn sie Hausaufgaben zusätzlichen Lernstoff bearbeiten
alles ein wenig tun.                                 müssen, weil sie im Unterricht zu langsam voran-
                                                     gekommen sind. Wer zu lange lernen muss, lernt
                                                     jedoch weniger. Die Massnahme wirkt also genau
                                                     entgegengesetzt zur Intention. Die langsameren
                                                     Schüler/innen werden von diesem Überangebot
                                                     arbeitsmässig erdrückt.
7

Kognitive Anregung lohnt sich
Die Hausaufgaben sollten von guter Qualität sein.               `` Schüler/innen lernen mehr, wenn sie sich von
Wenn Schüler/innen die Hausaufgaben als langwei-                   den Hausaufgaben einen Nutzen versprechen.
lig empfinden, ist deren Lernwirkung bescheiden,                   Der Nutzen zeigt sich z. B. darin, dass eine
auch dann, wenn sie sorgfältig dosiert sind. Die                   Prüfung besser ausfällt, dass der Lerninhalt für
Forschung dazu hat folgende Ergebnisse geliefert:                  den späteren Beruf von Bedeutung ist oder
                                                                   dass er im alltäglichen Leben wichtig bzw.
`` Die Qualität der Hausaufgaben wird von den                      sinnvoll erscheint.
   Schüler/innen eher niedrig eingestuft.                       `` Ferner lernen die Schüler/innen mehr, wenn sie
`` Schüler/innen in Klassen, die den Anregungs-                    daran glauben, die Hausaufgaben selbstständig
   gehalt der Hausaufgaben vergleichsweise hoch                    lösen zu können.
   einschätzen, lernen mehr als Schüler/innen                   `` Vergeben Lehrpersonen hauptsächlich einfache
   anderer Klassen.1                                               wiederholende Übungsaufgaben, lernen die
`` Schüler/innen in Klassen, die das Anspruchsni-                  Schüler/innen weniger.
   veau der Hausaufgaben vergleichsweise hoch                   `` Vorbereitende Hausaufgaben können sinnvoll
   einschätzen, lernen mehr als Schüler/innen                      sein, um das Interesse für den nachfolgenden
   anderer Klassen.2 Allerdings können schwä-                      Unterricht zu erhöhen oder die Schülerinnen
   chere Schüler/innen Nachteile erleiden, wenn                    und Schüler ins Thema einzuführen. Die Infor-
   die Aufgaben für sie zu schwierig sind.                         mationen müssen nachher im Unterricht aber
                                                                   genutzt und weiterverarbeitet werden.

1 Der Anregungsgehalt wurde gemessen, indem die Schüler/innen angaben, wie interessant sie die Hausaufgaben fanden und wie
  sehr sie dank den Hausaufgaben den im Unterricht gelernten Stoff vertiefen konnten.
2 Das Anspruchsniveau ist gleichbedeutend mit dem Schwierigkeitsgrad, den die Schüler/innen den Hausaufgaben zuweisen.
8         Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben erteilen

                                                     Bedeutung für die Praxis
                                                     Die Erkenntnisse der Forschung zeigen, dass sich
                                                     der Zeitaufwand lohnt, qualitativ hochwertige Haus-
                                                     aufgaben zu erteilen. Die Schüler/innen sind eher
                                                     bereit, sich anzustrengen und zeigen entsprechend
                                                     bessere Leistungen. Hausaufgaben sollten nicht
                                                     einseitig für das repetitive Üben und Wiederholen
                                                     eingesetzt werden. Üben ist für das Lernen unver-
                                                     zichtbar und sollte unter optimaleren Bedingungen
                                                     stattfinden als dies bei den Hausaufgaben oftmals
                                                     der Fall ist. Zu Hause wird das Üben schnell einmal
                                                     langweilig und die Bereitschaft, sich anzustrengen,
                                                     sinkt ab. Übungsphasen in der Schule sind wirkungs-
                                                     voller, weil sie variantenreicher und anspruchsvoller
                                                     gestaltet werden können und weil man mit anderen
                                                     gemeinsam üben kann. Im Unterricht ist zudem die
                                                     Betreuung durch die Lehrperson gewährleistet. Sie
                                                     kann darauf achten, dass die Schüler/innen dran-
                                                     bleiben und die Übungen richtig durchführen.

                                                     Interessant werden die Hausaufgaben dann, wenn
       Anforderungsniveaus                           nicht nur Aneignung und Reprodukion von Wissen
       von Aufgaben                                  verlangt wird, sondern auch Produktion und Transfer
                                                     von Wissen sowie Reflexion, Problemlösen und
    `` Niveau I: Aneignung und Reproduktion
       von Wissen                                    Beurteilen (siehe Kasten «Anforderungsniveaus von
       Wiedergabe von Sachverhalten aus einem        Aufgaben»).
       begrenzten Gebiet und in einem gelernten
       Zusammenhang; Verwendung gelernter
                                                     Die Hausaufgaben sollten trotzdem so gestellt sein,
       und geübter Arbeitstechniken und
       Methoden.                                     dass die Schülerinnen sie alleine lösen können. In
                                                     der Unterrichtspraxis ist häufig zu beobachten, dass
    `` Niveau II: Produktion, Reorganisation,
       Transfer von Wissen                           grössere schulische Projekte mit Hausaufgaben ver-
       Selbständiges Bearbeiten, Ordnen und          bunden werden. Die Schüler/innen müssen z. B. für
       Erklären von Themen; Anwenden gelernter       ein Referat im Internet recherchieren, eine Präsenta-
       Inhalte und Methoden auf andere Gebiete.
                                                     tion vorbereiten, kleinere Befragungen durchführen
    `` Niveau III: Reflexion, Problemlösen und       oder ähnliches. Die dazu notwendigen Fähigkeiten
       Beurteilung
                                                     müssen jedoch im Unterricht erworben werden.
       Eigenständige Reflexion und Problemlö-
       sung; reflexiver Umgang mit neuen Prob-       Vor allem Internetrecherchen, die in die häusliche
       lemstellungen; selbständiges Anwenden         Umgebung verlagert werden, verlangen ein gründ-
        von Methoden: selbständiges Urteilen         liches Coaching durch die Lehrperson.
           und Begründen.
9

Ideen für anregende und herausfordernde
Hausaufgaben

`` Die Schülerinnen und Schüler formulieren                        `` Deutsch: Es ist generell eine anregende und
   eigene Fragen zu einem Lerninhalt, die dann im                     herausfordernde Aufgabe, einen Text zu
   Unterricht besprochen werden.                                      formulieren.
`` Einzelne Lerninhalte werden grafisch dargestellt                `` Mathematik: Tarife für Internet oder Mobiltelefo-
   (Mindmap, Concept Map).3                                           nie vergleichen und günstigste Variante finden.
`` Deutsch: Die Schülerinnen und Schüler wählen                    `` Mathematik: Zwei Lösungsvarianten einer
   einen Text aus, der sie interessiert. Sie bereiten                 Aufgabe mit unterschiedlichen Resultaten
   ihn so auf, dass sie ihn der Klasse in einer frei                  vergleichen und richtige Variante bestimmen.
   gewählten Form präsentieren können, z. B. in
   einem fünfminütigen Kurzreferat oder mittels
   einer Visualisierung.

Differenzieren
Zwei der oben genannten Forschungsergebnisse                       Die Forschung zeigt, dass Lehrpersonen in der
lassen sich nur schwer unter einen Hut bringen.                    Regel allen Kindern die gleichen Aufgaben geben
Einerseits sollten die Schüler/innen herausfordert                 und sich in den Anforderungen an den schwäche-
werden, andererseits sollten möglichst alle die                    ren Schüler/innen orientieren. Was bewirkt, dass die
Hausaufgaben selbstständig lösen können. Der                       Leistungsstarken selten herausgefordert werden.
Widerspruch lässt sich mildern, indem man die
Aufgaben differenziert. Über die Wirkung dieser
Massnahme gibt es leider kaum Untersuchungen.
                                                                             Die Zeitregel hat
                                                                                 Schwächen
                                                                      Als Zeitlimite für das Lösen der Hausaufgabe
                                                                      hat sich die Faustregel «pro Schuljahr 10
                                                                      Minuten» etabliert. Im ersten Schuljahr also
                                                                      10 Minuten, im zweiten 20 usw. Weil sich die
                                                                      Arbeitstempi der einzelnen Schülerinnen und
                                                                      Schüler extrem unterscheiden, ist diese Regel
                                                                      allerdings schwierig umzusetzen. Wenn die
                                                                      maximale Arbeitszeit nicht überschritten
                                                                       werden soll, ist es unumgänglich, die
                                                                          Aufgaben individuell zu differenzieren.

3 www.iqesonline.net > Lernen > Lernen lernen > Methodenkoffer Visualisieren im Unterricht
10       Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben erteilen

Differenzierungsmöglichkeiten
Differenzierung der Bearbeitung: Bei offenen
Aufgaben, wie z. B. dem Schreiben von Texten,         Beispiel Wahldifferenzierung:
geben die Schüler/innen eine Arbeit ab, deren         Französisch
Umfang ihrer Leistungsfähigkeit entspricht.           «Eine Wohnung einrichten»

Wahldifferenzierung: Die Schüler/innen können         Die Schüler/innen können eine der folgenden
selber aus einer Auswahl von Aufgaben jene aussu-     Varianten als Hausaufgabe wählen.
chen, die ihrem Können entsprechen (vgl. Beispiel     a. sich alle neuen Wörter einprägen.
Französisch «Eine Wohnung einrichten»).               b. das eigene Zuhause zeichnen und alle
                                                         Räume benennen.
Quantitative Differenzierung: Die Lehrperson          c. das eigene Zuhause beschreiben.
erteilt eine bestimmte Menge von gleichartigen        d. zu jedem Wort, das während der Lektion
Aufgaben. Einen minimalen Teil davon müssen              ins individuelle Vocabulaire eingetragen
alle Schüler/innen lösen. Von den schnelleren wird       wurde, ein Bild herstellen (suchen im
erwartet, dass sie über dieses Minimalziel hinaus        Internet oder in Zeitschriften, selber
weitere Aufgaben lösen.                                  zeichnen), auf der Rückseite des Bildes
                                                         das dargestellte Wort hinschreiben
Qualitative Differenzierung: Zum Grundstock der
Aufgaben, die für alle obligatorisch sind, bekommen   Zwei weitere Wahlmöglichkeiten im Anschluss
leistungsstarke Schüler/innen zusätzliche Aufgaben    an eine nachfolgende Lektion
mit erhöhtem Anforderungsniveau.                      a. Die Schüler/innen erstellen eine ausführ-
                                                         liche Möbelliste zu «salle de séjour» und
                                                         «chambre à coucher». Jeweils fünf Möbel
                                                         passen nicht.
                                                      b. Die Schüler/innen beschreiben ihr
                                                         Traumzimmer.
11

Instrumente zum Erteilen von Hausaufgaben
Vorlagen für die Erstellung von Fragebogen                 Reflexions- und Feedbackinstrumente
`` S15a Schülerinnen- und Schülerbefragung zu              `` L24 Selbsteinschätzungsbogen für Lehrper-
   den Hausaufgaben (3.-6. Klasse)                            sonen zum Anforderungsniveau der erteilten
`` S15b Schülerinnen- und Schülerbefragung zu                 Hausaufgaben
   den Hausaufgaben (6.-9. Klasse)                         `` L25 Selbstbeobachtungsbogen für Lehrperso-
`` S16 Lehrpersonenbefragung zur                              nen zur Häufigkeit von Hausaufgaben
   Hausaufgabenpraxis                                      `` L26 Selbstreflexionsbogen für Schülerin-
`` S17 Elternbefragung zur Hausaufgabenpraxis                 nen- und Schüler, Wie erledigst du deine
                                                              Hausaufgaben?
Die Fragebogen sind sowohl online als auch als             `` L27 Hausaufgabenprotokoll für Schüler/innen
Druckvorlagen (Word und PDF) verfügbar.                       zur zeitlichen Belastung bei den Hausaufgaben

www.iqesonline.net
> Unterricht > Aufgaben > Hausaufgaben

Abbildung 3: Schüler/innenfeedback zur Qualität der Hausaufgaben mit der Evaluationszielscheibe.
12       Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben erledigen

B        Hausaufgaben erledigen

Engagiert lernen bringt viel, lange lernen wenig
Wer lange lernt, lernt nicht mehr, sondern eher      `` Anstrengung und zeitlicher Aufwand korrelieren
weniger. Entscheidend ist das Engagement bei den        kaum. Schüler/innen, die angeben, sie strengen
Hausaufgaben. Das sind kurz zusammengefasst die         sich bei den Hausaufgaben an, sagen nicht, sie
Erkenntnisse aus der Forschung.                         würden mehr Zeit brauchen.
`` Schüler/innen, die angeben, sich bei den          `` Schüler/innen, die vor Prüfungen intensiv lernen,
   Hausaufgaben anzustrengen und sorgfältig             sich sonst aber bei den Hausaufgaben wenig
   zu arbeiten, zeigen durchwegs bessere                engagieren, zeigen geringere Leistungen als
   Leistungen. Hausaufgaben sind bei diesen             solche die sich regelmässig bei den Hausaufga-
   Schüler/innen somit wirksam.                         ben anstrengen.
`` Die Zeit, die Schüler/innen individuell aufwen-
   den, steht in einem negativen Zusammenhang
   mit dem Lernerfolg. Lange über den Hausauf-
   gaben brüten bringt nicht bessere, sondern
   eher schlechtere Leistungen.

Diese Feststellungen führen zur Frage, was die Schüler/innen dazu motiviert, Hausaufgaben engagiert zu
bearbeiten bzw. was sie von den Hausaufgaben ablenkt. Hier können einerseits individuelle Haltungen und
Einstellungen identifiziert werden und natürlich auch äussere Einflüsse.

 Positive Einstellungen                                Negative Einstellungen
 `` Das Fach gefällt mir.                              `` Ich mag dieses Fach nicht.
 `` Ich habe die letzten Male die Hausaufgaben         `` In diesem Fach ist mir bis jetzt kaum etwas
    gut lösen können.                                     gelungen.
 `` Die Hausaufgaben sind für mich nützlich,           `` Es nützt mir nichts, wenn ich versuche, die
    weil ich den Lerninhalt besser verstehe, eine         Hausaufgaben zu lösen.
    bessere Note bei der Prüfung schreibe usw.         `` Ich schaffe es wahrscheinlich nicht, die
 `` Ich kann die Hausaufgaben selbstständig               Hausaufgaben alleine zu lösen.
    lösen.

 Positive externe Faktoren                             Negative externe Faktoren
 `` Mitschülerinnen und Mitschüler sind                `` Fehlende Leistungsorientierung in der
    leistungsorientiert                                   Klasse
 `` Eltern interessieren sich für die Hausaufga-       `` Mangelndes Interesse der Eltern an der
    ben und sorgen für ein gutes Arbeitsumfeld            Schule und an den Hausaufgaben
                                                       `` Häufiges Fernsehen
13

Bedeutung für die Praxis
Um Hausaufgaben erfolgreich erledigen zu können,      ihnen muss man wahrscheinlich individuelle Bera-
braucht es überfachliche Kompetenzen wie planen,      tungsgespräche führen.
sich konzentrieren, sich selbst führen und motivie-
ren. Hausaufgaben sind darum auch geeignet, sich      Gespräche mit Lernenden, die Mühe haben, Haus-
solche Kompetenzen anzueignen und zu trainieren.      aufgaben konsequent zu erledigen, verlaufen güns-
Der Lernprozess muss aber begleitet werden. Dazu      tiger, wenn nicht ein moralisierender Ton angeschla-
sollten die Lehrpersonen die Arbeitsweise ihrer       gen wird. Selbstständigkeit muss erworben werden
Schüler/innen kennen. Oft werden die Schüler/innen    wie andere Fähigkeiten auch. Hausaufgaben bieten
nach dem Zeitbedarf für die Hausaufgaben befragt.     dazu eine Gelegenheit.
Zusätzlich sollte man danach fragen, wie sie die
Hausaufgaben erledigen. Bei Schüler/innen die viel    Wichtige Voraussetzungen sind ausserdem ein
Zeit benötigen und trotzdem unsorgfältige Arbeiten    geeigneter Arbeitsplatz, die Möglichkeit in Ruhe und
abliefern, sind Motivationsdefizite und Mängel bei    ungestört zu arbeiten und ein für die Hausaufgaben
selbststeuernden Fähigkeiten wie Konzentrations-      reserviertes Zeitfenster.
fähigkeit und Selbstüberwachung zu vermuten. Mit

Instrumente und Dokumente zum Erledigen von Hausaufgaben
`` L26 Selbstreflexionsbogen für Schüler/innen:       `` Karten zu Lernstrategien von IQES online
   Wie erledigst du die Hausaufgaben?                    www.iqesonline.net > Lernen > Lernen lernen >
   Der ausgefüllte Reflexionsbogen kann bei einem        Karten zu Lernstrategien
   Coaching Gespräch als Ausgangspunkt dienen.        `` Karten zum Lerncoaching von IQES online
   Der Bogen steht auch als Online-Fragebogen            www.iqesonline.net > Unterricht > Lerncoa-
   zur Verfügung. Damit lässt sich ein Bild ver-         ching - Pädagogische Gesprächsführung
   schaffen, wie die Schüler/innen einer Klasse       `` Hausaufgaben (Realschule Enger Lernkom-
   oder einer Schule ihre Hausaufgaben erledigen.        petenz I, Bausteine für eigenständiges Lernen
                                                         5./6. Schuljahr)
   www.iqesonline.net                                    www.iqesonline.net > Bibliothek > Suchbegriff
   > Unterricht > Aufgaben > Hausaufgaben                «Hausaufgaben»
14        Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben betreuen

C         Hausaufgaben betreuen
Die Rolle der Lehrpersonen
Die Lehrperson überprüft, ob die Aufgaben erledigt
sind, bespricht mit den Schüler/innen die Lösungen,
gibt individuelle Feedbacks und nimmt von den
Schüler/innen Rückmeldungen entgegen. Die
Forschungsergebnisse zeigen ziemlich deutlich,
welches Handeln der Lehrpersonen einen Nutzen
bringt und welches nicht.

  Förderliche Praxis                                  Hinderliche Praxis
  `` Prozessbegleitung durch Feedback: Beson-         `` Erledigungskontrolle: Schulklassen, deren
     ders förderlich ist ein inhaltliches Feedback,      Lehrpersonen einen kontrollierenden
     bei dem die Schüler/innen durch das Lösen           Betreuungsstil bevorzugen, zeigen ein
     der Hausaufgaben Informationen über ihr             geringeres Engagement bei den Hausaufga-
     Können und über vorhandenen Lücken                  ben. Auch auf die Leistung hat markantes
     erhalten. Die Wirksamkeit von Feedback ist          Kontrollverhalten der Lehrpersonen einen
     auch dann gegeben, wenn dies gelegentlich           eher negativen Einfluss. Unter einem
     geschieht.                                          kontrollierenden Betreuungsstil versteht
  `` Prozessbegleitung durch Einbau in den               man, dass in erster Linie überprüft wird,
     Unterricht: Erfolgreich sind Lehrpersonen,          ob die Aufgaben erledigt sind und fehlbare
     die bei den Hausaufgaben nicht nur auf              Schüler/innen sanktioniert werden.
     die Ergebnisse achten, sondern sich auch
     für die Denkprozesse der Schüler/innen
     interessieren. Sie gehen im Unterricht
     konstruktiv auf Fehler ein und schaffen
     Gelegenheiten, bei Schwierigkeiten Lücken
     zu schliessen.
15

Hinweise zum individuellen Feedback bei
                                                            Mathematik
Hausaufgaben
`` Fokussieren Sie das Feedback auf die Aufgabe,        «Du beherrschst die Addition der
   betonen Sie auch Gelungenes.                        Brüche, wenn sie einen einfachen
`` Beschreiben Sie das Was, Wie und Warum.             Nenner haben. Ist der Nenner grösser als
`` Formulieren Sie ihr Feedback so einfach und so
                                                       10, bist du noch etwas unsicher. Wenn
   sparsam wie möglich.
                                                       du dir beim Gleichnamig-machen grösse-
`` Bewegen Sie den Fokus von der momentanen
                                                       rer Nenner Notizen machst, schaffst du
   Leistung auf das weitere Lernen, seien Sie
   fehlerfreundlich.                                    schwierigere Brüche besser. Versuch dies
`` Bieten Sie auch Feedback an, nachdem                    mit den folgenden Aufgaben ...»
   Lernende Lösungsfortschritte gemacht haben.
                                                                          Geschichte

                                                                 «Anhand der Bildquelle
                                                               hast du treffend beschrieben,
                Englischunterricht                             was das Mädchen zwischen
                                                               den grossen Spinnereimaschi-
       «Deine Wegbeschreibung hast du verständ-
                                                              nen fühlen könnte. Finde noch
       lich formuliert. Schau jedoch, ob du noch
                                                              Unterschiede zum Jungen,
        genauere Richtungsangaben einbauen kannst
                                                              der Teppiche knüpft. Dann
             (z.B.: to keep straight on, usw.).»
                                                               ist deine Interpretation
                                                                        vollständig.»

Hinweise zum Besprechen der Hausaufga-               Instrumente und Werkzeuge für Lehrper-
ben in der Klasse                                    sonen zum Begleiten der Hausaufgaben
`` Gehen Sie auf Fehler ein.                         `` Karten zum Lerncoaching von IQES online
`` Interessieren Sie sich dafür, wie die Schüler/      www.iqesonline.net > Unterricht > Lerncoa-
   innen die Hausaufgaben gelöst haben.                ching - Pädagogische Gesprächsführung
`` Freuen Sie sich, wenn jemand einen neuen          `` Fragebogen S15 (Schüler/innen-Befragung) und
   Lösungsweg oder etwas Spezielles herausge-           S16 (Lehrpersonenbefragung)
   funden hat.
`` Stellen Sie Aufgaben, bei denen die Schüler/
   innen über etwas Neues nachdenken müssen,
   und führen Sie anschliessend einen Austausch
   in der Klasse durch.
`` Zeigen Sie, dass es wichtiger ist, sich anzu-
   strengen als alle Aufgaben richtig zu lösen.
16        Leitfaden Hausaufgaben-Praxis: Hausaufgaben betreuen

Die Rolle der Eltern
Die Hausaufgaben sollten so erteilt werden, dass        `` Hilfe hilft nicht immer: Je häufiger sich Eltern bei
die Schüler/innen sie möglichst ohne elterliche Hilfe      den Hausaufgaben engagieren, desto ungünsti-
erledigen können. So können sich die Eltern darauf         ger verläuft die Leistungsentwicklung.
beschränken, ihre Kinder emotional zu unterstützen      `` Ungünstige Effekte zeigten vor allem Einmi-
und für die geeignete Infrastruktur zu sorgen.             schung («Meine Eltern fragen mich oft, ob sie
                                                           mir beim Lernen helfen sollen») und Kontrolle.
Erkenntnisse der Forschung                                 Dabei kann ein Teufelskreis entstehen. Wenn
`` Eltern sind von der Nützlichkeit von Hausaufga-         Eltern bemerken, dass die Leistungen ihres
   ben mehrheitlich überzeugt, und sie sind auch           Kindes sinken, mischen sie sich bei den Haus-
   bereit, ihren Kindern dabei zu helfen.                  aufgaben mehr ein. Die Einmischung führt aber
`` Das elterliche Hausaufgabenengagement ist               nicht zu besseren, sondern zu schlechteren
   bei leistungsschwächeren Schüler/innen eher             Leistungen. Der Effekt scheint bei älteren
   höher. Auf diese Weise möchten Eltern auf die           Kindern ausgeprägter zu sein als bei jüngeren.
   schwächeren Leistungen ihrer Kinder reagieren.       `` Günstig ist die elterliche Unterstützung zu
`` Der soziale Hintergrund hat wenig Einfluss              Selbstständigkeit und Autonomie («Meine Eltern
   darauf, ob Eltern ihren Kindern bei den Haus-           kann ich jederzeit fragen, wenn ich etwas nicht
   aufgaben helfen.                                        verstehe»). Präsent sein und helfen, wenn
`` Sowohl Eltern als auch Kinder berichten, dass           Kinder oder Jugendliche Hilfe wünschen, hat
   die Hausaufgaben nicht selten eine Konflikt-            sich als wirksam erwiesen.
   quelle darstellen.
17

Bedeutung für die Praxis                                   Förderlich ist
Aus praktischer Sicht ist die negative Beziehung           `` vor allem dann helfen, wenn das Kind Hilfe
von Engagement, Einmischung und Leistung von                  wünscht.
grossem Interesse. Es ist nachvollziehbar, dass            `` das Kind ermutigen, bei Problemen auch
Eltern auf ungenügende Schulleistungen oder                   selbst nachzudenken.
schlechte Noten mit verstärkten Hilfsbemühungen            `` Rückmeldung geben (Jetzt hast du es fast
reagieren. Wenn das Kind diese Hilfe als Einmi-               geschafft!).
schung empfindet, ist sie aber kontraproduktiv.            `` bestätigen, nicken.
Ungewollt wird ihm damit signalisiert: «Du kannst es       `` bei Leistungsproblemen gemeinsam
nicht ohne mich.»                                             Gründe herausfinden und Lösungen
                                                              suchen.
Daraus folgt, dass die Schule die Eltern nicht als         `` das Kind bei Misserfolgen trösten.
Hilfslehrerinnen und Hilfslehrer einsetzen sollte. Die
Lehrpersonen müssen die Aufgaben so auswäh-
len, dass die Schüler/innen sie selbstständig ohne         Hinderlich ist
elterliche Hilfe lösen können. Die Familie leistet eher    `` dauernd neben dem Kind sitzen.
emotionale Unterstützung, indem sich die Eltern            `` Unterlagen zu sich nehmen.
für die Schule interessieren und Anteil nehmen. Sie        `` Das Kind vorlesen lassen und oft
können Anstösse geben und auch einmal helfen,                 korrigieren.
wenn das Kind dies wünscht.                                `` auf die Antwort zeigen.
                                                           `` kleinschrittige Anweisungen geben.
Bei Elterngesprächen sollte je nach Verlauf die            `` die Aufgabe anstelle des Kindes lösen.
Hausaufgabenhilfe angesprochen werden. Wenn                `` Antworten selbst geben.
Eltern z. B. erfahren, dass ihr Kind leistungsmässig       `` dem Kind und seinen Fähigkeiten
im Rückstand ist, muss man sie darüber aufklären,             misstrauen.
wie sie am besten helfen können. Sonst besteht             `` Direktiven geben (Mach jetzt das!).
die Gefahr, dass sie überreagieren und sich stärker
einmischen, was sich negativ auf die Motivation und
die Leistung des Kindes auswirken kann.
                                                          Ergänzendes Material zur Rolle der Eltern
Möglich ist auch, die Hausaufgabenbearbeitung in          `` Powerpoint Präsentation für Elternabende
die Schule zu verlagern. Dabei sollten Schüler/innen
Einzelbetreuung einer pädagogisch geschulten
Person in Anspruch nehmen können. Aufsicht allein
ist unwirksam.

An Elternabenden informiert man allgemein darüber,
wie die Hausaufgaben an der Schule gehandhabt
werden und gibt den Eltern Empfehlungen für das
Verhalten zuhause ab. Die folgende Tabelle stammt
aus der Präsentation für Elternabende und fasst die
wesentlichen Punkte zusammen.
18        Leitfaden: Hausaufgaben-Praxis

Hausaufgaben in unteren                                  Hausaufgaben und
Klassen                                                  gesellschaftlicher Wandel

Hausaufgaben in den unteren Klassen der Primar-          Ein beträchtlicher Teil der Kinder ist bei der Erledi-
schule (ca. bis und mit der 4. Klasse) haben nach        gung der Hausaufgaben nicht beaufsichtigt und
den vorliegenden Daten keine bedeutsamen Effekte         auf sich selbst gestellt. Die Berufstätigkeit beider
auf die Leistung. Man erklärt sich diesen Befund wie     Elternteile verkürzt die Betreuungszeit generell. Die
folgt:                                                   Nachfrage nach familienergänzenden Betreuungs-
`` Jüngere Kinder sind leichter ablenkbar.               plätzen übersteigt vielfach das Angebot.
`` Jüngere Kinder haben weniger ausgebildete
    Lernstrategien für selbstständiges Lernen.           Über diese Entwicklungen können Schule und
`` Untere Klassen erhalten weniger Hausaufgaben,         Öffentlichkeit mit ihrer fest verankerten Tradition von
    weil die Kinder sonst überfordert wären. Die         Hausaufgaben nicht hinwegsehen. Eine Überprü-
    zeitliche Dauer fällt zu wenig ins Gewicht.          fung der bisherigen Praxis ist gerade bei jüngeren
                                                         Kindern vielfach unumgänglich. In manchen
Man kann daraus nicht zwingend folgern, dass man         Gemeinden und Städten werden deshalb zuneh-
in diesen Klassen keine Hausaufgaben mehr geben          mend Hilfsangebote zur Verfügung gestellt.
sollte. Vor allem Kinder, die in die Schule eintreten,
wünschen sogar Hausaufgaben. Befragungen von
Kindern haben gezeigt, dass sie dabei lernen, dass
es institutionelle Verpflichtungen gibt und dass
Hausaufgaben zum schulischen Alltag gehören.
Ferner können sie zeigen, dass auch sie in einem
von Erwachsenen geschaffenen System kompetent
agieren können. Für die Eltern sind die Hausaufga-
ben zudem ein Ausgangspunkt, um sich mit ihren
Kindern darüber zu unterhalten, was in der Schule
geschieht und was sie dort lernen. Dieses Interesse
an der Schule, nicht in der Rolle als Hilfslehrperson,
ist sehr bedeutsam für das Lernen und die Motiva-
tion. Keinesfalls sollten Hausaufgaben in den ersten
Schuljahren belastend sein.
19

Schulische Vereinbarung zur
Hausaufgabenpraxis

Hausaufgaben sind ein wesentlicher Teil des Schul-
alltags. Sie stellen eine Verknüpfung zwischen
Schule und Elternhaus her und können sich in
dieser Beziehung positiv wie negativ auswirken.
Sie beeinflussen zudem den Lernerfolg der Schü-
lerinnen und Schüler. Deshalb sollte an der Schule
eine Vereinbarung getroffen werden, wie die Lehr-
personen und das ganze Kollegium mit den Haus-
aufgaben umgeht. Die folgende Erklärung ist ein
Beispiel für eine solche Vereinbarung. Wir geben
den Schüler/innen eher kurze Hausaufgaben, dies
aber regelmässig.

1. Lehrpersonen der gleichen Klasse sprechen
   sich gegenseitig ab, damit die Belastung durch
   Hausaufgaben nicht zu gross wird.
2. Unsere Hausaufgaben regen zum Denken an
   und bereiten den weiteren Unterricht vor.
3. Wir differenzieren wenn möglich die Hausauf-
   gaben nach der individuellen Leistungsfähigkeit
   der Schüler/innen.
4. Wir reden mit den Schüler/innen über die
   Hausaufgaben. Wir klären ab, über welche
   arbeitstechnischen, intellektuellen und motivati-
   onsmässigen Voraussetzungen sie verfügen.
5. Unsere Hausaufgaben sind so formuliert,
   dass die Schüler/innen sie selbstständig lösen
   können. Es ist nicht notwendig, dass die Eltern
   bei den Hausaufgaben helfen.
6. Damit alle Schüler/innen verstehen, worum
   es geht, werden die Hausaufgaben schriftlich
   und/oder visualisiert erteilt.
7. Wir zeigen und erklären den Eltern, wie wir an
   unserer Schule die Hausaufgaben handhaben.
20         Leitfaden: Hausaufgaben-Praxis

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22        Leitfaden: Hausaufgaben-Praxis

Autor und Autorinnen
Alois Niggli leitet seit 2004 die Forschungsstelle der    Sandra Moroni arbeitet als Dozentin für Forschung,
Pädagogischen Hochschule Freiburg. Daneben ist            Entwicklung und Evaluation sowie Erziehungs-
er Dozent im Fach «Allgemeine Didaktik» an der            und Sozialwissenschaften an der Pädagogischen
Pädagogischen Hochschule Freiburg und Lehrbe-             Hochschule Bern (CH). Sie studierte Erziehungs-
auftragter an der Universität Freiburg für Allgemeine     wissenschaften und Germanistik an der Universität
Didaktik. Er ist Mitglied der Herausgeberredaktion        Freiburg (CH) und promovierte 2015 zum Thema
der Fachzeitschrift «Beiträge zur Lehrerbildung».         „Hausaufgaben als Brücke zwischen Schule und
Nach dem Studium der Erziehungswissenschaften             Elternhaus - Empirische Erkenntnisse für die Praxis"
und Pädagogischen Psychologie promovierte er              bei Prof. Dr. Ulrich Trautwein an der Eberhard Karls
1987 mit einer empirischen Arbeit zur religiösen Sozi-    Universität in Tübingen (D). Ihre Forschungsschwer-
alisation bei Prof. Dr. Fritz Oser in Freiburg. Ab dem    punkte sind Hausaufgabenforschung, Erwerb von
Jahr 1993 war er Leiter der berufswissenschaftli-         Forschungs- und Schreibkompetenz in der Ausbil-
chen Ausbildung für Studierende der Sekundarstufe         dung von Lehramtsstudierenden sowie Mentoring
I an der Universität Freiburg. 2002 wurde er zum          in der Praxisausbildung von Lehramtsstudierenden.
Titularprofessor ernannt. Seine Forschungstätigkeit
konzentriert sich auf die folgenden Schwerpunkte:
Hausaufgabenforschung/Kooperation            Schule-El-
ternhaus bei der Leseförderung/Innere Differenzie-
rung/Kooperative Lernarrangements/Mentoring in
der Praxisausbildung von Lehramtsstudierenden.

Inge Schnyder arbeitet seit 2002 in der Lehrerin-
nen- und Lehrerbildung der Universität Freiburg.
Sie unterrichtet einerseits Themen der Allgemeinen
Didaktik; andererseits begleitet sie die Studierenden
in der Berufspraxis und ist Studienberaterin. Sie ist
ausgebildete Sekundarlehrerin der Sekundarstufe
I und hat einige Jahre unterrichtet. Danach hat
sie das Studium der Erziehungswissenschaften
absolviert und 2014 schliesslich in diesem Fach bei
Professor Dr. Fritz Oser promoviert. In dieser Arbeit
interessierte sie sich im Besonderen für die Qualität
der Hausaufgabenvergabe.

                                                                                            Autor und Autorinnen:
                                                                                                      Alois Niggli
                                                                                                   Inge Schnyder
                                                                                                   Sandra Moroni

                                                                                                      Redaktion:
                                                                                                 Markus Mauchle

                                                                                                 Version 11/2016
                                                                                          Alle Rechte vorbehalten
                                                                                                  © IQES GmbH
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